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für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebelllehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche GerichLsamt Wilsdruff und den SLadtrath daselbst. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und Freitags und kostet vierteljährlich 10 Ngr. — Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag. 78. Dienstag, den 6. Oktober 1874. Tagesgeschichte. Der deutsche Reichstag wird am 18. Octobcr durch den Fürsten Bismarck eröffnet werden. Vorlagen: Reichsbudget für 1875, ein Gerichtsverfassungsgcsctz und der Entwurf einer Straf- und Civil- Prozeß-Ordnung. Das ostpreußische Tribunal zu Königsberg, hat gegen den Bischof von Ermcland, vr. Krementz, wegen gesetzwidriger Anstellung eines Geistlichen ein Strafurtheil gefällt, dessen Urtherls- gründe dem vorliegenden Falle eine nicht gewöhnliche Bedeutung ver leihen. Der Bischof hatte in seiner Vertheidigungsschrift behauptet, daß nach 15 der preußischen Vcrfassungsürtuude die Maigesetze für ihn nicht rechtskräftig seien. Darauf erklärte der Vorsitzende des Tribunals bei Veröffentlichung des Urtheils: „Eine Defension, Wie die des Herrn Bischofs, daß die Maigesetze für ihn nicht rechtsverbind lich seien, ist nicht gerechtfertigt und unzulässig. Würde solche Ver- ibeidignng hier vor dem Gerichte — es war im Termine weder der Bischof, noch ein Verlhcidigcr desselben erschienen — mündlich ge führt worden sein, so hätte sie einen Ordnungsruf zur Folge gehabt. Die Gesetze sind gesctz- und ordnungsmäßig zu Stande gekommen lind der Richter muß sic bei der Rechtsprechung zu Grunde legen, durch sie das Ansehen des Gesetzes Herstellen. Es iü erlaubt, jedes Gesctz der Kritik zu unterwerfen, auch ans geeignetem Wege auf ModificatwN desselben zu drängen. Sobald es aber erlassen, so lange cs rechtS- giltig ist, muß Jeder sich ihm unterwerfen, es anerkennen und ihm ge horchen. Der fortgesetzte und gesetzwidrige Ungehorsam, das Ver fahren, sich eher bestrafen zu lassen, als sich dem Gesetze zu unter werfen, ihm zu folgen, ist nicht rechtlich und nicht sittlich, auch nicht religiös; solch ein Standpunkt muß zur Anarchie führen. Denjenigen, die den Gesetzen nicht folgen wollen und können, bleibt nichts übrig, als das Herrschaftsgebiet,' in dem sie zu Recht bestehen, zu verlassen." Uebcr das Einvernehmen zwischen Deutscbland und Ruß land schreibt heule die „Prov.-Corr.": Als die Verhandlungen, die zwischen den Großmächten in Betreff der Anerkennung der spanischen Execütivgewalt gepflogen wurden, zum Abschluß kamen, ward von allen besonnenen Organen der deutschen Presse als selbstverständlich anerkannt, daß das festgewurzelte Einvernehmen zwischen Deutschland und Rußland durch eine Meinungsverschiedenheit in Bezug auf die spanischen Verhältnisse nicht beeinträchtigt werden könne. Auch ein hervorragendes Petersburger Blatt, das Journal de St Pctcrsbourg" erklärt neuerdings zur Abwehr falscher Deutungen, daß die Zurück haltung Rußlands im Betreff Spaniens nur durch den Wunsch be dingt sei, auch den Schein irgend welcher Einmischung in die innere Angelegenheit der spanischen Nation, allen Parteien gegenüber zu vermeiden. Dasselbe Blatt fügt hinzu, daß die innige Uebereinstim mung zwischen Rußland, Deutschland und Oesterreich-Ungarn auf zu mächtigen Interessen und zu festen Grundsätzen beruhe, als das dieser Zwischenfall das gute Einvernehmen stören könnte, auf welches alle drei den gleichen Werth legen. Diese Erklärung steht mit den Auf fassungen im Einklang, welche bei dem Meinungsaustausch zwischen den Regierungen Rußlands und Deutschlands von beiden Theilen kundgcgcben worden sind. Der Wormser Zeitung ist ein Beitrag für Meiningen mit dem Knittelvcrslcin zngegangen: „Macht Euch nur weiter kein Beschwerden — Wenn gegen Euch eifert das „Vaterland" — Und denkt — von Sigl gelobt zu werden — Ist schlimmer als zweimal abgebrannt." Ein guter Deutscher muß jetzt, ohne zu schielen, immer ein Auge auf Frankreich haben. Da wollen denn gute Augen in den letzten Wochen im Kriegs- und Marine-Ministerium und in Folge davon in dim Häfen und Arsenalen und