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Wochenblatt für Wilsdruff, Lharans, Rosfen, Mebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das König!. GerichtsamL Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. /reitag, deu l7. Januar l868. Z Verantwortlicher Redacteur und Verleger: A. Lorenz. Don dieser Zeitschrift erscheint alle Freitage eine Nummer. Der Preis für den Vierteljahrs ang betrag, 10 Nar und ist jedesmal vorauSzubezahlen. Sämmtliche KLnigl. Postämter nehmen Bestellungen darauf an. Anzeigen, welche im nächsten Stück erscheinen sollen, werden in Wilsdruff sowohl (in der Redactton», al- auch in der Druckerei d. Bl. in Meißen bis längstens Donnerstag Vormittags 8 Uhr erbeten, Inserate nur gegen sofortige Bezahlung besorgt, etwaige Beiträge, welche der Tendenz des Blatte« entsprechen, mit großem Danke angenommen, nach Befinden honorirt. Die Redaction. Umschau. EinNachtstück nach derNatur gezeich net. Am Ende eines Dorsts in Ostpreußen steht em kleine», niedriges, einsames Haus aus Holz, wle e» die LoSleute fast immer bewohnen, wie über haupt die mehrsten Bauernhäuser wenig anders gebaut find. Vier Zimmer mit einem kleinen Fen ster und je einer fast dunkeln Kammer daran, in der Mitte des Hauses der weile Schornstein mit Durchgang, zwei kleine Hausflure mit Lettern nach dem Boden, das ist der ganze Grundriß des Hau ses, mit getrennten Wohnungen für vier und medr Familien; denn selten bewohnt Eine ein Zimmer mit Kammer allein. Nur besonders Glückliche kön nen die Miethe von 7—10Thalern für eine solche Wohnung allein erschwingen. Der Stakelzaun vor dem Häuschen, der im Sommer das winzig kleine Gärtchen schützte, ist längst verbrannt. Wir arbei ten uns durch den hoben, losen Schnee. Die ein- geklingte HauSthür öffnet sich schwer, da einge- flühmte Schneemaffen ein Htnderniß bieten. Leise treten wir in die Stube rechts, die eine bis zum Herbste gutgestellte Losmannsfamilie allein bewohnt. Ein Schneestrersen bat noch durch die Ritzen der Stubenthür den Eingang gefunden, und zeichnet auf dem Lehmestrich einen weißen Strich. Die geweißten Wände find mit Eis-Krystallen bedeckt, das Fenster so dicht defroren, daß mi Zimmerchen nur em Halbdunkel herrsüt. Der Kamin zum Ko chen an der Wand am Schornsteine har keine Thü- ren mehr; fie find verbrannt. Lange nicht benutzt, ist er voll Stroh gestopft, um dem Winde und dem Schnee den Eingang zu wehren. Am Tische rechts in der Ecke fißt ein junges, eingehüllteS Weib, ge dankenlos, mit den Händen einen Zipfel ihers Tu che- über ein kleines Mädchen deckend, welches die Füßchen auf die Klumpen gestellt, sich in ihren Schoß geworfen. Auf der Ofenbank, am eiskalten Ofen, liegt aus Gewohnheit ein schlafender Knabe, mit einem zerrissenen Sacke bedeckt. Von dem dürf tigen Belte links in der Ecke, welches die ganze Familie aufnehmen muß, wollen wir schweigen. Es ist nicht in Ordnung gebraut. Wahrscheinlich hat das kleine Mädchen, die Wärme in demselben su chend, eS nur eben verlassen, um von der Mutter Brod zu verlangen. Unter dem Belte gähnt schwarz ein viereckiges, tiefes Loch. Zur Ausnahme von Kartoffeln bestimmt, blieb cs dieses Jahr leer, und der Holzdeckel desselben ist längst verbrannt. Die kleine Blechlampe auf dem Ofen ist bestäubt und defroren, da lange schon kein Oel da war, die Abende zu erhellen. Eine peinliche Stille herrscht in dem Zimmer, nur von dem leisen Weinen des kleinen hungrigen Mädchens unterbrochen, von dem Kni stern der Scheiben, die der Frost sprengt. Unter schweren, langsamen Schritten hört man draußen den Schnee knarren. Die Frau lauscht. „Maricke, weine nicht, der Vater kommt; er bringt Geld und Brod, er war ja schon acht Tage auf Arbeit auS." Der Vater tritt ein, eine große, kräftige, aber von Elend und Ermüdung gebeugte Gestalt. Die Klumpen, ja die über die Beinkleider gezogenen wolle nen »Socken voll Schnee, den langen Stock mit der Eisenspitze in der Hand, den Reise- oder jetzt besser Bettelsack auf dem Rücken, die Pelzmütze mit einem Tuche gegen den Schncesturm festgebunden. Die Augen der Frau find fragend auf ihn gerichtet. Stumm nickt er mit dem Kopfe und legt eine Krähe und einige kleine Vögel aus den Tisch. „Sie sind erfroren, koche sie." —- „Womit? ich habe kein Holz, an Salz nicht zu denken."