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Mittwoch» äen 3. April iS29 Vr. 77 r°g.dl°a enthalten- -lr amtlichen Sekanatmachuagea -es Rates -er Sto-t NN- -es Rmtsgerichts ^ue. p»stfch^.K.«t»r fwü 24. Jahrgang Die Vsterbotschaft von Dr. Asos Da« zweit« Jahrzehnt deutscher Außenpolitik Der Vorsitzende der deutschen ZentrumSpartet, Dir. Ludwig KaaS, liebt es, seine Gedanken über die deutsche Außenpolitik von Zeit zu Zett der aus ländischen Presse mitzuteilen. So begegnen wir auch jetzt zu Ostern wieder in einem führenden Wiener Blatt einem Artikel des ZentrumSfühverS, in dem er sich über Weg und Ziel, Hoffen und Ringen, seelischen Antrieb und politische Wirklichkeit in der Außenpolitik des neuen Deutschland offen ausspricht. Wir wollen an diesen Ausführungen nicht achtlos vorübergehen, da wir wissen, daß Dr. KaaS im Auslande hoch ge schäht wird, es sogar viele Politiker gibt, die in ihm den Nachfolger Tw. StresemannS erblicken. So bescheiden und unbefriedigend die Anfangs- -cgebniffe der Friedens, und Verständigungs politik unseres Reiches während der letzten zehn Jahre sein mögen, schreibt Dir. KaaS, auch sie wären unerreichbar gewesen, ja hätten längst verhängnisvollen und vielleicht sogar katastrophalen Rückschritten Platz gemacht, wenn die Verantwortliche Führer der deutschen Außenpolitik den Versuch gemacht hätte, diejenigen Gedanken in die Praxis umzusetzen, die von der Oppo sition jahrelang als außenpolitische Ansichten vertre ten werden. In der Geschichte des neuen Deutschland hat das zweite Jahrzehnt begonnen. Bis heute ist es der deutschen auswärtigen Politik trotz gigantischer Mühen und Opfer noch nicht völlig gelungen, den maß? gebenden Mächten der Alliierten eine nennenswerte Revision des Versailler Diktates abzurin? gen. Aber unbeirrbar hat sie ihre Mission zu erfüh len: das Ziel zu sehen und auf die Stunde zu war ten, in der die fortgeschrittene Entspannung der Gei? ster durch die Auflockerung der Versailler Vertrags bestimmungen Freiheit und Gleichberechtigung in Euro? Pa schaffen.wird. In der großen Politik können nicht in kurzen Terminen Erfolge erwartet werden, die nur das Ergebnis langsamer und stufenweiser Entwicklung zu sein vermögen. Für die Gegenwart und die Zukunft betrachtet das Zentrum es als seine Aufgabe, dafür zu sorgen, daß die Grundsätze, die bisher für die Gestaltung und Kursführung der deutschen Außenpolitik maßgebend war, auch weiterhin ihre richtunggebende Kraft zur Auswirkung bringen. Die Zentrumspartei würde ihre pflichtgemäße Einstellung verlassen, wenn sie mit? , schuldig werden wollte an einer sachlichen Umkehrung und Rückwärtsbildung derjenigen Politik, die Deutsche land zum Beginn seines Wiederaufstieges geführt hat. Das Steuerruder des deutschen StaatS- schiffeS darf auch in Zukunft nur in sol ch e n H ä n d e n r u h e n, die bereit sind, in dem grund sätzlichen Rahmen der bisherigen deutschen Außen? Politik den Aufstieg des Volkes zur Freiheit und Welt geltung zu ermöglichen. Die ganze schwere und dor nenreiche Arbeit der NachkrtegSjahre wäre umsonst ge tan, wenn jetzt, wo langsam die Früchte der Geduld und Besonnenheit früherer Jahre zu reifen beginnen, das außenpolitische Steuer des neuen Deutschland lang sam und unmerklich in'die Hände derjenigen glitte, die