in den östlichen Festungen eine außer ordentliche Thätigkeit beobachten. , Der königliche Menschcnschlächtcr Don Carlos ist unersättlich in seiner Gier nach Opfern. Es ist noch immer nicht genug geraubt, gesengt, geplündert und gemordet worden in dem unglücklichen Spa^ nicn, Don Carlos braucbt viel Blut, um seiner Mission die gehörig Weihe verleihen zu könne». Er scheint zu befürchten, daß seine Ban den aus der Uebung kommen und das Mörderhandwerk nach und nach verlernen könnten und hat daher durch eine Ordre an die ver schiedenen Bahnhofsinspectoren der Murcia-Bahn neuerdings für aus reichende Beschäftigung gesorgt. Diese Ordre lautet: „Gott — Va terland — König. Königliche Armee des Centrums, 6. Brigade. Künftighin soll jede Person, welche auf der Bahn beschäftigt ist, gleichviel ob sie zur Station oder zum Zuge gehört, wenn sie inner halb einer einstündigen Entfernung von besagter Bahn befunden wird, nach Entgegennahme des geistlichen Beistandes (der letzte» Sacra- mente) erschösse» werden. Das Bahnhofsmaterial und andere Effec ten werden zerstört werden, wenn die Züge circulircn. Gott erhalte Sie viele Jahre." Wie besorgt übrigens der Prätendent für das Seelenheil feiner Opfer ist! Er gestattet den Unglücklichen, die in seine Hände fallen, vor ihrem Ende die Sacrameitte zu empfangen! Dafür nennt er sich aber auch die allerl'atholischste Majestät! Oertliche und sächsische Angelegenheiten. Wilsdruff, 5. October. Wege» Treiunmg der Justiz vo» der Verwaltung sind auch beim hiesigen Gcrichtsamt Versetzungen von Beamten vorgekommen. Seit 1. Öclober d. I. sind Herr Assessor Busse und Herr Polizei-Regist rator Patzig und zwar Ersterer zum Bezirksgericht Dresden, Letzterer zur Amtshaupimannschaft Meißen versetzt worden. Beide Herren habe» sich durch treue Pflichterfüllung gewiß der Anerkennung auch der Gerichtsbefohlcnen zu erfreuen gehabt und wird ihnen ein freundliches Andenken gesichert bleiben. Da nun auch der Herr Bezirksfcldwcbcl anderswo placirt wor den, und ein Gerichtsdiencr in nächster Zeit zum Abgang kommt, so hat unser Städtchen gleich vier Familien verloren. Das energische Vorgehen der Handels- und Gewcrbekammer zu Plauen hat mit ihrer Petition bezüglich der viel besprochenen neuen Stcucrgesetzvorlage im ganze» Lande den lebhaftesten Beifall gefun den. Die Gewcrbevercine mehrerer ansehnlicher Industriestädte be stürme» die erste Kammer der hohe» Ständeversammlung mit ähn lichen Petitionen, so daß bei dem massenhafte» Eingehen derselben ei» günstiges Resultat für die Gewerbtreibendcn Sachsens doch im Bereich der Möglichkeit liegt. Möchte doch die erste Kammer, die fast nur aus Begüterte» besteht, sich auch de» gerechten Wünsche» des Gewcrbesta»des »icht verschließen und den von der 2. Kammer vor- gcschlagenen Milderungen der Regierungsvorlage bcistimmcn. Das „Dr. I." vom 2. Oct. theilt mit: „Soeben ist der im Auftrage des Ministeriums des Innern bearbeitete „Leitfaden für die Ge- meindevorstäiide des Königreichs Sachsen", herausgegeben von dem zeitherigen Regierungsralh und künftigen Amtshauptmann Hrn. v. Bosse (Druck und Verlag der Roßberg'schcn Buchhandlung in Leipzig), erschienen. I» ebenso übersichtlicher wie erschöpfender Weise behandelt dieser Leitfaden an der Hand der einschlagende» Ge setze und Verordnungen die Befugnisse und Obliegenheiten, welche dein Gemcindevorstande in seiner künftige» Eigenschaft als örtliches Organ der Landes- und Bezirksvcrwaltung hinsichtlich der Handhabung der Ortspolizci übertragen sind, und setzt ihn in die Lage, bei allen vorkommenden Geschäfte» dieser Art sich sofort davon zu unterrichten, welche Gesetzes- und Verordnungsbestimmungcn er zu beobachten und wie er sich dabei zu Verhalten hat. Die in einem besonder» Anhänge beigefügten Formulare geben zugleich dem Gemeindevorstands für die i ihm obliegenden schriftlichen Arbeiten eine bequeme Andeutung. Das Werk wird sicher bald jedem Gemeindevorstand ein unentbehrlicher Rathgeber sein. Es wird aber auch de» Gutsvorstehern, den Bürger meistern in mittleren und kleinen Städten, sowie den künstigcn Be- zirksausschußmitglicdern gute Dienste leisten.