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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Sievenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. , ,„,d freitags und kostet vierteljährlich lO Ngr. — Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zweimal, Dienstags und 6 1873. Dienstag, den 19. Angnst An hie socialdcmokratischcn Arbeiter! (Schluß.) Ich soll weiter reden. Gut. Wollt Ihr hören? n-rlvrecken Eure Parteiführer sind Helden. Den Mund nehmen ste voll u-'d v-rsprech^ Euch goldene Berge. Freilich, das müssen sie auch. Denn soll^ s H mit Leib und Seele — und nichts Anderes als das wollen sie, s ö > nicht machen für ein Lumpengeld; dazu braucht man goldene erge. e Worte eine Brücke, ich setzte nicht einen Fuß darauf. Sie bricht, sage i ) Was versprechen ste? Thöricht! Ich sollte fragen: Was versprechen ste nicht. Alles versprechen sic Euch, was es von Glück auf Erden nur geben kann, - Sie zeigen Euch alle Reiche der Welt und ihre Herrlichkeiten und sprechen zu Euch: dies Alles will ich Euch gebe», so Ihr niederfallt und uns anbctet; zu deutsch: so Ihr uns aufs Wort gehorcht, als Rekruten in die große Revolutions-Armee ein- -°»° d-- i-M Dann - aber nur daun - so sagen st-, w.rd em P°r°d s öffnen. Kein Hunger wird mehr sein, kerne Sorge und kenie Klag. Kein Uebcrmuth und Hartherzigkeit der Reichen und kerne Noth d Armen. Die Armuth wird auf Erden ausgerottet fern mit Stumps und Stiel. Ihr Arbeiter alle sollt in schönen Hausern wshnen, sollt die Taschen voll Geld haben Euer Lebelang, sollt gut essen, gut trinken, gut schlafen und noch obendrein auö den Schatzkammern der Wissenschaft gespeist und aus den Quelle» der Bildung getränkt werden. Keine Un gleichheit und Ungerechtigkeit wird auf Erden mehr sein, keine Feind schaft noch Krieg in alle Ewigkeit, sondern die Löwen werde» Gras fressen und friedlich mit den Lämmern weiden, und alle Völker nur eine große Nation freier und gleicher Brüder sein. Summa: dann bricht an der pure Himmel auf Erden. Wer spricht so? Jcsaias, der Prophet? Johannes, der Apostel? Oder er selbst, Jesus Christus, der Sohn des lebendigen Gottes? O nein! Ferdinand La salle hat so gesprochen, und Herr Marx spricht so, Herr Bebel, Herr W. Liebknecht, und ihre sämmtlichcn Gesellen und Handlanger. Diese Herren beabsichtigen jetzt eigenhändig auszuführen, was Jesus Christus und alle Propheten und Apostel eigentlich gewollt und leider, weil die Gcldleute ihnen im Wege standen, nicht ge konnt haben. Ja, diese Herren nennen sich gelegentlich mit frecher Stirn, um den getäuschten Arbeitern Sand in die Augen zu streuen, Apostel und Evangelisten, und ihren Lassalle, welchen sie als Päpste frevelhafter Weise vor Euch heilig sprechen, Euern — nicht gekreuzigten, aber todtgeschossenen — Heiland! Wie steht der Handel? Ich für mein Theil sage es frank und frei: Wenn jene Herren mit ihre» himmlische» Versprechungen Recht hätten: heutigen Tages würde ich Socialdemokrat und schwüre zu ihrer Fahne! Aber bevor ich das thue, besehe ich mir doch die Herren bei Licht und frage: wer seid Ihr? Heilande oder Wüstlinge? Weist her Euer Wort: Gold oder Sei- scnblase? Thut auf Euer Herz: Haß oder Liebe? Wer nicht auf den Kopf gefallen ist, der läßt sich von dem Schwindel nicht be schwindeln. Arbeiter, und Ihr wollt das? Thoren, wenn Ihr nicht Eure gesunden Sinne braucht und blind in die Falle lauft, wie leider Gottes Viele von Euren Kameraden. Eure Parteiführer sagen es Euch, bringen es Euch bis zum Ueberdruß bei: „Der Geld besitz ist es, der die Welt zur Hölle macht, nämlich derGeldbcsitz in den Händen der Einzelnen. Der Staat soll alles Geld und allen Besitz ha ben und dafür sorgen, daß derselbe unter Alle gleich getheilt wird. Hat Jeder seinen gerechten Antheil, nicht mehr und nicht weniger, habt Ihr Arbeiter Euren Löwenantheil, der, wie die Herren sagen, bei der jetzigen Ordnung der Dinge Euch vorenthalten wird: dann ist das Glück und der Genuß Euch in den Schooß gefallen." Ich will von der Undcnkbarkeit und der Unausführbarkeit der Zustände, welche diese Träumereien Euch als die guten und besten vorstellen möchten, diesmal schwei gen. Aber fragen will ich: wenn diese Zustände geschaffen und nickt nur geschaffen sondern auch aufrecht erhalten werden könnten und Ihr Arbeiter hättet dann Euer Theil: was wäre es, das Euch dann glücklich macht? Welches ist das Fundament auf dem Eure neue Seligkeit begründet ist? Antwort: das Geld das Geld und abermals das Geld! Allerdings (falls die Herren mit ihrer Rechnung nickt in den Brunnen