Volltext Seite (XML)
Wochenblatt ßr Mckuff Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post / bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne j Nummem 10 Pf. ThmM. Mn, Siebenlehn mb die UMMdea. Imtsblstt Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertionspreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. für die Agl. Amtshauxtmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Kgl. Lorstrentamt zu Tharandt. No. 4z. Freitag, de« 29. Mai 1891. Konkursve rWa h r e n. Ueber das Vermögen der Händlerin Caroline Friederike geschied. Bormann geb. Henke in Burkhardtswalde wird heute am 27. Mai 1891 Vormittags '^9 Uhr das Konkursverfahren eröffnet. Der Kaufmann fpaul Schmidt in Wilsdruff wird zum Konkursverwalter ernannt. Konkursforderungen sind bis zum 27. Juni 1891 bei dem Gerichte anzumelden. Es wird zur Beschlußfassung über die Wahl eines anderen Verwalters, sowie über die Bestellung eines Gläubigerausschusses und eintretenden Falles über die in § 120 der Konkursordnung bezeichneten Gegenstände — und zur Prüfung der angemeldeten Forderungen auf den 6. Juli 1891, Vormittags 9 Uhr vor dem unterzeichneten Gerichte, Termin anberaumt. Allen Personen, welche eine zur Konkursmasse gehörige Sache in Besitz haben oder zur Konkursmasse etwas schuldig sind, wird aufgegeben, nichts an den Gemeinschuldner zu ver abfolgen oder zu leisten, auch die Verpflichtung auferlegt, von dem Besitze der Sache und von den Fordemngen, für welche sie aus der Sache abgesonderte Befriedigung in Anspruch nehmen, dem Konkursverwalter bis zum 20. Juni 1891 Anzeige zu machen. Königliches Amtsgericht zu Wilsdruff. Tagesgeschichte. Die Entwickelung der deutschen Industrie wird am deutlichsten nachgewiesen aus den Ziffern der internationalen Exportstattsttk. Während die Reihenfolge der am Weltmarkt betheiligten Nationen im Jahre 1850 England den ersten, Frankreich den zweiten, den Vereinigten Staaten von Nord amerika den dritten und Deutschland den vierten Platz anwies, hatte Deutschland im Jahre 1880 den dritten, 1890 aber den zweiten Platz erreicht. England besitzt nach wie vor die Führung m internationalen Wettbewerb, Frankreich ist ins Hintertreffen gedrängt und Deutschland sitzt der führenden Natton hart auf den Fersen. Dabei ist zu beachten, daß der deutschen Industrie aus den Arbeiterschutz- und Versorgungsgesetzen Bürden er wachsen, mit denen die Konkurrenzländer auch nicht einmal an nähernd belastet sind. Um so wichtiger erscheint es, den Pro duktionsbedingungen des heimathlichen Gewerbes jedweden mit dem Gesammtinteresse nur irgend verträglichen Vorschub zu leisten, damit in dem Tempo ihrer Entwickelung im Vergleich zu den konkurrirenden Nationen des Weltmarktes keine Verlangsamung oder gar ein Stillstand eintrete. Nachdem die „Führer" der rheinischen Bergleute die leichtgläubigen Arbeiter in den Streik gehetzt, nachdem dieser Streik, wie auch die Agitatoren von vornherein in zynischer Weise öffentlich dies voraussagten, in wenigen Tagen verloren worden ist, kommt das bekannte Nachspiel, die Sammelbüchse geht um! Das ist der von den Agitatoren hauptsächlich ersehnte Effekt der ganzen Bewegung. Nun mögen die deutschen Ar beiter brav beisteuern, damit auch für die „rührigen Führer" etwas abfällt; dann giebt es doch wenigstens — wie immer in solchen Fällen — eine geringe Minderheit, die bei dem ver lorenen Streik etwas gewonnen hat: die rede-und hetzgewandten