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Freitag, cken IS. November 1S2S 24. Jahrgang Mer Tageblatt ZWW Anzeiger für -as erzgebirge kog>d>all enthalt»»- -l» amtliche» öekonntmachungea -es Kate» ürr Eta-t »ad -es Amtsgerichts Ma», poaich^a,^,, stm, »^ Nr. 2SS Ein Mttelmeer-Locarno? Di» Abrüstmrgsbestrebungen in der Welt Tiie englische Presse bringt soeben aufsehenerre- gende Mitteilungen über die Vorverhandlungen, die von der englischen Regierung mit Italien und Frankreich gepflogen werden, um die Abrüstungskonferenz zur See vorzubcretten. So will der „Daily Telegraph" wissen, daß Italien sich bereit erklärte, die Tauchbootfrage, d. h. die Möglichkeit der Abschaffung oder doch wesent lichen Beschränkung der Tauchbootwaffe auf der See abrüstungskonferenz zu erörtern. Noch aufsehenerre gender ist die Nachricht des „Daily Herald", dessen Gen nr Vertreter von Gerüchten meldet, nach denen der Generalsekretär des Völkerbundes, Sir Eric Drum mond, bei seinem "bevorstehenden Aufenthalt in Lon don dem englischen Außenminister Henderson Pläne für ein Mittelmeer-Locarno unterbreitete. Tie englische Regierung würde nach seinem Plane Frank reich gegen einen italienischen Angriff und Italien gegen einen französischen Angriff die erforderliche Si cherheit djeten. In diesem Zusammenhang verdient Beachtung, daß gleichzeitig auch das „Echo de Paris", das Organ des französischen Generalstabes, meldet, daß die zweite Haager Konferenz voraussichtlich Ende Dezember oder Anfang Januar stattfinden wird. Tja, jedoch fast zu gleicher Zeit die Flottenkonferenz in London und in der dritten Woche des Januar der Völkerbundsrat in Genf tagt, wird sich der Generalsekretär des Völker bundes nach London begeben, um von der englischen Regierung die Zusicherung zu erhalten, daß die Flot tenkonferenz zu einem späteren Zeitpunkt zusammen tritt. MuS allen diesen Meldungen darf geschlossen wer den, daß die Verhandlungen des englischen Botschaf ters in Rom Mit Mussolini und Gran di in der letzten Woche wesentliche Fortschritte brachte. Die Fa schisten zeigten sich wieder einmal als Realpolitiker, Sie haben offenbar mit großer Nüchternheit von deM gewaltigen angelsächsischen Block Kenntnis genommen, der heute im Werden ist.und sich mit großem Nach druck für eine vernünftige Rüstungsbeschränkung und den Weltfrieden einsetzt. Die Italiener hoffen, an der Seite der Angelsachsen auf .der bevorstehenden Abrü stungskonferenz zur See die besten Geschäfte zu machen. Danach ist ihre Taktik offensichtlich eingestellt. Im Gegensatz dazu ist die Stellungnahme der Pariser Presse geradezu auffallend. Präsident Hoo ver hat mit..seiner Anregung, zur See drastisch abf- zurüsten und das alte Blockaderecht abzuschaffen, in Frankreich eine ausgesprochen schlechte Presse. Man staunt, wenn man im „Echo de Paris" liest, daß die Vorschläge des Präsidenten Hoover dem gesunden Men schenverstand und aller Logik Hohn sprechen und wie der einmal den tiefen Abgrund aufzeigen, de? feine Anschauungen von Venen eines jeden Franzosen trennt. Er scheine ganz zu vergessen, daß heute etwa 30 Mil lionen Soldaten unter Waffen stehen, 10 Millionen mehr als 1914. Seine Ansicht, daß Proviantschiffe im Kriegsfall den Schiffen des Roten Kreuzes gleich gestellt werden sollen, sei vollkommen widersinnig. Habe doch der letzte Krieg gezeigt, daß die Blockade ein wirksames Mittel sei, den