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WcheMM sm W-mjs Erscheint wöchentlich dreimal u. zwar Diens tags Donnerstag und Sonnabends. Bezugspreis viertel). s Nlk. 30 j)f., durch die Post bezogen ( Mk. 55 Pf. Einzelne Nummern s0 Pf. Thamdt. Mn, Mtnlthn md die UmMN-t». ImssöluU Inserate werden Nlontag», Mittwoch» Mb Freitags bis spätestens Mittag» (2 Uhr angenommen. Insertionspreis s O pf. pro dreige- spaltens Eorpuszeile. für die Rgl. AmtshaupLmannschast Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrach zu Wilsdruff, sowie für das Rgl. Forstrentamt zu Tharandt. Druck und Verlag von Martin Berger in Firma H A. Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für die Redaktion H. A. Berger daselbst. Ns. 12. Dienstag, den 28. Januar 1896. Der Fall von Paris. (Ein Gedenkblott zum 28. und 29. Januar.) In diesen Tagen jährt sich zum 25. Male der Zeitpunkt eines militärisch, wie politisch gleich bedeutsamen Ereignisses des deutsch-französischen Krieges, welches alle von deutscher Seite bislang davongetragenen Erfolge besiegelte und dem ganzen ge waltigen Völkerringen ein Ende bereitete, die Capitulation von Paris. Seit dem 19. September 1870 war die Riesenstadt an der Seine von der dritten und vierten deutschen Armee unter dem Oberbefehle der Kronprinzen von Preußen und Sachsen vollständig eingeschlossen gewesen, alle Versuche der Belagerten, die dünnen, aber festen Cernirungslinien der Deutschen zu durchbrechen, hatten sich als vergeblich bewusen, aber auch alle Versuche, der belagerten Hauptstadt von außen durch die in der Provinz neugebildeten französischen Heere Hilfe und Entsatz zu bringen, waren gescheitert. Die Anfang Januar begonnene nachdrückliche Beschießung der Forts und schließlich der Stadt selbst durch die deutschen Belagerungsbatterien gestaltete die Lage der Belagerten immer schwieriger, dazu gesellte sich der stetig drückender werdende Mangel an Lebensmitteln für die Bevölkerung und die Besatzung von Paris und in dm unteren Volksschichten nahm außerdem die sozialrevolutionäre Stimmung immer bedenklichere Formen an. So mußte man sich denn in den maßgebenden Pariser Kreisen wohl oder übel zur Einleitung ernstlicher Verhandlungen mit dem Gegner bequemen. Sie wurden am 23. Januar 1871 zwischen Graf Bismarck und Jules Favre zu Versailles eröffnet und führten am 28. Januar zum Abschlusse einer Convention, in welcher ein Waffenstillstand von einstweilen drei Wochen, die Uebergabe der Forts von Paris an die Deutschen und die Erklärung der Garnison von Paris — mit Ausnahme der Nationalgarde — zu Kriegs gefangenen, sowie die Zahlung einer Contribution von 200 Millionen FecS. seitens der Stadt Paris vereinbart wurden. Am 29. Januar 1871 besetzten die Deutschen die Forts, ohne daß sich hierbei besondere Zwischenfälle ereignet hätten. Hiermit war e«n in der Kriegsgeschichte oller Zeiten fast beispiellos dastehendes Unternehmen von den Deutschen zu einem glänzenden Abschlusse gebracht worden. Es bedeutete gewiß ein kühnes Wagniß der deutschen Heeresleitung, die Riefin- sestung Paris und deren zahlreiche Forts mit verhältnißmäßig schwachen Streitkräften in einer GesammtauSdehnung von 80 Kilometer einzuschließen. War doch die Pariser Armee durch schnittlich fast dreimal so stärk, wie das Einschlietzungsheer, und die weit bessere Qualität der deutschen Truppen vermochte die numerische (Überlegenheit der Belagerten kaum genügend aus zugleichen, während letztere wieder den erheblichen Vortheil be saßen, daß sie sich einen beliebigen Punkt der weit ausgedehnten Belagecungslimen zum Ausfall wählen und sich auf ihn mit starken Kräften werfen konnten. Außerdem sah sich das deutscye Belagerungsheer auch in seinem Rücken während der meisten der Belagerung durch die bald von diesem, bald von jenem Theile Frankreichs