Volltext Seite (XML)
Donnerstag» äen 2S. September 1929 /luer Tageblatt --Ms- /lnzeiger für -as Erzgebirge <°chaU«i» »I, omtUche» 0«e»»»tm<>chm>^!>»«« Not,« ön «,»t m>» »„ Nr. 22S Die deutschnationale Verständigungspolitik Neu» Enthüllungen DK Matlonalllideral« Korrespondenz" beschäftigt sich in ihrer g«Wgen Nummer noch einmal ausführlich mit -en deutsch- nationalen VerftänbigungSverhaMungen mit -en Franzosen und stellt -adel erstens fest, -ab ihre eigene Darstellung der deutsch nationalen Franzosenpolitik allseitige Bestätigung schalten habe und -atz zweitens all« Schritte der Unterhändler aus dem Lager der deutschen Rechtspolitiker ohne Borwissen, ohne Auftrag und ohne Billigung des Auswärtigen Amtes getan wotden seien. Dann geht das voll-parteiliche Blatt noch aus einige weiter« interessant« Punkte der Affäre ein und fragt: Mill Dr. Klönne der Welt weismachen, -atz er als ein langjähriger Politiker sich der Hoffnung hingsgeben habe, das Frankreich Poincarös würde ihm alles, was er gefordert hat, ohne jede deutsche Gegenleistung bewilligen? Dann würde er seiner Intelligenz ein schlechtes Zeugnis ausstellen. Es ist über Gegenleistungen gesprochen worden! Nur schweigt sich Herr Klönne darüber aus. Vollständig! Nicht ein einziges Wort entschlüpfl ihm hier in seiner sonst so redseligen Erklärung. Gesteht der deutschnationale Reichstagsabgeordnete Dr. Klönne, bah er in der Besprechung der bekannten Rechbergschen Pläne, über die, wie er selbst in seiner Erklärung zugibt, verhandel' wurde, bereit war, gegebenenfalls deutsches Blut für die imperialistischen Pläne Frankreichs zu opsern? Rechberg selbst sagt in seiner Erklärung vom 21. September, bah er Herrn Dr. Klönne an seinen Verhandlungen mit französischen Staatsmännern beteiligt habe, und bah diese Verhandlungen „beruhten auf der Grundlage einer zu verwirk lichenden intimen industriellen, militärischen und politischen Interessengemeinschaft zwi schen Deutschland und Frankreich". Diese Rech- schen Pläne gipfelten, wie längst bekannt, in einem Militärbünd nis gegen Sowjetrußland. Also!" Bekanntlich hat auch der Generalleutnant a. D. von Lippe zugegeben, daß er in Paris Besprechungen gehabt und sich vor sei ner Abreise der Zustimmung führender Politiker zu seinen Absich ten vergewissert habe. Die ,Flativnalliberale Korrespondenz" fragt: Mer sind dies« führenden Politiker? Ts ist doch nicht gut inzunehmen, daß er damit 'den Grafen Westarp meint, der so kräftig gegen die Stresemannsche Verständigungspolitik wettert?" Es sei also bewiesen, was zu beweisen war, sagt die Korre spondenz und fährt fort: Mir- haben unsere Feststellungen nicht aus Sensationsbebürfnis getroffen, sondern um einen öffent lichen Reinigungsprozeß in Gang zu bringen und nachzuweisen, daß aus den Reihen derselben Deutschnationalen, die mit vergifteten Pfeilen und mit schwersten persönlichen Ver leumdungen gegen die deutsche Verständigungspolitik arbeiten, die sogar 'gegen dm deutschen Reichsaußenminister den Vorwurf des Landesverrats erheben, auch Ne Unterhändler kommen, die in Paris und in Berlin hinter dem Rücken der Reichsregierung über den Abschluß eines deutsch-französischen Militärbündnisses usw. verhandelten." Zum Schluß stellt die ,/Nationalliberale Korre spondenz" fest, baß es unberechtigt sei, wenn Herr Klönne den Reichsaußenminister Dr. Stresemann in Verbindung mit den Ver öffentlichungen bringe. Dr. Stresemann habe damit nicht das Allergeringste zu tun. Die Veröffentlichungen seien lediglich aus dem Gefühl des verantwortlichen Journalisten heraus erfolgt, daß es höchste Zeit sei, dem deutschen Volke zu -eigen, wie die Geg ner der deutschen Verständigungspolitik deschaffen sind. Oeullcbnalionale Täuschungsmanöver Angesicht» der verzweifelten Bemühungen deutsch nationaler Kreise und ihre« Presse, hie öffentliche Meinung in der Beurteilung der „deutschnattonalen Franzosenpolitik" trrezufLMen und die Auseinander» setzungen auf ein falsches Glei» zu schieben, ist es un bedingt notwendig, den