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WmM für Wilsdruff Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — AbouncmcntSprcis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne Nummern 10 Pf. Amtsblatt WlM Mm, Meckh» und die Umgegenden. Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. JnsLrtionsvreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. für die Agl. AmtshaupLmannschaft Aleißen, für das Agl. AinLsgerichL und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Agl. HorsLrentamt zu Tharandt. No. 77. Freitag, den 26. September 18W. Bekanntmachung. Der diesjährige hiesige Herbstmavkt wird Donnerstag, den 16. und Freitag, den 17. Oktober, abgehalten. Wilsdruff, am 22. September 1890. Ter Stadtgemcinderath. Ficker, Brgmstr. Tagesgeschichte. Die durch die Gegenwart des Kaisers von OJt-rreich, des Königs von Sachsen uns anderer Fürstlichkeiten ausge zeichneten Kaisermanöver in Schlesien haben am Sonn abend mit einem kurzen Schlußgefccht ihr Ende erreicht. Am Schluß dieses Monöverö dankte Kaiser Wilhelm seinen fürst lichen Gästen für die Ehre ihres Besuches und für das günstige Urtheil, welches sie in diesen Tagen über die Leistungen des Heeres gefällt hätten. Beide seien ja treue Freunde der Armee, in turen Namen er ihnen für die derselben erwiesene Ehre dankte. „W r jüngeren", sagte der Kaiser im wärmsten Tone, „können noch viel von ergrauten Kriegern lernen. Wir sind uns wohl bewußt, daß wir bei unleugbarer Entwickelung guter Eigenschaften noch manche Fehler machen; aber wir sind stolz, daß so bewährte Kenner er aussprechen, daß die Armee nicht schlechter geworden ist seit dem Ableben Kaiser Wilhelms." Hierauf brachte der Kaiser ein donnernd aufgenommeneS Hoch auf die beiden befreundeten Monarchin aus. Dann dankte Kaiser Franz Josef unserem Kaiser, er fühle sich geehrt, daß es ihm vergönnt gewesen sei, Zeuge der vorzüglich gelungenen Uebungen zu sein. Es gereiche ihm zur höchsten Freude, den hohen Grad dir Ausbildung der preußischen Truppen, sowie deren vortc.sfliche Führung und außerordentliche KriegStücktig- keit anerkennen zu dürfen. Die eben verflossenen Tage würden ihm stets unvergeßlich bleiben. Die treue Freundschaft sei für alle Zeit unerschütterlich, und er habe den festen Glauben, daß, wenn es einmal nothig sein sollte, was Gott verhüten möge, daß dann Las deutsche und das österreichische Heer auch treue Waffenbrüderschaft halten würden. Es ist der Wille Sr. Maj. des Kaisers, daß die staatlichen Bctricböunternehmen immer mehr zu Musteranstalten für die Privatbetriebe sich ent wickeln. AuS diesem Grunde ist j tzt die Aufhebung der Nacht arbeit der Frauen in den Mcktärwerkstätün zu Spandau er folgt. Es handelt sich hierbei nicht um eine vorübergehende Maßnahme, die, wie die Entlassung einer größeren Anzahl von Arbeitern in dem Mangel an Arbeit ihre Erklärung finden könnte, sondern dieselbe steht im Zusammenhang mit den Re formen auf dem Gebiete deS Arbeitersckutzreckls, die, uue die Vorgänge der letzten Tage gezeigt, selbst inmitten der kriegeri schen Uebungen nicht aufzebört Haden, die Aufmerksamkel des kaiserlichen Herrn zu beschäftigen. Aus Berlin, 22. September, wird uns gemeldet: Noch ist die aufregende Katastrophe in der Friedrichstraße nicht ge wichen, und schon wieder suchte eine enllctzlicks Brandkatastrophe die Stadt heim. Zehn Personen, die Theilnehmer