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für Wilsdmff, ThamM, Rossen, Giebenlehn und die Umgegenden. Amtsösati für das Königliche GerichLsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Freitag, den 6. Decemder 1872. Tagesgeschichte. Wilsdruff, am 5. December. Wie uns mitgethcilt wird, ist der Absatz der Loose zur weiteren Ausrüstung der hiesigen Feuerwehr bis jetzt ein recht lebhafter ge wesen und wird es jedenfalls auch bis zum Tage der Verlosung (3. Weihnachtsfeiertag) bleiben, zumal, wenn es begannt sein wird, was für schöne, werthvolle Gegenstände bis jetzt schon als Geschenke zur Verloosung zugesichert worden sind; u. A. 1 Schotten-Uhr, I Spiegel- Toilette, 1 ovaler Sophatisch, I Nähtisch, mehrere Schatullen, 1 feine Elfenbein-Brosche, 1 Küchentisch, 1 Lüstre-Kleid, Stiefel und viele, viele andere Gegenstände. Möge man sich aber dadurch durchaus nicht abhalten lassen, Loose zu kaufen und Geschenke zu überreichen, denn von ersteren sind noch viele zu haben und von letzteren werden noch viele gebraucht, um einen recht großen Reingewinn zum Besten des oben genannten Zweckes zu erzielen. AuS Dresden vom 4. December wird geschrieben: Die auch in Abgeordnctenkreisen verbreitete Ansicht, daß der Schluß des gegen wärtigen Landtags noch vor Weihnachten werde stattfindcn können, dürfte sich als eine irrthümliche erweisen. Zunächst ist es nämlich jetzt feststehend, das die Regierung die Steuerrcformvorlage nicht zurückzuziehen gedenkt; die I. Kammer wird also in die Berathung derselben einzutreten haben und nach deren Beschlüssen sodann auch die II. Kammer ihre Verhandlungen darüber, — die sie sich durch Verwerfung des Negierungsentwurfs wie aller Anträge aus der Mitte der Kammer vorläufig abgeschnitten hatte — wieder aufnehmen muffen. Wie das Resultat der Berathungen über diese Vorlage aus fallen werde, ist noch gar nicht abzusehen; am meisten Aussicht auf beiderseitige Annahme scheint ein Antrag zu haben, der etwa in gleichem Sinne, wie der vom Abg. Penzig eingebrachte (zum Ersatz eines Theiles der bisherigen Grundsteuer eine allgemeine Klasseu- und Einkommensteuer einzuführen) lauten würde. Jedenfalls wird die Steuerfrage noch längere Debatten hcrbeiführen und da auch die Differenzen, welche in den Beschlüssen der beiden Kammern über die Organisationsgesetze und über das VolkSschulgesetz bestehen, vielfache weitere Verhandlungen nöthig machen werden, so ist selbst bei raschem Verlaufe derselbe» doch kaum anzunehmen, daß zur Erledigung alles dessen ein Zeitraum von kaum 3 Wochen ausreichen werde. Dazu kommt, daß die Staatsregicrung den Ständen auch noch eine Vor lage über Eisenbahnen zugehen lassen wird — und also noch die übliche langathmige Eisenbahndebatte bevorsteht. Der Landtag möchte demnach wohl bis gegen Ende Januar nächsten Jahres zu arbeiten haben, jedenfalls aber wird sein Schluß nicht, wie von anderer Seite in Aussicht gestellt wird, bis in den März hinausgezogeu werden, sondern bestimmt vor Beginn der nächsten Session des deutschen Reichstags erfolgen, der zu Anfang des Monats Februar erwartet wird. Aus Hainichen, 30. November, wird dem „Dr. I." berichtet: In der letzten gemeinschaftlichen Sitzung unsrer städtischen Collegien kündigte Herr Bürgermeister I)r. Fischer sein Amt mit Ostern 1873. Als Veranlassung zu diesem Schritte bezeichnete derselbe in der Stadtrathssitzung vom 23. November vorwiegend, daß seine Anschau ungen über Hebung des hiesigen Schulwesen in diametralem Gegen sätze ständen zu den Ansichten der Majorität des Stadtverordncten- collegiums. Da der Herr Bürgermeister trotz der eindringlichen Bitte der NalhSmitglieder seinen Entschluß als unerschütterlich bezeichnete, erklärten dieselben, mit 1. April 1873 ebenfalls ihr Amt nicderlegen zu wollen, obwohl der Herr Bürgermeister darauf hinwies, daß dies gesetzlich nicht statthaft sei. — In hiesiger Stadt ist die Wahl zum Stadtverordnetcn-Colle- gium wieder zu Gunsten der Sozialdemokratie ausgefallen. Wie lange es noch dauern wird, bis die Gegenpartei gelernt hat, daß Zusammenhalten zum Ziele führt, ist abzuwarten, sobald scheint es nicht zu werden. — Die Kunde, daß unser Bürgermeister vr. Fischer mit dem I. April sein Amt in hiesiger Stadt niederlege, brachte in der Bürgerschaft eine Aufregung, die