aus unternommenen Versuche zum Entsätze der Hauptstadt bedroht, daneben hatten die Belagerungstruppen Schwierigkeiten in ihrer Verpflegung und in der Herdeischaffung und Ergänzung des nöthigen Kriegsbedarfs zu überwinden. Trotzdem wurde die Belagerung der gewaltigen Stadt siegreich durchgeführt, wurden alle Durchbruchsunternehmungen der Pariser deutscherseits mit zäher Tapferkeit zurückgewiesen, während die Bemühungen der Provinz, der Hauptstadt zu Hilfe zu kommen, an den umsichtigen Gegenmaßregeln der obersten deutschen Heeresleitung ebenfalls scheiterten, und so brachte denn Ler 28. Januar 1871 den Deutschen mit der endlich erfolgten Capitulation der feindlichen Metropole nur den wohlverdienten Lohn für die Anstrengungen, Strapatzen, Kämpfe und Opfer der viermonaligen Belagerung. Die Kunde vom endlichen Falle der stolzen Haupt stadt des Feindes aber wurde damals in ganz Deutschland mit brausender Begeisterung und in der Gewißheit ausgenommen, daß das große Ereigniß die Beendigung des gesammten Feld zuges bedeute. Und solche Zuversicht trog nicht, dem vorläufigen Waffenstillstände von Versailles folgte am 26. Februar 1871 der Präliminarfriede zwischen Deutschland und Frankreich zu Versailles, dessen Hauptabmachungen — Abtretung des Elsaß und eines Theiles von Lothringen, sowie Zahlung einer Kriegs entschädigung von 5 Milliarden Francs an Deutschland — bann durch den Frankfurter Fciedensvertrag vom 10. Mai 1871 definitiv bestätigt werden sollten. — Tagesgeschichte. Anläßlich der Feier des Geburtsfestes des Kaisers war diesmal eine größere Anzahl hochfürstlicher Gäste von auswärts am Berliner Hofe versammelt, wie der König und die Königin von Württemberg, der König Albert nebst den Prinzen Friedrich August und Johann Georg von Sachsen, der Groß herzog und die Großherzogin von Baden, der Prinz-Regent von Schaumburg-Lippe und Gemahlin, Prinz und Prinzessin Friedrich Karl von Hessen, der Fürst von Hohenzollern usw. Berlin, 23. Januar. Der Reichstag war am Don nerstag der Schauplatz einer wenig erquicklichen Scene, die nicht gerade dazu angethan ist, sein Ansehen im Volke zu erhöhen. Ausdrücke wie „imfamer Lügner" und „Grobheit nnd Unver schämtheit" flogen herüber und hinüber, so daß man sich in eine Umgebung versetzt glauben konnte, die mit den Räumen des Reichstages nichts zu thun haben sollte. Wenn der Ab geordnete von Kardoff durch allgemeine Wendungen des Abge ordneten Dr. Barth von bezahlten Agenten der amerikanischen Bimetallisten in Erregung gebracht wurde und sich zu der Aeußerung „imfamer Lügner" Hinreißen ließ, so ist dies eben sowenig zu billigen, wie so vieldeutige Aeußerungen von „be zahlten Agenten", welche, wenn sie auch nicht auf die an wesenden Anhänger des Bimetallismus abzielen sollten, dennoch noch außen hin diesen Eindruck Hervorrufen konnten, sobald sie unwidersprochen blieben. Entschieden zu mißbilligen aber ist es, daß der Präsident nicht sogleich Verwahrung einlegte gegen den von beiden Seiten angeschlagenen Ton. Die politisch oft so zugespitzten Debatten parlamemarischer Körperschaften sollten stets im Rahmen des in der guten Gesellschaft üblichen Ver kehrstones gehalten werden, wenn sie nicht anders immer mehr von dem vornehmen Niveau, auf dem sie sich bewegen müssen, herabiinken sollen. Im allgemeinen ist ja anzusrkennen, daß mit wenigen Ausnahmen alle Mitglieder des deutschen Reichs tages sich bestreben, in dieser Beziehung möglich wenig von der oorgeschriebenen Linie abzuweichen, um so mehr aber muß der Verstand des Reichstages darüber wachen, daß nicht allmählich Zustände sich einbürgern, die es schließlich feinfühligen Männern höchst unerwünscht erscheinen lassen müßten, dieser Körperschaft anzugehören. Gerechte, aber straffe DiSciplin ist hier das einzige Mittel, einer solchen