das deutsche Volk in der Vergangenheit falsch ge führt und auch heute noch trotz des furchtbaren An? schauungsunterrichts der Kriegs- und Nachkriegszeit noch nicht genug gelernt haben, um vor der Wiederholung früherer Fehler gesichert zu sein. Von der Führung der deutschen Außenpolitik er wartet das Zentrum, daß sie in der gegewvärtigen Zeit verstärkter Spannungen besonnen und wachsam den Weg fortsetzt, der bisher langsam aufwärt» geführt hat. Wesentlich ist dabet, daß die grundlegende Linienfüh rung der deutschen Außenpolitik in steigendem Maße aus dem Streit und den Gegensätzlichkeiten Partei? politischer Einstellungen herauSwächst. Der klaffende Unterschied der Meinungen über die Möglichkeiten und die Ziele -er auswärtigen Politik Deutschlands hat die Jahre der Nachkriegszeit in verhängnisvoller Weise beherrscht und die Seele des deutschen Volkes entzweit und vergiftet. Diese Spaltung zu überwinden und damit den außenpolitischen Taten der deutschen Repu blik die Innere Geschlossenheit, die gesammelte Wucht und zugleich auch die überzeugende Geste nach außen zu geben, was die erste innere Voraussetzung des Er folges ist, sollte in diesem Augenblick jedem Deutschen besondere Pflicht und Herzenssache sein. Diese Osterbotschaft des ZentrumSsührerS KaaS erscheint auffallenderweise nicht in der deutschen Zen? trumöpresse, sondern im „Neuen wiener Journal«. Gleichwohl ist si» fraglos M den deutsch«» politi? schen HautLedarl ttMMiisnnSa-Üch nämlich Vr. Kaas, al» verantwortlicher Führer der deutschen Zentrumspartei hier die Frage zu beantwov- ten, die ihm gerade von demokratischer Sette wieder holt gestellt wurde: oh in gehst Du?« Tr. Kaas beantwortete diese Frage in offener Weise, indem er Geheimrat Hugenberg, dessen Pläne bekannt sind, für jetzt und die nächste Zukunft so abwinkt, daß seine Ausführungen in dieser Hinsicht nicht» zu wünschen übrig lassen. Die deutsche außenpolitische Linie de« ersten Jahrzehnts deutscher Republik soll beibehalten werden. La» ist auch ganz unsere Auffassung. Ebenso Ainfchen wir, daß Vas gesamt» deutsch» Volk und sämtliche großen Parteien sich über die Grundlage« der deutschen Außenpolitik tunlichst umgehend einig werden, damit die Handlungen unserer RetchSregieruna auch jenes Scho in der Welt «chatten, da» sie brau? chen und verdienen. G» ist vergeblich, die Fehler der vergange^eit zu kritisieren. Der LZolitiker schaut in die Zukunft, di, er neu zu gestalte« sucht und bemüht sich, zu diesem Zwecke in der »q- genwart schon die erforderlichen Voraussetzungen zu schaffen. Grubenkatastrophe in Belgien bisher LS Tote geborgen In einer Kohlengrube in der Näh« von Genck (Provinz Limburg) erfolgte am Sonnabend abend um 9 Uhr in einer Tiefe von 700 Meter, al» gerade die zweite Tagesschicht sich anschickte, hinaufzufahren, eine Explosion schlagender Wetter. Die Arbeiter flüchteten unter Schreckensrufen nach allen Richtungen. Ter Rettungsdienst stellte dann fest, daß zahlreiche Arbeiter sich noch in der brennenden Grube befanden. Bis zum Sonntag vormittag wurden 23 bi» zur Un kenntlichkeit verkohlte Leichen und zwei Verletzte in hoffnungslosem Zustande geborgen. Ruch -le Rettungskolonne verunglückt Ueber die Ursache der Katastrophe wird fotzen des bekannt: Tiie 28 Mann starke Belegschaft wartete dichtgedrängt in einem Loche die Zündung einer Mine ab, durch die Gesteinsmassen gesprengt werden sollten. Unglücklicherweise traf der Sprengschuß auf eine mit schlagenden Wettern gefüllte Felsspalte, Da» Feuer dehnte sich über eine Strecke von bk Metern au» und erreichte sämtliche in dem Loche hockenden Bergarbeiter. 