nicht zu verkennen'war, da der selbe, als tüchtige Kraft bekannt, auch sein Bestreben dahin ging, das Wohl der Stadt überall zn fördern und das Ansehen derselben nach außen zu heben. Eine Differenz, die, wie man hört, der Königlichen Kreisdirection zur Entscheidung vorgclegt ist, in Betreff des hiesigen Schulwesens, hat ihn zu diesem Schritt bewogen, vr. Fischers Be streben, das Schulwesen Hainichens, würdig einer Mittelstadt Sach sens, herzustellen, wurde durch Beschluß des Stadtverordneten-Colle giums, „die höhere seit 1868 bestehende Schulabtheilung aufzu heben", behindert und damit unser Bürgermeister schmerzlich berührt. Jin Schulwesen scheint es bei uns, als wolle man von einer Seite, lieber zur Sachsenschule von anno 1800 zurückkehren. Wenige Lehrer — wenige Schulstunden für Kinder — desto mehr für Lehrer — viel Kinder, wenigstens 100 in einer Classe — weniger Lohn dem Lehrer rc. — und das offenbart sich im Jahre des Fortschritts 1872! Glauchau, 2. December. Aus dem Garten des Herrn Seydel und Höhne hier wurde der Expedition des „Glauchauer Tageblattes" heute ein blühender Kirschzweig überbracht. Oelsnitz b. Stollberg. Wie weit Erregung und Leidenschaft lichkeit den Menschen führen kann, ersah man am verflossenen Sonn abend, den 23. November. Der Bergarbeiter Kalb, ungefähr 24 Jahre alt, hatte mit einem Genossen, dem er mehrere Thaler schul dete, am Vormittag getrunken, sich dann mit diesem gezankt und als er Nachmittag gegen 4 Uhr in sein Quartier kommt, erfaßte er ein Messer und sticht sich dasselbe rechts an der Herzgrube tief in die Brust. Die Hoffnung, daß er trotz fürchterlichen Blutverlustes noch am Leben erhalten werden könne, scheint sich kaum bestätigen zu wollen. Aus der Lausitz schreibt man der „D. A. Z." Zur Illustration der Verhandlungen in unserer II. Kammer über die erlaubten oder unerlaubten Titel „Naturarzt" und „Praktikant der Naturheilkunde" bringen wir hiermit folgende Anzeige eines böhmischen Naturarztes zu Grottnu, die wir den Zittauer Nachrichten entnommen, weiteren Kreisen zur Keimtniß. Dieselbe lautet: „Da ich in jetziger Jahres zeit als Maurer nicht mehr hinreichende Beschäftigung finde, so habe ich mich entschlossen, neben Ofenputzen und Schleußcnräumcn mich als Naturarzt und Hydropath zu etabliren; empfehle mich daher einem hochzuverchrenden Publikum zu allen in diese Fächer einschlagenden Arbeiten. Giste und andere quälende Arzneien streng ausgeschlossen. Joseph Pieschel, Groltau, Nr. 143." Vom l. Januar 1873 ab werden bei sämmtlichen Reichspostan- stalteu Postkarte» zu», Verkauf gestellt, welche gleich mit dem Franco stempel von 1/2 Grosche» bez. 2 Kreuzern bedruckt sind, so daß es des Aufklebens der Freimarke nicht erst bedarf. Diese gestempelte» Vost- karte» werde» ohne Ausschlag zum Nennwerthe a» das Publikum abgclassen. Daneben wird der Verkauf von Postkarte» der jetzt ge bräuchlichen Art, welche nicht gestempelt und nicht mit Freimarken beklebt sind, ferner der Postkarten mit bezahlter Rückantwort unter den bisherigen Vediugungc» fortgesetzt werden. Die lange zuvor angekündigte Ernennung von neuen Mit gliedern des preußischen Herrenhauses ist jetzt wirklich erfolgt und zwar wurde dieselbe, wie mehrere Berliner Blätter übereinstim mend melden, am Sonnabend von: Kaiser vollzogen. Die Berufenen gehören zum größeren Theil den Spitzen des acliven Bcamtenthums und der Generalität an. Dazu kommen einige Staatsminister a. D. und einige Großgrundbesitzer. Unter den Ernannten finden sich 5 hohe Militärs, 14 hohe Civilbeamte im activen Dienst und 3 hohe Civilbeamte a. D. Es ist daher dem Kleinadel im Herrenhaus vor Allem ei» Gege»gewicht durch Berufung von Notabilrtäten des Bc- amtenstandes entgegengesetzt worden. Die Zahl der berufene» Guts besitzer beträgt drei; aus anderen unabhängigen Kreisen ist keine Er nennung erfolgt. Was die politische Färbung betrifft, so steht keiner der Berufenen jenseits der Grenzen der altliberale» Partei; die meisten sind Conservalive- vom reinsten Wasser, wenn sie auch natürlich der gegenwärtigen Regierungspolitik sich anschließcn. Der Grund dieses Schrittes der Regierung dürfte hinlänglich bekannt sein. Mit Hülfe der neuen Pairs gedenkt man das von dem Herrenhause abgelehnte Gesetz über die neue Kreisordnung durchzusctzen.