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Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. — Abonnementspreis vierteljäbrlich 1 Mk., durch die Post ' bezogen 1 Mk. 25 Pf. - - Einzelne ! Nummern 10 Pf. Tharandt, Mn, Mentehn nnd dir Umgkgtndkn. Imlsblull Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. § Insertionsvreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. . für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Ag!. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Lorstrentamt zu Tharandt. No. 71. Freitag, ven 4. September 18S1. Bekanntmachung, die Einschätzung der Ernteergebnisse im Jahre 1891 betreffend. Nachdem die auf die sofortige Einschätzung der Ernteergebnisse im Jahre 1891 sich beziehenden Postkarten nebst angefügtem Formulare in den letzten Tagen sämmtlichen Ortsbe- hördm des hiesigen Verwaltungsbezirkes zugestellt worden sind, macht sich der daraus weiter ersichtlichen Anordnung zufolge in Betreff des bei der Ausfüllung der obgedachten Formulare zu beobachtenden Verfahrens eine mündliche Besprechung der Betbeiligten mit den hinzuzuziehenden Landwirthen nöthig. Zu diesem Zwecke werden sämmtliche Herren Gntsvorsteher bez. deren Herren Stellvertreter und Gemeindevorstände des Amtsgericktsbezirks Wilsdruff, sowie der Herr Bürger meister Ficker daselbst veranlaßt, Donnerstag, den 10. September 1891, Nachmittags 4 Uhr, im Saale des Gasthauses zum Adler in Wilsdruff zu erscheinen und hierauf des Weiteren gewärtig zu sein. Insbesondere wird bierbei die Frist für die Einreichung der auszufüllenden Formulare bei der Königlichen Amtshauptmannschaft bekannt gegeben werden. Meißen, am 31. August 1891. Königliche Amtshauptmannschast. V. Tagesgeschichte. Wiederum sind Kaiser Wilhelm und Kaiser Franz Josef für einige Tage vereinigt, um hierdurch der Welt erneut die Fortdauer ihrer gegenseitigen persönlichen Freundschaft wie des so innigen Verhältnisses zwischen ihren Völkern und Reichen zum Ausdruck zu bringen.. Diesmal spielt sich das Zusam mensein der beiden erlauchten Monarchen, bei welchem be kanntlich noch ein drittes gekröntes Haupt, König Albert von Sachsen, zugegen ist auf österreichischem Boden ab, während dasselbe im vorigen Jahre auf deutscher Erde, gelegentlich der Manöver in Schlesien, stattfand. Wie damals der österreichi sche Herrscher der Manövergast Kaiser Wilhelms auf Schloß Rohnstock war, so ist diesmal der deutsche Kaiser der Manö vergast des österreichischen Monarchen in Schwarzenau, woselbst Kaiser Wilhelm gleich den übrigen zu den österreichischen Ma- növern daselbst anwesenden Fürstlichkeiten bis zum 7. Sep tember zu weilen gedenkt. Schon in Rohnstock waren die beiden Kaiser von ihren ersten politischen Rathgebern, dem Reichs kanzler v. Caprivi deutscherseits und dem Minister Grafen Kal- uokv österreichischcrseits, begleitet, uud auch in Schwarzenau be finden sich die genannten Staatsmänner wiederum im Gefolge ihrer Souveräne. Dieser Umstand verleiht den Manövertagen von Schwarzenau unverkennbar eine politische Umrahmung und vielleicht werden sich die Ergebnisse der Kaiser- und der Mi nisterzusammenkunft von Schwarzenau in dieser oder jenen Wendung der internationalen Politik demnächst widerspiegeln. Die Londoner Morgenpost bespricht die Begegnung zwischen den Herrschern Deutschlands und Oesterreichs nnd meint, dieses Ereigniß müsse daran erinnern, daß nach allem, was ge sagt