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uer Tageblatt I ist,»MIM» »I, N«N»«4. w» »«,«»«»,I »I, p»stmift»«tmi Ni,«««». — «-fte-I-t M,,N»,Nch. jttafprech-Knsihlu- o». SS. /lnzeiger für öas Erzgebirge r,i.-ramm,: Lag,»la« s»>»n«n»tv Enthalt««- -l« amlUchea Sekaantmachuageu -es Nates -er Sta-t oa- -es Amtsgerichts )lor. p»M,«.g»ntsr Dal Letpr-g a«.ISS» Nr. 249 Donnerstag» äen 24, Oktober 1929 24. Jahrgang Zcbwienge Zaarverkandlungen « politischen Problem» — Kohle» und Ma — Mrtschast»- poltttsch, Frag« Di« deutsch-französischen Vechanbbungen über öle Mckgabe » Saurgebiete», die Zwischen ben Außenministern Strefe- ann undBrkanibim Haag vereinbart wir oben, habe» immer ch nicht begönne». Wohl stehen öie DechandlungMhrer lest, e nach allgemeiner AuffaffuNg bi« Gewähr dafür bieten, bah ine -Verständigung ««zielt wirb. Der Führer der öeuffchen Dele tion, Herr Sinrson, ist ein auegezeichneter Kenner öes Saar- »öietes und öer franzöfffche Delegattonschef, Herr Fontalne, -nnt als Vorsitzender öes Derwaltnngsrates der Saargrüben die iiischastlichen BelMge öes Saargebietes gleichfalls sehr gur. Ls mag paradox erscheinen, ist alber gleichwohl wahr, baß ie Losung öer pol -i tif ch e n S tre i tf rn gen aller Doraus- chr nach am wenigsten Schwierigkeiten bereiten. Die französische sscnttiche Meinung ist heute schon hinreichend vorbereitet, hab rankreich das Saargebiet in absehbarer Zeit vorbehaltlos an 'cavschianb herausgeben muß. Ministerpräsident Briand ist ssenbar gewillt, auf «ine Volksabstimmung zu verzichten, ba er ri>r gut weiß, daß im Jahre 1935 eine Volksbefragung im Saar- ebiet zu einem s chw e r en P r estt gev e rl u st für Frankreich lbren würbe. Ts gibt nun einmal im Saargebiet nur impoc- ierle Franzolsen. Nichts beweist dies deutlicher als die Zusam- irn.sehung des Landesrates, des Parlaments der Saarländer, in cm trotz der grössten französischen Anstrengungen auch nicht ein inpg-er franzosenfreundlicher Abgeordneter sich befindet. Die icmzösffche Liga Mr Menschenrechte erklärte fängst in ihrer lenkschrift über das Saargebiet, daß eine Volksabstimmung durch eir Völkerbund eine ungeheuer« Blamage für Frankreich und iw schwere moralische und historische Niederlage bringen würde. Wesentlich schwieriger wirb die Bereinigung der wirt- chöstlichen Fragen sein, die zwischen Deutschland und irankreich hinsichtlich des Saargebietes schweben. Nach dem iriedensvertrag von Versailles ist das Eigentumsrecht an den margruben an Frankreich Libergegangen, doch steht es uns ci, dieses Recht zurückzükaufen. Davon wird fraglos Gebrauch cmacht, aber die Höhe des Kaufpreises ist sehr umstritten. Der reis ist nach .oben hin begrenzt durch die Gutfchreibungen der l'parationskommiffion für die Abtretung dieser Gruben und eine „gemessene Entschädigung für den entgangenen Gewinn der cchre 1930 bis 1935. Demgegenüber sind anzusetzen, was die ranzosen durch Mangel an Neuinvestierungen fehlten und durch ianbbau im Revier zugrunde richteten. Auf keinen Fall kann ne Gemeinschaftsverwaltung mit französischer Beteiligung in rage kommen. Dieses Ansinnen wird aus wohl erwogenen Gründen von er gesamten Saarbevölkerung abgelehnt. Zutreffend schreibt üilhelm Schmelzer, Mitglied des Landesrates in Saarbrücken, atz ein politischer Ablehnungsgrund alle Kreise beherrscht: „Das iaargeblet war von jeher rein deutsches Gebiet. Es Ist ein un- rrrWicher Gedanke, daß durch irgendwelche wirtschaftlichen llaßnchMen Franzosen hier ansässig bleiben und durch ihre An wesenheit eine national gemischte, doppelsprachige Oberschicht ilden helfen, die den eindeutig deutschen -Charakter des Saar- ebiets verwischen und es zu einem neuen Elsaß machen ürbe. Eher mögen die Pariser Verhandlungen scheitern, als atz ein Franzose im Saargebiet maßgebenden .Einfluß behalt." Wenn wir auch die Saargruben wieder «chatten, so bleiben e doch mit einem Servitut belastet, da der Versailler Frie- ensvertrag Frankreich das