einer ftöh- lichen Hochzeitsfeier, sind gestern Abend um halb 11 Uhr durch eine Petrvleumlampemxplosion schwer zu Schaden gekommen. Im Hause Neue Hochstraße 42 bewohnt im ersten Stock die betagte Wittwe Zeidler eine Wohnung, die aus eiwr kleinen zweifensterig n Lorderstube und einigen Hinterräumen besteht und in welchen Räumen gestern die Hochz it der Tochter der Zeidler mit einem im selben Hause wohnenden Grünwaaren- händler gefeiert worden ist. JnSgesammt waren es gegen 30 Personen, welche sich in der kleinen engen Stube der Festes freude Hingaben. Als der Abend hereingebrochcn war, wurde eine mächtige Tafel gedeckt, wodurch der Platz noch beengter wurde. Erhellt wurde das Zimmer durch eine inmitten des selben befindliche Hängelampe und zwei Tischlampen. In zwischen war es halb 11 Uhr geworden, die Festesfreude hatte ihren Gipfel erreicht. Plötzlich ertönte em lauter Krach und im Nu stand die ganze Stube in bellen Flammen. Einer der Gäste hatte mit der Hand unversehens gegen di- Hänge lampe geschlagen, das Bassin war rabei aus dem Gestell ge schleudert worden, das entflammt; Petroleum war explodirt und halte sich über die eng zusamm ngkpferäüe Gesellschaft er gossen. Em anderer Gast batte die fliegend; Lampe weiter- gestoßen, sodaß sie zum Fenster hinaus auf die Straße flog. Tie Scenen, die sich nunmehr abspielten, spotten jeder Be schreibung. Fast alle Festgenossen waren von der flammenden Flüssigkeit getroffen, welche Haut und Kleider in furchtbarer Gewalt versengte. Vor Schmerz und Angst überwältigt, drängte Alles in dem engen Raume dem Ausgange zu. Bertha Zeidler, ein blühendes Mädchen von 23 Jahren, die zunächst der Thür giftssen hatte, gelangte zunächst aus derselben-und lief, entsetzlich schreiend, die Treppe hinunter auf die Straße. Der scharf; Luftzug trieb die Funken, die ihre Kleider getroffen, zur hellsten Flamme an und einer Fcuerscule gleich, eilte die Unglückl ch?, von wahnsinnigen Schmerzen getrieben, auf der menschenleeren Straße hin und her, bis endlich die Tochter »es im gegenüberliegenden Hause wohnenden Schankwirths Frommert mit einem Eimer Wasser hcrbeieilte und dessen In halt über die Brennende schüttete. Die Flammen wurden hierdurch zwar erstickt, die Unglückliche aber war inzwischen schon so mit Brandwunden bedeckt, daß sie bewußtlos nieder- sank. Währenddem hatten sich in der Wohnung selbst ander- haarsträubende SchrcckenSszenen abgespielt. Neun Personen sind mehr oder weniger schwer verletzt nach bcr Charite gebracht worden. Ein ernstes Wort an den Adel zu richten, fühlt sich die „Krz.-Ztg." durch gewisse Vorgänge, die sich in jüngster Zeit zugetragen haben, veranlaßt. Sie schreibt: An den Atel wenden wir uns heute, weil cs Edelleute sind, die B-rlin in jüngster Zeit mehrfach zum Schauplatz aufregender Vorgänge gemacht und dabei ein Verhalten beobachtet haben, welches sich mit den Anforderungen schlechterdings nicht deckt, dis man an Lie Träger alter Namen mit vollem Recht stellt. Das Einzelne berühren wir an dieser Stelle nicht. Die Gegner haben dafür gesorgt, daß es bekannt geworden ist; ihnen entgeht dis Be deutung nickt, welche die sittliche Unzulänglichkeit hochstehender Glieder der Gesellschaft für die Z rsetzung derselben hat. Um so rückhaltloser geben wir dem Unwillen wie dem Schmerze Naum, die uns erfüllen, wo auf der anderen Seite schaden froher Hohn bemerkbar wird. Entschuldigen