Kernpunkt des Pro blems klar yerau-zuschSlen, GS handelt sich nicht um >ie Tatsache, daß deutschnationale Politiker berufener und unberufene« Art mit französischen Po litikern und Militärs in Verhandlungen getreten sind und dabei teilweise Angebote gemacht haben, die wett über da» hinausgingen, wa» den Ver antwortlichen Mutzenpolikikern de» Rei che» jemals zuläs.slg erschien? es handelt sich vielmchr darum, daß mit den Veröffentlichungen der Nationalliberalen Korrespondenz und den darauf Schlag auf Schlag von anderen Setten erfolgten Ent hüllungen festgestrllt ist, -aß -«NschmPonatt «d mamm-tt Kreis« -ae- stlb« mW »och mehr (allerding, t» plumperer Wchch geta» habe», was sie als Hochverrat-Politik" zu verdächtigen ver suchten, so ost es von den berufenen und verantwortlich«» Vertretern der Relchsreglemng getan wurde. Dies Verhalten kennzeichnet sich selbst, und daß man im Hugenberg-Lager auch so empfindet, wird am un- zweideutigsten eben durch jene verzweifelten Bemühun gen, die Diskussion zu verschieben, bewiesen. G Di« „Neue Leipziger Zeitung" schreibt »u bem gleichen Thema unter -er Uedersckrift „Politische Schmuggler" u. a.: „Dieser westdeutsche Industriell« und sein« deutschnattonalen Mittels- und Hintermänner fühlen sich durch die Entdeckung ihrer Verbrüderung mit den Franzosen blamiert — was gar nicht not wendig wäre, wenn sie nur ihre Pläne offener verfolgt hätten — und geben nun als Grund ihres Schrittes die „Niederknüppelung des Bolschewismus Schulter an Schulter mit Frankreich" an. Plan und Ausrede lind zwar absurd, aber die Phantasie dieser Herren von der Rechten reicht eben nicht weiter: sie ist auf dem tiefen Standpunkt des Schülers stehen geblieben, -er sein Schwän zen ständig mit Nasenbluten zu entschuldigen wagte. Genau so stammeln heute alle diejenigen, die Arm in Arm mit dem „Erb feinde" entdeckt werden, etwas von einem Feldzug gegen Rußland und den Bolschewismus, und werden wütend und ausfällig, wenn! man bei diesem Schwind^ nicht ernst bleibt. Die Affäre Klönne! soll außerdem noch dadurch aus dem Kreis der Lächerlichkeit ge rückt werden, daß man dieser ganzen Aktion so etwas wie einen offiziösen Charakter unterschiebt. Man gibt an, daß -as Aus wärtige Amt „selbstverständlich" von allem informiert gewesen sei, und legt diese Information so aus, als ob darin zugleich eine Billigung durch das Auswärtige Amt gelegen habe, ein Ver drehungsversuch, an dem sich auch Rechtsbiätter beteiligen, diel bisweilen auch volksparteilich schreiben . können. Man überlegt! nicht, daß all dies auf Kosten des Auswärtigen Amtes geht, das I sich doch mit Rußland zu vertragen sucht und so in den Verdacht der Doppelzüngigkeit gerät, in dem es seit Jahrzehnten stand und den Stresemann nahezu beseitigt hat. Macht nichts: im Gegen-! teil: Stresemann Schwierigkeiten zu bereiten,! gilt s ei t lang e r Zeit als national« Aufgabe. ! Die Person und die Politik Stresemanns find längst zur! Zielscheibe aller oppositionellen Angriffe geworden, deren Front! sehr weit reicht, vor allem auf der Rechten stark ist, aber auch in I den Mittel- und Linksparteien ihre Anhänger hat. Stresemann! soll isoliert werden, nachdem sich herausgestellt hat, daß sein poli tischer Einfluß sich nicht mehr mit den gewöhnlichen Mitteln des Parteispruches unterbinden läßt. Auf allen außenpoli tischen Tagungen hört man daher von Sonder aktionen, die offen oder versteckt Stresemanns Politik entgegenarbeiten. In Genf, Paris, im Haag und wieder in Paris spürt« man deutlich dies Wühlen, und oft hallte die Presse davon wider, wenn sich die Politiker auf eigene Faust gar hu weit vorgewagt hatten oder aus Scheelsucht gegenseitig verrieten. Stresemann hat bisher diese schmutzige außenpolitische Konkurrenz sehr gering eingeschätzt. Diese Rück- und Nachsicht hat aber gerade wohl dazu beigetragen, daß die Schar seiner Widersacher immer stärker wurde. Eg ist kein Wunder, daß sich die Deutschnationalen besonders zahlreich eingosunden haben, weil es sich eben um