Delegirtcn! Daß die, wie wir zu ihrer Ehre annehmen wollen, zum größten Theil verführten Bergleute, welche nun, wie es in dem Unterstützungsaufruf heißt, aufs Pflaster geworfen sind, auch nur annähernd reichliche Unterstützung seitens der Kameraden erhalten werden, ist völlig ausgeschlossen. Mag aber so viel oder so wenig zusammenkommen, wie immer wolle, für die „Führer" wirds schon reichen! Der Aufmf selbst strotzt übrigens wieder von Hetzphrasen; wir verzeichnen davon folgende: „Durch die maßlosen Bedrückungen der Schlotjunker ... ist ein Theil unserer Kameraden dazu übergegangen, in den Streik zu treten " „Obwohl die gesammte (?) Arbeiterpresse vor einem Streik warnte (aber in welcher Form!) . . -" „Die Machthaber nehmen die Gelegenheit wahr . . . ." „Ueber 2000 unserer Kameraden sind bereits aufs Pflaster geworfen .... stehen hülflos und verlassen da, die Opfer des Streiks und der Mißwirthschaft der Kohlenbarone ..." Werden sich die Berg leute weiter durch solche Phrasen bethören lassen? Werden sie den Delegirten, die sie doch wiederholt hintergangen haben, noch weiter glauben und vertrauen? Ob die „Opfer des Streiks," d. h. die Opfer des Leichtsinns und der Gewissenlosigkeit der Agitatoren nun sich auf den Erfolg dieses Bettelaufrufs ver lassen werden, wissen wir nicht; wir zweifeln sogar daran, daß dies im allgemeinen der Fall ist. Jedenfalls thäten diese Leute, wofern sie thatsächlich nur zu den Verführten gehören, besser, sie zeigten sich reuig und sagten sich ein- für allemal von den Verführern los. Das wäre das beste Mittel, sich die Gunst, oder besser gesagt, das Vertrauen der Arbeitgeber wiederzuerlangen. Denn das müßten die Strecker aus ihrer neuen Niederlage doch gelernt haben, daß Niemand ihre Sachen schlechter zu führen vermag, als die sogenannten Delegirten, und daß vertrauens volles Anklopfen ein Entgegenkommen des Arbeitgebers weit eher zur Folge hat und bessere Wirkung verspricht, als unver schämtes und rechtswidriges Einschlagen der Thür, das wohl beim ersten Mal überraschend wirken kann, gegen das man sich aber für den Wiederholungsfall genügend und sicher zu schützen vermag. Nächsten Sonntag findet in Berlin ein allgemeiner national-liberaler Parteitag statt. Ueber die Tages ordnung desselben ist noch nichts Näheres bekannt geworden, jedenfalls wird es aber auf dem Parteitag zu einer gründlichen Aussprache über die politischen Aufgaben der nationalliberalen Partei angesichts des „neuen Kurses", sowie über die nothwendige Reorganisation der Partei kommen. Man sieht namentlich einer zahlreichen Beschickung des Parteikongresses seitens der süd- und westdeutschen Nationalliberalen entgegen. Ein Berichterstatter erzählt folgenden Vorfall, der sich kürz lich in einer Berliner Gemeindeschule ereignete. Während der Unterrichtsstunde war ein 8 jähriger Knabe so fest eingeschlasen, daß der Lehrer ihn energisch emporrütteln mußte. Aufgeschreckt bat der Kleine, ihn nicht zu bestrafen, er könne nicht dafür; um 12 Uhr Abends käme er erst zu Bett und um halb 5 Uhr müßte er schon wieder aufstehen. Die Aussagen des Kindes erwiesen sich als richtig. Bis Mitternacht mußte es auf den Straßen Streichhölzer fett halten, und vor 5 Uhr Morgens schon wieder bei einem Bäckermeister zum Austragen der Frühstücksbeutel antteten, deren es 150 zu besorgen hatte. Hannover, 25. Mai. Zwei Opser des Eisenbahnzu sammenstoßes in Kirchlengern wurden heute hier beerdigt: