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Mittwoch» äen 12. Dezember 192S )luer Tageblatt Anzeiger Mr -as Erzgebirge «va»»*r Gvdla« k»—sr«d»v Enthalten- -le amtlichen -ekanatmachnagea -es Nates -er Sta-t an- -es Mntsgerlchts Ilse. pofifih«GG»m»t MM SGB» lG» >«v Är. 289 «Ion 14 tsloeonikoH' 1Q<)K 23. )kchrgÄNA Der neue Führer lies Zentrums, vr. Na« »I, Mensch «ad Polltlk«». — Li« politische v«d««t«ng der Wahl. Der Parteitag de» Zentrum» in Köln wählte den Trle- r« Prälaten Dr. Kaa» zum Vorsitzenden der Gesamtpartei. Gr brach damit mit der bestehenden Ueberlieferung, nach der stete ein Jurist an der Spitze der Gesamtpartei stand und wählt, zum ersten Mal« «inen katholischen Geistlichen zum Parteivorsitzenden- Dies« Tatsache lenkt den politischen Blick zunächst aus die bisherigen Vorsitzenden der Zentrumspartei hin. Da «scheint an erster Stelle Ludwig Windthorst, der klug« hannoversche Staatsmann und Gegenspieler des Fürsten von Bismarck in der innerdeutschen Politik, der zu- i- ' men mit Eugen Richter dem Reichstag der Kaiserzeit Stempel aufdrückt«. Dr. Lieber, der ihm folgte, mar «in vorsichtiger Taktiker und glänzender Organisator, der die Versammlungsmassen mitzureißen wußte. Der ehrliche Schwabe Dr. Grd brr, ein Kapuziner in Zivil, überlebte den Welt- krieg und genoß infolge seiner absoluten Zuverlässigkeit in den stürmischen Kriegajahren bei Freund und Gegner größt« Hoch' achtung. Der wttzige Kölner Trimborn und Reichskanzler a> D- Marr sind noch in zu frischer Erinnerung, als daß sie einer besonderen Charakteristik bedürften. Allen diesen Zentrumsjuristen gemeinsam war, daß st« nur in kulturpoli tischen Fragen, «in« Zeit lang auch auf sozialpolitischem Ge biet«, zu führen suchten. Auf allen anderen Gebieten ließen sie di« brennenden Fragen der Zeit ruhig «ine Zeit lang brennen, wie man zu sagen pflegt, an sich herankommrn, um dann innerhalb der Partei, die ja in ihrer Zusammensetzung «ine Zusammenfassung der verschiedensten sich kreuz und quer begegnenden Volksinteressen darstellt, einen Ausgleich und eine Verständigung zu suchen. Dar Zentrum der Vorkriegszeit, daß sich stets gegen den von Lirmarck selbst formulierten Vorwurf, eine konfessio» nelle Partei zu sein, zu wehren harte, hat sich stet» ängst» lich gehütet, einen katholischen Geistlichen zum Parteivorsitzen- den zu wählen, obwohl es in den Prälaten Schädler, Wacker u. a. Geistliche mit großen Führergaben besaß. Don dieser wohlbegründeten Überlieferung ist jetzt der Kölner Parteitag abgegangen. Dir sozialpolitischen und kulturpoli- schen Fragen, die in den letzten Jahren Oeffentlichkeit und Parlament« bei uns in steigendem Maße beschäftigten, die Schulfrage und da» Problem der Trennung von Staat und Kirche, brachten es mit sich, daß di« katholische Geistlichkeit innerhalb der Zentrumsorganisationen und Zentrumsfraktionen Noch mehr als in der Vergangenheit hervortrat. Im Reichs tag wurde Dr. Vrauns der sozialpolitische, D r. Schreiber der kulturpolitische und Dr. Kaas der außenpolitische Führer und Sprecher der Zentrumsfraktion. Letzterer ist jetzt zum Führer der Gesan,«Partei gewählt worden. Man geht schwerlich fehl, wenn man di« Wahl de« Trierer Prälaten zum Parteivorsitzenden al» einen Ausweg au» einer vorliegenden Verlegenheit und als eine Notstands- Maßnahme bezeichnet. Wer den Kölner Zentrumsparteitag näher verfolgt», kann nicht mehr darüber im Zweifel sein, daß die Unsicherheit und der krisenhaft« Zustand, in dem sich die Zentrumswählerschaft seit einigen Jahren befindet, auch die Zentrumsführung ergriffen hat. E» ist in der ganzen Geschichte der Zentrumspartei noch nie vorgekommen, daß «in Z«ntrum»part«itag mit den Vorschlägen