Stresemann handelt und weil sich die kleinen Bismarcks und Diplomaten durch die Opposi tionsstellung der Partei um ein offizielles Amt geprellt sehen. Was die Deutschnationalen und ihr vvlksparteilicher Nachtrab unter „nationaler Opposition" verstehen, daß wird durch die Ent hüllungen über das Paktieren ihres Klönnes mit französischen Ge neralen besonders klar. Der Schwerpunkt dieser ganzen Affäre ist innenpolitisch. Seit der Ausrufung der Republik und ihrer friedlichen Befreiungspolitik, die schwer« Opfer heischt, hämmern die Rechtsparteien ihren Wählern das Würdelose die ser Verhandlungs- und Erfüllungspolitik «in. „Schwitzmeister" und Landesverräter" wurden die deutschen Staatsmänner tituliert, die sich unter dem Zwange der Verhältnisse und der französischen Bajonette Diktaten unterwerfen mußten. Heute, da die Zeit der Diktate vorüber ist und die Jahre der Verträge ange brochen sind, droht man den deutschen Delegierten, die verhan deln, und den deutschen Staatsmännern, die diese Abmachungen billigen, mit Zuchthaus (Hindenburg ist begnadigt worden, eine Ausnahme, die das Groteske all dieser Vorwürfe noch unter streicht). Und zur gleichen Zeit, da bi« deutschnattonalen Masten gegen die eigenen Volksgenossen, nur weil sie regieren und nicht zur Deutschnattonalen Partei gehören, aufgeputscht werden, und durch ein Volksbegehren dieses Treiben noch handschriftlich sig nieren sollen, sitzen beutfchnational« Herren ganz verträglich in Paris und Berlin an einem Tisch mit den gleichen Militärs, die man am Rhein als Schmach zu empfinden lehrt. Eigenartig!" G Rapaau- nahm Sie deutjttaallorralen nicht wichtig Lim Erklärung -es Abgeordneten Raynaud Der rechtsstehende, der ^Fraktion Maginot angehörige Abge ordnete Paul Raynaud, der auf Grund der Veröffentlichungen -er ,Mationalliberal«n Korrespondenz" über deutsch-französische All!an-verhanblunaen von -er linksstehenden Press« scharf ange griffen und aufgefvrdert worden ist, sich zu äußern, übermittelt au» Mexiko, wo er sich gegenwärtig aushÄt, unter dem Datum de» 2ä. September folgend« durch Hava» verbreitete Erklärung:» «Om Verlauf einer Studienreif« «ach Berlin hab« sch Be sprechungen mit -en Vertretern der verschiedenen politischen Par teien, wie Stresemann, Breitscheid und Abgeordneten de» Km- trums gehabt. Herr Rechberg schlug mir vor, durch Vermittlung des Generals von Lippe auch mit Persönlichkeiten der Rechten zusammen zu kommen. Ich nahm den Vorschlag an, maß ch« aber so w«ttg Bedeutung bei, daß ich weder zur Press« noch zu meinen Amtskollegen davon gesprochen hab«. Mas ilt äeutscdnarionaie AuVenpoUtik? Und Förderung der Kriegsrüstungstudustrie Man könnte, wenn man erfahren möchte, wie sich bi« Deutschnattonalen den richtigen Kur» der deutschen Außerwolitik vorstellen, ihr Parteiprogramm vornchmen und darin die ein schlägigen Bestimmungen nachlesen. Aber man weis schon vorher, daß dieses Programm nur in allgemeinen Umrissen di« Ziele be zeichnet, welche die Deutschnattonalen der deutschen Außenpoli tik setzen. Es ist das die Befreiung unseres Vaterlandes von dem äußeren politischen und wirtschaftlichen Druck, es ist da» die Re vision des Versailler Vertrags, es ist das di« Wiedergewinnung der alten Geltung Deutschlands in der West. Diese Kiel« haben sich aber auch die anderen Parteien bei uns gesetzt, sodaß eine Frage nach der deutschnationalen Außenpolitik genauer di« Frage nach den deutschnattonalen Methoden sein muß, mit den«» sie die allen Deutschen gemeinsamen außenpolitischen Ki«l« glauben er- reichen zu können. An« einheitliche Antwort auf diöft Frage ist nun nicht zu finden, so daß man jedem der nach dem von den Deutschnattonalen befürworteten außenpolitischen Kurs fragt, nur antworten kann: „Sich selber zu!" Sich selber zu! Eine der ersten selbständigen Taten der deut schen Außenpolitik nach -em Kriege war der mit Rußland abge schlossene Rapollo-Vertrag. Er siel in die Zeit, da di« deutsche Regierung von Wirth und Rathenau geführt wurde. Der Ver- trag wurde