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Zweites Blatt. Amtsblatt Nr die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff,, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttanneberq. Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswaide, Groitzsch, Grumbach, Gruno bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzogswalde mit Landberg, Hühndorf, KaufbaL, Kestelsdors. Kieinschönberg, Klipphausen, Lamversdorf, Limbach, Lotzen, Moyorn, Miltitz-Roitzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf, Podcedorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schmiedewalde, Sora, Steinbach bet Kesselsdorf, Steinbach bei Mohorn, Seeliflstadt, Cpechtsbausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1Mk.54 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 15 Pfg. pro viergespaltene Lorpuszeile. Druck unk Nerlaq von Marrin Berqer in WUsürnn. — BernntwnrtM für die Redaktion Marrin Berger daieM. Ro 113. Sonnabend, den 27. September 1892. 61. Jahrg. Starke Gifte. Von Or. Möä. Ebing. (Nachdruck verboten.) Vor einigen Wochen fand eine junge Dame aus an gesehener, wohlhabender Berliner Familie, eine Doktorin Äer Chemie, ihren unfreiwilligen Tod durch Einathmen von Blausäuredämpfen. Die Gerichte hatten sich wiederholt mit Giftmorden durch Strychnin zu beschäftigen. Daß die Zunge, strebsame Dame den Tod durch Einathmen von Blausäuredämpfen fand, ist für den Kenner leicht ver ständlich, weiß er doch, daß dieses höchstgefährliche Gift auch seinem Entdecker das Leben kostete. Rälhielhaft aber M es dem Fachmann, wie Jemand seinen Nächsten mittels Strychnin tödten kann, weil dasselbe einen so widerlich Alteren Geschmack hat, der durch nichts zu überdecken ist. In dem bekannten Berliner Prozeß meinte der Staatsanwalt, der Mörder habe seinem Opfer das schreck liche Gift auf Bierschaum gestreut und so habe er das selbe getrunken. Der Fachmann kann bei solchen Behaupt ungen nur bedenklich den Kopf schütteln, und es dürfte angemessen und interessant sein, hier kurz die bekannten starken Gifte zu charakterisiren. Bei vielen Menschen herrscht eine übertriebene Furcht vor Giften. An dieser Furcht sind zum großen Theil die Roman- und Drama-Dichter schuld, indem sie ihre Helden oder Heldinnen an vergiftete Blumen riechen oder vergiftete Briese lesen und so sterben lassen. Die Wissen schaft kennt gar keine Gisle, die so wirken, sie hat auch niemals solche gekannt. Das gefährlichste Gift ist die Blausäure, weil sie eben gasförmig ist und wider Willen eingeathmet werden kann. Aber dieses Gift hat einen so starken Geruch nach bit teren Mandeln, daß man es schon in weiter Entfernung riecht. Auch ist es so flüchtiger Natur, daß es auf Blumen Ein Verhängnis. 46 Origmalroman von fisn; AaAenhUsrit. „Die Kameraden sind hinten", sagte Otto, als der Oheim ihn fragend anblickte. Er speiste mit diesem olme Appetit, grüßte die Kameraden, die eintretend durch den vorderen Raum schritten, und fragte endlich den Oheim kleinlaut, ob er ihn denselben vorstellen solle. Er wünsche die?, mar die Antwort, da er in mehreren bereits Söhne alter Freunde wieder erkannt hatte. Es war längst zehn Uhr vorüber. Beide traten über den Korridor in zwei Zimmer, in welcher ein Dutzend Cavallerie- -Ofnziere verschiedener Regimenter in heiterster Laune beini Sekt versammelt waren. Herr von Schimmelpfennig fand sich gern in den Kreis; eine Stunde wobl verstrich ihm, wäbrend welcher dieser auf die Hallte zusammenschmolz. Einer der Offiziere nach dem andern war in da? andere anstoßende Zimmer getreten, durch besten jetzt aeieblostene Thür zuweilen recht erregte Stimmen drangen. Obo gab dein Oheim endlich einen Wink und führte ihn ebenfalls in der Nicbtung. Die verschwundenen Offiziere saßen hier -m andern Zimmer um den Tisch. Alan spielte sehr hoch, davon zeugten die auf dem Tische liegenden Summen, namentlich die vor einem alten Herrn von äußerster Eleganz, besten jugendliches Kostüm grell mit seinem sichtbar