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Wochenblatt für Mckuff Tharandt, Ma, Mealtha and die UmMaden Imlsblult Freitag, den 7. August No. 63 18S1 Meißen, am 5. August 1891. den Thatm des Umsturzes aufgestachelt. Vielleicht kennte man Gesetzgebung wurde von den Ungeduldigen verlangt. Aus mannigfachen Ursachen ist seit etwa drei Jahren eine Steigerung der Getreidepreise und dann eine wirthschaftliche Gesundung der Landwirthschaft zu verzeichnen. So kräftig ist dieser Preisauf trieb, daß er bereits in Frankreich bei der Regierung die Er mäßigung der Getreidezölle auf die Häfte erzwang und im Deutschen Reichstage die lebhaftesten Debatten über den gleichen Gegenstand zur Folge hatte. Auf der Wiener Getreide-Börse, welche augenblicklich an der Spitze der Aufwärtsbewegung einher schreitet, stieg der Preis des Weizens in der letzten Woche auf 10 fl./ womit seit Jahren der höchste Kurs erreicht ward. und England haben sich seit Wochen durch kolossale Zufuhren aus Amerika und Rußland — Frankreich allein führte 20 Millionen Hektoliter ein — gedeckt, und mit gefüllten Getreide speichern erwarten diese Länder die Nachfrage. für die Rgl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Lorstrentamt zu Tharandt. umgekehrt sagen, daß Mittel-Europa trotz der sozialen und anar chischen Agitationen des letzten Jahrzehnts vielleicht deshalb keinen wahnsinnigen Putsch der verzweifelten Massen erlebt hat, weil auffallend niedrige Getrcidepreise wenigstens das Brod der Acrmsten verbilligten. Je mächtiger aber sich die sozialen In stinkte der Massen regen, desto größere Bedeutung wohnt den Getreidcpreisen inne, und jetzt werden sich die Staatsmänner eindringlicher noch als im letzten Jahrzehnt mit der Lebens- mittelpolitik beschäftigen. Gegen das allzu rasche Sinken der Preise wollte inan durch langsam nachwirkende gründliche so ziale Reformen ein Heilmittel finden. Das Steigen der Preise aber, welches die Leidenschaften der Massen erregt, erfordert rasche Maßnahmen und so wird der Winter dieses Jahres alle Parlamente Europas von Debatten über Getreidepreise und Theuerung widerhallen hören. Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertionsvreis 10 Pf. pro dreigespaltene CorpuSzeile. Ueberall aber klagt die Industrie sowie die städtische Be völkerung über Theuerung der Lebensbedürfnisse, während der Landwirth seine in Mitteleuropa gar nicht gesegnete Mittelernte zu verhältnißmäßig günstigen Preisen losschlägt und sich nach dem schweren Preisdruck der Achtziger Jahre erholt. Für Mittel europa ist die ungarische Ernte von wesentlicher Bedeutung, und da dieses Land seine Ernte bereits eingeheimst hat, so vermag man aus den vorliegenden Ziffern bereits zu entnehmen, wie sich die Preisbildung "gestalten wird. Das Jahr 1890 brachte Ungarn einen so reichen Erntesegen wie keines zuvor. — Der Weizenertrag von 41 Millionen Meter-Zentner ist der höchste, der Ungarn je geschenkt ward. Es war ein glücklicher Treffer nach der unglückseligen Fechsung vom Jahre 1889, die nur 25 Millionen Meter-Zentner lieferte. Die diesjährige Ernte hält so ziemlich die Mitte zwischen beiden letztgenannten ein, sie bc trägt rund 32 Millionen Meter-Zentner. Eine gleich mittel mäßige Ernte liefert Roggen, eine günstigere Gerste, wogegen der Hafer