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Wochenblatt für 1868. 46. Ireitag, den 30. Mi vierteljährlicher Prämunerationspreis 10 Ngr. — Jnsertionsgebühren für den Raun, einer gespaltenen Corpuszeile 8 Pf.— Annahme von Inseraten bis Montag resp. Donnerstag Mittag. — Etwaige Beiträge, welche der Tendenz des Blattes entsprechen, werden mit grohem Danke angenommen, nach Befinden honorirt. Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. Tagesgeschichte. Die diesjährige Versammlung des sächsischen Forstvereins findet vom N. bis mit 19 August in Schwarzenberg statt. So wie die Herren Cantor Fischer in Döhlen und Schuldirec tor Lansky in Dresden an die vaterländischen L.hrcr seiner Zeit die Bitte richteten, sie möchten bei ihren Schülern Pfennigsammlungen veranstalten, von deren Ertrage der schwer heimgesuchtcn Stadt Jo hanngeorgenstadt ein neues Schulhaus erbaut werden sollte, so er läßt jetzt Herr Cantor Meißner zu Wurzen an alle sächsischen und deutschen Organisten den Aufruf, dieselben möchten durch Veranstal tung von Orgelconcerten mit dahin wirken, daß für Jvhanngeorgcn- stodt ein zweckentsprechendes Orgelwerk beschafft werden kann. Die Pscnnigsammlung für den Schulbau zu Johanngeorgenstadt hat nach der letzten Quittung die Höhe von 4475 Tblr. 12 Ngr. 4 Pf. er reicht. (CH. T.) ' ' Aus Lengefeld wird den „Dr. N." berichtet: Bereits hat auch der schnitt des Winterkorns in unserer Gegend begonnen und an dere Halmfrüchte gehen rascher Reise entgegen. Referent sprach sehr alte Leute, Niemand konnte sich erinnern, je einmal im Monat Juli die erfie Heuernte hierorts beendigt zu sehen und die Brodfrucht zur cchcunc gebracht zu haben. Die Erntcanssichten sind im Ganzen gut und die Kartoffel belebt die Hoffnung des armen Erzgebirges, denn schon öffnen sich die Furchen, um durch ihreu Segen dem Hunger der zahlreichen Arbeiterfamilien zur Ersparniß des immer noch übermäßig theuren Brodes Stillschweigen zu gebieten. Während der Geschäftsgang ein ziemlich belebter und die Ernährungsverhält nisse durchweg zu srohen Hoffnungen berechtigen, giebt cs doch trotz dem Leute genug, die ewig klagen und lamcntiren. Am 26. d. M. ist der Holzarbeiter Richter in Börnichen bei Zlchopau von einem Baume, auf welchem er Kirschen gepflückt hatte, so unglücklich herabgestürzt, daß er infolge mehrerer Halswirbelbrüche auf der Stelle todt war. Er hinterläßt eine Frau und 8 Kinder. Den 22. Juli ist der Handarbeiter Carl Mehlhorn aus Ober- tungwitz beim Ausladen von Getreide auf einem Erntewagen von dem vorgespannten Pferde, welches beim Ausschlagen nach Bremsen über die Deichsel geschlagen gehabt, nach dem Ücberhcben des Pfer- debemcs an den Kopf geschlagen worden, zu Falle gekommen und von dem beladenen Wagen überfahren worden, so daß er nach we nigen Minuten verschieden ist. Wer noch irgend ein Mitleid mit den Anhängern des Welfen- thums gehabt hat, dem muß es ganz und gar vergehen, wenn er die Schmähschrift liest: Wer ist der wahre Erbfeind Deutschlands? Ta werden die Fürsten aus dem Hause Hohenzollern wie Schandbu- bcn hinHestellt und ohne alle Scham wird Napoleon aufgefordert, schleunigst zu kommen, um Preußen klein zu machen, das Wclfen- rcich hcrzustellcn und Deutschland wieder zum französischen Vasallen Zu erniedrigen. Wie mag nur ein Deutscher sich so weit vergessen, eine solche Schrift zu schreiben und zu drucken. Man spricht ünver- holcn aus, daß Onno Klopp, der Historiograph des Wclfenthums, der Verfasser sei. Berlin. Die Klagen mehren sich, daß preußische Staatsange hörige durch russische Behörden auf's gröblichste mißhandelt werden. Die Brutalität unserer Nachbarn ist so groß, daß vom Ministerium bis herunter zu den letzten offiziellen Instanzen Tag für Tag das diesseitige Publikum vor Berührung mit Russen gewarnt werden muß. Von vorn herein räumen unsere Behörden ein, daß Beschwerden über die vorgekommcncn Vergewaltigungen, sie mögen noch so groß sein, erfolglos bleiben; cs ist, wie aus allem ersichtlich, der preußische Gesandte i» St. Petersburg selbst, der in diesem Sinne hierher be richtet und