de» Zentrumsvor- ftandes, de» Parteivorstandes, so umging, wie dieser Kölner Parteitag. Der link« Flügel des Zentrum» und die Zen trumsjugend kämpften zusammen mit den Zentrumsidealisten gegen die Parteibürokratie an- Sie vermochten zusammen sich zwar nicht durchzusetzen, vermochten aber immerhin einen großen Achtungserfolg zu erzielen. Wie groß dieser ist, vermag nur jener gebührend zu würdigen, der sich in der Parteibürokratie und in den Parteivorständen der Zentrumspartet einigermaßen auskennt. Dr. Kaa», der neue Parteiführer, stammt au» den trierschen Landen. Wie die Trierer nun einmal sind, ist auch er persönlich liebens würdig, gemütvoll und klug. Kraft seiner hervorragenden Begabung widmete «r sich dem Studium de» eanontschen «echt» mit solcher Auszeichnung, daß er seit Jahren al» Pro- fessor zu den hervorragendsten Lanonisten Deutschland» gehört. In der verfassunggebenden Nationalversammlung schon zeigt« der Trierer Prälat aber ein« besondere Vorliebe für die außenpolitischen Fragen. In den letzten deutschen Reichstage« wußte er sich zum Sprecher der Zentrumsfrakton auf diesem Gebiete durchzusetzen. «» ist bekannt, daß er di außenpolitischen Ansichten sein«, Parteifreunde» Dr. Wirth nicht in allen Punkten teilt. Aber auch von der außen- poUtischen Linie Dr. Gtresemann« distanziert« er sich in der setzten außenpolitischen Aussprache de, Reichstage» sehr scharf. Da« gab dem Deutschnationalen Fraktionrführer, dem Grafen Westarp, erst vor wenigrn Lagen Veranlassung, die Mahnungen und Warnungen von Dr. Kaa« erneut herau»zust«llen und dem Herrn Retch«mßenminist«r Dr. Strese» mann mit auf den Weg nach Lugano zu geben. A, wär« verfrüht, au, d«r außenpolitischen Einstellung d" neu« Zentrum-führer, fetzt schon Schlüsse ftr dta Zu» Sn Lugano Vertagungen! Vegtrm der «. Tagung HM Bölkerbmrd-rats. Der Völker bunbSrat ist gestern vormittag 11 Uhr unter dem Vorsitz des französischen Minister- >beS Auswärtigen Brnmd, der auf Grund der alphabetischen Rethenfv^ sm- nischen Minister des Auswärtigen Procope in d-er Präsident schaft für das nächste Vierteljahr ablöst, zu der üblichen ver traulichen Sitzung zusammengetreten und hat damit die 5S. Ratstagung eröffnet. Zu der neuen Ratstagung sind ungefähr 15V Vertreter der internationalen Presse, darunter LS deutsche Journalisten, eingetroffen. Die erste öffentliche Sitzung der 53. Ratstagung wurde von dem neuen Ratspräsidenten Briand kurz vor XI2 Uhr eröffnet. Die Erledigung der Tagesordnung brachte nach dem bereits im Dezember 19L7 angewandten Verfahren die Vertagung der Beratung des Tätigkeitsberichts des Mandats ausschusses bis zur FrühMhrSfitzung, da wie Procope-Finnland ausführte, eine Bratung ohne Abschluß und ohne Vorliegen des gedruckten Sitzungsberichts schwierig, wenn nicht unmög lich fei. Ebenfalls vertagt wurde auf Vorschlag des finnischen Ministers des Auswärtigen Procope der englische Antrag auf Herabsetzung der jährlichen Ratstagungen von vier auf drei. Procope betonte, daß angesichts des Budgetrechts der Bundes versammlung in dieser Frage ohne ihre Mitwirkung nicht ent schieden werden kann, und daß also di« Tagungen im März und Juni nächsten Jahre- unverändert stattflnden müssen. Die nächste Sitzung wurde auf Dienstag vormittag ^l^lhr anberaumt. Es ist vorgesehen, daß di« Nachmittage möglichst sitzungsfrei bleiben, was die Fortsetzung der bereit- am Sonn tag aufgenommenen politischen Besprechungen erleichtern wird. Okamberlain bei vr. Stresemann Der englische Außenminister Sir Austen Chamberlain stattet« gestern nachmittag ReichSaußemninister Dr. Stresemann einen Besuch ab und hatte mit ihm «ine anderthalbstündige Unterredung, die den im Augenblick im Vordergrund des In