Volltext Seite (XML)
Sonntag, äen 30. Dezember 1926 23. Jahrgang Mer Tageblatt LaaMya M»«?»ettv Eachaltra- -k amtliche« 0ekan«tmach«agea -es Rates -er Sta-t uaö -es Amtsgerichts Mae. r „m« «„pzig a». iee» Nr. 303 Wir unä äie anäeren Europäer 1926 Das Mnmn der hohen deutschen Politik nm Weltgeltung Hal unserem VoEe im den letzten Jahren die Uedermacht der Außenpolitik Wer die Innenpolitik klar zum Bewußtsein ge bracht. Noch nie seit dem Bestehen des Deutschen Reiches hat sich die deutsche Oesfenivichksit so sehr mit den F ra gen der Außenpolitik beschäftigt, wie in dem soeben verflosse nen Jahre, ganz einerlei welche Stellung Einzelne Einnahmen. Wir «Micken darin «inen unverkennbaren Fortschritt in der taatspolitischen Schulung und Erziehung unseres Moltes und «grüßen ihn aufs wärmste. Mögen dl« Ansichten über die Ewells schwebenden Tagesfragen auch noch so weit aus- einanderaogangen sein und die Irrungen und Wirrungen in der politischen Welt der Meinungsverschiedenheiten gewaltige Ausm-üße erreicht haben, so wissen wir doch alle, daß Irrtümer da find und gemacht werden, um, wenn auch in hartem Rin gen, durch die Wahrheit überwunden zu werden. Im Zenith unserer gesamten Außenpolitik stehen unsere Bezieh un gen zur französischen Nachbarrepu- b l i k. Denken wir heute an die Vereinbarungen von Locarno, unseren Eintritt in den Genfer Völkerbund und die friedlichen Gespräche Dr. Stresemanns und Wriands in Thoiry zurück, die Weihnachtszeit drängt ja dazu, dann müssen wir schon feststellen, daß der Anfang, den Locarno nach der da- maligen Auffassung Chamberlains bilden sollte, keine geradlinige Fortsetzung, sondern «ine krumme und kurvenhafte Abwärtsdrehung fand. In allen den Fragen, die das Deut sche Reich und Frankreich besonders angehen, wie die Räu mung der besetzten Gebiete, der vorzeitigen Räumung des Saargebietes, der Abrüstungsfrage, 'den Schutz der Minder heiten und der Meparationsfrage, wurde ein wesentlicher Fort schritt nicht erzielt. Wohl kam man kurz vor Iahresschluß zur Einsetzung eines Finanzsachverständigenausschusses, der auf der Grundlage der vorhandenen Verträge und Vereinbarungen Vorschläge zur endgültigen Regelung der Reparationsfrage machen soll, doch werden die Arbeiten dieses Ausschusses und die sich daran anschließenden politischen Verhandlungen deut scherseits durchweg ohne viel Zuversicht verfolgt. Auffallender weife herrscht gerade in den Linksparteien wenig Vertrauen auf eine baldige und glückliche Regelung dieser international und national so wichtigen Frage. Es ist nun mal ein Verhängnis in den deutschsran- zösischen Beziehungen, daß beide Völker kotz vielen guten Willens, der diesseits und jenseits 'der Vogesen fraglos vor handen ist, sich nicht finden rönnen. Das deutsche Volk wählte in seinen Frühjahrswahlen einen Reichstag, der schon durch feine bloße Zusammensetzung bekundet, wie viel unserer Nation an einem billigen und gerechten Ausgleich sowie einer Verständigung und Versöhnung mit Frankreich gelegen ist. - Die französische Nation dagegen wählte eine Kammer, die! 'den Natwnalistenführer Po ine ar 6, dem wir den Eiw? marsch der Franzosen ins Ruhrgebiet verdanken, «in geradezu! glänzendes Vertrauensvotum ausstellte. Unter seinem E n- fluß hielt Bviand auf der Ssptembertcvgung des Genfer Völkerbundes eine Rede gegen den deutschen Reichskanzler Müller, die alle Friedensfreunde auss schwerste erschütterte und unter seiner Führung brachte Kriegsminister Painlev 6 einen Hssresetat «in, der den letztjährigen um rund 900 Mil lionen Franken überstieg. Zeigt schon diese nackte Zahl, was von dem internationa len Abrüstungsgerede in Wahrheit zu halten ist, so bewies das englisch-französische Marineabkommen, dessen Enthüllung wir einer gütigen Fügung verdanken, daß mindestens zwei europäische