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Nr. 106 Mittwoch» üen 8. Mai 1929 24. Jahrgang Mer Tageblatt MLW Anzeiger für -as Erzgebirge L.irgramm»: Tageblatt flllrrrzgedlrg« Enthalten- -le amtlichen Bekanntmachungen -es Rates -er Sta-t UN- -es Amtsgerichts Aue. poMeck-llont»: Mat Liipzi, w. ree» ts,^ Der Kompromißvorschlag in Paris Wort ist, Vie Beamten vielmehr mit seltener Pflicht treue und Aufopferung ihnen Tiölpst verschon habeu^ wofür auch die Tatsache ein schlafender Beweis ist, daß nicht ein einziger von den 15 000 Schutzpolizei beamten sich während der kritischen Tage krank ge meldet har, und einige leichter vorletzte Beamte, die sich in ärztliche Behandlung .begeben sollten, dringend gebeten Haden, bet ihren Kameraden bleiben zu dürfen. Bon den Polizeibeamten sind, wie mir Wet ter erfahren, 47 zu Schaden gekommen » dav- unter befinden sich! vier sehr schwerverletzte mit Ge hirnerschütterung. Bon den übrigen 43 Beamten sind noch zehn erheblich verwundet, einer von ihnen ist durch einen Schuß,, dis anderen sind durch, Schläge der Notfrontkämpferbun- für Sachfen verboten Wie mir zuverlässig erfahren, hat der sächsische Innen minister den Notfrontkämpferbund mit seinen Nebenorgani sationen für das Gebiet des Freistaates Sachsen verboten. Damit ist natürlich auch das Reichstreffen, das für die Pfingsttage in Leipzig vorgesehen war, nicht mehr möglich. Der Rote Frontkämpferbund auch in Boyern verboten Das Ministerium des Innern in Mlünchlen hat Mit Entschließung vom gestrigen Tage den RotfrontttiMP- serbund und die Rote Jungfront in Bayern mit all ihren Nebenorganisationen verboten und aufgelöst? da- Vermögen wurde beschlagnahmt. Das Reichskabinett beschäftigte sich! in seiner gest- rtgen Sitzung mit der Frage der Einführung von Reformen auf dem Gebiets der Arbeitslosenversiche rung. Es wurde dabei die Abstellung der Uebelk stände ins Auge gefaßt, dis sich! in der Praxis sei^ Inkrafttreten der Arbeitslosenversicherung herausge stellt haben. Hierbei wurde jedoch, festgcistellt, daß, es mit der Beseitigung dieser Unzüträgl.tchkeiten allein nicht sein Bewenden haben kann. Lite Finanzlage des Reiches ist .so ernst, daß die Inanspruchnahme voin öffentlichen Mitteln im bisherigen Ausmaß, vollkom men unmöglich ist und sich über die schon im H.auA- halt bereitgestellten Mitteln hinaus nur im Fall ganz außergewöhnlicher Ereignisse rechtfertigen läßt. Das ReichLkabinett war daher der Meinung, daß, eins Aen- derung der Arbeitslosenversicherung auch auf die Fi rma-,läge des Reiches Rücksicht nehmen muß. Tie Neichsregierung wird .in Form eines-Gesetz entwurfes ein Sofortprogramm über die Abstellung von Mißständen auf dem Gebiets der Arbeitslosenver sicherung aufstellen und außerdem einen Ausschuß, von Sachverständigen einsetzen, mit dem in größter Be schleunigung Richtlinien für eine Umgestaltung des Arbeitslosenversicherungsgesetzes erörtert werden sollen. Insgesamt 24 Tote bei äen Meuunnihen Im Verlauf der letzten Aprils und ersten Maij- tage sind bei den durch, die Demonstrationen Aonr- Miluisten verursachten Unruhen insgesamt 23 Personen.