oder gar beschönigen laßt sich nichts. Dem milden Urtheil, das dem Christen in jeder Lebenslage ziemt, greisin wir nicht vor; als Organ der Oeffentlichkeit jedoch haben wir unsere Aufgabe anders zu ver stehen. An den furchtbaren Ernst der Dmgs gilt es zu er innern, der uns aus Irrsinn und Selbstmord entgegenstarrt, wo es keinem Zweifel unterliegt, zumal, daß das Alles mit einem Leben ohne Kraft und Zucht zusammenhängt. Wenn große Vermögen am Rennplätze und im Spielklub schwinden, statt dem hohen Ziele sittlicher Erneuerung des Volkes nutz bar gewacht zu werden, wenn das Leben in elenden Liebes händeln hinzieht, die wohl einen Anfang, aber kein Ende haben, wenn jede That und jedes Wort nur für die Art des „eweg Blinden" zeugen — dann sind die im Recht, die voll In grimm rufen: fort mit diesen Drohnen, ihre Uhr ist adge- laufen; fort! Dieser Ruf wird und muß in eben dem Maße stärker werden, als die höheren Stände, der Adel vor allem, forlfahren, dem Drohncnthum seinen Nachwuchs zu liefern, das Beispiel unfruchtbarer Vergeudung der Kräfte fortzusetzen und die Erbitterung der Massen zu schüren, die selbst in den entlegensten Winkeln schon längst nicht mehr so harmlos sind, um sich des Gegensatzes nicht bewußt zu sein, der zwischen solchem Treiben und der Pflicht besteht. Solles denn immer dabei bleiben, daß aus der Geschichte nichts gelernt wird? Kaum hundert Jahre sind es her, als die Feudal-Monarch ie und mit ihr alles, was mit den Wurzeln seines Daseins noch am Mittelalter haftete, vor dem Ansturms des nach Gleich berechtigung strebenden „dritten Standes" jäh zusammenbrach. Kaum hundert Jahre, die Aelüren von uns erinnern sich der Zeit noch recht wohl, da man ihnen fast aus eigener An schauung noch von den entsetzlichen Erfahrungen jener Reue erfüllten Tage zu erzähl« n wußte, und doch — ist es nicht, als ob alles ganz umsonst gewesen wäre? Die „Zeichen der Zeit" sind so unverstanden, als sie jemals waren, niemand kümmert sich um sie, oder man denkt im Stillen: ^prös nous Is cläluM. Man braucht nicht der Ansicht zu sein, daß die soziale Revolution, die um so weniger aus- bleibcn wird, je dauerhafter sich diese leichtfertige Auffassung der Dinge erweist, dieselben gewaltsamen Formen annehmen müßte, welche der großen politischen Umwälzung eigen waren: an dem Wesen der Sache selbst und ihrem grund- stürzenden Charakter würde das jedoch nichts ändern. Mit Zeitungsartikeln läßt sich der Lauf der Dinge nicht aushalten; das wissen wir wohl. Für uns handelt es sich nur darum, zu thun, „was unseres Amtes ist," ob das nun Erfolg hat, oder nicht. Was wir aber für Recht ansehen, das thun wir nicht halb. Deshalb rufen wir Allen, die es angehl, nochmals zu: „Haltet ein auf diesem Wege, er führet in's Verderben". Um den 1. Oktober festlich zu begehen, trifft die Sozial demokratie alle möglichen Vorbereitungen. Es ist bereits bekannt, daß am 30. September, Abends, in den größten Sälen, welche Berlin besitzt, Festfeiern abgehalten werden, und eine Illumination geplant ist. Aber noch in anderer Weise wird des Tages gedacht werden, und zwar von der sozialisti schen Geschäftswelt. Da sind Gedenkmünzen mit der In schrift „Zum Andenken an den Sieg des deutschen Proletariats über das Sozialistengesetz 1890" geprägt worden, Büsten von Lassalle, Liebknecht, Bebel w. sind hergestellt und werden jetzt zu „bedeutend billigeren