Volltext Seite (XML)
Wilsörn f-Tharander Wochenblatt. Freitag, den 5. März 1841. H, Mit König!. Sachs. Concession. Vcrantwortlichcr Rcdactcur und Verleger: Albert Reinhold. Bon dies» Wcchcnschrifl eischcint alle Flcitage Nachmiltags -in- Nummer. Der Preis siir de» Dierteljahrgang beträgt 10 Ngr. <8 Er.) Bekanntniachungen aller dlrt Welde» aufgenonuncn; die gespaltene Zeile oder deren Raunt wird mit 6 Ps. in Anrechnung gebracht. Aufsäde die in« nächste» Stück erscheinen sollen, werden in Tharand bis Sonntag Nachmittags 3 Uhr und in Wilsdruf bis Sonntag Abends 6 Uhr angenommen. Später eingehende Zusendungen müssen bis zur folgenden Woche liegen bleiben. Wir erbitten uns dieselben unter den Adressen: „an dir Redaction des Wilsdruf-Tharander Wochenblattes zu Wilsdruf (Dresde. »er Gasse im Hause des Herrn Stadtrichtcrs Tamme, 1 Treppe,) oder: „an die Agentur des Wilsdruf-Tharander Wochenblat tes zu Tharand," di« H-rr Buchbinder Tauscher übernommen hat. Etwaige Beiträge, welche der Tendenz des Blattes entsprechen, sollen stets mit großem Danke angenommen werden. Die Redaktion. Der Jahrmarkt zu Lorenzkirchen. Romantisches Gemälde von Albert Reinhold. (Fortsetzung.) „Guten Abend, verchrtcstcr Gevatter und Freund," sprach er, und lüftete das Käppchen, „oder auch Ihr Diener. Denn obgleich die Sonne schon tief steht und an das Scheiden mahnt, weiß man doch nicht recht, wie man in der Zeit lebt. Die Hitze ist immer noch entsetz lich, und es könnte eben so gut erst Mittag sein. Am Thermometer zeigt das Quecksilber auf 25 Grad über Null und zwar im Schatten. Eine solche Wä-mc ist aber wahrhaft fürchterlich in einem Gemache, wo zwanzig junge Leiber die eigne Iugcndglut ausströmcn und mit dcr äuße ren verschmelzen. Und dazu das Sprechen, der Aerger, ach! Sie glauben cs gar nicht. Und wenn sic mit. dem wildesten Pferde auf Ihrer Reitbahn herumjagten, so wäre dies doch Klei nigkeit gegen meine Calamitat. Da bin ich denn ein Sprüngclchcn zu Ihnen herübergckommen, um mich ein wenig zu erholen und das Kreuz zu vergessen, das daheim mich drückt, martert und foltert." „Recht so," versetzte Gwhmann. „Die häus lichen Grillen vertreibt man am besten, wenn man das Haus flieht und Reißaus nimmt. So ist auch meine Maxime. Am wenigsten halten sie Stand, wenn man einige Weinbaltericn auf- fahrt oder ein kleines Gewehrfeucr aus cnghal- sigcki Flaschen, mit gebrannten Wassern gefüllt, unterhalt. Die Erzschelme, die bittern Spanier, schlagen sic am leichtesten in die Flucht. Auch das Wurfgefchütz ist nicht zu, verachten und Bomben, mit gutem starkem Lagerbiere gefüllt, haben schon Wunderdinge vollbracht. Versuchen Sie es einmal mit dieser Waffengattung; cs ist großes Kaliber, und Großes kann nur Großes vollführcn. Trinken Sic, Gevatter," fuhr er fort, und reichte ihm den Krug. „Solch' cri- stallhclle Flüssigkeit spült am besten den Schul staub hinunter und die Sorgen vom Herzen." „Danke, danke schönstens," sprach dieser, und that einen so herzhaften Schluck aus dcr Kanne, als sei sie mit Lethe gefüllt. „Das ist ja ein göttliches Bierchen, so frisch, so goldklar, so ohne allen Beigeschmack von Krautern, so rein bitter von purem, edlem Hopfen. Doch wahrlich, mir ist so eine Labung einmal nöthig. Meine Frau kränkelt noch immer, und die Elär- chen darf ich nicht ansehen ohne die tiefste Weh- mnth. Ach, das arme, gute Kind! Die Blattern sind nun endlich völlig abgeheilt, aber tiefe, tieft Narben haben das holde, einst so rosige Gesicht chen entsetzlich zerfetzt und zerrissen und von der früher» Iugcndblüthe keine Spur mehr zurück- gelassen. Das liebe Mädchen grämt und härmt sich darüber ab, daß cs eincn Stein erbarmen könnte. Das Helle Wasser schießt mir oft in die Augen, gedenke ich an die freudenlose Zukunft der Armen. Die jungen Männer schreckt die arge Entßcllung vor jeglicher Bewerbung zurück, und ich selbst lebe nicht ewig. Wenn aber dcr Herr einmal über mich gebietet, dann steht die Verlassene, Unbemittelte allein mit der Mutter da, und irgend ein düsterer Zwinger schließt sie in seine dumpfen Mauern ein oder sie vertrau ert ihre Tage im Spittel. Das aber ist entsetz lich und das größte Unglück, das so ein schuld loses Wesen, welches zur Freude und zum Glück bestimmt, wie ftde andere Creatur, auf diesem Ortc dcr Wallfahrt treffen kann." Dcr klagende Vater schwieg, und sein Haupt sank noch tiefer auf die Brust hinab und höher