-j und zwar 18 Männer und fünf Frauen, durch Schüsse, ums Leben gekommen. Dazu kommt noch ein Todes-s ,ll während eines Tumultes auf dem Mexanderplatz, >- v o ein Passant unter ein Polizeiauto geriete Bisher 32 Haftbefehle wegen der Maitmnult« Dem Vernehmungsrichter im Polizeipräsidium in Berlin sind bisher 85 Personen, die von der Polizei festgenommen' worden Maren, unter dem Verdacht der Beteiligung an den Maiunrühen vorgesührt worden. Der Bernchmuingsrichter" dar gegen 32 der Bovasfuhrten Haftbefehle wegen Verdachts >es Aufruhrs, Landfriedensbruchs und des Widerstands gegen die Staatsgewalt erlassen. Die Obduktion der Opfer der Maiunruhen, die von der Sraatsauwaltschaft ungeordnet worden ist, muß vor einem Achter durch zwei Aerzte, darunter einem Gerichtsarzt, vor- t uommen werden. Bei dem Amtsgericht Berlin-Mitte und v.ukölln sind bisher acht Leichen der bei den Unruhen Getöte- obduziert und freigegeben worden. Bei einigen der Lei hen hat man Kugeln im Körper gefunden, die einem Schieß- huhverständigen zur Mär-ung der Frage zur Untersuchung übergeben worden sind, von welcher Seite die tödlichen Schüsse cwgogeben worden sind. Notwendige Bedingungen und Sicherungen — Die wirtschaftlich« Grundlage verlass«« Die englische Presse wußte schon am Sonntag vertrauliche Mitteilungen über den neuesten Kompromißoorschlag Owen Nouttgs und Dr. Schachts zu machen, von dem die „Times" der Auffassung sind, daß er noch zur Hoffnung auf eine endgültige Regelung berechtigt. Die letzten Wochen hät ten näMlich Dr. Schacht Überzeugt, daß eine zeitweilige Lösung der Kriegsschuldensrage auf etwa zehn Jahre nicht zu erreichen ist. Ebenso hätte er erkennen müssen, daß er sich den Forde rungen der Gläubigerstaaten annähern muß, wenn eine Eini gung erfolgen soll. Jetzt kann authentisch mitgeteilt werden, daß die deutschen Zahlungen mit 1675 Millionen Mark beginnen und jährlich um 25 Millionen Mark steigen sollen. Im Durch schnitt der ersten zehn Jahre werden wir demgemäß 1787 Mil lionen Mark zu entrichten haben. Die arithmetisch berech nete Durchschnittsjahreszählung im Gläubigermemorandum betrug dagEn 2380 Millionen Mark, ^während die Summe von 2108 Millionen Mark, die in der französischen Presse viel fach genannt wurde, das geometrische Mittel aus Grund eines Zinsfußes von 514 Prozent bildete. Auf der gleichen Basis würden die jetzt zwischen Owen Aoung und Dr. Schacht ver einbarten Zahlungen einen Durchschnitt von rund 2050 Mil lionen Mark einschließlich des Zinsen- und Tilgungsdienstes der Dawesanleihe ausmachen. Dr. Schacht hat die deutsche Forderung durchgesetzt, daß nämlich das Deutsche Reich in 37 Jahren sich seiner Gesamt schulden entledigt. Die letzten zur Abdeckung der alliierten Schulden an Amerika erforderlichen 21 Jahreszählungen in der Höhe von 1700 Millionen Mark sind nämlich nach dem neuen Zahlungsplan ausschließlich durch die an-gesammelten Gewinne der Reparationsbank zu tilgen. Es besteht kein Zweifel, daß die Gläubigermächte Deutsch land weiter enrgegengekomwen wären, wenn die Konferenz ein Jahr später sta-ttgefunden hätte. Wie Konferenz ist frag los zu früh einberusen worden. Vorerst drängt sich aber die Frage aus, ob wir in der Lage sind, Jahr für Jahr nahezu vier Jahrzehnte lang die uns auferlegten Milliardenbeträgc aufzlckringen. Darüber kann man sehr wohl geteilter Meinung sein. Von einem Sieg der deutschen Auffassung ist keine Rede. Auch liegt keinerlei Sieg der wirtschaftlichen Vernunft vor. Was jetzt in Paris zur Erörterung steht, ist lediglich ein poli tischer Kompromiß. Die Sachverständigen haben die wirt schaftliche und finanzpolitische Basis verlassen, auf der sie das Reparationsproblem