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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Stoffen, Sievenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für die Königs. Amtshauptmannschaft zu Meißen, das Königl. Gerichtsamt nnd den Stadtrath zn Wilsdruff. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei mal, Dienstags u. Freitags und kostet Pro Quartal 1 Mark. — Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittag 12 Uhr. 39. Dienstag, den 15. Mai 1877. Erledigt hat sich die unter'm 10. April d. Js. hinter dem Dienstknecht Eduard Heber aus Hirschfeld erlassene öffentliche Vorladung. Königl. Gerichtsamt Wilsdruff, am 12. Mai 1377. vr Gangloff. Tagesgeschichte. Am 9. Mai früh 9 Uhr hat der Kaiser die Rückreise von Metz über Forbach, Saarbrücken, Mainz, Gießen und Cassel nach Berlin angetrelen, sehr befriedigt von dem überaus freundlichen und be geisterten Empfang, den ihm, wie er sich wiederholt aussprach, auch die Bevölkerung von Metz und der Umgegend bereitet habe. Der allgemeine Jubel der Deutschen, die persönliche Liebenswürdigkeit und Herablassung des greifen Monarchen riß selbst die noch französisch Gesinnten mit fort, sodaß sich bei keiner Gelegenheit, wo der Kaiser mit dem Publikum in Berührung kam, ein störender Mißklang ein- mischte. Vornehme Damen und Bauerfrauen, reiche Grund- und Fabrikbesitzer, ebcnsowie Landleute in Blousen drängten sich herbei, um den Kaiser zu sehen, ein Wort von ihm zu erhaschen. In Longeville, welches am Sonntage bei der Fahrt nach den Schlacht feldern berührt wurde, kredenzte der dortige Fabrikherr Reinert dem Kaiser und Kronprinzen Wein in einem silbernen Pokale, aus Dank- gefühl, weil der kaiserliche Herr nach der Schlacht bei Sedan die in der Nähe liegenden großen Brennereien desselben durch eine Besatzung hatte schützen lassen. Nach diesem Vorgänge wagte es auch der bayerische Bierwirth Huber in Metz, eine dort besonders beliebte Per sönlichkeit, sowohl dem Kaiser als dem Kronprinzen bei der Vorübcr- fahrt eine Probe seines schäumenden Gerstensaftes anzubieten. Der Kaiser nahm den Trank lächelnd an und that unter den begeisterten Hurrahs der Menge einen Zug aus dem Glase, ebenso der Kronprinz. Auf das Glas, woraus der Kaiser getrunken, wurden sofort 50 Thaler geboten, aber dem wackeren Bayer war es um keinen Preis feil. Selbst der bedauerliche, Braud der Kathedrale in Metz blieb ohne sichtbaren Einfluß auf die gehobene Stimmung der Bevölkerung und die Patrioten begrüßten es als ein glückverkündenoes Zeichen, daß die deutsche Fahne bei dem heftigen Winde nicht von den Flammen ergriffen wurde. Sie weht heute noch ebenso stolz und unversehrt in der Höhe wie am Tage des kaiserlichen Einzugs. Der deutsche Kaiser hat vor der Abreise aus den Reichslanden nachstehenden Erlaß an den Oberpräsidcnten von Elsaß - Lothringen gerichtet: „Nachdem seit den Ereignissen, welche den Wiederanschluß von Elsaß-Lothriugen an das deutsche Reich zur Folge gehabt haben, eine Reihe von Jahren verflossen ist, habe ich dem längst gefühlten Drange, diese Lande in ihren neuen Verhältnissen mit eigenen Augen kennen zn lernen, nachzugeben Mich entschlossen. Um einer ernstlichen fürstlichen Pflicht zu genügen bin Ich in die Reichslande gekommen. Ihre Erfüllung hat sich für Mich je länger desto mehr zu einer Quelle angenehmer Eindrücke gestaltet, welche durch freundliche Er innerungen wohlthuend in Mir fortwirken