falle») mehr Geld als jetzt. Ja, wie man Euch vorredet, viel Geld. Und dann? Ei, brauche ich's Euch erst in's Gedächtniß zurückzurufen, daß und weshalb Eure Führer die Besitzenden verachten? Doch aus keinem Grunde, weil sie Geld, viel Geld haben. Darum werden sie von ihnen mit allen Schimpfworten belegt, die nur vom Zorn aus dem Herzen und von giftiger Feder auS dem Tintenfaß gerissen werden können. Aber das Glück, welches sie Euch versprechen, nach dem sie Euch gierig machen, sie, diese Reformatoren und Heilande, was ist es anders, als Geld und viel Geld? Also ganz dasselbe, was in der Hand von Jenen als Verbrechen gilt, soll in Eurer Hand das Glück und die Seligkeit verbürgen! Wer darin einen Verstand entdeckt, den will ich als Meister preisen. Ich entdecke darin keinen. Geld und Genuß! darnach giert der Elende, den der Geldsack sein Gott ist, — und tritt den Armen mit Füßen. Geld und Genuß! schreit der Sozialdemokrat, — und ballt die Faust wider den Reichen. Wer von beiden ist besser? Ich sage Euch: keiner, sondern sie gleichen sich wie ein Ei dem andern, und Gottes Gericht wird sie beide zerschmettern, denn sie beide haben sich betrunken ein der Giftlüge, „Daß Geld glücklich macht und daß der Thaler die Wunderpille ist, die allen Jammer stillt. Tie Krankheit der Welt Kurirt daS Geld, das Geld!" So blökt das goldene Kalb, und so brüllt der Sozialdemokrat und schreibt cS auf seine rothe Fahne. Aber ob in Spekulation gewonnen, oder in Revolution ge nommen, ob verbracht in Prassen, oder verjubelt in Hassen: allezeit ist Geld ohne Gott der Tyrann, der seine Sclaven zertritt, und das Irrlicht, das die Verführten in den Sumpf und in den Tod lockt. Diese Verführten sollt Ihr sein, Ihr Arbeiter. Man mißbraucht Euch. Die jetzige Welt soll zerschlagen und in Feuer und Blut ersäuft werden, — und des Todes soll sein, wer dem Frevel in den Weg tritt. Euch will man als Helfershelfer dazu in den Kamps schleppen, und die Kastanien sollt Ihr aus dem Feuer holen, — AllcS aus purer „Brüderlichkeit!" Und die das thun, wollen Eure Beglücker sein? Eure Erdrückcr werden sie sein, und Ihr werdet es, fürchte ich, sparen, wenn Euch der Athem ausgeht und cs zu spät ist. Aber hört, wie man's macht, um Ench zu Helfershelfern zu werben. Vor Allem muß dem Arbeiter, damit er vor keinem Verbrechen zurückschrccke, sein Gewissen er würgt werden. Gut oder böse, heilig oder gottlos, — der Unterschied, dessen Be wußtsein Gott selbst in unsere Herzen geprägt hat, muß mit allem Glauben an.den lebendigen Gott und mit aller Furcht vor ihm getilgt und ausgcrottet werden. „Geld und Genuß!" so heißt die Losung. „Soll das Glück erjagt und der Himmel auf Erden gewonnen werden, dann fort mit dem Plunder der zehn Ge bote, — und wer an den lebendigen Gott und die zehn Gebote mahnt, der ist ei» Feind der Menschheit, ein Pfaffe, — und fort mit ihm! fort mit den Reichen, den Fürsten und allen ihres Gleichen! fort mit den Gebildeten, welche die Welt gepach tet haben. Das Alles ist Diebstahl, den» Euch armen Arbeitern, — so sagen sie — gehört sie von Rechtswegen allein; Ihr seid die Einzigen, die eigentlich ver dienen, Menschen genannt zu werden: edel, taubenhaft, großmüthig! In Jedem, der nicht Arbeiter heißt, steckt ein Lump und der lebendige Teufel, aber in jedem Ar beiter ein König und Heiliger zugleich. Und Ihr heiligen Arbeiter wollt diese Zustände noch länger tragen? Auf, Ihr Gerechten und Heiligen, Ihr Mühseligen und Beladenen, organisirt Euch und vorwärts zum Kampfe!" Ich will über die Arbeiter nicht den Stab brechen, die von dem Branntwein dieser Lügen sich berauschen lassen und dem Commando jener Frevler folgen. Ja, vielmehr muß ich mit Scham bekennen: es ist viel weniger Eure Schuld, Ihr Ar beiter, als die unsrige, daß so Viele von Euch von diesen Verführern sich den Kopf verrücken lassen. Ja, ich wollte, daß Alle, die nicht Arbeiter sind, und die Be sitzenden und Reichen voran, und die Fürsten und die Gesetzgeber und die Gebildeten und die Prediger und Lehrer alle, wie es Christenmänncrn geziemt, als vor Gottes Angesicht, offen das Bekcnntniß thäten: Wir haben viel zu sehr an uns gedacht und! zu wenig an die Arbeiter; wir haben nach Macht und Genuß gejagt und hatten kein Auge sür die Noth unserer arbeitenden Brüder; wir haben es versäumt, ihr Leben zu einem menschlichen zu machen und mit häuslichem und Familienglück zu füllen; wir haben es unterlassen, sie mit der Bildung des Geistes und des Herzens auszu statten , durch welche sie fähig geworden wären, die Tollheiten und di« Lügen jener.