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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Stoffen, Siebenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für die König!. Amtshlmptmannschaft zu Meißen, das König!. Gerichtsamt und den Stadtrath zu Wilsdruff. Dieses Blatt erscheint wöchentlich zwei mal, Dienstags u. Freitags und kostet pro Quartal 1 Mark.— Jnseratenannahme bis Montag resp. Donnerstag Mittags 12 Ilhr. 30.Freitag, den 13. April 1877 Bekanntmachung. Da zufolge Bekanntmachung des Königlichen Ministerium des Innern vom 6. dieses Monats nunmehr auch der letzte der seit An fang Februar dieses Jahres nach und nach von der Rinderpest heimgesuchten 19 Orte hiesiger Lande als seuchenfrei hat erklärt werden können, wird die unter'm 10. Februar dieses Jahres wegen der Änzeigeerstattung über etwaige Krankheitserscheinungen unter den Rind viehbeständen von hier aus erlassene Bekanntmachung wieder aufgehoben. Meißen, am 9. April 1877. Königliche Amtshauptmannschast. von Boffe. Der Dienstknecht E-uar- .Heber, voriges Jahr in Blankenstein und zuletzt iu Hirschfeld bei Nossen bedienstet gewesen, ist in einer Untersuchungsfache als Zeuge abzuhören. Da sein dermaliger Aufenthaltsort hier unbekannt, so wird derselbe hiermit öffentlich aufgefordert, letzteren unverzüglich schriftlich oder mündlich hier anzuzeigen, sich auch, dafern er im hiesigen Amtsbezirke wohnhaft, an unterzeichneter Gerichtsstelle behufs feiner Ab hörung so bald als möglich und spätestens den 12. Mai 1877 in Person zu gcstellen. Alle Criminal- und Polizeibehörden werden ersucht, den P. Heber im Betretungsfalle auf diese Vorladung unter entsprechendem Bedeuten aufmerksam zu machen und den Erfolg kürzlich anher zu berichten. König!. Gerichtsamt Wilsdruff, am 10. AM 1877. vr. Gangloff. Bekanntmachung. Folgende Communparzellen, als: 1 ., der sogenannte Rühle'sche Garten am unteren Bache, 2 ., der sogenannte Funke'sche Garten daselbst, 3 ., der Grasrand am Gründchenweg, 4>, der Grasrand an Heidenreich's Garten beim Gründchenweg, 5 ., der ehemalige Turnplatz, 6 ., zwei Stückchen Grasland oberhalb der Scheunen zu beiden Seiten der Nossener Straße, 7 ., der Grasrand zwischen dem Sachsdorfer Wege und dem Mühlgraben sollen im Wege des Meistgebots anderweit auf sechs Jahre verpachtet werden. Bietungslustige werden hiermit geladen, sich zur Verpachtuug Sonnabend, den 14. -s. Mts., Nachmittags 5 Uhr, im Rathssessionszimmer einzufindeu. Wilsdruff, am 12. April 1877. Der Stadtgemeinderath. Ficker, Brgmstr. AageSgefchichte. Waren unsere patriotischen Beklemmungen über den Rücktritt Bismarcks unnöthig oder voreilig? Es scheint fast so, wenn man gewisse Zeitungen hört, die der Regierung und dem Reichskanzler sehr nahe stehen und kühl bleiben bis ans Herz hinan. Diese Zeitungen, die weniger genirt sind als die amtlichen, geben ein ganz anderes Bild von der Kanzlerkrisis als man es seither gelesen oder hat sehen lassen. Eine Zeitung der geschilderten Art, die Post in Berlin, sagt: „Der Fürst Bismarck trägt in seinem Haupte durchdachte und in großem Zusammenhang entworfene Reformpläne, auf verschiedenen Gebieten der inneren Einrichtungen. Wir nennen als solche Gebiete die sozialpolitische Gesetzgebung, das Steuersystem im Reich wie in den Einzelstaaten, die Eisenbahnfrage. Der Fürst glaubt, daß, wenn die auf diesen Gebieten unerläßlichen Reformen nicht in dem von ihm gefaßten großen Sinne baldigst in Angriff genommen und durch geführt werden, Mißstände und Gefahren unseres Volkslebens ein- treten müssen, für welche er die Verantwortung nicht ablehnen könnte und mochte. Es liegt also eine Aufgabe vor/welche der Fürst als durchaus unerläßlich ansieht, für deren glückliche und schnelle Lösung er jedoch weder seine alleinigen Kräfte, noch die Ergänzung durch die ihm jetzt zur Seite stehenden für zureichend hält. Die noth- wendigen Reformen stückweise unter Mißverständnissen und Aerger- nissen aller Art, vielleicht ohne genügenden Enderfolg im Ganzen, erkämpfen zu müssen: das ist die Aussicht, welche den Fürsten zur Einreichung seiner Entlassung bewogen hat, weil er auf keinen Fall dieser Aufgabe seine Kräfte noch gewachsen hoffen darf. Ganz anders wäre die Lage, wenn der Fürst entweder Helfer zur Seite hätte, die auf seine Absichten in den gedachten Beziehungen völlig willig und wirksam eingingen, oder aber, wenn eine Mehrheit des Reichstages sich bilden könnte, welche, für dieselben Absichten mit geschlossener Kraft, ohne Schwanken eintreiend, die Leiter der betreffenden Dienst zweige von ihren Skrupeln befreien und dieselben zu einem schnellen Gang der Resormarbeit in die, nach der Ueberzeugung des Fürsten, richtige Bahn drängen würde." Aus Berlin wird telcgraphirt: Nach zuverlässigen Nachrichten verbleibt der Reichskanzler im Amte. Der Reichstag beabsichtigt ein großartiges Vertrauensvotum für ihn. Hören wir schließlich das unbefangene Urtheil eines Oesterreichers (Presse in Wien) über die wahrscheinlichen Folgen eines Rücktrittes Bismarcks: Man darf nur den Moment betrachten, in dem Fürst Bismarck, wenigstens vorläufig, vom Schauplatze abtritt. Ein halbes Jahrzehnt nach der Kaiserproclamation im Schlosse zu Versailles segelte das neue Staatsschiff unter der fördernden Wirkung einer frischen Brise, die seine Segel füllte, des durch die Kriegserreignisse geweckten lebhaften Nationalgefühls, und das Steuer wurde von einer starken und kundigen Hand geführt. Heute ist einigermaßen Windstille eingetreten, die Neichsfluth ist rückläufig geworden, wie der Kanzler in einer seiner letzten Reden im Reichstage erklärte; die Luft ist träge und die Wasser sind hinderlich geworden und in die Stille hinein tont der umheimliche Ruf der bösen Geister, die feind lich das Fahrzeug umschweben. Alle reichsseindlichen Elemente machen sich heute stärker als je geltend. Die Ultramontanen halten unge beugt das Haupt empor, die Socialisten erneuern ihre Anläufe, der Particularismns schöpft wieder Luft. Die liberalen Parteien sind anderseits zerkiüftet, die Noth der Zeit hat ihre Wurzeln in das Ge füge der Majorität hiueingctrieben und es gesprengt, die kleinlichen Interessen und berechtigte Interessen in kleinlicher Art machen sich geltend. Das Alles wird nach dem Abgänge Bismarcks nur schlimmer.