Großmächte, nämlich Eng land und Frankreich, nicht gewillt sind, aö-I zu rüsten. Das natürliche Echo darauf waren die bekann ten Reden des amerikanischen Präsidenten Coolidge und! die Vorlage der Regierung der Bereinigten Staaten an Kass Repräsentantenhaus, die einen starken Ausbau der ame-8 rikanischen Kriegsmarine bringen wird. Eines bessere Kennzeichnung für di« wahre Bed«utung des Briand-g Kellogg-Paktss zur internationalen Aechtung des Krieges, deng man im August feierlich unterzeichnete, läßt sich schwerlich S denken. Oder doch? Zum allgemeinen Staunen der diplomatischen Welt verkündete gegen Jahresende Mussolini, daß er bisher sämtliche Dokumente des Völker bundes, auch den Briand-Kellvag-Pakt, unterzeichnet 'habe und, auch künftighin ohne näheres Zusehen alle ähnlichen Urkunden unterzeichnen werde, um ja nicht in den Verdacht zu kommen, daß etwa Italien den Frieden der Kinder dieser Welt stören morde. So lange aber die Franzofen, die Engländer und Amerikaner hinter den Redensarten ve» Genfer Völkerbundes oder eines irgendwie gearteten KulturimpsrialismuS weiter aufrüsten würden, werde auch er dafür Sorge tragen, daß Ita lien kampfbereit wäre. Diese Enthüllungen deS Duce sind ihm in diplomatischen Kreisen sehr verübelt worden. Die ganze alte Schule machte gegen ihn Front. Nur LloydGeorg«, der alte liberale Führer Großbritanniens, stellt« sich schützend vor ihn und sprach ihm öffentlich und international seinen Dank dafür aus, daß er durch feine ungeschminkte Darstellung des Tatbestandes den Völkern die Augen öffnete. Der AuSbruch des Aetna auf Sizilien, die unge heueren Lovamasfen, die dieser Vulkan aus feinem Innern schleuderte und das Abflirten der Lava zum Meere hin hatte eine tiefe symbolische Bedeutung. ES ist wiederum lebendig geworden im Mittelmeer und in der Mittelmeerpoli tik. Die Ermordung deS italienischen Generalkonsuls in Paris, das milde Urteil eines Pari,»« Schwurgerichtes über den Mörder, daß einem Freispruch fast aleichkam, erregte in Italien eine ungeheure Empörung- Der Italiener mag »inen Franzmann leiden. Hinter der Volksstimmung steht aber die Verstimmung der italienischen Staatspolitiker, die Frankreichs Mittelmeerpolitik nicht billigen und erkennen, daß sie in den letzten Jahrzehnten von den Franzosen über di« Ohren ge hauen wurden. Realpolitische Interessengegensätze in Nord afrika, auch auf Korsika und m den von Italienern bewohnten süd-französischen Lairdesteilen stehen im Hintergrund«. Es schließen sich kaum minder scharfe Interessengegensätze in der BalkanpMtik beider Länder an. Schließlich stoßen auch im östlichen Mittelmeer die politischen und wirtschaftlichen In teressen beider Länder auseinander, so daß man es wohl ver stehen kann, wenn di« öffentliche Meinung Italiens heute in Frankreich den Gegner und Feind sieht, der sich Überall seiner natürlichen politischen und wirtschaftlichen Ausdehnung ent-8 gegenstellt. i Auf 'dem Balkan hielt der französische General Le' Rond die politischen Gemüter in fortgesetzter Spannung/ Man konnte ihn fast zu 'jeder Jahreszeit in Belgrad, Sofia und Bukarest sehen. Auch näch Athen und Budapest beliebte er Abstecher zu machen. Ernstere Arbeiten hatte er in Prag und Warschau zu erledigen. Dazwischen fielen Besuche von Militürkommissionen aus Polen in Rumänien und aus der Tschechoslowakei in Südslawien. Nirgends pflegen - derartige Militärkommissionen als himmlische Heerscharen des Friedens betrachtet zu werden. Die Cherubinen und Seraphi-' nen sind anders geartet. So darf man sich nicht wundern, wenn in diesem Zusammenhang von einem engeren Ausam-' menschluß der kleinen Entente und von neuen Militär bündnissen gesprochen wurde. Am meisten macht« die Reise 'des polnischen Marschallprüsidenten PilsudSIi nach Rumänien und im Anschluß daran ein