Die Gattin des Circusdirektors Carrs und der Eisenbahnkontroleur Dierking, der den Carrsschen Sonderzug benutzt hatte, um etwas früher nach Hannover zu kommen. An beiden Beerdig ungen nahm eine unabsehbare Menschenmenge Theil. Die Eiscnbahndirektion und das Betriebsamt waren durch die obersten Beamten vertreten. Zur Bestattung der Frau Carrs waren erschienen: Der Obmann der internationalen Arttstengenossen- schaft, Julis Erbeck, die Direktoren A. Henke, Kremser, Mellini und Basch. Tiefe Bewegung bemächtigte sich der zahlreichen Theilnehmer, als Carrs, dessen Kops mit einer Bandage um hüllt war, erschien und fassungslos, laut weinend am Sarge niederkniete. Der Gesang des Kirchenchores vermochte das Wehklagen der Leidtragenden nicht zu übertönen. Carrs mußte gestützt werden, als die Leiche aus der Todtenhalle des Fried hofes herausgetragen wurde, und trotzdem nahm er, alle Ab mahnungen zurückweisend, sein jüngstes, zweijähriges Kind auf den Arm, damit dieses mit ihm den Gang zur Gruft der Mutter mitmache. Der Unterstützungsverein deutscher Buchdrucker, der z. Z. 17,000 Mitglieder zählt, beging am 20. Mai den 25. Gedenk tag seiner 1866 vollzogenen Gründung. Der erste Vereinigungs versuch der deutschen Buchdrucker, der Gutenbergbund, wurde bereits durch die dem 1848er Völkerfrühling folgende Reaktion wieder geknickt. Ein in Leipzig erst 1863 wieder angenommener Antrag auf Einberufung eines Buchdruckerkongresses kam 1866 zur Ausführung, wo vom 20. bis 22. Mai die Delegirten der deutschen Buchdrucker zur Gründung eines Verbandes zusammen traten. Es waren bei diesem ersten Deutschen Buchdruckertag 85 Städte mit 3187 Buchdruckern vertreten. Der Verband erhielt den Namen: „Deutscher Buchdruckerverband." An Ar beitslosen-, Reise-, Invaliden- und Krankenunterstützungen ver ausgabten die Centralkassen des Verbandes und Unterstützungs vereins von 1867 bis 1890 die achtungsgebietende Summe von 5,611,069 Mk. Das Vermögen bezifferte sich Ende 1890 auf 1,777,079 Mk. Der Unterstützungsverein deutscher Buch drucker konstituierte sich am 21. November 1878. Die „Neue Freie Presse" widmet der Mißhandlung eines Deutschen einen Leitartikel, in dem es u. A. heißt: Der erste Faustschlag ist bereits in der Prager Landesausstellung einem Deutschen versetzt worden. Ein Berliner, welcher friedlich und ohne eine Spur der Herausforderung die Proben der tschechi schen Industrie betrachtete, wurde umringt, mit der größten Rohheit beschimpft und am Auge verletzt. Mit Mühe entzog er sich weiteren Mißhandlungen, und wenn die Polizei nicht eingeschritten wäre, so hätte die Scene ein noch viel schlimmeres Ende finden können. Das Verbrechen dieses Märtyrers einer seltsamen Gast freundschaft bestand darin, daß er das tschechische Ohr durch eine Unterhaltung in deutscher Sprache beleidigt hatte. Er ent' schuldigteWchIjmit seiner Unkenntniß des tschechischen Idioms/ und man antwortete ihm mit dem Rufe: „Wir brauchen keine Berliner auf der tschechischen Ausstellung! Wer nicht Tschechisch kann, soll zu Hause bleiben!" Als er eine neue Einwendung versuchte, wurde ein Hieb gegen sein Gesicht geführt, daß er zurücktaumelte. Dieser Vorgang muß im ganzen tschechischen Volke das Gefühl der tiefsten Beschämung Hervorrufen, denn er ist in der Geschichte der Ausstellungen bisher noch niemals ver zeichnet worden. Die Franzosen hassen die deutsche Natton, aber kein Haar ist den vielen Tausend deutschen Bürgem