Entwickelung der Dinge bei Zeiten einen kräftigen Riegel vorzuschieben. Zur Handhabung einer straffen Disciplin wäre allerdings ein anderes Präsidium nothwendig, als es jetzt den Reichstag ziert! Im Reichstage beschäftigte man sich am Mittwoch mit dem Bauschwindel, gegen den man schließlich auch fast ein stimmig die tapfere Maßregel ergriff, die Regierung zu bitten, einen Gesetzentwurf gegen die Schädigung der Bauhandwerker einzubringen. Zu eigenen Vorschlägen und eigenen Berathungen wollte man sich nicht verstehen, trotzdem so ziemlich alle Parteien darüber einig waren, daß die Bauhandwerker und -Arbeiter mit ihren Forderungen und Lieferungen an Neu- und Umbau gegen den Schwindel der Bauunternehmer sicher gestellt werden müssen. Nur der Freisinn, der ja gegen jeden Schwindel kühle Gelassen heit zu bewahren weiß, sang durch den Mund des Abgeordneten Pachnicke das hohe, alte, leider wenig seligmachende Lied von der Selbsthülfe. Kredit dürfe eben nur Kreditwürdigen gegeben werden, war seiner Weisheit höchster Schluß. Die Regierung zeigte sich außerordentlich wohlwollend; sie war nur zweifelhaft, ob von Reichs- oder von den Einzelregierungen aus vorgegangen werden müsse. Schließlich wurde nach längerer Debatte vor schlechtbesetztem Hause auf den gewichtigen Rath des Centrums hin von den beiden Anträgen der Nationalliberalen und der Reformpartei nur der erste Theil des nationalliberalen Antrags angenommen, der dahin ging, die verbündeten Regierungen um die Vorlage eines Gesetzentwurfes zu ersuchen. In der Budgetkommission des Reichstages gabder preußische Kriegsminister auf verschiedene Anfragen die Erklärung ab, daß den Abiturienten der Lehrerseminarien die volle Berechtig ung zum Einjährig-Freiwilligen-Dienst eingeräumt werden solle. Der Bundesrath hat in seiner letzten Wochenplenarsitzung den Reichstagsveschluß vom 16. Februar 1895, betr. die Ein berufung einer internationalen Münzkonferenz durch Deutschland zur Regelung der Währungsfrage, ab gelehnt. Das preußische Abgeordnetenhaus erörterte am Freitag in längerer Debatte' die Verodnung, betr. die Förderung des Bebauungsplanes des im vergangenen Sommer durch eine große Feuersbrunst zerstörten thüringer Flecken Brotterode und verwies die Vorlage dann an eine Kommision, hierauf vertagte sich das Haus bis Dienstag. Das erste genossenschaftliche Getreidelagerhaus in Bayern ist in Slammbach (Oberfranken) eröffnet und mit den nöthigen Maschinen zum Putzen, Sortiren, Wägen usw. ausgerüstet worden. Nach dem ersten Bericht über das Lager- bauö machten die Bauern reichlichen Gebrauch von der Einrichtung. Sie erzielten z. B. beim Hafer, der in der Gegend vorwiegend ge baut wird, ein Mehr von 30—50 Pf. für den Centner im direkten Verkauf durch das Lagerhaus. Zur gegenwärtigen Stimmung in England gegenüber Deutschland depeschirt man der „Vosstschen Zeitung" aus London: „Die „Times" veröffentlicht heute die Zuschrift eines gewissen Macrae, die gegen die allabendliche grobe Beschimpfung Sr. Majestät des Kaisers und des deutschen Volkes in den Londoner Mustkhallen protestirt. Auch in den Straßen und in öffentlichen Lokalen werden Deutsche, wenn sie sich durch Deutschsprechen als solche zu erkennen geben, gröblich beleidigt, mitunter von Personen der besseren Stände. In der Angelegenheit der Auslieferung des Freiherrn von Hammerstein seitens Italiens an Deutschland ist eine ent scheidende Wendung eingetreten. Der Gerichtshof in Trani er ließ ein Urtheil, wonach die Auslieferung Hammersteins an Deutschland zu erfolgen hat; die Echlußformalitäten in der Sache dürften nunmehr bald erledigt sein. Die Pforte hat in Kleinasien noch immer mit Schwierig keiten zu kämpfen. Die Kurden zeigen sich gegen das türkische Regime fortgesetzt sehr aufsässig, es ist in letzter Zeit wiederholt zu Zusammenstößen