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Dienstag» äen 13. August 1929 /wer Tageblatt r»n,spr«h.-wwli,s «r. ». / V-'-'^>ch.m^m,^ch.r.,1«« L»i»s,amm«: rag.bla« Enthalten- -le amtliche« öekanntmachongen -es Rates -er Sta-t««- -es Amtsgerichts )lae. pogfhrck'Koator ftml L«pz«g «,. I»ee Vr. 187 Dienstag» äen 13. August 1929 24. Jahrgang VerkaNungsfeier äer Reicksregierung Der frohe Glan» eine» leuchtenden Tommersonw- tag» lag gestern von den frühen Morgenstunden an aus dem Feste der Republik. Lange bevor die Feier im Reichstag in Berlin ihren Anfang nahm, ström ten bereits viels Taufende zum Platz! der Republik, so daß gegen Mittag eine unübersehbare Menschen menge den riesigen Platz füllte. Auch! die Zugangs straßen waren dicht besetzt. Bon hohen Masten Wehk ien im Sonnenglanz die Fahnen des Reiches, Die große Rampe rechts und links von der Freitreppe war mit Tannengrün und Lorbeerbäumen geschmückt. Pünktlich um 12 Uhr fuhr Reichspräsident von Hindenburg, begleitet von Staatssekretär Meißner und seinem Adjutanten Oberstleutnant von Hindenburg, am Portal 4 des Reichstages vor. Zur selben Mi nute marschierte die 9. Kompagnie des Infanterie regiments 7 aus Breslau im Paradeschritt unter klin gendem Spiel an und nahm in vier Gliedern mit der Front nach! dem Reichstag Aufstellung. Inzwischen hatte sich der große Sitzungssaal des Reichstages bis auf den letzten Platz gefüllt. Der Saal bot im reichen Schmuck von Blumen und schwarz- rot-goldenen Fahnen ein festliches Bild. Ueber dem Stuhl des Präsidenten war ein riesiger Reichsadler angebracht, flankiert von der Präambel zur Reichs verfassung: „Das deutsche Volk, einig in seinen Stimmen und von dem Willen be seelt, fein Reich in Freiheit und Gerech tigkeit zu erneuern und zu festigen, hat sich diese Verfassung gegeben." Die große Wandelhalle war mit den Fahnen der Länder und des Reiches, die Büsten der Reichspräsidenten Ebert und von Hindenburg waren mit Grün geschmückt. In der Vorhalle des Hauptportals war die Büste des Schöpfers der Weimarer Verfassung Dir. Hugo Preuß aufgestellt. In der Diplomatenloge hatte sich unter Führung des Nuntius Pacelli das Diplomatische Korps einge funden. Wenige Minuten nach 12 Uhr betrat Reichsprä sident von Hindenburg, geleitet von dem Vertreter des erkrankten Reichskanzlers, ReichSwehrmtnister Grü ner, und dem Reichstagspräsidenten Löbe, die Ehren loge. Beim Eintritt begrüßten die Anwesenden den Reichspräsidenten ehrfurchtsvoll, indem sie sich! von den Sitzen erhoben. Nachdem das 'Berliner Sinfonieorchester unter Leitung seines ersten Dirigenten, Generalmusikdirektor T«r. R. Kunwald, das Concerto grosso in T-Moll von Händel zum Vortrag gebracht hatte, betrat Reichsminister de» Innern Severing die Tribüne und hielt folgende Rede: Heute bei dieser Feier richten wir unsere Blicke ^iach dem Haag, wo die Vertreter der deutschen Regierung mit den Ver tretern de« Regierungen Europas und der Welt sich! mühen, .aus den Friedensanfängen des Jahres 1919 nun den wirklichen Frieden herzustellen, den Krieg endgültig zu liquidieren. Und ich glaube, wir können diesen Tag nicht besser einleiten als dadurch, daß, wir der Hoffnung Ausdruck geben, daß, es den Bemühun gen der Staatsmänner der ganzen Welt gelingens möge, dieses Programm der Völkerverständigung auch durchzuführen, damit die Völker Ruhe und Frieden, die Wirtschaft der Welt Stetigkeit bekommt, daß! Wohl stand und Glück allen Völkern erblühen mögens Wenn wir mit dieser ernsten Sorge nach vchn Haag blicken, wie wir mit gespannten Erwartungen die Beratungen früherer Konferenzen verfolgt haben, so darf ich htnzufügen, daß es bis Republik ^über haupt nicht leicht gehabt hat. Feste zu feiern. An ihrer Wiege standen kein Glanz, kein goldene« Ueber» flutz, sondern die bitterste Not, die härteste Entbeh rung. Noch! von der Blockade bedroht, abgeschnürt von der Lebensmittelzufuhr aus anderen Ländern, ver pflichtet, die Bodenschätze des Reiches herzugebsn als Tributleistungen oder als Zahlungsmittel, ist es lange nicht möglich gewesen, unsete Friedenswirtschaft wie der in Gang zu bringen. Bitterste Not und Arbeits losigkeit begleiteten die Verhandlungen in Weimar. Ter.außenpolitische