lösen sollten und hüben bewußt den poli tischen Boden betreten. Aus Grund der über Sonntag ge führten persönlichen Vevhanolungen scheint festzustehen, daß -neibsn den Vertretern Deutschlands und Amerikas auch die Vertreter Englands, Italiens und Japans sich dem neuen Kompromißvorschla-g anschließen werden. Die Haltung der Belgier ist noch unbestimmt. Der DÄeg-ationMhrer der Franzosen, Moreau, kehrte erst am Montag nachmittag nach Paris zurück. . , „ Nachdem jetzt aus Gründen politischer Zweckmäßigkeit ein Vevmittlungsvorschlag gemacht ist, liegt es nicht nur im In teresse Deutschlands, sondern auch der Gläubiger, daß gewisse Sicherheitsventile in den neuen Vorschlag eingebaut werden. Darauf hinzielende Vorschläge sind !-n der Nacht vom Sonntag auf Montag auf Wunsch der anderen Delegierten von der deut schen Delegation ausge-arbeitet und den anderen Sachverstän digen am Montag früh Überreicht worden. Dieses Sicherungs system scheint keineswegs einfacher Natur zu sein. Vorerst han delt es sich um die Beibehaltung des Trausserschutz-eS. Der größere Teil der deutschen Jahreszahlungen muß nach deutscher Auffassung diesen Schutz genießen. Etwa 650 Millio nen Mark werden aber jährlich ohne jeglichen Schutz gegen währuugsieind-liche und wirtschaftsschädliche Wirkungen zu Überweisen sein. Dabei ist wiederum zu beachten, daß es eine der Hauptaufgaben der neuen internationalen WAHruugsbank ist, die Stabilität der deutschen Währung zu gewährleisten. An zweiter Stelle dürften die deutschen Sachverständigen darauf drängen, daß in die neuen Vereinbarungen eine M o - raloriumsIlaus -sl auf zwei Jahre ausgenommen wird, wie sie in ähnlicher Art in den Schuldeuabkommen der Eng länder und Franzosen mit den Amerikanern enthalten sind. Wichtiger erscheint uns noch eine dritte Sicherung, die darin besteht, daß für alle Fälle, in denen sich die Durchführung deS neuen Repavationsplanes -als unmöglich erweist, eine Nach prüfung und Revision des neuen Zahlungsplanes er folgt. Ebenso zweckmäßig ist eine Sicherung für den Fall, daß die Vereinigten Staaten Nordamerikas ihre Kriegsschuldenab- kommeu, mit England, Frankreich, Belgien und Italien zu gunsten dieser Länder abändern. Jede derartige Vergünsti gung müßte auch dem Deutschen Reiche in entsprechender Weist zugute kommen. Andere deutsche Forderungen sind lediglich wirtschaft licher und finanzpolitischer Natur. -Es ist wohl selbstverständlich, daß Deutschland die Aussicht gegeben wer den sollte, besondere Vergünstigungen zu erhalten, -wenn es aus irgend welchen Gründen seine Schuldverpflichtungen schneller tilgen wollte. Ebenso will uns geboten scheinen, daß die Gläubigerstaaten auf die Pfänder verzichten, die sie nach dem Dawesplan in der Form von Eisenbahnobligationen und Jndustriehypotheken erhielten. Nach amerikanischer Ab fassung ist in allen diesen Fragen eine Einigung sehr wohl möglich. Daß aber noch große Schwierigkeiten zu überwinden sind, geht schon rein äußerlich aus der unerwarteten Sonn- tagsreise des Entschädigung-? mten Parker Gilbert nach Paris bervor. s Aushebung äer Sperre in Neukölln unä am Weääing Das Vorgehen gegen den Rotfrontbund Der Polizeipräsident in Berlin teilt mit: Nachj- dcm in den bisherigen beiden Unruhezentren Neu kölln und Wedding die Ruhe seit 48 und 60 Stunden keine nennenswerten Störungen mehr erfahren hat, hat der Polizeipräsident gestern mit LageSgrauen die