so glänzend geartet ist wie selten zuvor. Man hört nun allgemein, daß die ungarischen Landwirthe gar nicht Miene machen, mit ihren neuen Vorräthen hervorzutreten, sie warten vielmehr auf höhere Preise. Genaue Kenner des Getreidemarktes geben ihnen darin Recht, und sie prophezeien infolgedessen für diesen Winter eine noch größere Theuerung als jene, unter welcher die arbeitende Klasse jetzt leidet. Nun mutz man nicht auf die egyptische Geschichte und bis zu den Wunderthaten Josefs im pharaonischen Lande zurück greifen, um die Bedeutung der Getreidepreise für die Volks - wirthschaft und die Politik zu beweisen. Die Revolutionen von 1789 und 1848 erfolgten nach Jahren, welche eine ungewöhnlich schlechte Ernte und somit eine beklagenswerthe Theuerung brachten. Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne Nummern 10 Pf. Auf Folium 9 des für die Erwerbs- und Wirthschaftsgenossenschaften bestimmten hiesigen Gcnossenschaftsregisters ist heute der lan-wirthschaftliche Lsnsumverein zu Limbach bei Wilsdruff, eingetragene Genossenschaft mit beschränkter Haftpflicht mit dem Statute vom 25. Mai 1891 eingetragen worden. Der Sitz der Genossenschaft ist in Limbach bei Wilsdruff. Der Gegenstand des Unternehmens ist 1., gemeinschaftlicher Einkauf von Verbrauchsstoffen und Gegenständen des landwirthschaftlichen Betriebs, 2., gemeinschaftlicher Verkauf landwirtbschaftlicher Erzeugnisse. Die Haftsumme eines jeden Genossen beträgt Einhundert Mark. Die Willenserklärungen und Zeichnungen des Vorstands werden mit für die Genossenschaft verbindlicher Kraft durch zwei seiner Mitglieder bewirkt. Die von der Genossenschaft ausgehenden Bekanntmachungen erfolgen unter der Firma der Genossenschaft, gezeichnet von zwei Vorstandsmitgliedern, ebenso wie die von dem Auf- sichtSratbe ausgehenden unter Benennung desselben, von dem Vorsitzenden unterzeichnet, in dem Wilsdruffer Wochenblatle. Die Mitglieder des Vorstands sind die Herren Gutsbesitzer Lnsm llsvksel, Rittergutsbesitzer Lvvi'g 3nil»'3 und Kantor TekirHeirkei» in Limbach, Gutspächter Kenmsnn Winkle,' in Birkenhain und Gutsbesitzer Königen i» Blankenstein. Die Einsicht der Liste der Genossen ist wäbrend der Dienststundcn des Gerichts Jedem gestattet. König!. Amtsgericht Wilsdruff, den 30. Juli 1891. Vn. OnnAlaU. Tagesgeschichte. Aus Berlin wird gemeldet, datz das Befinden des Kaisers im Allgemeinen ein vorzügliches ist, auch die Knieverletzung ist soweit gebellt, datz der Kaiser nur noch zur Schonung des KnieS einen Verband trägt. Die kaiserliche Jacht „Hohen- zollern" befindet sich gegenwärtig mit dem Kaiser an Bord aus der Fahrt nach Bergen. Nähere Mitthellungen über die Ankunft und den Aufenthalt des Kaisers in Bergen sind bis jetzt aber noch nicht eingetroffen, voraussichtlich erreicht aber die eigentliche Nordlandöfahrt des Kaisers mit dieser Woche ibr Ende. Die in Berlin eingetroffene europäische Kommis sion für die Chicagoer Weltausstellung hat bereits mit ihren Arbeiten begonnen, die darauf abzielen, das Interesse Deutschlands an dieser Ausstellung rege zu gestalten. Die Kommission ist nach Berlin gekommen, nachdem sie in London und Paris bereits in gleichem Sinne und, wie sie überzeugt ist, mit Erfolg gewirkt hat. Die Herren haben schon Bekanntmachung. Nächsten Sonnabend, den