Druck wurde mit jedem Tag fühl barer, Md damit auch die innere Zerrissenheit des deutschen Volke». Und doch, lieb» Volksgenossen, ist dieser Tag «in Tag -er Freude! De« Freude, die notwendig ist, wenn wir den schwere« Weg.mit de« Hoffnung aus «tu» besser« Wckuuft zurückbvgeu wolle«) den» die Freude ist e», die die Seelen adelt. Die Freude ist e». die uns beleben muß, wenn wir mit dem notwend digen Optimismus an die Lösung der Aufgaben her antreten wollen, die immer noch vor uns stehen, selbst wenn Vie Verhandlungen im Haag zu einem sehr günstigen Ergebnis für Deutschland, für Europa und für die Welt führen sollten., Ein Tag der Freude soll nicht geschmälert wer den durch Schlacken der Kleinlichkeit und des Alltags. Deswegen werden Sie von mir nicht erwarten, Paß ich fn einer Betrachtung dessen, was geschaffen ist, die alte Zeit, Pie Vergangenheit schmähe.. Wer das tut. wer das Gute der Vergangenheit nicht ehrt, ist einer besseren Zukunft nicht wert. Es ist auch an sich unrichtig, daß das neue Deutschland etwa di« Verbindung mit der Vergangenheit ablehnen könne. Auch! in der Vergangenheit, auch unter der alten Staatsform haben wir Großes erlebt, und die Demo kratie von Weimar ist nicht erst in Weimar entsprun gen, sondern langsam herangereift, schon in der Ver gangenheit unter der alten StaatSsorm. Das Werk des Freiherrn von Stein, die Kämpfe der Achtund vierziger, die Geschichte der Paulskirche, das allgemeine, geheime und direkte Wahlrecht, die Selbsterziehung der Arbeiterschaft in den sozialpolitischen Körperschaften, — alles das sind Meilensteine auf dem Wege zur Demokratie. Wenn wir so das Gute der Ver gangenheit ehren, dann dürften Wir er warten, daß diejenigen, die noch mit ihrem ganzen Gefühlsleben in der Ver gangenheit. wuxzeln, dem Neuen dieselbe Achtung entgsgenbringen. Aber man fragt uns: was hat die Republik^ was hat das Deutschland der Weimarer Verfassung gelistet? Sie hat die Reichseinheit erhalten und, was mir als Vertreter der deutschen Arbeiterschaft zu be tonen besonders am Herzen liegt, die Demokratie von Weimar hat die Arbeiterschaft zum Staat geführt, hat der Arbeiterschaft das Gefühl beigebracht, daß dieser neue Staat ihr Staat fei. Me- ses Gefühl, das lebendig geblieben ist und lebendig bleiben Mrd, dieses Gefühl der SchicksalsverbunLen- heit mit Men Kreisen des Volkes, das ist es, was wir als das sicherste Fundament für den Weiterbau am Haus der deutschen Republik betrachten könnend Dl« Freude am neuen Staat hat sich! gleich zu Beginn in der Abwehr feindlicher Angriffe auf Deutschlands Grenzen und Deutschlands Boden, aus Deutschlands Unabhängigkeit gezeigt. Als die Kämpfe in der Nordmark zu bestehen waren, ha ben trotz aller Lockungen von dänischer Seite alle Schichten der nordmärkischen Bevölkerung mit dem Stimmzettel in -er Hand diese umstrittenen Landes teile Mr Deutschland erhalten. Als in Ostpreußen an den Abstimmungstagen die Frage zur Entscheidung stand, ob ostpreußisches Land polnisch! werden oder deutsch! bleiben sollte, da haben auch! die ostpreußi schen Arbeiter und gerade sie mit dem Stimmzettel in der Hand sich für Deutschland entschieden.. Es war ein gut konservativer ostpreußischer Mann, verbunden vielleicht heute «och mit den Gefühlswerten der Ver gangenheit, der, objektiv genug, erkannt hat, daß auch in diesen Kämpfen Deutschland« ärmste Söhne gezeigt hätten, daß sie in den Stunden der Gefahr auch Deutschlands treueste Söhn« seien And daß Ober schlesien deutsch geblieben ist in den Jahren 1921 und 1922, das verdanken wir neben allen anderen Erwerbs- ständen nicht zuletzt der Treue der deutschen Arbeiterschaft. Was war es, -a» diese Umwandlung in den Her zen und im Verstand der deutschen Arbeiter hervov- ries? Die Antwort darf lauten: Der eine Grund satz der Weimarer Verfassung: Da« deutsche Reich ist «ine Republik, die Staatsgewalt geht vom Volke au»! Die Arbeiter hatten erkannt, daß sie jetzt nicht mehr Heloten seien. Sie fühlten, daß! der Kampf um deut schen Boden ein Kamps um deutsche Kultur, um die eigene Kultur, ein Kampf um die eigenen Ideale war. So haben sich mit den Bauern, mit den Handwerkern, mit den Beamten auch di« Arbeiter