deshalb selbstverständlich von -er gesamten deutsch, nationalen Opposition auf das heftigste bekämpft. Sie gäb sich als anti- bolschewistisch in einem ganz extremen Sinn« aus. Sie ist es aber nicht immer gewesen. In den Monaten zum Beispiel, da der russisch-polnische Krieg tobte, und die Rote Armee vor Warschau stand, hat es eine ganze Reihe von nationalistischen Politikern gegeben, die öffentlich den Rat gaben, mit den vor brechenden Rusten Fühlung zu nehmen, um damit an der deut schen Ostgrenze, also dort, wo heute wieder ein selbständiges Polen besteht, eine Aeüderung -er politisch-geographischen Verhältnisse herbeizuführen. Auch einige Jahre nach dem Abschluß des Ra- pallo-Vertrages fanden unsere nationalistischen Kreise wieder einen großen Gefallen an dem Gedanken, mit Rußland zusam- menzugehen. Es war in der Zeit, da gewisse Gcheimverträge über Abmachungen zwischen der Reichswehr und Rußland bezüg lich gewisser Rüstungsfabriken auf russischem Boden bekannt ge worden waren. Damals verteidigten unsere Nationalisten den Gedanken eines engen militärischen Zusammengehens mit Ruß land, weil sie sich einbildeten, mit einem deutsch-russischen Militär bündnis den Versailler Vertrag und die politische Macht, bi« da hinter steht, leicht aus den Angeln heben zu können. Auch heute noch fährt ein Test der deutschnattonalen Press« fort, ein politisch-militärisches Zusammengehen mit Rußland zu empfehlen. Man kann beispielsweise in der Berliner Hugenberg- Presie eine systematische Glorifizierung des Sowjetheeres fest stellen. Auch erfreut sich das Vorgehen Hugenberäs in Deutsch land andererseits starker Sympathien in der russischen Presse. Merkwürdig ist nur, daß der deutsche Kommunismus in diesem Punkte einen eigenen Weg gehtt Aber zu gleicher Z«it, da solche Sympathien zwischen deutschnationalen und sowjetistischen Krei sen hin und her spielen, gibt es andere deutschnativnale Politiker, die einem engen militärischen Zusammengehen zwischen Deutsch land und Frankreich das Wort reden, um mit der vereinten Wehr macht über Rußland herfallen zu können. Die Enthüllungen, die dieser Tage über die Besprechungen des deutschnattonalen Abge ordneten Kloenne uNd einiger Stahlhelmleute mit französischen Militärs veröffentlicht wotden sind, zeigen sehr deutlich, wie ernsthaft diese Bündnisgsdanken aussehen. Aber ob man nun von HugeNberg und seinem Kreis — hier muß besonders der frühere zaristische Offizier und jetzige deutschnationale Reichs lagsabgeordnete v. Freytagh-Lorringhoven genannt werden — spricht oder von den Machenschaften des Kreises um Kloenne, das ausschlaggebende Motiv ist in beiden Fällen dasselbe, es ist militaristischer Art, es will der deutschen Rüstungsindustrie wie der Milliardenaufträge verschaffen. Ja, man kann immer wieder an der deutschnationalen Außenpolitik feststellen, ganz gleich in welcher Richtung sie sich bewegt, -aß sie jeden Weg zu -schreiten versucht, der zu kriegerischen Auseinandersetzungen führen kann. Als vor Mei Jahren -er Gegensatz -wischen Italien und Frank reich außerordentlich stark war, und der spanisch« Diktator Primv de Rivera die Mitarbeit am Völkerbünde aufküwdigte, -a empfahl v. Freytagh-Lorringhoven ein militärisches Zusammengehen mit Italien und Spanien. Wiederholt hat man m deutschnattonalen Kreisen auch auf ein enges Zusammengehen mit England speku liert, in dem Gedanken, daß England, unterstützt von Deutsch land, die Mittel seiner Macht in Bewegung setzen würde, um Frankreich Ml demütigen. Wo es also nur kriegerische Möglich keiten gZen konnte, öder bester gesagt, wo e» unseren deutsch national«» Militaristen so erscheinen wollt«, al» könnt« vi«lleicht eine kriegerische Auseinandersetzung zurechtorganisiert werden, dahin baden sie den Kurs ihrer Außenpolitik gerichtet. Und «, war ihnen völlig gleichgültig, was sie dabei an Enttäuschungen, Rückschlägen, cm Zurückweisungen, an Wamage und Spott er lebten. St« hab«» sich oder auch > mann» beteiligt und beveitwl -e» Versailler Bert-age»