Recht zuspricht, das Defizit seiner iohlenverforgung in der Saar zu decken. Von einem eigent- chen Defizit wirb man heute nicht mehr sprechen können, da die „i Weltkrieg zerstörten französischen Kohlengruben langst wieder in Betrieb sind und eine Kohlenförderung aufweisen, die jene er Vorkriegszeit weit übertrifft. Es bleibt aber zu beachten, aß aus der Vorkriegszeit her eine enge Verbindung wischen Sa ar kohle und lothringischer Mi et t e besteht und im letzten Jahrzehnt sich noch v erstärkte. Der iHsatz der Saarkohlr an Ne lothringische Hüttenindustrie ist ämlich von 2/5 Millionen Tonnen iM Jahre 1913 jetzt auf über Millionen Tonnen Kohle gestiegen. So sehr die lothringische üittenindustrie auf die Saarkohle angewiesen ist, ebenso s«hr be- ötigt die saarländische Hüttenindustrie die lothringische Ginette. Die Schwierigkeiten, beim Austausch von Kohle nd Minette ein für beide Teile annehmbares ^Abkommen zu tief en, liegen in den Lieferungsbedingungen und in der Preisfrage, rs muß als ausgeschlossen gelten, daß die franzMche Hüttenindu- lrie Saarkohlen zu einem billigeren Preise als die deutsche In- ustrie erhält. Demgemäß sind eine Reihe langfristiger Verträge, ie von den lothringischen Hütten mit der französischen Verwal- ung der Saargruben geschloffen wurden, einer gründlichen Nach- rüfung zu unterziehen. Die meisten Schwierigkeiten werden jedoch die wirt- chaftspolitischenFragen machen. Frankreich versucht ich schon jetzt dadurch «ine gute Vechandlungsbasis zu schaffen, >aß es seine wirtschaftlichen Interessen und Anlagen im Eaar- lebiet möglichst hoch in Anschlag bringt. In den Danken, in sersicherungsanstatten, Metall- und Stahlwerken, Elektrizitäts- »erken usw. soll nach Lucien Romier das französische Pri- atkapital nicht weniger als IP Milliarden Franken angelegt aben. Der französisch-saarländische Handel wird übertriebener Leise mit 2 Milliarden Franken angegeben. Dieser Handel soll srankreich «inen jährlichen Gewinn von 800 Millionen Franken ringen. An BMekdung würde das Saapgeblet allein für 300 Millionen Franken Waren jährlich in Frankreich einkaufen. Ing es amt, behauptet man, ist der französisch-saarländische Handel ür Frankreich gleichbedeutend mit dem französisch - italienischen handel. Nach den letzten Meldungen aus Part» erstrebt öie franzö- ksche ReÄemngfür di« «Schftea fünf Schre«irr ll«Hergang,- Sturz des Kabinetts Briand Da» Kabinett Briand ist gest«r« abend um 7U Uhr tn b«r Kammer gestürzt worden. Der Antrag der Nachtkailea, dl« Debatte über die außenpolitisch« Interpellation Ms den IS. November festzusetzen, gegen den Briand die Vertrauensfrage stellte, wurde mit 288 gegen 277 Stimmen angenommen. Dos Kabinett Ist so mit mit 11 Stimmen in der Minderheit Oiblioben und hat de» Saal verlassen. Unter der Ueberschrift „Ungeklärte Lage" schreibt öie „D «r - m a n -i a" (Ztr.) zu dem Sturz des Kabinetts Briand: ,/Vn der gestrigen Kammersitzung traf sich -die Mißstimmung der Linken mit derjenigen der äußersten Rechten. Dieser Vorstoß von beiden Flügeln her geigt, daß die Situation nach dem Sturz des 'Kabi netts Briand kaum nach einem einheitlich«» Gesichtspunkt gedeutet werden kann. Die parlamentarische Situation in der französischen Kammer bietet Spielraum genug für mehrere Kombinationen. Es bleibt abzuwarten, ob die Krise sozusagen mit einer Unibildung des Kabinetts Briand auf breiterer parlamentarischer Basis endet, wie sie ja ohnedies nach der Erledigung der schwebenden politischen Probleme beabsichtigt war. — Im Berliner Tageblatt.wird ge sagt: Das gestürzte Kabinett BkiMd'Var das zwölfte, das Briand gebildet Hatte. Er hatte nach dem Rücktritt Poincarös erklärt, baß sein Ministerium nur ein Ferienkabinett fein werde. Diese Vor- aussage ist jetzt wörtlich eingettoffe-n. Das Kabinett ist tatsächlich nur zweimal vor der Kammer erschienen: am 3ll. Juli, dem Tage seiner Bildung und des Endes der ordentlichen Parlamentstagung und am 22. Oktober, dem