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2S. Jahrgang Schon in der heutigen Debatte hat sich gezeigt, daß der Par« teivorstand eine kompakte Mehrheit hinter sich hat. Die Opposi tion, die von den bekannten neun Abgeordneten geführt wird, ist zwar recht rege gewesen; ihr haben sich aber Männer wie z. B. Erispien «ntgegengestellt, deren Nam« gerade auf dem linken Flügel der Sozialdemokratischen Partei «inen guten «lang haben. So konnte Otto Wels nach der Abstimmung am Schluß des ersten Tages feststellen, daß di« Tarnow'sche Entschließung einstimmig angenommen worden war. Bei der Gegenprobe hatte sich kein« Sand erhoben. In Kreisen, di« über die Stimmung unter den Delegierten gut unterrichtet sind, gilt es denn auch al« sicher, daß die überwältigende Mehrheit morgen hinter der Führung stehen wird. Das ist umso «her anzunehmen, als z. B. Breitscheid di« Absicht hat, seinen Parteifreunden auch die Erfahren de« jetzigen Kurses des Kabinetts Brüning mit aller Offenheit auseinander- zusetzen. Praktisch bedeutet diese Entwickelung, daß von sozial- demokratischer Seit« «in Antrag auf Einberufung d«, Reichstag«, nicht zu erwarten ist. Darin dürft« für die Reich«politik da» wesentlichste Moment und die Bedeutung des Leipziger Partei tages liegen. Bedenken der DAV. gegen die Rat- oerordnung Volksparteiliche BorfchlLge Berlin, 1. Juni. Me FrakttonSsitzimg der Deutschen BollSPartet, die heute nachmittag 3 Uhr be gann, nahm gegen 8V, Uhr nach einer längeren Mu», spräche ihr Ende. Wie bereit- au» dem Sitzungsbericht hervorgeht, wurden noch, keine endgültigen Beschlüsse gefaßt, da in Aussicht genommen worden ist, alsbald nach der Rückkehr de» Reichskanzler» und de» Reich», außenminister» au» England eine neue FraktionSsttzung einzuberufen, die nach Pen derzeitigen Dispositionen etwa am 12. d. Mt». stattfinden wird. Wie wir au- parlamentarischen Kreisen hören, wird deshalb auch erst in dieser Sitzung die Frage der sich für di« Bolls- Partei au» der allgemeinen Lag« ergebende« polittz. schen Konsequenzen geklärt werden. An einzelnen hören wir, daß in Kreisen der Boll-Partei die Ansicht vertreten wird, daß die Reichsregierung mit den nsuen Politischen Maßnahmen von der politischen Linie ab weiche, die bisher die Boll-Partei mit der Mich», regierung vertreten habe und die darin zum Au-u druck kam, daß keine neue Belastung der Wirtschaft, sondern «ine Senkung der Produktionskosten durchge führt werden soll. Bor allent ist da» Projekt der Krisensteuer sowohl sür die Angestellten al» auch für die anlagepflichtigen Einkommen, wie wir hören, in der Bottspartei auf schärfsten Widerspruch gestoßen, wie sich auch die Fraktionssitzung heute gegen die Besold dungskürzung in der gestaffelten Form bet den Beamten ausgesprochen hat. Wetter hören wir, daß man tn voll-parteilichen Kreisen von der Einführung einer allgemeinen Arbelt-zeitkürzung keinerlei praktisch» Er- gebniss«, sondern nur eine Verteuerung dir Produk tion Md eins Beunruhigung der gesamte« Die weitere Haltung der Sozialdemokate« Leipzig, 1. Juni. Der erste Tag der «igenMchen ve- ratungen des sozialdemokratischen Parteitage, hat noch nicht die endgültige Entscheidung über den Kur, der Partei gebracht. Vielmehr wird die eigentlich« „Schlacht" erst morgen erschlagen werden, wenn durch die Referate von Brettscheid und Sollmann und in der daran anschließenden Aussprache di« aktuellen politt- schen Probleme erörtert werden, die mit der Stellung der sozial, demokratischen Reichstagsfraktion zum Kabinett Brüning, zum Panzerkreuzer und zu der neuen Notverordnung zusammenhangen. Dabet ist aber schon zu> beachten, daß da» Kernproblem der mor. gingen Beratungen des Parteitage» überhaupt nur