und gethan worden ist, der Dreibund den Kardinalpunkt in der europäischen Lage bilde, und daß er probehaltig sei gegen jeden Druck, den feindselige oder znm Wenigsten nicht freundliche Einflüsse auf ihn ausüben könnten. Während diese baltbare Friedensbürgschaft noch fest sei nnd bleibe, könnten der deutsche und der österreichische Kaiser die Sachlage mit Ruhe und nicht ohne Zuversicht prüfen. Dieses Gefühl dürften alle ibre natürlichen Bundesgenossen theileu. Daß mehr als ein ernstes Thema ihre sorgfältige Erwägung verdiene, lasse sich nicht bestreiten. Der Bund sei jedoch stark genug, mit den Entwickelungen der europäischen Politik zn rechnen, wie sic entstehen, und deren Tendenzen wffeu anznerkennen, ohne damit eine Panik zu erzeugen. Die russische Verbrüderung mit Frankreich trage eher den Charakter eines Vertbeidigungs- als eines Angriffsspieles: es sei jedoch zn fürchten, daß die inneren Zustände Rußlands die Gefahr des Ausbruchs eines Krieges in sich bergen. Berlin. Der veröffentlichte Entwurf des neuen Trunk suchtsgesetzes beabsichtigt offenbar eine wesentliche Verminderung der Schankstätten, eine Ausdehnung des Bedürfnißnachweises und eine Unterstellung der Betriebe unter eine verschärfte Polizei aufsicht. In letzterer Hinsicht ist bemerkenswerth, daß den Ortspolizeibchörden die Befugniß gegeben wird, für einzelne Wirtbschaften „nähere Bestimmungen über die bereit zu halten den Getränke nnd Speisen zu treffen", während den Landes regierungen freistehen soll, besondere Vorschriften über die Zu lassung weiblicher Bedienung zu treffen. Betrunkenen dürfen keine weiteren Getränke verabreicht werden; sie dürfen aber aus der Wirtbschaft nur verwiesen werden, wenn der Wirtb sie nach Hause oder mr Polizei schaffen läßt. Geistige Getränke dürfen nun Genuß auf der Stelle nicht auf Borg gegeben werden; etwaige Forderungen aus der gesetzwidrigen Verabfolgung sind unklagbar. Gewohnheitstrinker können entmündigt werden; selbst- verscbuldete ärgernißerregende Trunkenheit an öffentlichen Orten ist strafbar. Die Aufnahme von bestraften Trinkern in be sondere Asvle ist vorgesehen. Der Gesetzentwurf berührt viele Interessen uud Gewohnheiten einschneidend uud wird einer aus- iübrlicben Prüfung bedürfen. — Die frühzeitige Veröffentlichung des Entwurfes des Trunksuchtsgesetzes findet bei der gesammten Presse großen Beifall. Die Regierung wird aufgefordert, in zukünftigen Fällen ein gleiches Verfahren einzuschlagen. Der Entwurf wird von der „Freisinnigen Presse" als wenig Wirkung erzielend abgelehnt, findet aber auch in konservativen Blättern, wie z. B. in der „Voss. Zeit." eine besonders warme Zu stimmung. Die nationalliberale Partei vollendet im kommenden Winter das erste Vierteljahrhundert ihrer Geschichte. Am 27. September 1866 hatten 24 Mitglieder vom linken Centrum und von der Fortschrittspartei (Hammacher, Lasker, Lent, Pieschel, Michaelis, Röpell, Twesten, u. Gen.) eine „Erklärung verein bart, welche am 12. Nobember im preußischen Abgeordneten hause zur Begründung der „neuen Fraktion der nationalen Partei" führte. Bei den Wahlen zum Norddeutschen Reichs tage vom 12. Februar 1867 errang die neue Fraktion 79 Mandate. Mit der Eröffnung des Norddeutschen Reichstages am 28. Februar 1868 konstituirte sie sich als Reichstagsfrak tion und nahm den in Hannover bereits gewählten Namen: „Nationalliberale Partei" an. Eine festliche Begehung des 25- jährigen