Volltext Seite (XML)
Dienstag» äen 2S. Marz 1929 )luer Tageblatt «»t^ram«,: «ag«»laa Enthalten- -le amtlichen vekanntmachungen -es Rates -er Gta-t UN- -es Amtsgerichts ^ue. poftsch,ck.«»nt»r fimi Lttpzl- N«.1«M Nr. 72 Dienstag» äen 2S. März 1929 24 Jahrgang Reine Irieäenssicherheilen? De» Franzos« Perttuax — Sei«« Gedanken wer Völkerbund, Locarno nnd Kelloggpakt Ja den Londoner „Daily NawS" ergreift soeben der berühmte französische Journalist Pertinax Las Wort, um sein« Ansichten über den nächsten Krieg zu äußern. Um es gleich vornweg zu sagen, vertritt er die Auffassung, daß es gegenwärtig überhaupt keine Friedensgarantien gibt. Weder der Genfer Völkerbund, noch die Locarnoverträge, noch der Kelloggpakt find nach seiner Auffassung geeignet, den Frieden zu sichern. Es steht außer Frage, daß seine Darlegungen unge heures Aussehen erregen werden. Pertinax ist das Pseudonym des berühmten französischen Journalisten Andrg «Gerau d, «der seine Gedanken im „Echo de Paris" nioderzulegen «pflegt. Sie werden nicht nur in Frankreich, sondern in Len Auswärtigen Aemlern aller L' .der regelmäßig verfolgt und überaus «gewürdigt, da Per- trnax vielfach die Auffassungen Les «franzö- fischen Auswärtigen Amtes wied ergibt. Ge mse «deshalb können ne auch «hier nicht übergangen werden. Heute soll Pertinax selbst, soweit es möglich ist, zu Worte kommen. Eine Kriegsgefahr besteht, versichert uns Per tinax. Wie sollen wir uns vor ihr schützen? Wir besitzen den Genfer Völkerbund und die Völkerbundsfatzungen. Aber im Zeichen des «Völkerbundes gibt es nicht weni «ger als sechs Arten rechtmäßiger Kriege, wie Dr. GoNstorowski in seinem Buche über Len Völkerbund nachwerst. Darüber hinaus erklären die meisten Regierungen, daß sie «sich nicht an Len -ehntenArtikel «der Bölkerbundssatzungcn streng «gebunden halten, der bekanntlich von den in den Friedensverträgen festgelegten Grenzen handelt und sie zu «sichern sucht. Im übrigen kann der Völkerbund im Ernstfälle nur eine friedliche Regelung der Zwistigkeiten empfehlen mit dem möglichen Erfolg, daß «der Angreifer selbst die Freiheit be sitzt, sie zu verwerfen. Wie steht es mit Locarno? Die Verträge von Locarno, die unter diesem Namen «laufen, sollen die Lücken ausfüllen, die in den Friedensoerträgen «hinsichtlich Westeuropas enthalten sind. Sie füllen jedoch diese Lücke nicht aus. Einmal ist näm lich den Garanten dieser Verträge erlaubt, falls sie es für wünschenswert erachten, sich ihren Verantwortlichkeiten zu ent ziehen und an den Bölkerbundsrat zu appellieren, über dessen Befugnisse das Nötige bereits vermerkt wurde. Sodann sind die «Schiedsgerichtsverträge «mit den östlichen Nachbarn Deutsch lands (nach der Auffassung von Pertinax) in einer so unge- sck'«ckten Weise abgefaßt, «daß jede deutsche Reichsregierung den Haager Internationalen Schiedsgerichtshof umgehen und jeden Zwischenfall vor den Völkerbundrat bringen kann. Schließlich können während der «Geltungsdauer der Locarnoverträge keine Militärabkommen zwischen Frankreich und England getroffen werden, sodaß ein etwaiger Angreifer sich keiner festen Militär allianz «gegenübersehen «würde. Ein Bündnis aber, «das nicht «lange Zeit «hindurch die Generalstäbe der Verbündeten in eng ster Zusammenarbeit sieht, ist aber wertlos. Was den Kelloggpakt anbetrifft, so genügt die Be merkung, daß er nicht durch Sanktionen aufrecht erhalten «wer den kann, und «daß Amerika, «England und Frankreich Vorbe halte machten, «die ihn innerlich aushöhlen. Die Roden, die über ihn im Senate der Vereinigten «Staaten Nordamerikas und später anläßlich der Beratungen des neuen Marinepro gramms in beiden Häusern des Kongreßes gehalten «wurden, stellen «den «besten Kommentar für seine tatsächliche Bedeutung var. Infolge der Größe und Grausamkeit