die Stellung kirt» Montagnachmittag begann auf dem Weißen die Reichstagung des Arbeitsausschusses Deut- Die Tagung soll unter dem Gesamtthema Die Revision des Versailler Vertrages" di« politischen und rechtlichen wte^in^sU*" und Möglichkeiten der Ueberwindung des Dlb Ak"und Aussprache behandeln. Der Präsident des Gouverneur z. D. Dr. Heinrich Schnee hieß die Erschienenen willkommen. Das groß« Elend unleres Vater lande-könne ohne «ine Revision der ung^ Best,'' mungen des Versailler Diktate-nicht mehr gNagen L die Revision die Existenzfrage des gesamten deutschen Volkes sei, werde in allen Sichten heute klar erkannt. Hiervon lege auch der r°^*°^entlich starke Besuch der Reichstagung Zeugnis ab^ Es lei jetzt die Zett gekommen, den gemeinsamen Willen zu einem aktiven Handeln nach außen zu führen. . ,^,Ä*"präsident Schi eck überbrachte die besten Wünsche der lächsischen Regierung. Der Arbeitsausschuß Deutscher Verbände habe in vorbildlicher Weise den Kampf gegen die Kriegsschuld lüge ausgenommen. Wohl auf keinem anderen Gebiete stehe da» gesamte deutsche Volk so einmütig zusammen wie hier. Di« Er. kenntnt» werde immer mehr allgemein, daß der auf der Kriegs- Aruhend« Versailler Vertrag revidiert werden müsse. Diese Notwendigkeit werd« am stärksten empfunden, wo sich der Versailler Vertrag am allerdeutlichsten als untragbar erwiesen habe, d. h. in den Gebieten, wo der Vertrag blutende Wunden in die Grenzen geschlagen habe und wo infolge der industriellen Entwicklung ein besonders empfindliches Wirtschaftsgebiet bestehe wie in Sachsen. Di« sächsisch« Regierung habe immer wieder di« Förderung auf ein« Revision des Versailler Vertrage» erhoben. Das deutsche Volk könne weiter« Opfer nur dann aushalten, wenn es tn greifbarer Nähe von den untragbaren Lasten des Versailler Ver- nage» befreit werde. Die sächsisch« Regierung hoff«, daß die Dresdner Tagung ein bedeutsamer Markstein auf dem Wege zum Erfolg sein werde. Oberbürgermeister Dr. Külz, der die Versammelten im Namen der Stadt Dresden herzlich willkommen hieß, führt« aus, daß die Wiedergewinnung deutscher Freiheit und die Wiederein- ordnung Deutschland» al» gleichberechtigten Faktor in das Gemein schaftsleben der Staaten und Völker das Ziel alles politischen Denken, und Handeln sein müsse. Der Arbeitsausschuß Deutscher Verbände habe es sich zur Aufgabe gemacht, da» deutsche Volk und die Welt über da» Innere Unrecht und über die politisch« und wirtschaftlich« Unmög- lichkeit des Diktates von Versailles aufzuklären, um dem Gedan ken eine» wahren Friedens den Weg zu bahnen. Dem Arbeit», ausschuß gebühre für seine zielbewußt«, umfassend« und «rfolg. reich« Tätigkeit der aufrichtigst« Dank. Unter lebhaftem Beifall der Versammelten wurde sodann Le- schloss«», an Reichspräsident von Hindenburg «in Huldigungs telegramm abzusenden. Im Anschluß daran nahm da» g»schäft,, führende Vorstandsmitglied Dr. Hans Draeger da« Mort zu seinem Referat Revision oder „Heiligkeit" der Verträge? Di« deutsche Forderung auf Revision de« Versailler Diktate gründe sich auf den Rechtsanspruch aus dem Dorfriedensvertrag vom 8. November 1918, auf di« in der Völkerbundssatzung gegebe- nen Revision-Möglichkeiten und auf Ansprüche aus wirtschaftlichen und polttschrn Notwendigkeiten. Solange die Tributzahlungen fortbestünden, würden die Gleichgewichtsstörungen au» der euro- päischen und aus d«r Weltwirtschaft nicht verschwinden. Ein Leben der Völker in Frieden sei nur möglich, wenn die Völker überhaupt leben könnten. Da» sei für Deutschland ohne die Re vision von Versailles nicht möglich. Die deutschen Revision, forderungen seien keine deutsche „Revanche". Es seien di« au« Siegerwillkür Die politische« Dispositionell