Feind auf die Knie zu zwingen. — Wir sind sehr begierig, ob die hohe fran zösische Politik bei den bevorstehenden Abrüstungsver- , Handlungen den Spuren deS französischen Generalstabs folgt, wie sie im „Echo de Paris" in die Erscheinung! treten. Unsere deutsche Stellungnahme ist jedenfalls gegeben. Proklamation -es Königs von fisghanlstan ,Diatly Telegraph" veröffentlicht eine Proklama tion de» König» Nadir von Afghanistan, in der eS> heißt: Me Regierung wird ihre Pflicht entsprechend den Vorschriften de» Islam erfüllen. Tiie Bildung einer Nationalversammlung steht bevor. ES wird ein Zensur- und Rechnungsamt geschaffen werden^ Tiie Beamten werden auf den Koran vereidigt. Sie müssen verspre chen, .unbestechlich und mit ihrem Gehalt zufrieden zu sein und keiner Regierung Gelder zu unterschlagen. Weingenuß wird nach den religiösen Vorschriften be straft. Die Beziehungen zu den auswärtigen Mächten sollen die gleichen sein wie unter Aman Ullah, Der Telephon, und Telegraphendienst soll.ausgebaut und der Postdienst wieder eingerichtet werden. Afghanistan wird Handelsverträge mit Deutschland, Persien, Ita lien, Frankreich, Großbritannien, Rußland, den Ber einigten Staaten, Belgien, Japan und anderen Ländern abschtteßen, ferner wird der Bau von Eisenbahnen und Bewässerungsanlagen vargejchen. Volksentscheid am 22. Dezember Streit der Tas ReichSkabinett hat al- endgültigen Termin für die Durchführung de« Volksentscheids gegen den Youngplan den 22. Dezember festgesetzt. Bon der Ge schäftswelt waren Bedenken erhoben worden, einen der Sonntage vor Weihnachten für den Volksentscheid an zusetzen, weil man dadurch eine Beeinträchtigung de» Weihnachtsgeschäfts , befürchtete. Bon anderer Sette wurde dagegen behauptet, daß der Volksentscheid eine lebhafte Bewegung in der Bevölkerung Hervorrufen und dadurch d aS Weihnachtsgeschäft vergrößern würde. Tie Auffassungen standen sich somit völlig gegensätzlich ge genüber. Tie frühe Ansetzung des Termins entspricht sowohl den parteipolitischen Wünschen des deutschnatio nalen Fraktionsführers Graf Westarp wie deni staatspolitischen Erwägungen der Reichsregierung, die glaubt, daß Hugenbcrgsche Volksbegehren noch in die sem Jähre durch den Volksentscheid vollständig erledi gen zu sollen. Ueber die Mehrheit, die bet dem bevorstehenden Volksentscheid zu erreichen ist, entstand unter den Pro fessoren des Staatsrechts jetzt ein höchst eigenartiger Streit. Nicht als ob dieser Professorenzwist be sonders aufsehenerregend wäre; denn zwei StaatS- rechtler, die über eine Frage der gleichen Auffassung sind, gehören zu den Seltenheiten. Gleichwohl ist es überraschend, daß Professor Bredt, der Führer der .Wirtschaftspartei, der Annahme widerspricht, daß der Volksentscheid nur durchgehen kann, wenn die Meihr- Professoren Helt der Stimmberechtigten an ihm teilntmmt. Dr. Bredt meint jedoch, daß diese Mehrheit erforderlich wäre, wenn der Reichstag sich nicht darauf beschränkte, das sogenannte „Frecheitsgesetz" abzulchnen, sondern auch einen Beschluß in dem Ginne faßte, daß die Re gierung aufgefordert wird, die Verhandlungen über den Aoungplan fortzusetzen. Da begründeterweise an genommen werden muß, daß der Reichstag in diese«, Sinne beschließt, schon um den deutschen Delegations führer Dr. CurtiuS auf der bevorstehenden Weiten Haager Konferenz die nötige Aktivlegitimatton zum »er. handlungsabschluh zu