werden. Ich verdanke dieses vorzugsweise dem rücksichtsvollen Entgegenkommen eines großen Theiles der Bevölkerung. Allenthalben auf Meinem Wege durch die Reichslande bin Ich huldigenden Aufmerksamkeiten mannigfacher Art begegnet, welche Ich ebenso gern als ebenso viele Beweise dafür be trachte, daß das Vertrauen, mit dem Ich diese Lande betreten, auf gutem Grunde geruht hat. Jetzt nehme ich von denselben mit dem Bewußtsein Abschied, daß mein Aufenthalt dazu beitragen wird, die Beziehungen zwischen ihnen und dem Reiche zu befestigen und er sprießlich zu gestalten. Indem ich tief den Unfall bedaure, von welchem während Meiner Anwesenheit in der Hauptstadt Deutsch-Lothringens die dortige altehrwürdige Stätte christlicher Frömmigkeit betroffen worden ist, verlasse Ich die Neichslande mit den herzlichsten Wünschen für die friedlich fortschreitende Entwickelung ihrer geistigen und materiellen Wohlfahrt, und crtheile Ihne» zu dem Zwecke, der Be völkerung Meinen Dank für die mir zu Theil gewordene Ausnahme kundzugcben, hierdurch den Auftrag, den gegenwärtigen Erlaß alsbald zur öffentlichen Kenntniß zu bringen. Metz, den 9. Mat 1877. gez. Wilhelm. Das erste größere Ereigniß, welches sich auf dem Kriegs schauplätze au der Donau zugetragen hat, meldet der Telegraph aus Bukarest. Es ist ein hartnäckiger Kampf gewesen zwischen dem größten Monitor der türkischen Donauflotlille und den Userbatterien der Russen bei Braila, der init einer totalen Zerstörung des türkischen Panzerschiffes geendet hat. Ein solcher Schlag ist gerade nicht er- muthjgend für weitere Actionen der türkischen Flotte, die ja Lazu be stimmt ist, die Donauübergänge der Russen zu verhindern, denn so Wie bei Braila haben die Russen an den zum Uebergange geeigneten Stellen das linke untere User der Donau bereits mit schweren Bat terien befestigt und sich somit eine gute Basis für ihre Operationen geschaffen. Jedenfalls trennen uns nur noch wenige Tage von dem Zeitpunkte, wo die Russen energisch die Offensive ergreifen werden. Schon am 8. und 9. fanden je bei Braila ein heftiger Geschütz kampf der russischen Uferbatterien mit den gegenüberliegenden türkischen bei der Insel Ghiacet statt und am 10. d. wurde von Kosakenab- theilungen eine Recognoscirung des rechten Donauufers ausgeführt, wobei es zu einem lebhaften Zusammenstoß kam. Das auf Kähnen über den Strom gesetzte Detachement hatte wohl unzweifelhaft den Auftrag, nähere Nachrichten über die Terrainschwierigkeiten zu sammeln, welche das rechte Flußufer der dortigen Gegend für einen Uebergang größerer Massen darbietet. — Die Spitzen der russischen Hauptarmes haben Giurgewo erreicht, die vorderen Abtheilungen derselben haben begonnen, sich in dem Raume zwischen Giurgewo und Bukarest zu entfalten, gleichzeitig sind die diesen Anmarsch deckenden rumänischen Truppen in westlicher Richtung nach Krajowa dirigirt worden. Die Rumänen werden nämlich nunmehr activ mit in den Kampf treten, den sie bisher defensiv gegen die Türken führten. Die rumänische Kammer hat einen Beschluß angenommen, der hierüber allen Zweifeln eine Ende macht. Die rumänische Armee besteht aus den beiden Armeccorps Lugu in Krajowa und Nadowici, das Obercommando über die vermuthlich 50,000 bis 60,000 Mann starke Truppenmasse führt Fürst Carl selbst. Diese Vorgänge in Rumänien, die jedenfalls auf eine gänzliche Unabhängigkeitserklärung von der Pforte Hinzielen, könnten sehr