Preisen" angeboten; Bilder von Ver tretern der Sozialdemokratie sind angefertigt, an allegorischen photographischen Darstellungen des Sieges der Sozialdemo kraten ist kein Mangel. Auch für Kravatten mit Lassalle-^ und Marxbildern kann der Sozialdemokrat sein Geld ausgeben. Ein illustrirtes Zeitdlatt humoristisch-satyrischen Inhalts soll erscheinen. Der Geschäftssozialismus hat sich übrigens in der letzten Zeit in einer Weise breit gemacht, daß selbst sehr eifrige „Genossen" zu stutzen anfangen. Die Zahl der sozialdemo- kratflchen Führer z. B., welche von den Erträgnissen ihrer Kneipen und Cigarrenläken leben, geht in die Dutzende. Die von sozialdemokratischen Organen vorbereiteten Kundgebungen zur Feier der Aushebung des Sozialistengesetzes haben hier und dort mit Besorgnissen über Ausschreitungen erfüllt. Wahr scheinlich sind diese Besorgnisse eben so unbegründet, wie jene vor der bekannilich verunglückten Mai-Feier dieses Jahres. Inzwischen sind nickt nur für den letzten Tag dieses, sondern auch für die ersten Tage des kommenden Monats seitens der Behörden die umfassendsten Vorkehrungen getroffen worden, um jede etwaige Ausschreitung zu unterdrücken. Sämmtliche verfüglar-n Kräfte der Polizei werden überall zusammen ge- halün; Urlaubsanträge von Polizeibeamten sind zurückgewiesen worden; wo eS erforderlich war, hat schon seit Monaten, cr- sicktlich im Hinblick auf diese Verhältnisse, eine Verstärkung der Polizcikräfte staltzefundcn. Es ist kaum anzunehmen, daß die sozialdemokratische Partei selbst nicht in umfassendster Weise dafür gisorgt haben sollte, den Beweis zu liefern, daß das Sozialistengesetz zur Befestigung ordnungsmäßiger Zustände nicht erforderlich sei. Jedenfalls wird gegen jede Ausschreitung am 1. Oktober und in Zukunst mit aller Energie eingcschritten und, wenn es noth thun sollte, auch vor Anwendung der schärfsten Mittel nicht zurückgeschreckt werden. Die Adresse, welche von den deutschen Städten dem General feldmarschall Grafen von Moltke am 26. Oktober überreicht werden soll, hat folgenden Wortlaut: „Ew. Excellcnz! Die flammende Begeisterung, mit welcher ganz Deutschland vor 20 Jahren seinem Moltke cntgegenjubelte, erneuert sich heute am Schlüsse des neunten Jahrzehnts der geschichtlich so bedeutungs vollen Periode, während welcher Ew. Excellenz unserem Vater lands angehörcn, und dieser Jubel klingt nicht minder in dem erhebenden Gefühl der errungenen Weltstellung als seinerzeit in den Tagen deS Kampfes und der Siege. Deutschland bewundert in Ew. Excellenz den Denker der Schlachtender die Heere von Sieg, zu Sieg führte, den genialen Feldherrn, Lessen hervorragende Bedeutung seines Kaisers Scharfblick er kannte, und den gewaltigen Heros der Kriegskunst. Dank Ew. Excellenz so erfolgreicher Mitwirkung vermag Deutsch land nunmehr seins gewaltige Kraft dem Dienste des Fliedens und Len Aufgaben der Kultur zuzuwenden. Im hohen Norden und an den Gestaden des Bosporus, in der Fremde und in der Heimath, in Krieg und Frieden, wo immer Ew. Excellcnz sich ztt bethätigen hatte, gab es nur den einen Leitstern: die unverbrüchliche Pflicht, Treue dem Kaiser, Treue dem Reiche, Treue dem Volke und Treu gegen sich selbst. Aber auch das deutsche Volk hält Ew. Excellenz Treue um Treue. Es dankt seinem Feldherrn, es verehrt seinen Helden und es liebt den Mann, der auf einer gewaltigen Höhe auch dem geringsten