ge krümmt worden, welche vor zwei Jahren nach Paris kamen, um auf dem Marsfelde Genuß und Belehrung zu holen. Wie oft hörte man auf den Boulevards, in den Omnibussen, im dichtesten Gedränge vor den Eintrittskassen der Exposition Deutsch sprechen, aber keinem Franzosen ist es in den Sinn gekommen, auch nur ein kränkendes Wort auf die Lippen zu bringen. Der Gottesfriede der Ausstellungen ist noch niemals gebrochen worden, stets haben diese Feste eine nationale Entwaffung bedeutet, und überall hat der Fremde ohne Rücksicht auf seine Herkunft der liebenswürdigsten Aufnahme gewiß sein können. Mir in Prag herrschen andere Sitten, dort wird ein Deutscher hinausgewiesen und thätlich insultirt, dort kennt man die Pflichten der chevaleresken Höflichkeit nicht, welche in allen Ländern und Städten der Welt gelten; dort werden die Manieren von Kuchelbad in die Aus stellung verpflanzt. Wer nicht Tschechisch kann, soll zu Hause bleiben! Dieser Nath wird von Millionen befolgt werden, er wird auf die tschechische Ausstellung wie ein Grenzcordon wirken, der sie isolirt und der Beachtung unwerth macht. Die Deutschen werden gegen diese Sprachenverordnung nicht den geringsten Widerspruch erheben und wirklich zu Hause bleiben. Schreckliche Szenen spielten sich auf dem Personenbahnhöfe in Spandau ab. Eine Anzahl Auswanderer, Arbeiterfamilien aus Russisch-Polen, im Ganzen 150 Köpfe, war am Sonnabend in Bremen angekommen, um, wie ihnen vorgespiegelt worden war, nach Brasilien unentgeltlich befördert zu werden. Wie schon mehrfach geschehen, ließ sich der brasilianische Vertreter nicht darauf ein, das Fahrgeld für die Seereise zu ersetzen und da die Auswanderer so viel Geld nicht besaßen, so mußten sie zurück bleiben. Von ihrem Gelde wurden nun für alle Personen Billets zum Rücktransport nach Thorn gelöst, und die armen Aus wanderer mußten darauf wieder die Bahn besteigen. In Bremen scheinen sie noch über ihr Schicksal im Ungewissen geblieben zu sein. Sie wähnten, daß sie auf jeden Fall nach Brasilien kämen. Unterwegs kani ihnen aber allmählich das richtige Verständniß ihrer Lage, und Verzweiflung ergriff sie, als sie merkten, daß sie wieder m ihre Heimath zurück sollten. In Spandau mußten sie den Zug verlassen, um von dort mit einem späteren Zuge über Charlottenburg weiter befördert zu werden. Während des Wartens von 2—5 Uhr Nachmittags trugen sich auf dem Bahn hofe herzzerreißende Vorgänge zu. Weiber und Kinder, darunter viele im zartesten Alter, brachen in lautes Jammergeschrei aus. Mit Gewalt versuchten die Männer, mit ihren Familien wieder den Zug zu besteigen. Das Bahnpersonal und die Polizeiwache vermochten die verzweifelten Menschen nicht zur Ordnung zu bringen. Telephonisch wurde der Polizeichef, sowie die halbe Polizeimacht Spandaus herbeigerufen. Zwei der polnischen Sprache mächtige Beamte redeten unaufhörlich auf die Aus wanderer ein; letztere verlangten aber unausgesetzt nach Brasilien befördert zu werden. Die Lage wurde mittlerweile überaus kritisch. Man befürchtete die schlimmsten Exzesse von den ver zweifelten Auswanderem, welche sich neben dem Bahnkörper ge lagert hatten. Der Polizeichef ließ zur Unterstützung seiner Be amten eine Abthellung des 4. Garde-Regiments, 23 Mann, requiriren, welche die Auswanderer umringten. Unter Anwendung von Gewalt gelang es, die Auswanderer m den für sie bestimmten Zug einzuschiffen. In der französischen Hauptstadt ist unter großem