geben, dürsten.die Sorgen Dr. Bredts bald hinfällig werden. Im Gegensatz zu dem verficht ^Professor An schütz, einer der hervorragendsten Kommentatoren der Reichsverfassung, die Auffassung, daß der 75. Artikel der Reichsverfassung unstreitig die Beteiligung der Wahlberechtigten (rund 20,6 Millionen) erfordert. Nach Dr. Anschütz ist das Volksbegehren mit der Reich-Ver fassung unvereinbar und muß schon deshalb die Zu stimmung der Mehrheit der Stimmberechtigten erhal ten, falls es überhaupt durch -en Volksentscheid rechts kräftig werden soll. Die verfassungsändernden Bestim mungen erblickt er darin, daß das Gesetz die Rechte der Leiter unserer auswärtigen Politik, des Reichsprä sidenten, des Reichskanzlers und de» ReichSaußenmini- sters verletzt. Der gleichen Auffassung ist auch Mi nisterialrat Kaisen berg. Am äie Mellbank Abschluß -er Baden-Ba-ener Verhandlungen Täs Organisationskomitee der Ban.k für den internationalen Zahlungsaus gleich hat seine Arbeiten gestern abend gegen 7 Uhr mit der Unterzeichnung der verschiedenen in Baden- Baden in mehrwöchiger Tätigkeit ausgearbeiteten Ver tragswerke für die Organisation der Bank für den internationalen Zahlungsausgleich! abgeschlossen, nach dem die Verhandlungen über die letzten strittigen Punkte des Treuhändervertrages, die auf Wunsch der französischen Delegation für mehrere Tage unterbro chen worden waren zu einer Einigung geführt haben. Bei der Unterzeichnung wurden von keiner Dele gatton irgendwelche Vorbehalte gemacht, so daß die Unterferttgung des gesamten Vertragswerkes als ein stimmige Annahme bezeichnet werden kann. Die ein zelnen Teile dieses Vertragswerkes enthalten auch, kei nerlei unerledigte Stellen, sofern sie in den Auf gabenbereich des Organisationsausschusses gehörten. Da mit sind die Arbeiten deS seit dem 3. Oktober tagen den Organisationsausschusses der B. I.. Z. in ihrem ersten Teil abgeschlossen. Zusammen mit einem vom Vorsitzenden des Organisationsausschusses, Reynolds, noch abzuserttgenden Begleitschreiben geht nun die wei tere Entscheidung an die zweite Haager Konferenz und an die auf ihr vertretenen Regierungen über. Tas Organisattonskomitee selbst bleibt als solches bestehen, da ihm nach den Bestimmungen des Aoungplans auch die für die Ingangsetzung der Bank erforderlichen Ar beiten zufallen. Eine der wichtigsten Aufgaben,.- die das Organisattonskomitee später noch zu erfüllen ha ben wird, wird die Wahl deS Präsidenten des Direk toriums (BerwaltungSratS) der B. I. Z. sein, über dessen Persönlichkeit nach ausdrücklichen Versicherungen keinerlei Vereinbarungen unter den Delegationen ge troffen worden sind. Reichsbankprästdent Dr. Schacht und ein Teil der deutschen TAegation-mitglieder traten bereit» gestern abend die Heimreise nach Berlin an. Zentrum un- Sozlal-emokratle übernehmen -ie Negierung in Sa-e« Di« Zentriumefraktion -es badischen Landtages veröffentlicht eine Mitteilung, in der unter Hinweis auf -ie -mischen -en Demo kraten un- -er Deutschen Volkspartei erzielte Einigung mitgeteilt mir-, -atz -Le -ei-en vereinigten Parteien -as Unterrichtsministe rium für sich beanspruchten und es «-gelehnt hätten, ein anderes Ministerium zu übernehmen. Nachdem, so heißt es in -er Mit teilung weiter, di« Deutsche Volkspartei erklärt habe, -atz sie unter anderen Bedingungen auch in «ine rechtsgerichtet« Regie rung nicht «inzutreten gewillt sei, sei dm -ei-m -rotzen