leicht eine nicht unerhebliche Rückwirkung auf Serbien ausüben. Die sonst über die Dinge in Serbien gut unterrichtete „Augsb. Allg. Ztg." erhalt aus Belgrad die Nachricht, daß dort am 10. Mai ein außer ordentlicher Ministerrath beim Ministerpräsidenten stattgefunden hat, in dem wichtige Entschlüsse bezüglich der Haltung Serbiens gefaßt worden sein sollen. In wohlunterrichteten Kreisen hatte man es für eine abgemachte Thalsache, daß Serbien an der Seite Rußlands am Kriege theilnchmcn werde. Neber das wie und wann soll der Fürst sich persönlich mit dem Czaren besprechen und zu diesem Zwecke nach Petersburg reisen. Mit dem Lokalisiren des russisch-türkischen Krieges siehts etwas bedenklich aus, das Kriegslokal in Europa und Asien ist ohne hin etwas geräumig. Die Rumänen werden schon in den nächsten Tagen an dem Krieg thäligen Antheil nehmen und zwar auf Seite dec Russen. Fürst Carl hat sich wohl oder übel dazu entschlossen, nachdem ihm der Czaar Alexander 2000 Pferde und 36,000 Gewehre — geschenkt hat. Auch das Herüberschießen der Türken über die Donau hat er übel genommen. - Allem Anschein nach hat sich bereits die geringe Voraussicht des türkischen Oberkommandos, die Gleich gültigkeit der Unterkommandanten zu Wasser und zu Land den ener gischen Maßregeln der Russen gegenüber, der Mangel an Schnellkraft des Geistes bitter gerächt. Die Russen haben sich bei Braila, Galaz und Reni durch Anlage von Verschanzungen mit schweren Geschützen so eingenistet, daß die Versuche der Türken, sie von dort durch das Feuer ihrer Monitors zu vertreiben, sich als ohnmächtig erweisen. Sie hätten, wie der alte Moltke gesagt, durch Zerstörung der Bar boschi-Brücke den Aufmarsch der Russen und die Festsetzung derselben bei Galaz und Braila verhindern müssen, und sie hätten es leicht gekonnt, wenn ihre Monitors im entscheidenden Augenblicke zur Stelle g-wesen wären. Auch die Besetzung von Kalafat wurde zu lange vertagt. Wahrscheinlich haben politische Rücksichten auf Rumänien den Ausschlag gegeben, die sich nunmehr als verfehlt erweisen. Minister und Diplomaten plaudern unter vier Augen ganz anders mit einander als in Noten, Depeschen und offiziellen Zeitungen, und manchmal sagen sie sogar die Wahrheit oder doch das, was sie dafür halten. In einem Gespräche am 8. April dieses Jahres mit dem türkischem Botschafter sprach Lord Derby, der englische Minister, seine Verwunderung aus, daß der Sultan es habe zum Kriege mit Rußland kommen lassen. Der Sultan, antwortete der Türke, will lieber einen unglücklichen Krieg führen und eine Provinz oder zwei verlieren, als seine Würde und Unabhängigkeit. — Eine Provinz verlieren oder zwei? fragte Lord Derby, meinen Sie? Ich fürchte vielmehr, Laß cs am Schlüsse des Krieges ein türkisches Reich nicht mehr geben wird. — Das wollte der Türke nicht zugebcn und meinte, im schlimmsten Fall könnten sich die Türken nach Asien zurückziehen. — Der türkische Botschafter hatte kaum Abschied genommen, so schrieb der Engländer die Unterredung in sein Blaubuch. Wien, 12. Mai. Einem Telegramm der „Polii. Corresp." aus Galatz vvur 12. Mai zufolge war das von der russischen Batterie in die Luft gesprengte türkische Kriegsschiff kein Monitor, sondern ein größeres Panzerschiff mit 9 Kanonen und 150 Mann Besatzung, welche größtcntheils umkamen. Gestern Abend nahmen zwei türkische Monitors im Kanale Matschin die Beschießung der russischen Batterien wieder auf.