Tage seines Sturzes und Beginnes der außerordentlichen Session. Im „Vorwärt s" <soz.) wird gesagt: Briand hätte in der Kammer Farbe bekennen, das heißt, von seinen Mitarbeitern aus der Rechten -abrücken müssen. Er hat es vermeiden wollen und ist darüber gestürzt. Nach der Logik des parlamentarischen Systems müßte eigentlich als Folge des gestrigen Sieges der Linken ein Ruck nach links eintreten. Wer — es -gibt ein Wer, mit dem man sich ernsthaft auseinandersetzen muß: Eine Mehriheitsbildung nach links -ist heute, genau wie im Jahre 1924, nur möglich mit Hilfe der französischen Sozialisten. Die Mehrheit -der statistischen Fraktion ist zweifellos für aktive Regierungspolitik, die Mehrheit der letzten Parteitagsbeschlüsse ist dagegen. In England regiert die Arbeiterpartei, in Deutschland ist bi« Sozialdemokratie die weitaus stärkste Fraktion der Rei-chskoalitivn. Ls wäre jedenfalls für die Arbeiterklasse aller europäischen Länder ein Tag der Freude, der Hoffnung und des Stolzes, an dem man verkünden könnte, daß nunmehr auch und gleichzeitig in Frankreich der Sozia lismus den Anspruch auf den Teil der Macht erhebt, der ihm nach seiner Stärke und nach der geistigen Bedeutung seiner Führer ge- bührt". Die ,P)osfisch« Zeitung" ljDem.) erklärt: Lin« öer unmittelbare» Konsequenz«» d«r RegierungÄrise auf außenpoliti schem Gebiet dürft« eineneueVerschiebungderSaar- Handlungen sein. Der mit ö«r Vorbereitung öi«s«r Ver handlungen beauftragt« interministerielle Ausschuß hat «rst gestern sein« Arbeiten beendet, so daß di« Regierung noch nicht Gelegen heit hatte, dazu Stellung zu nehmen. Dies« sollt« -im nächsten Mimsterrat erfolgen. Dis dar neue Kabinett tn b«r Lage sein wird, darüber Beschluß zu fassen, wird es mindesten» «ln bis ?, w ei Wochen dauern. Wer Briand» Nachfolger werden wird, darüber sind im Augenblick kaum mehr als Der- mutungen möglich. In parlamentarischen Kreisen gilt nach wie vor Tarb-ieu als der aussichtsreichste Kandidat. Da» Moment der Ueberraschung, das bei Ausbruch der Kris« ein« so große Roll« ge spielt hat, könnte allerdings auch ihre Lösung in unvorhergesehener Weise beeinflussen. Jedenfalls hofft man, daß, wie immer auch das neue Kabinett zusammengesetzt sein wird, Briand die -Leitung der auswärtige» Politik deibshalten wird. In dem Pariser -Bericht des ,PS«rl. Lokal-Anzei- gers" (Dnll.) heißt «s: Das Kabinett Briand ist das Opfer sei ner «igeiwtt-zweideutigen Außenpolitik geworden. Eime rein« Linksregierung kommt nicht in Frage, da in dieser Kammer die Rechtsparteien die absolute Mehrheit haben. Theoretisch ist also eine reine Rechtsregierung möglich, wird aber wenig wahrscheinlich sein. Sollten die Radlkalsoziattsten jede Regierungsbeteiligung ad- lehnen, so bleibt eben nur die Wiederherstellung der gegenwärtigen Koalition mit einer leichten inneren Verschiebung nach rechts übrig. Sollte Briand an dieser Aufgabe scheitern, so wird wahrscheinlich Tardieu berufen werden. Ob Briand freilich in sei nem Kabinett bas Außenministerium beibehattM wirb, ist -weis«!- haft. Die „Deutsche Tageszeitung" (Dakk.) erklärt: Di« starke Beteiligung rechtsstehender Abgeordneter an d«m Miß trauensvotum gegen Briand, trotzdem -die Rechte zur Koalition ge hört, gibt zu denken und muh vor allem in Deutschland Beun ruhigung Hervorrufen. Da es sich im Grunde doch um Briand» Außenpolitik, also vor allem auch um die Räumung -handelt«, und da Briand für -die Fortführung -dieser Politik auch weiterhin be dingungsloses Vertrauen verlangte, bedeutet die Ablehnung dieser Forderung auch zunächst ein -Infragestellen der unbedingten Konti- nu-ität des französischen Regierungskurses. Es hat durchaus den Anschein, als -sei in Frankreich die Zeit stabiler Kabinette, wie sie das „Regime Po-incarö" kennzeichnete, wieder vorbei. Briand» Mmisterpräsidenischaft hat diesmal nur etwa dr-ei Monat« ge dauert. Damit kann Frankreich aber unter Umständen auch .wieder ein äußerst unsicherer, wechselnder