teresses stehenden politischen Fragen galt. Dabei wurde jedoch, wie von unterrichteter Stelle m'tgeteilt wird, weder von der Reparationsfvag« noch über Abrüstungsfragen gesprochen. ES ist daher anzunehmen, daß der hauptsächliche Gegenstand der Unterhaltung die Erklärung deS englischen AußenmlmsterS vor dem Unterhaus über Artikel 431 LeS Versailler Vertrages und die englische Rechtsauffassung über die RäumungSsrage bildet«. Di« Unterhaltung der beiden Staatsmänner, die sich feit März diese- Jahres nrcht mehr gesprochen haben, war, wie weiter erklärt wird, sehr freundschaftlich. Zur Fortsetzung der vor gestern und gestern aufgenommenen Besprechungen, über die vereinbarungsgemäß keine besonderen Mitteilungen auSgegeben wurden, wird Reichsminister Dr. Stresemann heute uno mor gen di« beiden Besuche BriandS und Chamberlains erwidern. Herr Okamberlain ilt IuverliLdtlicb Chamberlain über HM Raparationsfrag«. Bei «inem Empfang der englischen Press« , upltlskich Chamberlain unter Berufung auf die im Gange bvkmMcheu Verhandlungen zur Einsetzung eines Sechserständigenaus- schusfes für die Reparationsfrage die Notwendigkeit, den EA- fer Beschluß vom IS. September weiter auszubauen. D« Antwort auf di« deutsche Note vom 80. Oktober werde mü den lUnberreoungen, di« in der letzten Zeit in freundliche» Geist sich entwickelt hätten, bald ergehen. Die Reparation», frage fei im übrigen mehr «in« Frage der Finanzmimster als dec Außenminister, und er hoffe, daß ein« umfassende Regelung zustandekomme und di« Sachverständigen bereits in der näch sten Zett an die Arbeit gehen können. Unmittelbar nach den Arbeiten deS SachverftänvigenauSsckstlsses für die Reparation»« frage könne man auch die anderen Fragen in Angriff nehmen. Im übrigen meinte Chamberlain, daß man zur Lösung einer so wichtigen Angelegenheit wie der ReparationSfrage die nbviae Zeit zur Verfügung haben müsse, und betonte, daß «ine krank hafte Entwicklung in den europäischen Beziehungen vermiedea werden müsse. Auch Chamberlain erwartet keine Sensationen von Lugano und meint« in bezug auf den in deutschen Kreis« herrschenden Pessimismus, daß der gleiche Pefsktt-mus auch vor der Locarnokonferenz in Deutschland geherrscht hab«. Gr, Chamberlain, denk« in bezug aus die nötige Klärung b« Atm»- sphäre nüchtern, aber zuversichtlich Hoch -lr Sürokratlr wenn d« Völkerbund «Inen beginnende« Krieg vertziude», kann, bann ... Der Grenzzwischenfall Bolivien-Paraguay wird in Lugemo in den Kreisen mehrerer Ratsdelrgationen mit Interesse be sprochen. G» sind Erwägungen im Gange, ob sich der Völker» bundmat im Hinblick auf «ine friedliche Reglung des Streit falles an beide Parteien wenden könnte, dl« Mitglieder de» Völkerbünde» sind, wenngleich Bolivien seit Jahren nicht mehr an den Arbeiten der Lunde»versammlung teilnimmt. In Bezug auf Gerücht«, die von «inen bevorstehenden Schritt de« Nateo wissen wollen, ist jedoch festzustrllen, d-> f dieser sich nur nach Anrufung durch «ine der beiden Parteien mit der Angelegen« Helt befassen könnt,. Ein« solche Anrufung ist bi»her nicht erfolgt. Ein« weitere Möglichkeit wär«, daß em» der Rat»» Mitglieder auf Grund von Artikel 11 de» Pakte» di« Frag« vor den Rat bringen würde, um diesen zunächst zu veranlassen, beide Parteien al» Vöikerbund»mitgli«der an ihre durch den Pakt übernommenen Verpflichtungen zur friedlichen Regelung von Streitfällen zu erinnern- Ob diese Erwägungen, an denen sich bi» jetzt nur einige wenige Delegationen beteiligen, von den übrigen Rat»mitgliedern al» zweckmäßig erachtet werden, steht noch dahin. kunft zu ziehen, verringert dürften unserer außenpolitischen Schwierigkeiten hinsichtlich ihrer parlamentarischen Behandlung durch di« Wahl