des letzten Weltkrie- kes überkam «die Menschheit eine Mattigkeit und Müdigkeit, die sie vielfach über die internationales Zwistigkeiten deÄ Gegenwart hinwegtäuscht. Diese allgemeine Erschlaffung war auch ein charakteristischer Ang der «europäischen Politik in den Jahren 1815—1850. Es muß jedoch bemerkt «werden, daß im Jahre 1929 mehr «Gespräche über den nächsten Krieg geführt werden, als «das etwa «vor «hundert Jahren der Fall war. Furchtlos und nicht ohne Ironie zerschlägt Pertinax so die Hoffnungen der Friedensfreunde auf den Völkerbund, auf Locarno und den «Kelloggpakt: „Da ist nirgends eine Sicherheit für Len Frieden", erklärt er kaltblütig. Gespannt wartet «man auf Las Heilmittel, das er selbst unserer kranken Zeit «vorzuschlagen weiß. Hier ist es! Gin Bünd nis Westeuropa- zwischen Großbritannien und Frankreich. Auf dieser Bafis könnte der Friede Europas für ein halbes Jahrhundert «gesichert werden. Dieser Vorschlag ist nicht neu. Eigenartig «erscheint aber seine Be gründung: „Wenn man in England geneigt ist zu erklären, daß das franzöistsch-englisch-russische Bündnis die wahre Ursache des Krieges von 1914 «war, so spricht man entweder Unsinn oder zeigt nur sein eigenes schlechtes Gewißen (!). Der Weltkrieg war in Wirklichkeit «das Ergebnis der ungleichen Stärke »wi- scheu «dem Dreibund und dem Dreiverband, «die «im Frühjahr 1914 aufgedeckt wurde. Wenn Deutschland zur rechten Zeit wahvgenommen hätte, daß «England «m den Krieg eingreifen würde, hätte es seinen Sturz «nicht riskiert." Auf der anderen Seite deS Kanals sollte man nicht so viel von den französischen Flugzeugen und Unterseebooten sprechen. Ms nichtwohl- habende Nation Müssen die Franzosen ihre Rüstungen möglichst billig durchführen. Die „Daily «News" drucken diese Gedanken von Pertinax ohne Erläuterungen ab. «Li« bemerk«! jedoch anschließend, daß LL.» LiA'OÄL LAtz Spionage um äenPemzerkreuzer U Konftrnktionipläne entwendet Bei der Rheinischen Metallwaren, nnd Maschinenfabrik Düsseldorf ist ein Fall von schwerem Landesverrat zu verzeich nen. ES sind Zeichnungen für den Geschützturm des Panzer, krouzers entwendet worden. Bon unterrichteter Gelte wird aber mitgereilt, daß di« Pläne, eh« damit Mißbrauch -«trieben werden konnte, wieder in die Hände der Firma gelangten. Die Dokumente sind von einem Ingenieur und mehreren and«, ren Angestellten, di, das Werk vor einiger Zeit entlassen hatte, auf bisher noch ungeklärte Weise nach ihrer Entlassung entwen. d«t worden. Der Diebstahl kam durch einen Mitbeteiligten ans Tageslicht. Den Erkundigungen der „Rheinisch-Westfälischen Zeitung" zufolge bestätigt es sich, -aß der schuldig« Ingenieur bereits verhaftet werden konnte. deutsche unervünscht! Di« neuen am rik-mischen Linwan-erungeqnoten Auf Grund der neuen Einwanderungsquoten, die am 1. Juli in Kraft treten sollen, werden von Groß britannien und Nord-Irland jährlich 65 721 Einwan derer zugelassen werden, während die britische Quote bisher nur 34 007 betrug. Lite deutsche Quote wird, wie bereits gemeldet, von 51227 auf 25 957 herab gesetzt und die österreichische von 785 auf 1413 er höht. Wie in Senatskreisen in Washington verlautet, beabsichtigen die republikanischen Fraktion-Vorsitzenden beider Häuser des Kongresse-, die Aufhebung der vom Präsidenten Hoover gegen seine innere lieber» zeugung pflichtgemäß proklamierten neuen Eimvande- rungsquotenregelung in der außerordentlichen Session durchzusetzen. Tie Anhänger der neuen Quoten erklären laut „Neuhork Tribüne", sie würden die Aufhebung schärf sten- bekämpfen, und das für die Durchführung de- die deutsche Einwanderung auf die Hälfte beschrän kenden Gesetze- arbeitende Propagandakomitee ist mit bezahlten Inseraten, offenen Briefen und Pressenotizen eifrig an der Arbeit, den Willen