Verhandlungspartner für Deutschland werben. Geheimnisse der italienischen Botschaft Der gestohlen« Thissrier-Schlüssel — Die geheimnisvolle Frau In der Berliner Gesellschaft werden seit einigen Wochen geheimnisvolle Vorgänge besprochen, die sich tn der italienischen Botschaft zugetragett haben.. Seit Juni ist eine Umbesetzung cher ganzen Berliner Bot schaft Italiens im Gange. Zuerst wurde der Bot schaftsrat Rocco abberufen, vier Wochen später folgte der Botschaftsrat Bertele und zwei Wochen später die beiden anderen Botschaftsräte. Jetzt hat auch Botschaf ter Graf Aldrovandi einen längeren Urlaub an getreten. Außenminister Grandi hat wohl seine Per sönliche Anwesenheit in Rom gewünscht und wohl unterrichtete Leute wollen wissen, daß er nicht wie der nach Berlin zurückkehren wird. Das Gerücht frei lich, daß er bereits in einem geheimen Verfahren ver urteilt und zur Verbüßung feister Strafe auf etne -etn- same Insel verbannt wurde, ist eine unbegründete Uebertreibung. Tatsache dagegen ist, daß in letzter Zett da- Chiffrterbuch der italienischen Botschaft auf ge heime Weis« verschwunden ist. Ob die Dtttglieder der Botschaft den Diebstahl nicht sofort merkten, ob sie nicht sogleich nach Rom Mitteilung machten oder ob sie sonst einen Unterlassung-fehler begingen, steht dahin. Dagegen hört man, daß der VertrauenSbruch schon einige Zett zurückliegt und maßgebende Herren der italienischen Botschaft verzweifelte Anstrengungen machten, um wiederum in den' Besitz de» gestohlenen Chiffrierbuche» zu kommen, viel Geld und Mühe soll vergebens verbraucht worden sein. regim«, bas Frankreich all bi« handel»- und -ollpvlitifchen Vorteil« sichert, bie sich aus dem gegenwärtigen Zustande ergeben. Mr die frühere Räumung -des Saargebiet«» ohne Volksabstim mung scheint die französisch« Regierung aber darüber hin aus «ine stattliche Reche dauernder SontxrvorteÄe zu fordern, die geeignet sind, die bevvrftehenden Verhandlungen ungeheuer zu erschwere». Wie ibedtMch dies« Forderungen sind, geht schon Tier diplomatische Klatsch weiß überdies zu berich ten, daß bet dem Diebstahl de» Thtffrierschlüsfel» eine Frau die Hand im Spiele Hatte. Tie Dame ist nach einigen Schilderungen eine faszinierende Blondine, nach anderen eine schöne dunkle Frau nicht mehr gau jugendlichen Alters. Andere wollen wissen, daß es sich um eine berüchtigte Agentin handelt, die in diesem .Sommer verschiedentlich eine gesellschaftliche Rolle ge spielt hat und offensichtlich im Dienste einer fremden Macht steht. Das Rätselraten um diese Macht ist be greiflicherweise jetzt gewaltig im Schwünge. Aus der italienischen Botschaft führt jetzt der vor kurzem ernannte Botschaftsrat Ciceonardi die Ge schäfte. Ihm ist begreiflicherweise nicht bekannt, daß Graf Aldrovandi seinen Posten verlassen wird. Da gegen hält sich in der diplomatischen Welt mit gro ßer Zähigkeit da- Gerücht, daß der italienische Bot schafter tn Berlin bereit- abberufen ist und seinen Posten nicht wieder sehen wtxd. MS sein Nachfolger wird berekt- der gegenwärtig« Botschafter tn Mo»kau, Graf Teruttt, genannt, von anderer Veite wird gemeldet, daß Graf Luca Orsini-Baroni, der bisherige italienische Botschafter in Konstantinopel, dem nächst nach Berlin übersiedeln wird.. Wer immer auch italienischer Botschafter tn der deutschen Reich-Haupt- stadt wird, für uns ist von ausschlaggebender Bedeu tung, daß der ganze Personalwechsel keine politischen Hintergründe hat, sondern auf innere Vorgänge in der italienischen.Botschaft und verwaltustgspolitische Maßnahmen zurückzuführen ist. daraus hervor, baß mau in Pari, selbst M dem Gedanke» spielt, das Saargebiet zu einer Freizone zu gestalten. Mr uns steht jedenfalls eines fest: „Eine Verständigung über da» Saar gebiet ist für die deutsch-französisch« Annäherung unerläßlich. Die Saar wirb der Prüf st «infür die Aufrichtigkeit dieser französisch-deutschen Annäherung s«ln." So die französische Liga für Mmschenrrchte.