de» Prälaten Dr. Kaa» zum Vorsitzenden der Zentrumspartet indessen schwerlich werden. In den Reihen der Sozialdemokrti« und deutschen Demokratie befürchtet man außerdem, daß diese Wahl erschwerend wirken wird, da man sich auf «ine Versteifung der Zentrumsforderungen in der Frag« des Reichsschulgesetzes und de» Konkordates in Preußen gefaßt macht. Ob diese Befürchtungen indessen zntreffen, kann erst di« nächste Zukunft lehren. Ebenso ist völlig offen, ob di« Hoffnungen der Zentrumspartet sich erfüllen, die sich auf agitatorischem und organisatorischem Gebiete an den neuen Vorsitzenden knüpfen. Vir Christlichen Srrverkschaften zur Wahl von kaas „Der Deutsche", daS bsn Christlichen Gewerkschaften nahe stehend« Organ, stellt >im «Krem Kommentar zu dem Kölner Parteitag de» Zentrum» fest, daß die Arbetterwähler des Zen trums mit dem Ergebnis der Führerwahl nicht zufrieden stad. Sie erblicken darin, d. h. in der Wahl des Prälaten Saas, und in der Ablehnung StogerwakdS nicht nur eine Zurück setzung Ihrer Führer, sondern auch eine Zurücksetzung ihre» Stands und müßten da» höchst peinliche Gefühl haben, daß man ihnen und ihren Führern nicht da- Maß von Vertrauen, Fähigkeit und gutem Willen zumißt. da» man sonst jeder Schicht und jedem PoMker, sei er Beamter oder Geistlicher, ohne weitere» zubillige. Der Kommentar schließt mtt den Worten: „Die Arbeiterschaft denkt nicht daran, sich etwa in der Roll« deS Enttäuschten und Gekränkten zu gefallen. Sie kennt ihre Aufgabe und wird mit verstärkter Kraft an die Arbeit gehen." Im übrigen findet am Sonntag, den 16. ds. MtS., in Essen eme große Versammlung der ArbeiterzentrumSwähler statt, in der Dr. Stegerwald und der Abgeordnete Jmbusch über den Zentrumspartsitag und Arbeiterschaft sprechen werden. Die Bahn ist frei. Gut« Auiflchte» für di« groß« Koalttton. Mit dtt Neuwahl de» Parte Vorsitzenden dr» Zentrum» ist auch in dieser Partei die Lage für di« bevorstehend«, Verhandlungen über die formelle Stabilisierung der großen Koalition im Reich geklärt wie wir an» Zentrunwbketf«, erfahren, ist der neu« Parteichef, der Abg. Kaa», al» Anhänger der großen Koalition zu bezeichnen I» wird ihm auch ein besondere» Talent dafür nachgrr^mt, ««gleichend bet den verschiedenartigen Mrinungsströmungen innerhalb dr» Zentrum« wirken zu können. Somit ist die Bahn für die große Koalition im Reich ftetgemacht »nd in parlamen tarischen Kreisen ist man der Auffassung, daß di« interfrak tionellen Besprechungen, die am Mittwoch beginnen werden, aussichtsreich sind. Sobald dann im Reich, vermutlich z» Anfang de« neuen Jahre» e t n e «»dgütttg« Neglenmg der Parteien von Breitscheidt bl» Scholz zustande gekommen sein wird, werden in Preußen entsprechende verhandln»-«« ausgenommen. In beiden Fällen gilt al« sicher, daß di« Demokraten al» die zahlenmäßig schwächste Fraktion ans einige Ministerposten wird verztchten müssen- Man rechnet im allgemeinen, um überhaupt «inen Maßstab für di« Ne» teiligung an der Regierung zu haben, daß innerhalb der großen Koalition auf je 80 Mandate rin Mtnisterportefeuill« zu entfallen hab«. Severlng fährt nochmal» nach vü/selüssf. Die „Voss. Atg." meldet aus Essen: Minister Severing wird nach Prüfung deS ihm von den Davifpardeien der nord westlichen Gruppe vorgelegten Material» am Donnerstag in Düsseldorf nochmals mtt den Vertretern der Gewerkschaften und der Arbeitgeber über di« endgültige Regelung der Lohn» und ArbettSzeitftage in der rheinnch-westfälischen Medccklindu- strie beraten. Für Freitag und Sonnabend find wettere Be ratungen mit anschließenden Werkbesichtigungen in Aussicht gs.commen. Es L«strht somit die MöglichÜrr, haß der GchÄk sprach OG» O« Lllfanx -Em Oschs OsM »ackM