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Wochenvlatt WilS-Mf, Lharand, Noffe«, SieSeMch« im- -ie Umgegen-m. Vierter Jahrgang. Freitag, den 12. Juli 1814. 28. Mit König!. Sachs. Concession. Vcrantwortlicher Redactcur und Verleger: Albert Reinhold. W«» dieser Zeitschrift erscheint «Ile Freitage eine Nummer. Der Preis für Yen Dierteljahrgang beträgt 18 Ngr, SämmUich« Postämter det Inlandes nehmen Bestellungen darauf an. Bekanntmachungen, welch« sm nächsten Stück erscheinen sollen, wer den in Wiisbruf dis Montag Abends 7 ubr, in Tharand bis Montag Nachmittags 5 Ilhr und in Nossen bis Mittwoch Vormittags 1t Uhr angenommen. Auch können bis Mittwoch Mittag eingehende Zusendungen aus Verlangen durch die Post an den Druckort befördert werden, sodaß sie in der nächsten Nummer erscheinen Wir erbitten uns dieselben unter den Adreffen : ,,au die Nedaction des Wochenblattes in WilSLruf," ,,an die Agentur des Wochenblattes in Tharaud," und ,,an die Wo chenblatts-Expedition in Rossen." In Meisten nimmt Herr Buchdruckcrcibcsitzer Klinkiebt jun. Aufträge und Be- gellüngco an. Etwaige Beiträge, welche der Tendenz des Blattei entsprechen, sollen stets mit großem Danke angenommen erden. Die N e d a c t i o II. Carl Otto Reventlow. Reventlow ist eine jener wunderbaren Erschei nungen, die unsere höchste Bewunderung, unser ganzes Staunen in Anspruch nehmen. Was Ho wer unter den Dichtern, Aristoteles unter den Philosophen, Galilei unter den Sternkundigen, Napoleon unter den Helden und Beethoven unter den Componisten, das ist dieser junge sechsund- swanzigjährige Dane Reventlow unter den Mne- wonistcn. Die Mnemonik oder Gcdächtnißkunst, die, nach der Aussage der alten Geschichtsschreiber, der grie chische Dichter SimonideS aus Keios (gest. 470 hach Christi Geburt) erfunden haben soll, dies« Kunst, die bisher eine jener Chimären war, wor über die Gelehrten und Nicht-Gelehrten älterer und neuerer Zeit sich fruchtlos die Köpfe zerbro chen und das Hirn zerarbeitet haben, ist jetzt eine Wirklichkeit, eine Wahrheit, ein Factum geworden. Reventlow hat eines der schwierigsten Probleme des menschlichen Wissens gelöst, er hat die Gcdächtnißkunst zu einer systematischen Wis senschaft erhoben; er hat ein neues System auf- gebaut, feste Regeln aufgestellt, durch die eS ihm nwgüch wird, jedes Gedächtniß, wäre es auch noch so schwach und perfid, dergestalt schärfen, erweitern und vergrößern zu können, daß es nach zehn bis zwölf Lectionen (?) mit dem seinigen kühn in die Schranken zu treten vermag. Ich will mich hier weder auf Theorien noch Raisonnements über die Natur oder die Lage des Gedächtnisses einlaffcn; ich will nicht zu ent scheiden wagen, ob es im Border- oder Hinter kopfe, ob es, wie dis alten Griechen geglaubt, zwischen den Augenbrauen, oder, wie die Römer gemeint, im Ohrläppchen, oder, wie die Chinesen noch jetzt behaupten, im Kehlkopfe seinen Haupt- sitz habe; ich will hier nur auf den Werth des Gedächtnisses, auf den wichtigen Platz, den es in der Reihe unseres Seelenvermögens einnimmt, aufmerksam machen. Napoleon sagte: „Ein Kopf ohne Gedächt- nißkraft ist eine Festung ohne Besatzung." Nie mand wird dies bestreiten wollen. Von allen Gaben der Natur ist ein gutes Gedachtniß zwei felsohne eine der herrlichsten. Das Gedächtniß ist die Grundlage unseres ganzen Wissens. Das Gedächtniß ist der goldene Zauberschlüffcl, womit unser Geist sich alle Pforten der menschlichen Kenntnisse öffnet, das Gedächtniß ist die Anti- chambre der Gelehrsamkeit. Die Kunst aber, das Gedächtniß zu schärfen, dasselbe fähig machen, Alles in sich aufzunehmen, Alles in sich einzuprägem