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Nr. ISS 2S. Jahrgang Sonntag» äen Id. Juli 1SS1 und LiichlkM filr ZtMi-- unü IsapUMM Reichsminister Treviranus über einschneidende Beschlüsse der Regierung Berlin, 17. Juli. Reichsminister TreviranuS mit Deutschlands Lebenskraft Zentral- und Osteuropa und gegnen die au» den schweren Erschütterungen de» deutschen Geld- und Kreditsystems drohen, ist mir nun die Möglichkeit gegeben, den von mir schon in «eb ner letzten Rundfunkrede zum Ausdruck gebrachten Wunsch nach einem persönlichen Meinungsaustausch mit den französischen Staatsmännern zur Durchfüh rung zu bringen. Der Herr ReichSaußenmintster und ich fahren nach Paris mit dem festen Willen, in «inen offenen gegenseitigen Meinungsaustausch einzutreten, dessen Ergebnis, wie ich hoffe, den Weg für eine vier- antwortungsvolle Zusammenarbeit frei Wachen wird. Die bevorstehende Aussprache kann um so fruchtbarer sein, al» wir gleichzeitig Gelegenheit haben, werden, auch mit dem englischen Außenminister und dem ame rikanischen Staatssekretär zusammen-ukonünen. von Parts werden wir auf eine Einladung der englischem Regierung nach London wetterfahren, um den begon nenen Gedankenaustausch dort fortzusetzen. Ich hoffe, daß diese persönlichen Fühlungnahmen zur Klärung der Lage beitragen und einen sichtbaren Beweis inter nationaler Solidarität geben werden. Die letzte KabioettMmlg Berlin, 17. Juli. Nachdem der Wirtschafts ausschuß de» Reichskabinett« heute vormittag wieder getagt hatte, ist da» Kabinett al» Ganze« heute abend um 6 Uhr zu einer Sitzung zusammengetreten. Die Beratung gilt der Notverordnung zur Bekämpfung der Kapitalflucht, die voraussichtlich morgen herau-kom- men wird, und außerdem dem Fragenkomplex, der mit der Pariser Reise de» Kanzler» und de« Außen minister» zusammenhängt. In Kreisen da» ReichS- kabinette» 'ist man sich über die schwerwiegende Be deutung dieser Reise vollkommen im klaren. Ihr Ergebnis ist zunächst entscheidend dafür, wie sich Hie Tevisenlage gestaltet, wenn in der nächsten Woche da» Bankgeschäft wieder in normalen Formen übergeführt wird. Di« diplomatische Vorbereitung von Pari» und London ist auch heute in zahlreichen Gesprächen mit den ausländischen Hauptstädten und den Botschaftern der Hauptmächte fortgesetzt worden, von unterrichteter Seit« wird aber betont, daß irgendwelche Bedingungen oder bestimmte Pläne, wie st« in d« Pariser Presse aufgestellt werden, der ReichSregierung nicht zur Kenntnis gebracht worden sind. Trotzdem bezweifelt man in politischen Kreisen natürlich.nicht, daß die französischen Minister dem Kanzler und dem Außen- Minister Wünsch« vorlegen, di« di« deutschen Staat* männer vor ganz schwerwiegende und verantwortungs volle Entscheidungen stellen. Die Einladung selbst, die seit heute vormittag offiziell vorliegt, ist in der höflichsten und zuvor- kommendsten Art gehalten. Die französisch« Regierung hat die deutschen Herren gebeten, sich al« ihre Gäste zu bewachten. Die Delegatton wird j«doch au« Zweck mäßigkeitsgründen in der deutsch»» Botschaft wohnen. Tie kommt morgen nachmittag uni 2 Uhr in Part« an. Um 4 Uhr wird bereit« die erste Besprechung stattftnden, und zwar zunächst mit den französischen Ministern. Für diese Aussprach« stehen nur etwa drei bis vier Stunden tzur Verfügung, da am Abend «in Essen zu Ehren de» Duke of Kork stattftndet, an dep» die französisch« Regierung au» Gründen der Höflichkeit gegenüber England teilnehmen muß. AM Sonntag wird die Besprechung dann fortgesetzt unter Zuziehung der Vertreter von England und Amerika, mögliche» weise auch von Italien, wenn Grandi über Pari« nach London fahren sollte. Zn Berlin nimmt Snan an, daß Henderson am Sonntag nachmittag bereit» nach London zurückkehrt, da er die große Konferenh vorberetten muß. Die übrigen Teilnehmer werden Pari- erst am Montag vormittag uM 10 Uhr ver lassen und um 6 Uhr nachmittag« in London ein treffen. Nach Auffassung unterrichteter Kreise ist e» voll kommen unmöglich, schon