im Osten, im Norden und auch noch im Jahr» 1S2S im Westen Deutschland» dafür eingesetzt, daß deutscher Boden deutsch blieb und daß deutsch« Kultur ungeschmälert de« deutschen Volks- ganzen «chatten blieb. Das Hat die Republik geleistet: Sie hat den! deutschen Boden und das deutsche Volk gerettet! Wir wissen, daß noch nicht alle Wünsche der Berufsstände durch die Bestimmung der Verfassung erfüllt sind, daß alle Staatsgewalt vom Volle ausgeht., Wir wis sen, daß insbesondere die Wünsche der Arbeiterschaft noch nicht restlos befriedigt sind; aber die Reichsver- sassung ist nicht nur die Plattform für die Politische Gleichberechtigung aller Glieder des deutschen Bolle», sondern sie ist auch die Grundlage für eine .soziale Arbeitsgemeinschaft. Im Kampfe der Geiste« wollen wir dafür sorgen, daß! die Verheißungen insbesondere der Artikel 151 und 153 Wahrheit werden, daß! die Ordnung des Wirtschaftslebens nach dem Grundsatz ge führt werden soll, daß alles, was Menschenantlitz trägt, ln veutschlaub auch ein menschenwürdige» Dasein führen muß. Und weiter wollen wir dafür eintveten, daß de« Grundsatz „Eigentum verpflichtet" lebendige Nachahmung auch in der täglichen Praxis finden möge. Man sagt uns, wenn wir dem Geiste diese« Vev- fassungsbestimmung entsprechend die früheren Wirt schaftsuntertanen zu Wirtschaftsbürgern heranbilden wollen, daß wir damit dem deutschen Wirtschaftsleben unheilbare Wunden schlagen würden, die es de« deut schen Wirtschaft unmöglich machen würden, den Kon kurrenzkampf auf dem Weltmarkt zu bestehen. Dieser Auffassung darf ich! mit der einen Bemerkung ent- gegentreten, daß der Begriff des Wirtschaftsbürgers, der Begriff de« Wirtschaftsdemokratie nicht nur Rechte enthält, sondern auch Pflichten, daß auch .in der Wirtschaft jede«, auf welchem Platze er auch stehen mag, von dem Gefühl durchdrungen ist, daß gerade Deutschland in seiner weltpolitisch schwierigen Situation nur dann Wieds« zur Geltung kommen kann, wenn wir uns unserer großen Verantwortung bewußt sind in allen den schwe ren Jahren, dis vor uns stehen, alle Opfer zu brich? gen bereit sind, jeder nach feiner Leistungs fähigkeit. Dann ist aber die Einfügung der Mrd- schaftsdemokratie in unser Wirtschaftsleben nicht mehr ein Nachteil für die Wirtschaft, nicht mehr eine Er schlaffung des Schaffenstriebes im Einzelnen, sondern im Gegenteil ein Auftrieb im besten Sinne des Wor tes. Nie zehn Jahre Republik, aus die wir heute zurückblicken können, bestätigen die Richtigkeit diese« Auffassung. Wir sind vielleicht durch eine Uebertrei- bung im deutschen Sportwefen gewöhnt, die Bravour leistungen, insbesondere bei den Verkehrsmitteln immer nur nach! der Tüchtigkeit des Piloten, des Kapitän» oder eines anderen Führers zu beurteilen.. Wir vergessen dabei manchmal, daß der beste Kapitän sein Schiff nicht in so schneller Fahrt über den Ozean führen könnte und daß der Flugzeugführer nicht mit solcher Sicherheit Schwierigkeiten überwinden könnte, wenn in der Konstruktion der Ingenieur oder in der Ausführung de« Arbeiter versagt hätte. Deshalb wollen wir bei den glänzenden Leistungen der deutschen Industrie, bei den Bravourfahrten de» „Zeppelin" oder der „Bremen", bei unserer Dankbar keit und Anerkennung für die Führer uns auch daran erinnern, daß Ingenieur« und Arbeiter dabei gewesen sind, erstklassige Ware ln Deutschland zu erzeugen und damit den Beweis zu liefern, daß Deutschland mit Spitzenleistungen in Wirtschaft und Industrie sich doch wieder seinen Platz auf dem Weltmarkt erobern und erhalten wird. So können wir da» in den zehn Jahren Geleistete heute schon mit Stolz und großer Freude auf-eigen. ES zeigt auch! dem Skeptiker, dem Zweifler und Kleinmütigen, daß! da» neue Deutschland in seiner freiheitlichen Verfassung auch .mit seiner anderen Auffassung über die Grundsätze der Wirtschaft sehr wohl in de« Lage ist ode« Vielmehr: nur da mit .in der Lage ist, sich wieder den Platz in deto Welt zu erobern. Den inn«ren Fried«« zu sdrder«, hat die Weimarer Nationalversammlung beschlossen. Man wirst uns, den Vertretern der Republik, den Vertretern de» Friedensgedanken» oft vor, daß wir nicht einmal t» der Lag« feien, wenn wir eine Vev«