Hoover- zu durchs- kreuzen. dk» Wahlen in Italien Der UnterstaatsfekretLr 1« Ministerium de» Sw» nern, Bianzi, erklärte Vertretern der Presser Bei den Wahlen im Jahre 1921 betrug die Beteiligung 158 Prozent, im Jahre 1924 belief sie sich auf SS Pro. zent, während die Beteiligung bet den fetzigen Wah len 80 Prozent überstieg, so daß die gegenwärtige« Wahlen al- eine wirkliche Bolks-absttmmung MgesHe« werden können. Bis 7 Uhr früh lagen di« Wahlergebnisse au< 86 Provinzen vor. 7 934 733 «Sichler haben ihre Stimme für die Regierung abgegeben, 125118 gegen die Regierung. Es fehlen noch di« Ergebnisse au» sechs Provinzen. Moskau» Han- ln -ifghaalsta»! AmmmllahS Zug gegen Kabul „Daily Telegraph" «berichtet aus Peschawar: Die Kämpf« haben begonnen. Amanullah «hat zur Einleitung feine- Fest« zuges eine klein« Streitkraft mit Artillerie au« Kandahar nach Kelati-Kilzei entsandt. In der Nähe von Mokur kam er zu einem Zusammenstoß mit einem Stamm, «der unter Berufung auf feine Neutralität «den Durchzug der Truppen nicht «gestatten wollte. Beide Seiten erlitten Verluste. «Ein Kampf zwischen Gilzais, die Amanullah unterstützen, und HazaraS, die «An hänger Bacha-i-Sakaos «sind, -war für «beide Parteien sehr der» lustveich. Der Afridi-Stamm «erließ ein Ultimatum, in oem «S heißt, nur ein Mann von königlichem Mut werd« ihm «al» König annehmbar sein. Nadir Khan, der sich in Matur an der Ostgrenze «des Landes südöstlich von Kabul befindet, hofft die Stämme M sammeln und auf Gardez zu marschieren. Der Korrespondent des genannten Blattes ist der Anficht, daß Rußland einen wichtigen Einfluß auf «die Gestaltung des Schicksals Afghanistans ausübt. Herat und Kandahar seien die «beiden Mittelpunkte, denen sich «die Aufmerksamkeit der Sowjet regierung zuwende. Ersteres sei teilweise, «das zweite ganz für Amanullah. Die dortigen Stämme seien jedoch nicht stark ge nug, um es Amanullah zu ermöglichen, auf Kabul zu marschie ren, «aber «der sehr wichtige Mahmandstamm habe sich auch für Amanullah erklärt. Diese Unterstützung sei, wie «behauptet werde, durch Verteilung großer «Geldsummen und Verspre chungen weiterer «Zahlungen gesichert worden. Dieses Geld stamme nicht von Amanullah, der nicht über großen Reichtum verfüge, sondern aus einer auswärtigen Quelle, nämlich Moskau. Wie aus Teheran gemeldet wird, ist in «der Gegend van Tagao in Kuhistan «in Ausstand gegen Hwbibullah auSge- Ein ciemokraMcker Maklreform-Entwurf Der vom demokratischen Parteivorstand und der demo kratischen Reichstagsfraktion eingesetzte Ausschuß zur Aus arbeitung eines neuen Reichswahlgesetzes hat «seine Arbeiten beendet und einen «Entwurf vovgelsgt. Der Gesetzentwurf umfaßt «in «sieben Abschnitten 34 Para graphen. Er regelt im ersten Abschnitt (8? 1—7) das «Wahl recht auf Grund der Vorschriften der Reichsverfasiung, im zweiten Abschnitt (§8 8—19) die Wahlhandlung, im dritten Abschnitt <§8 20—26) die Durchführung «der Abstimmung, im vierten Abschnitt «(88 27—30) die Feststellung des Wahlergeb nisses und in «den letzten drei Abschnitten die Wioderholungs-1 wählen, den Verlust «des Abgeordnetensitzes und den Erlaß von I Ausführungsvorschriften. « Der Entwurf strebt die Verbindung des gellenden Proportionalwahlrecht- mit der sogenannten Einerwahl an, «d. «h. mit einem Verfahren, bei dem in kleinen Wahlkreisen keine Liste, sondern einzelne Kandidaten gewählt werden. Er teilt zu diesem Zweck das Reichsgebiet in 325 in ihrer Bevöl- kerungszwhl annähernd gleichgroße Wahlkreise ein und begrenzt die Zahl der Abgeordneten des Reichstages mit 450. Die «Ein teilung «der Wahlkreise soll durch Verordnung «der Reichs regierung nach Anhörung deS Reichsrats geschehen; «bei Aende- rungen in der Angliederung «der Gebiete oder der Verwaltungs bezirke soll die