für die Seiden Gebiete -erlassenen Sperrvorschriften aufgehoben und die polizeilichen Maßnahmen rssick- gängig gemacht. Selbstverständlich- sind die erforder lichen Vorkehrungen getroffen worden, um etwa neu- aufflackernden Unruhen sofort entgegentreten zu können- In Durchführung des vom preußischen Minister des Innern erlassenen Verbotes des- Rotsrontkämpfey- bundes einschließlich der -Roten Jungfront und der Roten Marine sind gestern früh bei der Bundesleitung, der Gauleitung Berlin-Brandenburg Md bet den Ab teilungsleitern der genannten Organisationen da» In ventar, das gesamte Material und die Banknoten bo- schlagnahmt und sichergestellt worden« ^usopferiitter Dienst äer Beamten Durch Neuhorker Blätter .werden Meldungen verbreitet, jvonach die Berliner Schutzpolizei genieu? ert habe und 450 der Beamten verhaftet worden eten. Demgegenüber muß mit aller Deutlichkeit b» ont werde«, Pa- an dte^n Nachrichten kein wahres verletzt worden. Auflösung äes Koten front- kämpferbunctes in preulZen Der preußische Innenminister hat folgende Vevfügimg er lassen: Ans Gvnnld -des 8 14 in BcMn-dnng mi-a. § 7 Ziff. IV und V des Gesetzes zum Schutze der Republik vom 21. Juli 1W2 -und vom 2. Jum-i 1027, !dcs 8 1 des Gesetzes v-om S2. März 1021 in Verbind-ung mit der Verordnung zur Aus- sührnng b-i-üs-cs Gesetzes v-oM 12. Februar IM und auf Grund Des § 2 b-cs R-eichsvereius-gesctzes vo-M 10. April -1608 in Dcr-- bistd-umg mit 8 IW des Reichsstrafgisetzbnches wird für das -Gsb'iet des Freistaates -Preußen Mit Zustimmung der Reichs regierung der Rote Frontkämpferbund e. P. einschließlich der Roten Jungfront und der Roten Marine mit allen seinen Ein richtungen ausgelöst, weil aus seinem Verhalten hervorgeht, daß sein Zweck in Widerspruch zu den genannten gesetzlichen Bestimmungen steht. Das Vermögen der betroffenen Organisationen wird ge mäß 8 18 des Gesetzes zum Schutz« der Republik und 8 3 des Gesetzes vom 22. März 1921 zugunsten des Reiches beschlag, nahmt und eingezogen. Die Durchführung der Beschlagnahm« und Einziehung obliegt den örtlichen Polizeiverwaltungen. Diese Verfügung des Innenminister GrßöstnÄi ist be reit- der Bunbe-leitung deS Roten Frontkämpf-erüunbes zu- geleitet worden. Keine Aus-ehnung -es Verbotes von Rotstoat auf -os Reich Wie im politischen Kreisen verlautet, ist d-a- -Verbat de» Roten Frontkämpferbun-des in Preußen im Einvernehmen mit den zuständigen R-eichsmimisterien erfolgt. ES ist jedoch nicht -beabsichtigt, -d-as Verbot glsichzMg auf d-a- -ganze Reich au»- -zubeyn-en. Zusammenstöße zwischen Rotfcontleuten un- Polizei in Vanzig Der Rotfrontkämpferbunb in Danzig.versucht^ gestern abend eine Kundgebung gegen da» Verbot des Rotfrontkämpferbundes in Preußen zu Veranstalten. Da der Polizeipräsident diese Kundgebung .verboten hatte, versuchten dl? Beamten, dis Demonstranten auseinanderzutreiben. Ta die Kommunisten Widey stand leisteten, mußte die Polizei von dem Gummiknüd- pel Gebrauch machen. Der dem Volkstag angchörende kommunistische Abgeordnete PlenikowSki, der aufrei zende Reden an die Mengs richtet?, wurde von der Polizei verhaftet, konnte aber von den kommunistischen Parteianhängern wieder befreit werden^ Erst in den Hüten Abendstunden gelang e« der Kriminalpolizei, den Abgeordneten PlenikowSki erneut zu verhaften« E» wurden noch Pier weiters Personen festgenommen. Zu kleineren Zusammenstößen öam -S an -wat an-