der Reichrregierung Berlin, 1. Juni. Das Reichskabinett, da», wie bereit» gemeldet, heute mittag um 12 Uhr zur abschließenden Aussprache über die neue große Notverordnung zusammentritt, wird wahr- schetnltch bi» in die späten Abendstunden zusammenbleiben, da noch einmal alle Punkte der Notverordnung durchgesprochen w<r' den sollen. Ob dabei nicht gewiss« Modifikationen derbereit, vereinbarten Beschlüsse erfolgen werden, läßt sich noch Mt über, blicken. Jedenfall, soll morgen di. redaktionelle Festlegung der ges-mten Notverordnung erfolgen, di« nwrgen nachmtttag den Ministerpräsidenten der Länder zur Kenntnis gebracht wird. Man rechnet damit, daß der endgültige Abschluß b« Kabtnettsbera tungen am kommenden Mittwoch erfolgt, Unterzeichnung der Notverordnung durch den ^«^Präsidenten voÄ!mm.n werden soll. FrevE.nt«^ Uen hieben politisch«« Kreisen ftr Anfang der kommenden «voq erwartet. Der Gerverkschaftsbund der Angestellten wendet sich an den Reichskanzler Berlin, 1. Juni. Der Dewerkschaft-buNd der Angestellten hat heute an Reichskanzler Dr. Brüning «in Telegramm «E tet, in dem er sich vor der endgültigen Beschlußfassung der Reif regierung gegen alle Pläne einer „Behebung der Finanz not durch ^unsozial« Sparmaßnahmen" wendet. Im Lesondenn wird d» Krisensteuer für die Angestellten al, unannehmbar bezeichnet. Di« Angestellten seien, so wird ausgeführt, durch Kürzung de» Tarifgehaltes, Abbau übertariflicher Zulagen, Gehaltskürzung tn« folge Kurzarbeit und Arbeitslosigkeit in ihrer Lebenshaltung tie fer herabgedrückt worden als Beamt« und andere Kreis«. Weiter wird gegen den etwaigen Plan einer Beseitigung der Lohnsteuer- rückerstattung Stellung genommen, die^m so ungerechter sei, al« die Rückerstattung für Einkommensteuerpflichtige aufrechtrrhalten werden solle. Der Arbeitslosenschutz dürfe nicht gedrosselt wer den Die Allgemeinheit müsse verpflichtet bleiben, allen unver schuldet Erwerbslosen Existenzmittel zu garantieren. Die Ange stellten müßten fordern, daß aus Gründen sozialer Gerechtigkett in erster Linie die tragfähigen Schultern zur Ueberwindung de, Krise herangezogen werden. Beendigung der Aussprache de» Kabinetts zur Notverordnung Berlin, 1. Juni. Wie wir erfahre«, hat das Reichskabi« nett in seiner heutigen Sitzung, die von Mittag Vis gegen Mit- ternacht dauert«, di« Aussprache über die geplantem Finanzsanie- rungsmaßnahmen zum Abschluß gebracht. Die Redaktion der Notverordnung wird morgen erfolgen. Ihre endgültige Verab- schiedung durch das Kabinett ist M Mittwoch vorgesehen. Der Reichskanzler rmvsing die Ver- treter der »ramtenschast B « rlin, 1. Juni. Der Reichskanzler empfing im Lauf« der heutigen vormittag» in Gegenwart der Reichsminister Dietrich, Wirth Schätze! und von GuSrard Vertreter de» Deutschen Beam- tenbundr» und de, Reich,bunde, der höheren Beamten zu einer vertraulich«« Au-sprach« über di« Frag« d«r ««tteren zwischen z bi» 8 Prozent gestaffelten Gehaltskürzung der Beamten. La Retch»kanrl«r legte den Standpunkt der Reich-rezierung dar und nahm die Auffassung der vertret«, der Beamtenschaft entgegen. Auer Tageblatt -EM Anzeiger Mr -as Erzgebirge «ochalt«» »I» «Mch«,oekomUmochm,,«,».«Note.»