25 von ihnen wurden getötet und di« drei andere« durch Brandwunden schwer verletzt. Vorgestern nachmittag ereignete sich «in neue» Unglück: Eine zwölf Mann starke Retwngskolonne wurde teilweise unter hrrabstürzenden GesteinSmasien begraben. Zwei Arbeiter wur de» getötet und acht verletzt. Um -le -rutsche Einwan-erung nach Amerika Die amerikanischen Handelskammern gegen die neuen Einwanderungsquoten. Die „Handelskammer der Vereinigten Staaten«, die Dach organisation aller amerikanischen Handelskammern, igibt be kannt, daß die Frage der Neuregelung der Einwanderung auf Grund der Ursprungsklaufel bei der kommenden Iahrestaqnng der Handelskammer, die vom 29. April bis zum 8. Mai statt- findet, auf die Tagesordnung gesetzt und vom Standpunkt der rein geschäftlichen Zweckmäßigkeit besprochen werden soll. Bor läufig hat die nationale Organisation an die mehr als 1600 ihr angegliederten Handelskammern den Bericht ihres Ein wanderungsausschusses gesandt, in dem die Ursprungsklausel, durch die bekanntlich die Einwanderung aus Deutschland stark eingeschränkt wird, abgeliehnt und die Beibehaltung der gegen wärtigen Quoten warm befürwortet wird. Die Beschränkung die Einwanderung und die Zusammensetzung der einwandern den Elemente, die durch die bisherige Regelung der Einwande rung gewährleistet werde, feien, so heißt es in dem 'Bericht, vollauf befriedigend, und sowohl in industrieller wie in sozialer Hinsicht habe man sich an den bestehenden Zustand gewöhnt, so daß die Notwendigkeit einer Aenderuug nicht gsaeben sei, umso weniger al» die Aeirderung zu Mißstimmung und Raffen haß Anlaß geben werde, ohne dem Land wesentliche Vorteile zu "bringen, ES komme lediglichauf die Beschränkung der Ein wanderung und nicht auf die Methode, zur Auswahl der zu zulassenden Einwanderer an. Da der zahlenmäßige Unterschied zwischen der bisherigen jährlichen Einwanderung von 164 600 Personen und der geplanten Zulassung von 1LS 700 Einwande rern unerheblich sei, so sollten keine Bedenken bestehen, die aus den vorerwähnten Gründen wünschenswerte Aufhebung der Ursprungsklaufel noch vor dem Inkrafttreten der neuen Quo ten ^während der Sondersesston deS Bundeskongresses zu be schließen. Schadenersatz btt Verleumdung. — Ein französischer Gesetzentwurf. Die französische Regierung hat in der Kammer einen Ge setzentwurf über die Abänderung Le» Verfahren» bei Verleum- LungSprozeffen «i»gebracht. Der Gesetzentwurf ermächtigt all« Person,«, die sich verlomndtt glaube« sich mit Schadensersatz» anspMM an Ük -Äst zu «m-M, Noch immer 2 324 S4S Arbeitslose Rückgang der ArbtttSlofiMt. Nachdem der Eintritt milderer Witterung die Aufnahme der Außenarbeiten wenigstens in gewißem Umfang ermöglicht Hat, zeigt di« Zahl der Hauptnuterstützungsempfänger in der Arbeitslosenversicherung und in der Sonderfüvsorge bei beruf», üblicher Arbeitslosigkeit am äü. März d». I». -um ersten Male wieder einen merklichen Rückgang. Sie betrug an diesem Tage