Parteien (Zentrum und Sozialdemokratie) keine andere Möglichkeit ge- bliebvn, als allein die Regierung zu übernehmen. Dis beiden Parteien verfügen über KK von 88 Mandate«. srau Loubkott 's» Me Schwester -es früheren Kaisers, Viktoria Zoudkoff ver» witwste Prinzessin zu Schaumburg-Lippe, ist am Mittwoch Morgen kurz vor 7 llhr in Bonn gestorben. Viktoria Zvubkoff wurde am 12. April 1866 als Tochter -es damaligen preußischen Kronprinzen un- späteren Kaiser» Friedrich IH. und der Prinzessin Viktoria, einer Tochter -er 'Königin von England, geboren. In den 80er Jahren kreuzte ihr« 'Verlobung mit dem Fürsten Alexander von Bulgarien Prinzen von Battenberg die Politik Bismarcks, der aus dieser 'Heirat Konflikte Mit Rußland entstehen sah und ihr deshalb energischen Widerstand entgegensetzte. Die Verlobung wurde dann auch 1887 gelöst. Prinzessin Viktoria schloß am 10. November 1890 die Ehe mit dem Prinzen Adolf zu .Schaumburg-Lippe. Nach -em 'Tode ihres Gemahls <1916) bezog Prinzessin Viktoria bas Palais SchauMburg Ln Bonn, das ihrem Neffen zu Schaumburg-Lipp« gehört. Im Jahre 1927 machte sie -le Bekanntschaft des 23- jährigen russischen Müchtlings Alexander Zoudkoff, -er nach -er Revolution vor den Bolschewiken geflüchtet und nach abenteuer lichem Leben zufällig nach Bonn gekommen war. Ls kam schlletz- ilich zu einer Verlobung und trotz des Mderstandes ihres Bvu- der, des früheren Kaisers und des Chefs des Hauses Schaum- durg-Llppe zur Eheschließung einer 61jährigen mit einem Mann«, der den Jahren nach ihr Enkel sein konnte, am 21. November 1927 im Palais Schaumburg in Bonn. Dl« Trauung wurde nach russischem Ritus vollzogen. Besonderes Interest« erregte im -er Oesfentlichkeit die Tatsache, bah -ie Prinzestin einen Spitzea- schlöier ihrer Mutter, ein kostbares Erbstück aus dem Besitz ber englischen Königsfamilie, mit den Wappenb-lumen des Hauses Windsor bestickt, als Brautschmuck angelegt hatte. Der Verlauf der Ehe zwischen der 61jährigen und dem 23jährigen war voraus- tzusehen. Es kam bald zu Unstimmigkeiten zwischen -em Ehepaar. Zoubkosif vergeudete mit zweifelhaften Freunden in Berlin un anderen Orten das Vermögen der Prinzessin, die allein ein« jährliche Apanage von 40 000 Mark hatte. Gewissenlos« Ver mögensverwalter, ebenfalls Fremde Zouhkoffg, ließen ihn in allem freie Hand. Als Zoubkofsf als lästiger Ausländer im 'Jahre 1928 aus Deutschland ausgewiesen wurde, war das Ver mögen der Prinzessin, das früher auf 12 Millionen geschätzt wurde, dahin. Auf Betreiben der Llppeschen Famflienverwaltung ln Bückeburg wurde im Jahre 1929 -as Konkursverfahren über das Vermögen -er Prinzessin eröffnet. Mustuf zugunsten -er aus KuKlan- ausgrwaa-erten -eutsthstämmlgrn Sauern Das Deutsche Rote Kreuz, der Zentralausschutz für die Innere Mission, der Deutsche CaritaSverband, der Fünfte Wohlfahrtsverband, der Hauptausschuß für Arbetterwohlfahrt, der ZentralwohlsährtsauSschuß der Christlichen Arbeiterschaft und die Zentralwohlsahrt»- stelle der deutschen Juden erlassen folgenden Aufruf: „Brüder in Not! «ine Katastrophe über Deutsche im Auslands ist hereingebrochen! Tausende deutscher Bauern sind durch Hunger, wirtschaftliche Not und Zeit verhältnisse von ihrer Scholle in Sibirien vertrieben. Sine deutsche Hungerwanderung hat in Rußland de- ^"^Zehntausend Heimat- und eristenzberaubts deutsche Bauern haben sich vor Moskau angesammelt, um E