letzt eine Prognose zu stel len. Man weist immer wieder darauf hin, daß der Ausgangspunkt für die Pariser Reise in der bekannte» Rundfunkrede de» Reichskanzler« zu sehen ist. ES kommt darauf an, Wege zu suchen, die zu einer wirt schaftlich«», finanziellen und politischen Beruhigung führen. Lazu wird betont, daß die deutsche Delega tion keine Forderung annehmen wird, di« der Ehre und tzpn Interessen Deutschland« widerspricht. _ Berlin, 17. Juli. Die Reichsregierung, gibt Heute abend nur die zweite Notverordnung gegen politische Ausschreitungen bekannt, di« Veröffentlichun gen der fresse zum Gegenstand hat. Die beiden an deren Verordnungen, die man erwartet, werden erst morgen herauskommen. E» handelt sich, dabet ein mal um die Maßnahmen gegen die Kapitalflucht, zum anderen um. die Regelung, die mit Beginn der näch sten Woche für den Bankverkehr erforderlich ist. Ditese Verordnung trifft vor allem Bestimmungen über die Abhebung von Bankguthaben. Tie nächste Sitzung de» Reichskabinett» findet morgen mittag statt. Zweite Verordnung de» ReichSprSfidenten zur Bekämpfung politischer Ausschreitungen vom 17. Juli 1931 ^Berlin, 17. Juli. Auf Grund de» Artikels 48 Absatz 2 der RetchSverfaffung wird für da» Reichsgebiet verordnet! 8 1. - Der verantwortliche Schriftleiter einer periodischen Druckschrift ist verpflichtet, auf Verlangen der obersten Reich», oder Laude-behörden oder der von ihnen bestimm ten Stellen Kundgebungen sowie Entgegnungen auf die in der periodischen Druckschrift mitgeteilten Tatsachen ohne Einschaltung oder Weglassung unentgeltlich aufzunehmen. Der Abdruck hat unverzüglich, bei Tageszeitungen spätesten» in der nach Eingang der Kundgebung oder Ent gegnung nächstfolgenden, für den Druck nicht bereit» abge. schlossen«» Nummer zu erfolgen. Die Kundgebung oder Entgegnung ist an der vom Einsender bestimmte Stelle mit der von ihm bestimmten Ueberschrift und in der von ihm be stimmte Schrift zum Abdruck zu bringen. Eine Stellung, nähme zu einer Entgegnung in der gleichen Nummer ist un zulässig. 8 2. Druckschrift«, durch deren Inhalt die öffentliche Sicher heit und Ordnung gefährdet wird, können polizeilich be- schlagnahmt und eingezogen werden. Periodische Druck- schriste können verboten werden 1. wenn der Vorschrift de» 8 1 zuwider gehandelt wird oder 2. wenn durch ihren Inhalt die öffentliche Sicherheit und Ordnung gefährdet wird. Die Vorschrift de» tz 12 Absatz 2, 3, der 88 13 und 15 Absatz 1 der Verordnung zur Bekämpfung politischer Au»schreitungen vom 28. März 1931 (Reichsgesetzblatt Sette 79) gelten entsprechend. 8 3. Diese Verordnung tritt mit dem Tag ihrer Verkündung in Kraft. Berlin, den 17. Juli 1931. De, Reichspräsident, tzez. von Hindenburg. Der Reichskanzler, gez. Brüning. Der Reichsminister de» Inner«, gez. Dr. Wirth. Abreise «ach Varis Berlin, 17. Juli. Reichskanzler Brüning ReichSaußenminister Dr. Turttu» find mit den Her ren ihrer Begleitung heute abend 10 Uhr mit dem fahrplanmäßigen Nordexpreß nach Part» Abgefahren. Auf dem Bähnhof Friedrichstraße hatten sich irußer einer großen Menschenmenge der französisch« Bot schafter de Margerie, der englische Botschafter Harare Rumbold mit dem Botschaftsrat Newton, ferner Staats sekretär Pünder und «ine Reihe von Herren de« Aus wärtigen Amte» zur Verabschiedung «tngefunden. Wäh rend Kanzler und Außenminister für einig« Augen blicke den Photographen und Ftlmoperateuren zur Verfügung standen, wurden ihnen au» der Menge herzlich« wünsche zugerufen. Hoesch fährt dem Reichskanzler entgegen Pari», 17. Juli. Botschafter von Hoesch reist in Begleitung von Gesandtschaftsrat Dumont Sonn abendvormittag nach der französischen Grenzstation Jeumont, um dort den Nordexpreß mit den deutschen Staatsmännern zu erwarten und zusammen mit ihnen die Weiterreise zurückzulegen. Eine Erklärung Brüning» vor der Abreise Berlin, 17. Juli. Reichskanzler Brüning über gab dem Ehesredakteur de» WTB. kurz vor seiner Abreise nach Pari« folgende Erklärung t Nachdem Vie