K. August e., Nachmittags nm 0 Uhr, sollen auf hiesigem Rathssitzungszimmer Die diesjährigen PjlanmennN tz n u g e n der hiesigen Stadtgemeinde öffentlich meistbietend unter den vorher bekannt gemacht werdenden Bedingungen verpachtet werden. Wilsdruff, am 3. August 1891. Der S t a d t g e m e i n d e r a t h. Brgmstr. Auktion. Asmmenden Dienstag, den ssl» Angnst -. I., Vormittags k<> Uhr, gelangen in hiesiger Stadt 2 Wagen (1 einspänniger und 1 Rollwagen) gegen sofortige Baarzaklung zur Versteigerung. Bicterversammlung im diesigen K. Amtsgericht. Wilsdruff, am 5. August 1891. Matthes, Gerichtsvollzieher des K. Amtsgerichts. Auction. An dem Helbigsdorfer — Al-Horner Lommnnicationsu ege gelangt Montag, den 10. Angnst d. I., Nachmittags 2 Uhr, ein circa 5 — v Scheffel Land enthaltendes, auf dem Halme anstehendes Stück Korn gegen sofortige Baarzahlung zur Versteigerung. Bieterversammlung iin Gasthof zu Helbigsdorf. Wilsdruff, am 5. August 1891. Matthes, Gerichtsvollzieher des K. Amtsgerichts. Bekanntmachung. Die in Gemäßheit von Art. II 8 0 der 'Allerhöchsten Verordnung vom 21. Juni 1887 — Reichsgesetzblatt S. 245 flgd. — nach dem Durchschnitte der böchsten Tagespreise des Hauptniarktortes Meißen im Monate Juni ds. Js. festgesetzte und um fünf vom Hundert erhöhte Vergütung für die von den Gemeinden resp. Ouartierwirthen innerbalb der Amts hauptmannschaft im Monate Juli ds. Js. an Militär-Pferde zur Verabreichung gelangte Marschfourago beträgt 8 Mk. 79„ Pf. für 50 Kilo Hafer, » 3 „ 54,, „ „ 50 „ Heu, 2 „ 32 „ „ 50 „ Stroh. Königliche Amtshauptmannschaft Die Ernte und die Lebensmittelpreife. Offenbar hatte der englische und französische Getreidehandel mit Frankreichs Proletariat wurde durch die herrschende Noth zu Unser Menschenalter leidet an merkwürdigen Gegensätzen 9^ßer^ Umsicht ^diefe Entwickelu^ vorausgesehen,denn Frankreich im Preise der nothwendigsten Nahrungsmittel. Freilich ist in "" "" unseren Tagen, da Eisenbahnen und Dampfschiffe die entlegensten Theile der Erde mit einem 'Netze von Kommunikationsmitteln umspannen, nicht eine jähe Theuerung zu befürchten, welche den Preis des Weizens auf das Doppelte emporschnellt, wofür im nächsten Jahre ein eben so rasches Sinken zu beobachten wäre. Bemerkenswert!) ist in unserer Zeit die jähe Abwechslung von hohen und niederen Preisen. Als Amerika im 7. Jahrzehnt unseres Jahrhunderts seinen jungfräulichen Boden mit Weizen bedeckte und durch eine Art Raubbau der Ackerkrume reichliche Frucht entriß, als die ungeheuren Zusichren die Märkte Europas überschwemmten, sank der Preis des Weizens binnen wenigen Jahren von 20 bis 25 Mk. auf 10 bis 16 Mark. Der ge jammten europäischen Landwirthschaft bemächtigte sich das schwerste Mißbehagen, und gegenüber der Manchester - Theorie, welche das Unglück für unabwendbar hielt und dem Bauer den Anbau von Handelsgewächsen und Hülsenfrüchten rieth, trat die sozialreforma torische Richtung mit einer ganzen Reihe von Vorschlägen zur Heilung der kranken Landwirthschaft hervor. Die Einführung von Heimstätten, die Abänderung des Erbrechtes zu Gunsten der Uebernehmer des Gutes, eine allgemeine Ablösung der Hypo thekarlasten durch den Staat, die Umwandlung aller Hypotheken in unkündbare Renten, kurz eine vollständige Umkehr der agrarischen