Gedächtnißtages wird seitens der Centralleitung für das Frühjahr 1892 vorbereitet. Auf die Heuchelei von den sozialdemokratischen Agitatoren, welche ausziehen, um das platte Land unsicher zu machen und die Landleute für die Sozialrevolution zu werben, ist bereits vielfach unter Beibringung von Beispielen hingewiesen. Dennoch dürfte es nicht als ein überflüssiges Beginnen angesehen werden, wenn aus der Umsturzliteratur immer wieder neue Anweisungen, wie die „Genossen" bei dem Zuge auf die Dörfer vorgehen sollen, an das Tageslicht ge zogen werden. Die „Pomm. Reichspost" machte in diesem Sinne kürzlich auf einen Artikel der in Zürich herausgegebenen sozialdemokratischen „Jabrbüchcr für Sozialwissenschaft und Sozialpolitik" aufmerksam. Der betreffende Aufsatz ist betitelt: „Die Agitation unter den Bauern". Zunächst wird der Bauer als ein roher, gefühlloser und selbstsüchtiger Mensch hingestellt. „Bei keinem Stande der Welt, so heißt es wörtlich, ist die Selbstsucht so entwickelt, wie bei dem Bauernstände. Eine über das thierische hinausgehende Liebe der Eltern zu den Kindern, welche sich auf mehr erstrecken würde, als ihre Auf ziehung und Pflege in den Jahren der Nnbehülflichkeih kommt beim Bauer selten vor. Sein Besitzthum geht ihm über alles, es ist ihm theurer als Weib und Kind. Muß sein Sobn Soldat werden, so ärgert es ihn hauptsächlich deswegen, weil er an seiner Stelle jetzt einen bezahlten Knecht halten muß." Diese „grenzenlose Selbstzucht" werde den Bauern verhindern, Sozialdemokrat zu werden. Deshalb müsse dem Bauer klar gemackt werden, daß die sozialdemokratische Partei seine ma teriellen Interessen besser zu fördern im Stande sei, als die anderen Parteien, damit so der Bauer „wenigstens den stillen Beobachter spielt, der uns nicht entgegentritt." Die Wucher frage soll benutzt werden, um den Bauer nach und nach auf sozialistischen Boden zu bringen. „Aufgabe eines Bauernagitators darf es nicht sein, gegen die Wuchergesetze zu eifern; das wäre vergebliches Bemühe n. Er muß sich vielmehr darauf beschränken, nach zuweisen, daß ein Wuchergesetz nicht genügt, daß daneben noch den Bauern eine billige Kapitalquelle erschlossen werden muß, nämlich der Staat." Der verschuldete Bauer soll auf den Staatskredit verwiesen und zugleich gegen den Steuer exekutor gewettert werden! Wo die mündliche Agitation nicht möglich sei, müsse die schriftliche eintrctcn: durch Zeitungen Kalender und Erbauungsbücher!! „Erbauungsbücher" — heißt cs wörtlich — „hätten den Vortheil, daß sie vom Bauern mit einer gewissen Sorgfalt gelesen werden und er Dinge, die im Erbauungsbuche stehen, leichter glaubt, als an dere!! Die Kunst bestände nun darin, ein Erbauungsbuch zu schreiben, das, erbaulich beginnend, unvermerkt aufreizend würde. Auch wäre es nickt „ohne", inberc' ts bestehende Erbauungs- und Gebetbücher einige Bogen sozialistischen Inhalts h i n e inz u h eften. Diese Erbauungsbücher wären gewissermaßen das Gegenstück zu den Bauernzeitungen, die letzteren für die intelligenteren, die ersteren für die noch in der „Nacht der Unwissenheit Wandelnden" bestimmt. Ein recht sauberer Vorschlag, den der Verfasser des Aufsatzes mit der Bemerkung begründet, „der gute Zweck heilige jedes Mittel." Moralisch steht dieser Vorschlag auf der selben Stufe, wie das jüngst im Verlage des „Vorwärts" er schienene Flugblatt: „Zur Landagitation", in welchem eS heißt: „Die Religion