ReichSregierung die notwendige Maßnpst»»» getroffen hat, M» de« Gefahren zu be- damit ganz Europa auf Gedeih und Verderb verbunden ist. ES gilt nicht, ein deutsches Problem zu lösen, sondern «S gilt die Erhaltung einer geregelten Wirtschaft auf der gan zen Welt. Schwer genug ist also die Verantwortung, die auf den politischen Führern in Parts und London lastet, und besonders schwer wird die Aufgabe der deutschen Staatsmänner' sein. Ein 65^Ntlltonen-Vokk Hatz «inen Anspruch darauf, endlich wieder die Möglichkeit zu erringen, in Frieden und Freiheit zu leben und zu arbeiten. ES er wartet aber gleichzeitig von seinen Vertretern, daß als Preis hirfür nicht daS Opfer der deutschen Abhängigkeit und eines würdigen Nationalstolzes gebracht wird. DaS tief« Vertrauen und alle Hoffnungen unsere» um sein Leben ringenden gequälten Volkes werd« dem Reichskanzler und seinen Beratern mahnend und helfend zugleich in den kom mend harten Kämpfen zur Sette stehen. Die ReichSreaie- rung, erklärte der Minister weiter, hat mit ihren jüngsten Notverordnungen nicht im entferntesten die Ursachen der Kreditnot beseitigen können, sondern nur in einigen Punk ten die schwersten StauunaSerscheinungvn der plötzlichen Krise im Geldverkehr gelockert. Alle Maßnahmen dienen nur dem allgemeinen Besten, nicht einzelnen weniger, son dern de» ganzen Volke». Verständlich war der Glaube der Bevölkerung, daß nach den beiden Banffeiesiagen der übliche AuSzahlungS- verkehr wieder eröffnet werden würde. Aber drei weiter« beschränkt« Bankfeiertage mußten mit Wirkung bi» Sonn abend eingelegt werden. Die Lockerungen werden plan mäßig Wetter erfolgen. Ich komme ger»de «m» der KabtnettSfitznng, in der die Regelung für die nächsten Tage ab Montag bi» Donnerstag nächster Woche beschlossen wurde. St« sieht 'ern vor, einmal di« Möglichkeit der arkonten bi» zur Höhe von etwa SV Mk. en Konten bi» zu 1VV Mark tügllch. Reue scharfe Maßnahmen «otverordmmg öder EttschrSattn, der Vressesrelheit — AMndlgmg etter Rotterordmm, gegen K,vital' «tt Steeerslacht — »rüvlng uad Lvrtivr find tt Vari; Tageblatt -MW Mzeiger für -as Erzgebirge sprach heute abend im Rundfunk zur politischen Lage. Der Minister führte hierbei u. a. auS: Bei allem Ernst der Lage, den niemand leugnen darf, ist in Wirklichkeit kein Grund zur Verzweiflung. Lassen Sie mich ganz rückhaltlos, aber auch ganz nüchtern eine Bilanz ziehen. Der Hoovervlan gibt dem Reich für ein Jahr ein« Entlastung von Zahlungen in Höhe von 1,6 Milliarden RM. In diesen Tagen hat daS Reich 300 Mil lionen RM der deutschen Wirtschaft durch die Bankwelt wieder zur Verfügung stellen können. Durch di« Abzüge kurzfristiger Guthaben in Mtlliardenhöhe erspart di« deutsche Wirtschaft die entsprechenden Zinsen. Jeder von un» sollte wissen, daß in dem lang andauernden Ringen um unsere wahrhafte Gleichberechtigung unter den Völkern der Erde und die Befreiung von unberechtigten Vorbelastungen durch den Entschluß des Präsidenten der Vereinigten Staaten unS neue berechtigte Hoffnung gegeben ist. Die Augen der ganzen Wett, fuhr der Minister fort, sind wieder auf die deutschen Männer gesichtet, die nach Paris fahren und am Montag nach London. Ich habe in der deutsche Oeffentltchkeit in den letzten Tagen oft Fragen gehört, ob e» für deutsche Politiker überhaupt vertretbar sei, im gegenwärtigen Augenblick nach Frankreich zu fahren, Der Reichskanzler hat schon vor vier Wochen an dieser Stelle unter dem Eindruck des großen Entschlusses deS Präsidenten Hoover Antwort gegeben. Er hat daran erinnert, daß ein fruchtbare» Zusammengehen der europä ischen Völker nur möglich ist, wenn Frankreich und Deutschland den Weg zu einer friedliche« Zusammenarbeit finden. Aber nicht allein um da» Schicksal und di« Wohlfchrt dieser beiden Länder handelt e» sich. Die freudige Aufnahme «ein weitere» Lock der Hosner-Sotschaft bei allen Nationen und die Ereignisse Au»zahlung von Svari der letz'-m Lage haben der ganzen Welt klar gemacht, daß > täglich, von lausenden