ausgeschminktem Gesicht kontrastirt, der aber, wie er mit den sorgsam gepflegten, weißen Händen die Bank voten hin und her schob, eine wirklich imponirende, aristo kratische Ruhe zeigte, während die Augen der Offiziere mit Spannung auf die Karlen gerichtet waren. . Seine Cigarre rauchend, stand Herr von Schimmelpfennig mit der Miene als interessire ihn das Spiel in hohem Grade, Muter den Herren, von denen Einige heimliche Blicke auf Otto warjen, als begriffen sie nicht, wie er dazu komme, seinen oder durch Briefe nicht befördert werden kann, denn es würde auf wenige Minuten schon völlig wirkungslos sein. Ein anderes Gift aber, welches so flüchtig ist, kennt die Wissenschaft nicht. - Das einzige Gegengift bei Blausäurevergiftungen ist i das Chlorwasser. Es ist erstaunlich, daß Chemiker dieses i einfache Mittel nicht bei der Hand haben, wenn sie mit i Blau- oder Cyan-Wasserstoffsäure experimentiren. Das i Chlorwasser ist in jeder Apotheke billig zu haben. Es ist i eines von jenen Arzneimitteln, welches immer vorräthig > sein muß. ; Gefährlich ist die Blausäure nur im statu nascemi, : das heißt in dem Augenblicke, wo sie erzeugt wird. Frei- ! UL kann man das Gas in Wasser oder Spiritus leiten, l welche Flüssigkeilen sich dann mit dem Gift sättigen. Diese . Lösungen sind selbstverständlich auch höchst giftig. Aber i auch sie haben den starken Bittermandelgeruch und Ge schmack und warnen so den Menschen. Es giebt ein > starkes Gift, Arsenik nämlich, welches von Natur zwar fest ist, aber durch Wärme in den gasförmigen Zustand versetzt werden kann. So hat man im Mittelalter hoch- > stehende Personen durch Arsenik zu vergiften gesucht und theilweise auch wirklich getödtet. Heute wäre das nicht i mehr möglich, denn, um an mit Arsenikdämpfen vcrun- i reinigtcr Luft zu sterben, brauchte man Monate oder Jahre, i Diese Art von Giftmorden waren im Mittelalter auch nur t denkbar, weil der Stand der Wissenschaften und noch ganz besonders derjenige der analytischen Chemie ein so ganz t niedriger war, daß man selbst größere Mengen von Arsenik oder Sublimat nicht einmal im thierischen Organismus > nachweisen konnte. Heute weist die Chemie die kleinsten . Spuren dieser beiden und aller anderen Gifte im Orgauis- > mus nach. l Das schreckliche Gift Strychnin, von dem schon 0,01 (1 Zentrigramm) tödtlich wirken kann, ist eine Pflanzen- Oheim auch hier einznführen, wohin Oheim und Neffe doch unmöglich zusammengehörten. Indes; der Erstere nahm gern den Schein auf sich, als schütze auch bei ihm das Alter vor Thorheit nicht. Er ließ sich nach Beend igung der Taille dem Baron Rennert vorstellen und unterhielt sich mit ihm aufs Angelegentlichste. Der Abend schritt vor, die Gesellschaft vergrößerte sich, der Champagner animirle die Gemüther mehr und mehr. Herr von Schimmelpfennig nippte nur an seinem Glase, schien aber selbst unruhiger zu werden und beobachtete Otto, der natürlich sich von dem Spiel sern hielt, aber seine Sorgen vergessen haben mußte. Endlich war's, als habe der Oheim, was er erwarlete. Baron Rennert, der Unterhaltendste der Gesellschaft, übernahm, nach einer Pause die Bank. Er legte sein dick gefülltes Porteseuille vor sich hin, nahm die Karten, handhabte sie mit Eleganz und Kunstfertigkeit, sein „^ttsntion, ücksssisurs!" ausrufend, und während die um den Tisch Sitzenden, ibre Einsätze machend, nur auf diese achteten, schlug er eine Volte mit der Geschicklichkeit des geübtesten Spielers. Des alten Herrn von Schimmelpfennigs Augen blitzten heimlich auf. Als sei er ganz von dem Interesse für das Spiel eingenommen, stellte er sich hinter den Baron, und die Herren anlächelnd, die dies beachteten, erklärte er, seine Kaste sei leider nicht auf eine Theilnahme nm Spiel vorbereitet. Das letztere begann jetzt. Nur Gold und Banknoten lagen auf dem Tisch vor den Spielern. Die Taille wechselte stark in ihren Schlägen; die Einsätze waren hoch, bedenklich hoch, wie es Herrn von Schimmelpfennig crichien. Otto saß plaudernd