zwischen den türkischen Truppen und den rebellischen Kurdenstämmen gekommen, infolgedessen auch die angeordnete Herabsetzung der Stärkeziffer der mobilen Redif- bataillone des 4. Armeekorps unterbleiben mußte. Gegenwärtig werden die türkischen Operationen gegen die Kurden durch die Witterung sehr erschwert, es verlautet bereits, daß die Wieder herstellung der Ruhe in Kurdistan erst im Frühjahr und auch dann nur unter Heranziehung größerer Streitkräfte möglich sein werde. Aus Zeitun liegen zur Zeit keine Nachrichten vor. Das von englischen Blättern gebrachte Gerücht von einem an geblichen Bündnisse zwischen der Türkei und Rußland wird von anderen Seiten entschieden bezweifelt. Vaterländisches. Wilsdruff. Noch sind die Jubelklänge kaum verhallt, die zur Gedenkfeier der Errichtung des neuen Deutschen Kaiser reichs ertönten soweit die deutsche Zunge klingt, und schon wieder vereinten wir uns zur Begehung eines nationalen Fest tages. Galt der 18. Januar dem ganzen deutschen Vater lande, dem Kaiser, den Bundesfürsten und dem Volke zu« samwengenommen, so war der 17. Januar dem Kaiser allein gewidmet. Doch verstehen wir richtig. Die festliche Begehung des Geburtstages des jeweilig regierenden Monarchen — sei es der Kaiser oder der Landesherr — darf sich niemals auf ausschließlich persönliche Ovationen beschränken. Diese Feier muß begangen werden auch ganz unabhängig von der Würdigung der persönlichen Thaten und Vorzüge des zur Zeit lebenden und wirkenden Trägers der Krone. Sie muß mehr sein, als eine Dankeskundgebung für die Verdienste des Monarchen. Eine andere Auffassung wäre nicht monarchisch, sondern demo kratisch. Einen Staatsmann mag man feiern je nach seinen Verdiensten. Die einem verdienstvollen Bürger dargebrachten Ovationen mögen als Belohnung für die patriotischen Thaten desselben und für die Förderung des Gemeinwohls gelten, weicht diesem Manne nach Ansicht seiner Mitbürger zuzu schreiben ist. Die Feier des Geburtstages des Herrschers in einem monarchischen Reiche oder Staate darf nicht ausschließlich diesen Charakter tragen. Sie muß vor allem die Hochhaltung des monarchischen Gedankens, der unlöslichen Verbindung zwischen Volk und Dynastie gelten. So wird bei uns in Sachsen, wie in Preußen die Feier des Geburtstages des Landes herrn aufgefaßt, und von der gleichen Auffassung müssen wir auch ausgehen, wenn wir den Geburtstag des Kaisers feiern. Aber schön ist es doch und herzerquickend für jeden Patrioten, wenn sich der Feier des im Reiche, wie im engeren Vaterlande geltenden monarchischen Prinzips an diesem Tage ein stark hervortretendes persönliches Moment beimischen darf, wenn die Hoch- und Jubclrufe, die den Gefeierten umbrausen, nicht nur dem Träger der Krone, sondern auch dem Menschen gelten. Und daß dem heute so ist, das wird unser kaiserlicher Herr frohen Herzens vollauf empfinden. Nicht nur wir Deutsche wissen es, die Welt weiß es, daß unser in der Vollkraft des jugendlichen Mannesalters stehender Kaiser einer der genialsten Menschen ist, die je auf dem Throne gesessen. Dieses Zeugniß ist ihm von keinem geringeren, als unserem allverehrten König Albert ausgestellt worden. Aber wir wissen noch mehr, wir wissen auch, daß er ein echt deutsches warm pulsirendeS Herz besitzt, daß er von strengstem Pflichtbewußtsein erfüllt ist und daß seinem starken Wollen auch die Thaten niemals fehlen werden, die Ehre und Wohlfahrt des Reiches erheischen. Machte sich in den ersten Regierungsjahren des in verhältnißmäßig frühen Alter auf den Thron berufenen Herrschers eine gewisse Unruhe und Sprunghaftigkeit in der Entwickelung der inneren und äußeren politischen Verhältnisse des Reiches wahrnehmbar, so hat Kaiser Wilhelm II. doch gar bald den rechten Kurs ge funden, in dem er nun mit fester Entschlossenheit das Reichs-