«Stattm>»tt. Är 126 — ' . Mittwoch» üen 3. Zuni 1931 «egen die Vernunft geschaffenen Verträge, die sich jetzt rächten. Frankreich stelle der deutschen Forderung nach Revision das Wort von der Heittgkeit der Verträge entgegen. Der deutsche Frie- densbegrtff, dem das Verlangen mach Gleichberechtigung und Re- Vision zugrunde liege, und der französische, der die Erhaltung des Status quo und der „Sicherheit" zum Inhalt habe, ständen sich mit anscheinend unversöhnlicher Schärfe gegenüber. So habe auch Locarno, an das man eben von ganz verschiedenen Standpunkten au» herangegangen sei, nur eine noch größer« Enttäuschung zurücklassen müssen. Di- französische Politik wolle die Hegemonie Frankreichs in Europa stcherstellen. Deshalb wolle man auch dem Artikel 1g der Völkerbundssatzung seine Bedeutung nehmen. Deutschland blicke für seinen Kampf auf zwei Kräfte: den Völker bund und die öffentliche Meinung der Welt. Der bestehende Völ kerbund sei seiner Aufgabe nicht gerecht geworden, da die fran zösisch« Politik ihn al» ihr Instrument betrachte. Ein Austritt Deutschland« au» d«m Völkerbund müsse sorgfältig auf sein« politische Bedeutung untersucht werden. Jedoch müsse man dem Versuch entgegentreten, bet einem ent- sprechenden Vorgehen Deutschland al» Verräter und Verächter des Rechts zu stempeln. Eine etwaig« deutsche Aktion müsse das Ziel haben, an die Stell« des Völkerbundes der Macht den Völkerbund des Recht- zu setzen. Die öffentliche Meinung der Welt verhalte sich zum Revisionsgedanken sehr verschieden. Maßgebend würde die Stellung Amerikas sein. Während Wirtschaftskreise der Re- i Vision de» Poungplanes günstig gegenüberständen, hielten sich dke amtlichen Stellen und der Mann von der Straße noch sehr zurück. Richt zu bezweifeln sei, daß die hemmenden Kräfte den fördernden zurzeit noch weit überlegen seien. Für die zu leistende Auf. . ' IlärungsarLeit blieben daher noch große Aufgaben. Je europäi« ^m Kabinett Brüning ist, während Panzerkreuzer und Rotver- scher die Frage behandelt werde, desto eher werde man WM Ziel, ordnung nicht Probleme sondern nur Symptome find. dem Frieden des Rechts, kommen. Leitend für uns müsse dabei jedoch allein das deutsch« Ziel, die deutsche Lage sein. Als zweiter Redner sprach der Generalsekretär des parlamen tarischen Untersuchungsausschusses des Reichstag«, Dr. Eugen Fischer, über den Stand der wissenschaftlichen Erforschung derKriegsursachen. Dr. Fischer führte dahei u. a. aus: Der Versuch, die Frage der Schuld am Krieg« wissenschaftlich zu formulieren und nach wissen schaftlichen Methoden allgemeingültig zu lösen, sei bi» jetzt noch nicht geglückt. Die stärkst« Feststellung sei die, daß von allen ! Großmächten Rußland zuerst mobil gemacht und dadurch Deutsch land und Oesterreich.Ungarn den Krieg „aufgedrängt" habe. Kriegstechntsch habe die russische Mobilmachung über alles ent- schieden. Serbien sei freilich eines der entscheidenden Gewichte am Gleichgewicht Europas gewesen. Unzutreffend sei die Annahme, daß di« deutsche Regierung durch den Briefwechsel der beiden Generalstabschefs im.Jahre 1909 einer Aenderung des Dreibund- Vertrages nach der offensiven Selle hin zugestimmt habe. Von den gegnerischen Mächten sei Rußland schwer belastet durch die Mobilmachung, sodann durch die zweifelsfrei erwiesene Richtung seiner Politik auf die gewaltsame Gewinnung der Meerengen und Konstantinopels. Zu diesem Kriegsplan habe di« militärische Vorbereitung Rußlands gehört. Diese Macht habe, zumal seit 1912, «ine Verstärkung ihrer Armee und Beschleunigung ihrer Mobilmachung in die Wege geleitet, die für Deutschland eine immer unerträglicher werdende Drohung in sich schloß. Rußland sei darin von Frankreich unterstützt, ja sogar gedrängt worden. Auch bet England trete die antideutsche Linie mit jedem Akten, band deutlicher hervor. Was endlich die belgische Frage Le.- treff«, so habe der Einmarsch in Belgien Deutschland in der Welt unendlich geschadet und schade ihm noch heute. Andererseits finde sich wenigstens tn der wissenschaftlichen Welt Verständnis für Deutschlands militärische Notlage. Im Anschluß an di« Vorträge fand eine lebhaft« Aussprache statt. Kamps gegen Versailles »er «rbeitsau-Ichub Deutscher Berbiinde tagt