viel erörtertes pol nisch-rumänisches KriegSbündnis von sich reden. Di« Dezembertagung des Völkorbundsrats in Lugano und di« Rede des polnischen Außenministers Zaleski gegen die deutschen Minderheiten in Oberschlesien lenkte auch unsere Aufmerksamkeit erneut auf Polen hin. Das ganze Jahr über bemühte sich eine deutsche Handelsvertretung unter Füh rung des früheren Reichsministers Hermes, mit Polen ßu einer Einigung Über einen deutsch-polnischen Handelsvertrag Ginberukung der Abrüstungs konferenz Ter Ausschuß zur Vorbereitung einer ersten Inter nationalen Abrüstungskonferenz ist, wie das Bölker- bundSsekretariat amtlich bskanntgibt, von seinem Prä sidenten LvudonpHolland auf Montag, den 15. 4. nächsten Jahres zu einer neuen Tagung einberufen wor den. Wie erinnerlich, hatte die letzte Bölkerbundsver- sanrnAung unter Hinweis auf ihre früheren Beschlüsse den beschleunigten Abschluß, der Abrüstung-Vorarbeiten verlangt, die vor bald zwei Jahren in- Stocken gerie ten, und deshalb die baldige Einberufung einer neuen Tagung innerhalb der ersten drei Monate de» kom menden Jahre» gefordert, auch wenn bi» dahin die bestehenden Meinungsverschiedenheiten über die See abrüstung und die Einbeziehung der ausgebildeten Land reserven nicht beigelegt sein sollten. Ferner wird bekannt, daß Graf Bernstorff in seiner Eigenschaft al» Vorsitzender de» Sonderaus schusses für Kontrolle der Rüstungsindustrie auf Mon tag, den 11. März, .einen Sachverständigenausschuß einberufen Hai, der den neuen belgischen Vorschlag zur Abänderung der bisher in Anlehnung an die Waffsn- handelskonvention vorgesehenen Kategorien für Kriegs materialien Prüfet: soll. Sämtliche im Sonderaus schuß vertretenen Staaten würden aufgesordert, zu die ser Tagung Sachiv.stündige zu entsenden. Nrur Verschärfung -er Lage zwischen öolivlea un- Paraguop Nachdem die BermittlungSbemühungen zum Still stand gekommen sind, da man abwartet, ob Bolivien und Paraguay den vor zwei Tagen in Washington aus gearbeiteten Protokollentwurf annehmen, berichtete die Gesandtschaft Paraguay» gestern abend, die Bolivianer Hütten da» Fort Panguardia in de« umstrittenen Ge biet wieder besetzt und ihre Truppen zwölf Meilen Wetter in da» Innere de» Gebiete» vorgeschoben und dadurch Wiede? eine „sehr ernste Lage" geschaffen. Di« Gesandtschaft bemerkt, dieser Borstotz sei ohne Ge fechte vor sich gegangen. Die Bolivianer Hütten Vor teil au» dem Befehl gezogen, den die Regierung Para guay» an ihr« Truppen au-gegeben hatte, alle Feind seligkeiten einzustellen. «in chinesisch« «nu-ebesehlshaber standrechtlich «schoflen. Lite Agentur Zndopaeifiqu« meldet au» Peking: Der Befehlshaber der 4. Armee, die gegen die Re gierung gemeutert hat, General vu Schien, ist am Mittwoch In Peking standrechtlich erschossen worden. Die iUwpf» 1» d« Pr-ovta- «zotschuan dauor» an. zu gelangen. All« Bemühungen blieben jedoch vergebens. Der taktlos« Heb erfüll Zoleskis in Lugano auf bi« deutschen Min derheiten in Oberschlssien, der umso unerhörter war, als alle Welt weiß, daß nur unter Vertrags- und Rechlsbruch die Teilung Oberschlesiens zugunsten Polens erfolgen konnte, die wir heut« beklagen, rief Dr. Str« s« mann mit ein«r Ant wort auf den Plan, wie sie im Völkerbundsrate bisher noch nie gekört wurde. Auch der deutsche Volksbund in Oberschlesien sowie die deutsche Presse in Ostoberschlesien setzte sich mannhaft -ur Wehr. Weiteres und Näheres wird zu dieser und zu ähn lichen Fragen ans der nächsten Tagung des VölkerbundsrateS zu sagen sein, auf -der die Rechte der Mindecheiren aus amt lichen deutschen Antrag hin offiziell zur Sprache kommen werden. Auch mit S -owjetrußland unterhält das Polen Pil- sudskis keine freundschaftlichen Beziehungen. Die schärfsten Enthüllungen Über das Polnisch-rumänische Militärbündnis, das sich