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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Siebenlehn und die Umgegenden. Mmtsölatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Madtrath daselbst. 35. Freitag, den 2. Mai 1873. umscha u. Die in Frankfurt a. M. stattgefundenen Unruhen, welche leider den Character blutiger Straßcnkämpfe annahmen, sind, nachdem man das Militär von Mainz, Hamburg und Wiesbaden herbcigezogen, energisch unterdrückt worden. Die Einzelheiten darüber haben die Tagesblättcr in hinreichender Menge gebracht. Daß es sich hier nicht bloß um einen gewöhnlichen Bierkrawall, wie seiner Zeit in München, handelte, sondern um eine Auflösung der gesellschaftlichen Ordnung, beweisen die während des Aufruhrs zu Tage getretenen Merkzeichen, welche eine systematische Leitung nicht verkennen lassen. Die Arbeiter sollten bedenken, daß dieser Weg zur Erreichung ihres Zieles keines- ! Wegs der rechte, und daß die Führer und geheimen Hetzer der Sozial demagogie sie überall nur dazu verwenden, die glühenden Kohlen i aus dem Feuer zu holen, im Geheimen wühlen und sich nicht im Mindesten ein Gewissen daraus machen, die von ihnen bethörten Opfer aus blutigem Straßenpflaster zappeln zu sehen. Es ist anzu nehmen, da anch in anderen Städten, z. B. in Mannheim, wenn auch bedeutend geringer, Crawalle stattgefundcn, daß die in London sich aufhaltendcn rothen Communisten, noch frisch von der Pariser Com mune her in Jedermanns Gedächlniß, bestrebt sind, auch Deutschlands Arbeitern jenen tödtlichcn Haß gegen die besitzenden Classen einzu- impfen. Auf diese Weise aber wird die Arbeiterfrage — wie jeder besonnene Arbeiter einsehen muß — nicht gelöst. Das Herrenhaus Preußens ist für ganz Deutschland dadurch interessant geworden, daß es den Fürsten Bismarck nölhigt, den . Kamps gegen die Finsterlinge offen zu führen. Mit der so oft an ihm bemerkten Offenherzigkeit legte er dieser Tage das Geständniß seiner früheren Sünden ab, wie er die Jesuiten und den Ultramon- tanismus bis zum Jahre 1871 in Schutz genommen habe und zwar so lange und so sehr, daß ihn bisweilen jetzt die Befürchtung be schleiche, als erfolge seine Abwehr zu spät. Weil dies vollkommen in der Ordnung, ist es Pflicht des deutschen Volkes, Bismarck hierin auf das Kräftigste zu unterstützen. Obwohl Fürst Lippe die kirchen- Politischen Vorlagen des preußischen Cultusministers Falk als eine Sammlung von Marterinstrumenten gegen die Kirche bezeichnete, so zog diese Redensart selbst im Herrenhause Richts mehr: dasselbenahm Falks Vorlagen au. Aus Spanien erfährt man nicht viel Erbauliches: die Regier ung geht gegen die conservative Permanenzcommission gewaltsam vor, weil letztere nicht mit ihr in ein Horn bläst. Auch in militäri schen Angelegenheiten, wo es gilt, der Meuterei thatkräftig entgegcn- zutrclen, zeigt die Regierung ihre Unfähigkeit in ganzer Größe. Was bei diesem enormen Gewühle aus dem von der Natur so reich ge segneten Spanien noch werden wird, müssen wir der Zukunft über- Wilsdruff, den 1. Mai 1873. Am 26. April Nachmittags Ü Uhr hat die 4jährige Tochter des Hausbesitzers Pfund in Herzogswalde durch Herabstürzen von einem Wagen ohnweit Porsdors ihren Tod gefunden. Das Kind war nebst noch drei anderen, ohne Vorwissen der Eltern, von dem 50jährigen Dienstknecht Morgenstern, im Dienst beim Erbgerichtspachter Wittig in Herzozswalde, auf einem leeren mit Pferden bespannten Wagen mit nach dem Slcinbruche bei Spcchtshausen genommen und sind, als der Wagen mit Steinen beladen, von ihm wieder oben darauf ge setzt worden. Infolge^ von Trunkenheit mag Morgenstern auf dem Rückwege an einen Steinhausen ungefähren und durch den dadurch verursachten Anprall das Kind heruntergcfaUen sein. Außere Ver letzungen, wodurch der augenblickliche Tod erfolgt sein könnte, waren nicht sichtbar. Der mit dem gestrigen Tage sich verabschiedete April konnte seine Tücken nicht lassen, er hat seither Kälte, Frost, Reif und Schnee in Abwechslung gebracht, und die Blülheuhoffnuugen in Garten und Flur theilweise vernichtet. Soll in der alten Bauernregel: Sei