lasse man ungeschoren (! !), . . . und Gott und König (!!) läßt man am besten aus der Erörterung." — Der eingangserwähnte Aufsatz enthält noch eine ganze Reihe von Vorschlägen, die in der Mahnung gipfeln, „ans dem Bauernstand einen Stamm tüchtiger Agitatoren heranzuziehen." „Aus welchen Motiven dieselben zu uns kämen, ob getrieben von Gemeinsiim und Mitgefühl — was auch möglich, wenn auch unter Bauern etwas unwahrscheinlich wäre — ob aus Rache oder gekränktem Ehrgeiz oder einem anderem selbst süchtigen Motive, das könnte uns wohl gleichgültig sein." Also selbst die Rachsuckt wollen die Sozialdemokraten für ihre Agitation nutzbar zu machen suchen. Zum Schluß heißt es dann: „Wir müssen dem Bauer zeigen, daß nicht wir es sind, die ibn von seinem Heim vertrieben, sondern der Groß grundbesitzer mit seinen Maschinen, der Wucherer mit seinen Zinsen, daß Großkapital mit seinen Eisenbahnen, die auslän disches Getreide befördern, der Staat mit seinen Steuern." — Wo sind die geistigen Waffen, mit denen man gegen diese Niedertracht ankämpfcn könnte ? Wird man nun begreifen, daß das einzige Mittel, um die Ausbreitung der Sozialrevv lutionäre auf dem platten Lande zu verhindern, darin besteht, daß man die Agitatoren gar nicht herankommen läßt? Die Zustände in Trier schildert die „K. Ztg." folgender maßen: Durch die treffliche Organisation der Bahnbeförderung ist der ärmeren Bevölkerung in der Trier Peripherie von über 100 Km. Gelegenheit geboten, die Reliquie zu sehen und am selben Tage in ihre Heimath zurückzukehren. Die guten Leutchen werden direkt aus dem Zuge unter Anführung eines Pfarrers in eine Kirche gebracht und harren dort des Rufes ihrer Zu lassung zum Dome. Bevor sie nun den heiligen Rock zu Gesicht bekommen, werden sie an den Opferstock für den Dom, und nachdem sie das heilige Kleinod gesehen haben, an den Opfer kästen für den heiligen Vater geführt, um ihre Gesinnung für beide auch durch ein materielles Opfer zu bekunden. Für den Dom und den heiligen Vater sorgt pflichtgemäß der geistliche Führer, erst dann bleiben die Leute sich überlassen, für ihre eigenen leiblichen Bedürfnisse zu sorgen. Wenn man bedenkt, daß der größere Theil der ländlichen Bevölkerung in diesem Jahre durchweg au Geldmangel leidet, wenn man ferner weiß, daß in der Presse Trier ohne allen Grund als überaus theuer verschrieen worden ist, so wird man begreifen, daß die große Menge dieser armen Bevölkerung thatsächlich nicht einmal em Wirthshaus besucht. Zu Hunderten sieht man sie lagern an den öffentlichen Brunnen, an der Porta Nigra, an der Pau- linskirchc, an der Mosclbrücke u. s. w. Hier nehmen Sie ihr trockenes Brod, ein Stück Sckinkcn, Rauchfleisch, Speck oder Wurst heraus, verspeisen dies nach türkischer Manier wie in Mekka, und stillen ihren Durst wie zu Rebekka'S Zeiten bib lischen Angedenkens. Die meisten gönnen sich kaum Zeit, hier auszuruben, iu der Angst, der für sie bestimmte Zug könne abfahren. Die Leute begeben sich daher schnellsten Schrittes zum Bahnhof und umlagern denselben, wie vorher angegeben. Immerhin bleibt aber noch eine recht erkleckliche Anzahl zurück, welche bei dieser Gelegenheit gern Trier und seine Umgebungen kennen lernen möchte. Für diese wird aber auch bestens ge sorgt. Moltke hat 1870 vor Metz seine Regimenter nicht besser dirigirt, als der Bischof Dr. Komm die getreuen Schafe seiner Heerde am Gängelbande führt. Wie zum Hohne für