Reichsregieruna ermächtigt sein, mach Anhörung des Reichsrates durch Verordnung die «erforderlichen Anpas sungen vorzunehmen. In jedem Wahlkreis kann sich für jede Partei nur ein Kandidat «bewerben, es kann sich aber ein Kan didat gleichzeitig in mehreren Wahlkreisen ausstellen laßen. Zur Benennung eines Kandidaten in einem Wahlkreis ist di« Unterschrift von 500 Wahlberechtigten erforderlich; 10 Unter schriften «genügen dann, wenn die Partei, zu der der Kandidat sich bekennt, im «alten Reichstag mit «15 Abgeordneten vertreten war. In jedem Wahlkreis, für den ein Bewerber benannt wird, ist ein Betrag von 500 RM als Beitrag für die Her stellung der Stimmzettel von der «benennenden «Stelle einzu zahlen. Der Betrag wird zurückgezahlt, «wenn die betreffende Partei mindestens einen «Abgeordnetensitz erhält. Diese Bestim mung soll vor allem auch der Aufstellung von «Splitterkandida turen entgegenwirken. «Die wichtigste Neuerung gegenüber dem jetzt «geltenden Listenwahlverfahren bringt «der Abschnitt IV, «der die A-ststillkrng des vahlmgrbatfles i erfolgt Nicht, wenn auf die betreffende Partei «oder den betref fenden Wahlvorschlag im ganzen Reichsgebiet nicht mindestens 3 Prozent «aller abgegebenen «gültigen Stimmen gefallen sind. Auch diese letzte Bestimmung «soll dem Aufkommen von «Split terparteien entgegenwirken. Wenn ein gewählter «Abgeordneter ablehnt oder durch Ver zicht oder aus anderen Gründen ausscheidet, so tritt nach 8 29 an seine Stelle der Bewerber mit dem nächst höheren Anteil satz der Partei oder des «Wahlvorschlags für «die der Ausschei dende gewählt war. Aus dem Gesagten ergibt «sich, so führt die „FM. Zta/' aus, daß nach «dem neuen Entwurf di« bisherige ReichSliste sortfällt und daß für die Wahl eines Abgeordneten nichtmebr wie «bisher eine «bestimmte Mindestwählerzahl (gegenwärtig 60 000) erforderlich ist, sondern nur das Erreichen eines be stimmten Prozentsatzes von Wählerstimmen einer Partei, sofern dieser Partei nach ihren Gesamtstimmen im Reich genügende Abgeordnetensitze -umteilt «werden. Wenn sich «zum Beispiel bec der proportionalen Verteilung der 450 Mandate «ergäbe, daß nach der «Gasamtstimmenzahl auf die Demokratische Partei 30 Sitze entfielen, so würden, falls noch ein «demokratischer Abge ordneter in einem Wahlkreis die absolute Mehrheit erchuten «hätte, der erste gewählte Abgeordnete derjenige fein, aufden relativ <rm meisten demokratische Stimmen entfallen waren. Ihm «würde «der Abgeordnete «mit dem nächst «höheren Prozent satz folgen usw. M« «proporttonale Verteilung der Marwate nach der Zahl der Stimmen würde also wie nach dem bisheri gen Wahlgesetz beibehalten, der Grundsatz der Verfassung würde gewahrt; es würde «aber möglich fein, auf die Listen zu ver zichten und in jedem Wahkreis den Wählern «einen einzelnen Wahlkreis den Wählern einen einzelnen Kandidaten fär jede Va«ei «» präsentieren. Di» Vorteil« de» ckumLmi«v Mähi- gültigen Stimmen «und die Zahl «der für jeden Bewerber ange gebenen Stimmen. Auf «Grund der so festgestellten Wahlkreis ergebnisse teil nach § 28 der «Reichswahlausschuß «für die 225 Reichstagswahlkreis« 450 «Abgeordnetensitze nach folgenden Grundsätzen zu: 1. Wer m einem Wahlkreis «die absolute Mehrheit aller gültigen Stimmen «erreicht «hat, «ist gewählt, ohne Rücksicht auf hie Wahlbeteiligung. 2. Einschließlich der Zahl der nach Ziffer 1 «gewählten Ab geordneten erhält jede «Partei oder jeder Wahlvorschlag «soviel Abgeordnetensitze zugeteilt, «als ihrem «prozentualen Anteil an der Gesamtzahl der «im Reiche abgegebenen Stimmen entspricht. Die Zuteilung «geschieht «in der Reihenfolge, die sich aus «der Höhe des prozentualen Anteilsatzes für ine Bewerber in Len einzelnen Wahlkreisen ergibt. Die Zuteilung «von Abgeordnetensitzen «nach Ziffer 1 und 2