der die vollständigste Passivität erlittenem Unrecht gegen über anräth, weil nichts, rein nichts eine Aenderung der bestehenden Mißverhältnisse herbciführen kann. In Polen ist es den Geistlichen und Beamten nur bis zum 1. Jannar 1869 gestattet, ihre amtliche Correspondenz in polnischer Sprache zu führen. Von da an müssen sie sich der russischen Sprache bedienen. Das werden viele nicht können und wollen und lieber ihr Amt niedcrlegen. Die alte Kaiserstadt Wien prangt im Festschmuck. Bei pracht vollem Wetter setzte sich der Festzug am 26. Juli, Vormittags 10 Uhr in Bewegung. Am Schwarzcnbergplatz wurde die Bundesfahne an die Stadt Wien übergeben. Bürgermeister Zelinka versprach, die Fahne als ein Symbol deutscher Eintrackst redlich zu hüten. Der Schützenzug brauchte 5 Stunden, um nach dem Festplatz im Prater zu gelangen. Die Frankfurter, Bayern, Württemberger, Berliner, Hamburger, Belgier und Nordamerikaner wurden besonders stürmisch begrüßt. Die sächsischen Schützen haben den Reichskanzler Frei herrn v. Beust zu ihrem Vorstande gewählt. Bei dem Festbankett begrüßte der Präsident des Centralcomitees I)r. Kopp die Gäste. Er betonte die Zusammengehörigkeit Oesterreichs und Deutschlands und brachte ein Hoch aus auf das deutsche Streben nach Recht und Freiheit. Willau aus Mainz brachte ein Hoch auf den Kaiser aus, der das Banner der Freiheit auf die Hofburg aufpflanzte. Minister Giskra brachte unter stürmischem Jubel ein Hoch auf das deutsche Volk in allen seinen Stämmen aus. Bürgermeister I)r. Zelinka be grüßte die Schützen im Namen der Wiener Bürger. Mittermaier aus Heidelberg brachte ein Hoch auf die constitutionelle Regierung Oesterreichs aus. Giskra dankte. Das jetzige Ministerium habe die Regierung in der Ueberzeugung übernommen, Oesterreich werde ein Niese werden, wenn die Fesseln gelöst würden, welche Unverstand und unglückselige Verträge ihm geschlagen. Im Fortschritte werde Oesterreich erstarken. Der Bürgermeister vr. Zelinka erschien neben dem Minister, beide tranken auf ein intelligentes, vom Kaiser getra genes Bürgerthum. Fabricius aus Frankfurt brachte ein Hoch aus das österreichische Abgeordnetenhaus. Der Viccpräsident Hopfen dankte. Während des Festbanketts langten zahlreiche Glückwunschte legramme an, darunter eines vom Reichskanzler Freiherrn von Beust und ein anderes vom Herzog von Coburg. Neapel, 21. Juli. Das Stadtgespräch bildet wieder eine sehr erbauliche Entdeckung vor Gericht. Der gewesene Polizei-Jnspector Vercillo Odoardo ist" verhaftet worden als verdächtig der Theilnahme an einer Verbrechergesellschaft und der Mitschuld an einer ganzen Reihe von Diebstählen, Räubereien, Geldfälschungen u. dgl. Als Polizei-Jnspector hatte der würdige Beamte seine Hauptthätigkeit dahin entfaltet, daß er die ihm anvertrauten Acte unterschlug, um die Schuldigen der Strafe zu entziehen. Es ist wohl zu hoffen, daß die Gerechtigkeit rücksichtslos gehandhabt und ein Exempel statuirt werde, welches als heilsames Abschreckungsmittel dienen möge und der entrüsteten öffentlichen Meinung zur Genugthuung gereichen könne. Belgrad, 27. Juli. Heute fand die Publikation der Urtheile im Attentatsprozesse statt. Vierzehn Todesurthcile sind verhängt wor den, darunter sämmtliche Radovanovic, Sima und Svetosar Nena- dovic. Fürst Karageorgevic, und dessen Secretär Trisovic wurden zu 20jährigcr Zuchthausstrafe, Philipp Stankovic zu zwanzigjähriger Schanzarbeit und Jeremic zu fünfjährigem Gefängniß verurtheilt. Die Vollstreckung der Todesurtheile erfolgt morgen Abend 6 Uhr. — 28. Juli. Die 14 im Attentatsproceß Verurtheilten sind heute morgen außerhalb der Stadt am Donauufer in Anwesenheit vieler Menschen und einer zahlreichen Militärmacht erschossen worden. Der heißeste Tag, den man in London hatte, war der 21. Juli. Da ist auch etwas Unerhörtes geschehen. Bei einer Assiscnverhand- lung nahmen die Herren Richter plötzlich ihre Perücken ab und forderten die Advokaten auf, ein Gleiches zu thun. In New-Jork herrscht ebenfalls eine tropische Hitze. Es sind allein durch den Sonnenstich 40 Todesfälle vorgekommen.