mit einem Kameraden an einem Nebentisch. Die tiefste Stille herrschte, man vernahm keinen Atbemzug. Baron Rennert gewann, verlor aber schließlich konsequent; zu wiederholten Malen zog er hohe Banknoten ans dem Porte feuille, jedoch immer mit verbindlicher, lächelnder Miene. Vor den Spielern hatten sich bedeutende Summen gehäuft. »Nur zwei Mal noch!" rief der Baron lachend. „Ich base, ein Alkoloid, welches sich bis zu 1^2 Prozent in dem Samen von str^ckmos nux vomica (Brechnuß) findet. Man kennt es seit 1818, wo es von zwei französischen Chemikern zusammen dargestellt wurde. Das Strychnin kommt nur als salpetersaures Salz in den Handel, das man aber auch kurzweg Strychnin nennt, zumal seine Eigenschaften genau dem des reinen Strychnin entsprechen. Dieses fürchterlich bittere Gift ist kaum einem Menschen wider seinen Willen beizubringen. Gegengifte sind Gerb säure und Magnesia. Beide Mittel sind in den Apotheken für wenige Pfennige zu habe». Man rührt diese Gegen mittel mit Wasser an und läßt möglichst schnell und viel davon trinken. Man kann bei Strychnin, sowie bei allen mineralischen Giften, wie Arsenik, Sublimat und Antimon auch Brech mittel als Gegengifte anwenden, doch müßte diese der Arzt erst verschreiben. Arsenik und Sublimat, die Mittel der Giftmischer des Mittelalters, sind im Vergleich zu Strychnin fast wohlschmeckend zn nennen. Man kann sie dem Opfer sehr leicht beibringen. Dafür sind aber auch die kleinsten Spuren im Körper leicht nachweisbar, so daß der Mörder der gerechten Strafe schwerlich entgehen kann. Außer den genannten Giften kämen noch zwei Pflanzen gifte in Betracht, die Alkaloide: Atropin und Morphin. Diese Alkaloide oder deren Salze haben auch einen so auffallend bitteren Geschmack, daß sie gleichfalls Niemandem gegen s einen Willen in großer Menge beigebracht werden können. Man steht, es ist nicht so leicht, einem Menschen ein starkes Gift in tödtlicher Menge beizubringen. Die übertriebene Furcht ist also unberechtigt. Es ist aber eine eigenthümliche Erscheinung und Thatsache, daß die Menschen, welche eine so große Angst vor den genannten Giften haben, meist leichtfertig mit habe zn viel Unglück heute!" Und wieder handhabte er du Karten, gab er sie zum Abheben umher mit derselben eleganten Fingerfertigkeit. Herr von Schimmelpfennig schien auf diesen Moment ge wartet zu haben. Er folgte seinen Bewegungen und attrapirte ihn wieder bei einer Volte. Als jetzt das Spiel von Neuem begann, setzte sich auch das Unglück des Barons anfangs fort. Das ermutbigte die Spieler; höher wurden die Einsätze. Auch die Offiziere an den Nebentischen traten heran, reichten über die Köpfe der Sitzenden Goldstücke und Banknoten. Erhitzter wurde das Spiel. Kein Wort fiel, man starrte nur hin, verdoppelte die Einsätze, als der Bankhalter doch einige glückliche Coups getban, und jetzt wurde das Spiel ein sinnloses. Die ganze Leidenschaft war entfacht, als wieder und wieder der Baron einige glückliche Schläge that und andere noch glücklichere diesen folateu, bis die Taille zu Ende. „Meine Herren, ich bin Ihnen Revanche schuldig!" klana des Barons Stimme während des Mischens der Karten etwa? nervös. „Die Letzte! Ich siebe für jede Summe zu Diensten!" Die Champagnergläser füllten sich von Neuem und leerten sich ebenso schnell. Einen Sturm auf die Bank galt es. „Gut für Tausend — für Zwei-, für Fünstaustnd!" rief eine Stimme nach der andern, während allerlei kleine Gegen stände in Ermangelung baaren Geldes gesetzt wurden. Und der Baron sah lächelnd zu, mit welcher Waghalsigkeit die Spieler das Glück der Bank zu brechen luchten. Dann fielen die Karten — aber Schlag auf Schlag zu Gunsten des Bank halters. Einige Herren erhoben sich; starren Auges schauten sie vor sich auf den Tisch, sich bewußt ihres Verlustes, mit ge brochenem Muth, während Andere, erhitzt von Neuem und wetteifernd mit zuiammengekrampster Hand ibre Banknoten setzten, ihre Goldstücke hinwarfen und große Summen als Einsatz anoncirtm.