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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharaud, Nossen, Sievenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. PitrteljähUicher Pränumerationspreis 10 Ngr. — Jnscrtionsgebiihren für den Naum einer gespaltenen Corpuszeile 8 Pf. — Annahme von Inseraten bis Montag resp. Donnerstag Mittag. Etwaige Beiträge, welche der Tendenz des Blattes entsprechen, werden mit großem Danke angenommen, nach Befinden honorirt. .. 38. Freitag, den 3. Zut'i 1808. Tagesgeschichte. ! Wilsdruff 3 Juli Aus sicherer Quelle können wir mittheilen, daß a»t bis z'chn Tage nach unserm Königsschießen Herr Thcatcr- Director Alwin Thieme mit seiner tüchtigen Gesellschaft alltner im Schiebhause einen Cyclus theatralischer Vorstellungen geben wird. Derselbe wird in den nächsten Tagen eine Abonnementliste circulircn lassen; wünschen wir ihm einen recht guten Erfolg, um so mehr, als wir überzeugt sind, daß die Gesellschaft Alles ausbieten wird, um auch der Kleinstadt einmal einige genußreiche Abende zu verschaffen. Dresden, 29. Juni. In der heute stattgefundencn Generalver sammlung der'Actionäre der Albcrtsbahn ward die Regierungsvor lage, 150 Thlr. pro Actie in vierproccntigen Slaatspapieren zu zah len, mit großer Majorität abgelchnt. Dagegen wurde das Dircctc- rium zur Abtretung ermächtigt, wenn die Regierung pro Actie 150 Thlr. baar zablt, oder den Nominalwerth dafür gicbt und mit jähr lich 7 Thlr. verzinst, vom 1. Juli ab auch die Coupons 7, 8 und 9 mit zusammen I0V» Thlr. einlöst. (Dr. I.) ..... Aus Dresden vom 28. Juni wird berichtet: Vorgestern sind die ersten Erntewagen mit Roggen ans der Königsbrücker Straße gesehen worden und größtentheils ist hier der Roggen schnittreif. Die Ernte tritt also 3—4 Wochen früher ein, als gewöhnlich. Zum Bundcsschießen in Wien wird bei hinreichender Bethcili- gung von den Schützen ein Extrazug von Dresden, entweder über Dresden-Prag, oder über Egcr-Regensburg-Linz abgchcn. Schlettau, 28. Juni. Heute Morgen halb 6 Uhr brannten 26 Scheunen nieder und nur der rastlosen Thätigkeit der hiesigen freiwilligen Feuerwehr und der übrigen Einwohner sowie der benach barten Spritzen aus Scheibenberg, Waltersdorf, Dörfel, KnnnerSdorf und Buchholz ist es zu danken, daß nicht der größte Theil der Stadt in Asche liegt, da in der unmittelbaren Nähe des Fcuerheerdcs meh rere alte, mit Schindeln gedeckte Gebäude sich befanden, und das Flugfeuer ziemlich weit ging, so daß auch die Scheunen an der An naberger Chaussee, also ganz an einem entgegengesetzten Punkte, in Gefahr waren Feuer zu fangen, wenn nicht die Spritzcnmannsckaft von Buchholz das glimmende Stroh noch gelöscht hätte. Die Ent- stehun s irsache ist unbekannt, dock vermulhct man Brandstiftung. Berlin, 28. Juni. Im Laufe dieser Woche werden die Arbei ten des Bundesraches des norddeutschen Bundes resp. des Zollver eins im Wesentlichen abgcwickclt sein und die Sitzungen dann im Herbst wieder beginnen. Berlin. Dem Vernehmen nach wird die Staatsanwaltschaft gegen das Erkenntniß, welches den Apotheker vr. Cöhn zu fünf Jah ren Gefängnis;, 1000 Thlr. Geldbuße und Verlust der Ausübung des Apoihekcrgcwerbes vcrurtheilt, die Appellation einlcgcn. Dieselbe batte bekanntlich in den Handlungen des Verurthcilten die Kriterien des wiederholten Betrugs erblickt und in Rücksicht auf Paragraph zehn Jahr Gefängniß, 20,000 Thaler Geldstrafe rc. beantragt. Bon einer beabsichtigten Appellation Seitens des Cöhn verlautet nichts. Die „N. A. Z." berichtet aus Berlin: Am Sonntag Abend um elf ist in dem übelberüchtiglcn Hause Zimmerstraße 24 in der Woh nung einer Prostituirtcn ein Todtschlag verübt worden. Der Schläch ter Horst wurde von einem Maler Habel (beide sind sogenannte Zu- baltcr (Louis) brostituirter Frauen) in einem Mcsscrkampf erstochen. Bei der That waren noch verschiedene Personen zugegen und es reg nete Messerstiche. Habel ist mit mehreren Personen entflohen, aber bereits ergriffen und hat sein Verbrechen eingestandeu. Der ..Zukunft" zufolge sind die wegen Hochverrats» vcrurtheilten Hamwveraner durch Cabinetsordre begnadigt und werden heute aus der Haft entlassen. In der Nacht vom Sonntag auf den Montag wurde der Stabs arzt Ur. Josephsohn in Berlin telegraphisch nach