der April noch so gut, so schneit er dem Bauer auf den Hut, einiger Trost liegen? D> i auch der rauhe BoreaS weht, so daß man den Lcnzrock wieder mit dem Winterpaletot vertauschen mußte, will man für ein gutes Zeichen halten, denn wenn der April bläst in sein Horn, dann steht es gut um Heu und Korn. Nicht nur im deutschen Reich, sondern auch in Böhmen, Tyrol und Ungarn oabs in diesen Tagen reichlichen Schneefall und Kälte. Das „Dresdner Börsen- und Hdlsbltt." schreibt: Nach Mit- theilungen vom Rhein hat auch dort die Kälte in einigen Nächten 2 Grad erreicht und ist ein Theil der Weinberge total erfroren. In unserem Elbthal hat der Frost an Wein und Obstblüthe erhebliche Schäden noch nicht verursacht, ebensowenig im Gebirge, wo die Vege tation noch ziemlich zurück ist. Dagegen wird aus der Gegend der Höhenzüge des Meißner Hochlandes rechts der Elbe und Strichen der Oberlausitz über den Verlust der Blüthe geklagt. Am 25. April Abends ist der Gutsbesitzer Vetter in Sörnewitz von einem Scheunenbalken auf die Tenne gestürzt, und hat dabei seinen Tod gefunden. Durch ein am 25. April Vomittags gegen 8 Uhr ausgebrochenes Feuer sind in Niederkiesdorf a. d. E. das Bauergut Johann Carl Traugott Geißler's, die Gartennahrung Johann Carl Traugott Rottcnauer's, ein Grundstück des Baucrgutsbcsitzers Johann Carl Gottlieb Berndt, desgleichen dessen Bauerngut, sowie die Häusler nahrung Johann Gottlieb Hunhäuser's total abgebrannt. DaS „Zwickauer Wochenblatt" berichtet: Der Militärverein zu Marienthal hielt gestern Abend ein Kränzchen im dortigen Gasthofe ab. Man hatte deshalb den Saal geschmackvoll mit Waffen ge schmückt, dabei aber kam ein recht bedauerliches Ereigniß vor. Zwei Mitglieder des Vereins nahmen Säbel zur Hand und machten Fecht- übnngen; ein gewisser Trommer erhielt dabei in den Hals eineu Stich, der seine sofortige Unterbringung im Kreiskrankenstifte nöthig machte, und als sehr bedenklich geschildert wird. Rochlitz, 26. April. Vie das „Ver. W." vernimmt, ist gestern in der Thibetfabrik von Winckler und Sohn hier die Arbeit einge stellt worden, weil die etwa 150 Arbeiter derselben Lohnerhöhung verlangen. Döbeln, 26. April. Auf der Roßweiner Chaussee verunglückte vorgestern der 45jährige, verheirathete Knecht Lindner von hier da durch tödtlich, daß er von seinem mit Steinen beladenen Wagen überfahren wurde. Die „D. A. Z." berichtet aus Leipzig, 26. April: Wie wir seinerzeit meldeten, war vom Polizeiamte auf Grund § 3 des Frei- zügigkeilsgesetzes die Ausweisung des Socialdemvkraten Adolph Hep ner aus Leipzig wegen der mehrfachen Bestrafung desselben verfügt worden. Hepner hatte gegen diese Verfügung sowohl zur hiesigen königlichen Kreisdirectiou als zum Ministerium des Innern Recurs eingewendel; diese Rechtsmittel sind aber in beiden Instanzen ver worfen worden und es hat nunmehr die Ausweisungsmaßregel de finitiv in Vollzug zu treten. Die jetzt auf Thaler und Gunden lautenden Banknoten und Staatskassen sch eine werden bald am längsten gelebt haben. Sie müssen, wenn die neue Goldwährung im deutschen Reich angenommen und eingeführt ist, in die Apoldaer Mühle wandern und nach der Markrechnung umgearbcitet werden. Künftig dürfen nur solche Bank noten zur Ausgabe kommen, die auf wenigstens 100 Mark lauten. Der Termin der Einlösung und neuen Ausgabe soll spätestens am 1. Januar 1875 festgestelt werden. So lauten die neuesten Beschlüsse des Reichstags (die aber noch der Zustimmung der Regierung be dürfen.) Aus dem Rheingau, 26. April. Die letzten Nächte haben leider im Rheingau großen Schaden angerichtet. In den Gemark ungen Eltville, Hallgarten, Hattenheim, Mittclheim, Oestrich-Win kel rc. sind zum größten Theil die Weinstöcke erfroren. Leider ist durch diesen starken Frost in Beziehung auf das Holz für das nächste Jahr das Wachsthum sehr in Frage gestellt. Auch in RüdeSheim bietet der Weinstock ein sehr trauriges Bild. Noch in den letzten Tagen hatten wir die schönsten Hoffnungen für ein gesegnetes Jahr. Heute ist Alles dahin. Die schönen jungen Triebe waren heute Morgen hart gefroren, sind schwarz und fallen ab.