insgesamt 2SS4S4Ü gegen 2 460 760 am SS. Februar d». I». Da» bedeutet eine Abnahme von 136 SIS Personen oder von v,5 Prozent. Davon entfallen Ü7 028 auf die LerufrüLlich« Sonderfürsorge und 78 187 auf die Arbeitslosenversicherung. Die Abnahme ist bei der Sonderfürsorge etwa- größer al» bei der Arbeitslosenversicherung <6,1 Prozent gegenüber SF Pro- zent). Der Rückgang ist in beiden Gruppen bei den Männern verhältnismäßig stärker als-bei den Frauen <in der Arbeit», losenversicherung und in der Sonderfürsorge zusammen bei den 4 Männern 6 Prozent, bei den Frauen Sch Prozent). ?// Die Krisenunterstützung weist demgegenüber zum gleichen Stichtag eine Steigerung von 161 403 auf 177 S4S Hauptunter- stützungsempsänger, also um IS 850 oder 9,8 Prozent, aus. Di« Zunahme ist verhältnismäßig Lei Männern und Frauen unge fähr gleich. Russische Waffen kn Afghanistan Ama« Mich beginnt di« Offensiv« auf Kabul. Wie „Daily Expreß" au» Kalkutta meldet, befindet sich Aman Mlcch mit 30 000 Mann, die mit rufst? sch en Gewehren und russischer Munition ausge rüstet seien, im Vormarsch auf Kabul. Habib Allah be reite sich, obwohl seins Streitkräfte sich ständig ver mindern, aus eine Verteidigung der Hauptstadt vor. Nach einer Meldung de» gleichen Blatte» au» Karatschi werde« in Indien militärische Vorsichtsmaß regeln ergriffen. Aller Urlaub ist gesperrt und die in,der Nähe der Grenze befindlichen Truppen werden in Bereitschaft gehalten. , Nach einer Meldung de» „Daily Telegraph* au» Allahabad verbessern sich Aman Ullah» Aussichten, seitdem die Stämme von Kabul und Khel erklärt hq? den, daß nur er den Thron innehaben dürfe. Selgkens kolonkalpolltlk Katastrophale Hungersnot in Ruanda. Blättermeldungen aus Nairobi zufolge hat der britische Missionar Dr. Ehurch einen „Appell zur Linderung der grauen- haften Zustände im belgischen Mandatsgebiet von Ruanda" veröffentlicht, das er „ein Land lebendiger Skelette" nennt. Er berichtet, daß Taufende von Eingeborenen auf den mit Leichen besäten Wegen durch eft: Land, das von Fieber und Löwen heimgesucht wird, nach Uganda strömen. Frauen und Kinder wecken erschöpft zusammen und fallen den Hyänen zum Opfer. Die belgische Regierung habe den Transportdienst verstärkt und , gebe viele Tausende von Pfund für die Lebensmittelvevteilung au»; allerdings kämen diese Hilfsmaßnahmen zu spät. L otzki über -en nächsten Krieg Gin Mitarbeiter der Wochenschrift Par hatte in Konstan tinopel dieser Tage «ine Unterredung mit Trotzki. Trotzki er klärt« ihm unter anderem: Ich bin über daS Schicksal Ruß lands nicht eigentlich ^beunruhigt. Dagegen bin ich durchaus pessimistisch im Hinblick auf die internationale Lage. Ich sehe einen baldigen Krieg zwischen England und Len Vereinigten Staaten von Amerika wegen der erbitterten Konkurrenz, die sich diese beiden Mächte aus internationalem Gebiet machen, als unvermeidlich an. Ich setze keinen Zeitpunkt dafür an, aber man kann versichert sein, daß der Antagonismus -wischen die- sen beiden Mächten die Welt «in Dierteliiakrhundevt lang be herrschen wird. Nach meiner Meinung ist der Kelloagpakt die moralische Vorbereitung auf einen neuen Krieg, während der Bölkeround nur geschaffen wurden um den künftigen Krieg -um Besten der Interessen Frankreichs und England» vorzubereiten.