unmittelbar gegen Sowjetrußland richtet, kamen ans Moskau. Die sowjetrussische Eurodapolitik ist im letzten Jahre im wesentlichen die gleiche geblieben, wenn sich auch einige bedeutsame Aeuderunaen zeigten. Nach dem Rückschlag der deutsch-russischen Beziehungen, die der Prozeß -gegen die Donez-Jngenieure im 'Gefolge -hatte, folgte alsbald eine verstärkte diplomatische Aktion des allzu früh verstorbenen deutschen Botschafters, des Grafen Brockdorff-Rantzau. In feinem Geiste wurde kurz vor Iahresschluß der deutsch- russische Handelsvertrag verlängert. Vorsichtige Fühler Mos kaus nach London hin erweckten in der britischen Hauptstadt keinen Widerhall. Dagegen wurden di« fortgesetzten scharfen Polemiken 'der amtlichen Sowfstpresse gegen die französische Außenpolitik in Paris mit steigendem Unbehagen zur Kennt nis genommen. Die Herren von Kreml sind gegenwärtig der Auffassung, daß die Zentrale der sowjetfeindlichen -Europa politik und der Einkreisungspolitik Sowjetrußlands von Lon don nach Paris verlegt wurde. Daß unter allen diesen Umständen das Abrüstunasproblem sich keinen Schritt seiner Verwirklichung näherte, ist nicht verwunderlich. Die Völ ker 'haben offenbar kein Vertrauen zu dem Frieden, den wir heut« haben. vke Lage kn flfghanistaa „Daily Mail" berichtet aus Lahore: Tie aufstän dischen Afghanen sind jetzt von den Regterung-trup- pen in die Kabul umgebenden Berge vertrieben wor den; ihre Verfolgung ist im Gange. Die Hauptstadt ist jetzt ruhig. Die königliche Familie hat sich- nach Kandahar begeben, um Stämme um sich zu scharen, mit denen sie Blutsverwandtschaft besitzt Es wird an gedeutet, daß Amanullah vielleicht zugunsten seines Sohnes zurück treten werde. Ein Mi litärflugzeug au» Bagdad ist tn Kabul eingetroffen, und ein weiteres folgt zur Beschleunigung der Ab» tranSPorte. Augenblicklich herrscht tn Kabul Schnee fall, der den Abflug der Maschine verhindert. Biele Personen warten noch auf ihre Abbeförderung, und die Vorräte gehen zu Ende. Bei der Landung de» Flugzeuges aus Bagdad soll, wie „Daily Mail" weiter meldet, eine deutsche Frau von dem Propeller ge troffen und getötet worden sein. Tie britische Gesandt schaft hat unter schwerem Feuer gestanden, und ihre Zimmer sind verbarrikadiert. Nach Melkungen aus afghanischer Quelle sollen die Aufständischen den Fluß Salang, der die clettLi- schen Anlagen der Stadt Kabul treibt, umgeleitet ho ben, was in der Stadt große Schwierigkeiten verur sacht. Heftige Kämpfe haben sich am 25. und 28. d. M. in der Umgebung Kabuls abgespielt, wobei di« der britischen Gesandtschaft vorgelagerten Hügel von den königStreuen Truppen eingenommen wurden. Meh rere aus dem Areal der Gesandtschaft stehende Gebäude sind durch Granaten beschädigt worden. Ein afghani scher Tiener der Gesandtschaft wurde getötet und zwei schwer verletzt. Beide Parteien versuchten, die hohe Mauer des Gesandtschaftsgrundstückes al» Schutz wehr zu benutzen. In Dschellalabad ist die Lage un verändert. Luttkgtnmge» ka GÜ-tkrol Wie den »Innsbrucker Nachrichten" au» Bozen gemeldet wird, werden durch «ine Entscheidung de» italienischen MtnisterrateS unter dem Titel von Me liorationen 1200 Hektar der sogenannten Etsch-Aue, di« sich von StegmundSkron bet Bozen bi» in die Nühe von Meran hinzieht, den gegenwärtigen Besit zern, ungefähr 2000, fast durchweg deutschen Klein bauern, abgenommen und Mitgliedern de» italienischen FrontkümPferverbande» zu Siedlungszwecken zugeteilt. Die Abfindungssummen für die bisherigen Besitzer sol len nicht einmal 50 Prozent de» Grundderkehr-Prei- se» betragen. Sollte der für Meliorationen enteignet« Grund zur Sicherheit der wirtschaftlichen Existenz der neuen Siedler nicht austetchen, so kann nach dem E» latz guter Kulturgrund benachbarter Güter isr Evt- «i5nung»w«sr Lsraas»»oüL» lserLer^