Varzin berufen, wo d>e Frau Bundeskanzler Gräfin v. Bismark das Unglück gehabt, den einem Stuhle, auf den sie gestiegen, zu fallen und eine "Rippe zerbrechen. Die Schwurgerichtsvcrhandlung gegen Graf Gustav Chorinsky begann in München am 22. Juni. Der Angeklagte sprach am Schluffe seines Verhörs mit erregter Stimme: „Ich und Julie haben nie vom Morde gesprochen. Ein so religiöses und frommes Geschöpf wieJp- lie ist einer solchen That unfähig, und ich hätte cs nie gewagt, ihr eine so schlechte Zumuthung zu machen. Julie hat außerdem ihre Un schuld beschworen und ich glaube an ihren Schwur." —Auf die letzte Frage des Präsidenten, ob er, der Angeklagte, Angesichts der vorlie genden Indizien noch immer seine Unschuld betheuere, antwortete Gu stav Chorinsky völlig schreiend: „Ja!" — Der Präsident schließt hie rauf das Verhör mit dem Angeklagten und die Zeugenvernehmung beginnt, deren Aussagen mit denen anläßlich des Prozesses Eberge- nyi gemachten im Wesentlichen übereinstimmen. —Da an der Schuld des Angeklagten Niemand zweifelt, so machte sein Benehmen den widerwärtigsten Eindruck. Am 27. Juni wurde das Erkenntniß des Gerichtshofs verkündigt. Chorinsky ist, wegen Begünstigung des Gattinmordes zu zwanzigjähriger auf der Festung zu verbüßen der Zuchthausstrafe verurt heilt. Geminderte Zurechnungsfähig keit wurde nicht angenommen. In Wien kam am 21. Juni ein furchtbarer Aufruhr vor und zwar infolge des verspäteten Anfsteigens eines Luftballons. An zwei Abenden schon hatte das Publikum vergebens gewartet; am drit ten brach die Geduld. Alles Zureden an die Menge war umsonst. Die bewaffnete Macht wurde verhöhnt. Die Verwüstung im Prater, wo das Ganze statt fand, war entsetzlich; der Exzeß dauerte dort über drei Stunden. Die offene Fehde zwischen dem alten Nom und dem neuen Oesterreich hat angehoben. Der Papst hat in einer Ansprache an sein Consistorinm am 22. Juni die neue österreichische Verfassung und insbesondere die jüngsten Gesetze über die gemischten Ehen, über die Civilehe und über die Schulen als dein Concordat zuwiderlaufend verdammt. „Wir verwerfen und verdammen diese Gesetze in: Allge meinen und im Besonderen alles, was in diesen wie in andcn Din gen gegen die Rechte der Kirche von der österreichischen Regierung oder von den untergeordneten Behörden verordnet, gethan oder Ivie immer verfügt worden ist; wir erklären diese Gesetze sammt ihren Fol gerungen als durchaus nichtig und immerdar ungültig." — So sagt der Papst, und die Bischöfe Oesterreichs haben in öffentlichen Hirten briefen den Kampf gegen das neue Oesterreich bereits eröffnet. An der neuen Welt erlebt der Papst mehr Freude als an der alten. Juarez in Mexiko hat gesunden, daß die Kirche ein Fcl-s ist, wider den man nicht mit dem Kopf anrennen darf; er hat den Papst tun Uebersendung von Bischöfen gebeten. Da kann ja am Ende Pater Fischer, der gute Freund Kaiser Max's wieder ankommcn! Wie würde sich die verwaiste „Familie Fischer" freuen. Die gesellschafflichen Zustände in Italien erscheinen täglich in einem trüberen Lichte. Hier zwei Beispiele: Aus Ravenna schreibt man der „Nacione" vorn 23. Juni: Gestern Abend fanden auf der Straße von St. Alberto, eine halbe Meile von Ravenna, 13 Raub anfälle mit hcwaffneter Hand statt. Als Carabiniers und die Trup pen herbeieiüeu, waren die Uebelthatcr, welche einer zwischen Lugo und Ravenna herumstrcichenden Bande angehören sollen, bereits ver schwunden. Der andere Vorfall wirft ein eben so trauriges Licht auf den VildungSstand des italienischen Volkes. In Campi, einem großen und reichen Dorfe, eine halbe Meile weit von Florenz, ver schwand ein Knabe. Sofort verbreitete man das Gerücht, derselbe sei durch eine Industrie-Gesellschaft gestohlen worden, welche Kinder entwendete, um sich des Fettes derselben zu Fabrikationszwecken zu bedienen. Jüngsten Sonntag wurde das falsche Gerücht verbreitet, es sei ein zweites Kind verschwunden, und die Erbitterung der Be wohner wurde auf das Höchste gesteigert. Man giebt einen greisen Bettler als vermeintlichen Dieb an. Dieser mit Fragen und Vorwür fen bestürmt, verwirrt sich in seinen Antworten, und die wüthcnde Menge, von Frauen und Kindern voran, aber auch die Männer nachfolgend, reißen den Unglücklichen zu Boden und machen seinem