Volltext Seite (XML)
Wilsöru f-Tharander ochenblatt. 20. Freitag, den 18. Juni 1811. Mit König!. Sachs. Concession. Verantwortlicher Redacteur und Verleger: Albert Reinhold. Don dieser Wochenschrift erscheint nttc Freitage eine Nummer. Der Preis fiir den Diertehahrgang beträgt lo Ngr. Bekannt- inaäiungen aiier Art werden ausgenommen; die gespaltene Zeile oder deren Raum wird mit v Ps. in Anrechnung gebracht. Aussage, di- rm nächsten Stück erscheinen sollen, werde» in Tharaud bis Montag Nachmittags 5 Uhr und in Wilsdruf bis Montag Abcndä / angenommen. Auch können bis Mittwochs Mittag eingehende .Zusendungen auf EerlüNgc'N durch die Pest an den Druclort befördert werden und in der nächsten Nummer erscheinen. Wir erbitten uns dieselben unter den Adressen: ,,an dir'Rr'dactivN des Witödruf-Tharander Wochenblattes zu Wilsdruf (Dresdener Gasse im Hause des Herrn Stadtrichters Damme, 1 Treppe,) odrr: „an die Agentur des WilSLruf-Lharander Wochenblattes zu Tharaud," di- H-rr Buchblnd-r Tauscher iibcrnourm-n bat. In Meißen nimmt Herr Klinkicht jun. Aufträge und Bestellungen an. etwaig« Beitrag-, welche der Tendenz des Blattes entsprechen, solle» stets mit großem Danke angenommen werden. Die Redaction. Traum von einer Apotheke. Von Ed. Gliehn. Man träumt doch leichtlich am meisten von dem, womit man am meisten am Tage be schäftigt ist. Mir träumte, daß ich in einer Apotheke herumginge; aber ein Jeder wird leicht cinsehen, daß ich nicht nöthig gehabt hätte dies zu träumen, wenn cs nicht eine Apotheke von ganz anderer Art als die gewöhnlichen gewesen wäre. Mir war sogar als wäre ich der Revi sor, der diese Apotheke untersuchen sollte; ein Stolz, der mir im wachenden Zustande gar nicht in den Sinn kommen würde. Als ich die Auf- schrift auf den Gefäßcn las, kam mir alles so fremd und wunderbar vor, daß ich gar nicht wußte, was ich daraus machen sollte. Ich hatte noch niemals gehört, daß solche Arzneien in der Welt wären, wie ich h>cr vorfand. Ich konnte mich nicht enthalten, nach einem Glase zu greifen, was die Aufschrift führte; Quintessenz aller Wissenschaften. Ich fragte den Apotheker, der, wie die meisten seiner Kunstgenossen, ein sehr freundlicher, lieber, zuvor- kommender und höflicher Mann war, um die Zusammensetzung und die Gebrauchsweise dieser Arznei. Er sagte mir, daß er sie aus lauter großen Folianten cxtrahire, und von ihrem Gc- brauche, weiter nichts wisse, als daß zuweilen Leute kamen, die sie zum riechen forderten, wo er ihnen etwas auf den Taschentuchzipfel gießen müfst. Zugleich aber versicherte er mich auch, daß von allen, die sie jemals gefordert hätten, keiner wieder gekommen sey, woraus er schließe, daß sie auf Zeitlebens helfen müsse. — Ich schnupfte davon einen einzigen Lropfcn, und in demselben Augenblicke fühlte ich eine ganz ungemeine Er leichterung in meinem Kopfe. Es war nicht anders, als wolle er wie ein Luftballon in die Höhe steigen und mich mit hinaufziehen. Zu gleicher Zeit hatte ich fast alles vergessen, was ich bisher gewußt; soaar das ganze Paquct Titel von Büchern und Aufsätzen für verschiedene Blät ter, die ich habe schreiben wollen, ohne dazu gekommen zu seyn. Es kam mir in meinen neuen Phantasiecu vor, als wenn tausend Ge stalten aus allen Ocffnungcn meines Kopfs her aus sich drängten und davon flögen. Aus einem Ohre drängte sich eine Marionette, die, wie ich sic genau betrachtete, die leibhaftige — Homöo pathie war. Durch das andere Obr zischte die Mode-Lebensphilosop hie. Ucbcr die Zun- ge rasselte etwas heraus, was der Kritik ähn lich sähe. Aus beiden Augen schossen Feuer- funken, die lauter dichterische Begeistcrun- gen waren. Aus den Nasenlöchern schnob ich etwas weniges Jurisprudenz, wovon ich gar nicht weiß, wie ich dazu gekommen sein mag; das meiste aber — war Arzneiwis- sen schäft, und aus allen Schweißlöchcrn mci- nes Kopfs dampften Thcorieen, Systeme, Mei nungen, Erklärungsarten, Aberglaube, Einbil dungen, Voc urtheile und Jrrthümcr, sowie ein wenig Drodncid gegen meine Kollegen und Zu dringlichkeit und Schmeicheleien gegen das Pub- likum um sich Confidenten zu erwerben, die mich in unsäglicher Menge, wohl eine Viertelstunde lang, mit dem Glanze vieler tausend Irrlichter selig machten. Ich muß gestehen, daß ich Zeit meines Lebens nie unwissender und leerer an Einsichten gewesen bin, als in dieser Viertel stunde. Der Apotheker merkte die Schwachheit meines Verstandes aus einigen Reden, worin ich