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Zweites Blatt. Tharandt, Men, Mraltha and die UuWMn. Imlsblull 18S6 Sonnabend, den 11. April No. 43 Kleingeld und Cigarren nichts weiter zum Mitgehen für geeignet befinden können. Erzürnt über den Mißerfolg ihrer nächtlichen „Arbeit" haben sie verschiedene Zertrümmerungen und Gemein heiten ousgeführt. Zu bewundern ist, daß vom Nachtdienst thuenden Bahnpersonal nicht« bemerkt worden ist. Z— Eine schwere Prüfung ist der Familie des Gutsbesitzers Weidner in Großfalke bei Werdau auferlegt worden, die inner halb zwei Wochen den Verlust dreier Kinder an Diphtherie zu beklagen hatte. Nachdem vor kaum 14 Togen ein 7jähriger Sohn zu Grabe getragen war, gab man am Charfreitag einem Sohne von 20 und einer Tochter von 18 Jahren das letzte Geleit. — Tharandt. In der hiesigen Bahnhofsrestauration be merkte man kürzlich früh, daß ungebetene Gäste in der Nacht vorher einen Besuch abgestattct hatten. Die Kasse im Schänk tisch war erbrochen und daraus da« einzelne Geld im Betrage von 10 -12 Mark gestohlen worden. Unter diesem befanden sich auch zwei Geldrollen mit der Firma Gebrüder Treiber, Tharandt; jede derselbe enthielt hundert Einpfennigstücke. Ein Werthpapier, daß sich noch in dem Kasten vorfond, ist glück« licherweise liegen gelassen worden. Außer dem Gelde fehlen auch noch gegen 4'/r Tausend Cigarren, das Stück zu 5 und 6 Pfg.; die befielen Sorten sind unberührt geblieben. Ein Theil der gestohlenen Cigarren ist wahrscheinlich in einem fehlen den Restaurationstifchtucbe weggetragen worden, der Rest der selben vermuthlich in Koffern oder sonstigen Behältnissen, die der Dieb mitgebracht haben mag, denn das Tischtuch allein reicht nicht aus, um 4 Tausend Cigarren darin fortzubringen. — Leipzig, 6. April. Einen frechen Diebstahl hat am Sonnabend Abend kurz vor Schluß der Postämter ein 16 Jahre alter Handlungslehrling aus Westend bei Berlin im Postamt 8 im Thomasgäßchen verübt. Der Lehrling entwendete daselbst einem Schreiber, der ca. 500 Mark aufgezählt hatte, 3 Ein- bundertmarknoten und ergriff mit seinem Raube die Flucht nach dem Thomaskirchhose zu. Der Schreiber setzte dem Diebe nach, und durch sein Haltaufrufen entspann sich eine fröhliche Jagd. Ein Radfahrer, der in dem Augenblicke den Thomas kirchhof passirte, erhielt ebenfalls Kenntniß von dem Vorgang und verfolgte den schnellfüßigen Dieb um die halbe Promenade herum bis zum Königsplatz, wo es ihm denn auch gelang, mit Hilfe eines Rathsboten den Flüchtling zu stellen. Die gestohlene Summe wurde noch in dessen Besitz gefunden. Zugleich stellte es sich aber auch noch heraus, daß der Dieb in Berlin seinem Prinzipal 600 M. unterschlagen und mit dem Gelde Dresden, Wien und Leipzig besucht hatte, wobei die Moneten verflogen sind. — Der 20jährige Sohn eines Gutsbesitzer« in Quesitz bei Markranstädt schoß dieser Tage dem Dienstmädchen seines Vaters aus Unvorsichtigkeit eine Ladung Schrot direkt in's Ge sicht; das unglückliche Mädchen ist leider auf beiden Augen er blindet. Der Vater der Unglücklichen verlangt eine jährliche Rente von 1000 Mark. — Chemnitz. Ein bemerkenswerthes und gutes Zeichen für die Andauer des flotten Geschäftsganges im Maschinenbau ist, daß speziell der Werkzeugmaschinenbau florirt, weil daraus nach alten Erfahrungen auf Allgemeinheit und Dauer der Unternehmungslust zu schließen ist. Die Chemnitzer Werkzeug- Maschinenfabriken sind überaus stark beschäftigt, voran die Säch sische Maschinenfabrik, vorm. Richard Hartmann, ferner die Chemnitzer Werkzeugmaschinenfabrik, vorm. Johann Zimmer mann, in besonders starker Weise die Deutsche Werkzeug maschinenfabrik, vorm. Sondermann u. Stier, welch' letztere vor wenigen Tagen einen so bedeutenden russischen Auftrag er hielt, daß er fast den dritten Theil einer Jahresproduktion aus macht. — Zittau, 7. April. Ein bedauerliches Vorkommniß bat sich in einer der letzten Nächte in der hiesigen Mandau- kaserne ereignet. Der Soldat Weikert stürzte aus der vierten Etage der Kaserne auf den gepflasterten Hof hinab. Von seinen Stubenkameraden hatte Keiner den Vorgang beobachtet, nur die Wachmannschaften hörten das Aufschlagen des Körpers. Beim Hinzueilen fanden sie den Unglücklichen, der nur mit Hose und Hemd bekleidet war, mit zerbrochenen Armen und zerschmettertem Schädel in seinem Blute liegend vor. Der Tod muß un mittelbar nach dem gefährlichen Sturz eingctreten sein. Ob nur ein beklagenswerther Unfall oder em Selbstmord vorliegt, konnte bisher noch nicht festgeflellt werden. für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Forstrentamt zu Tharandt. In -er letzten Stunde. Erzählung von Emilie Heinrich«. (Nachdruck Verbote».) (Schluß.) Achtundzwanzigstes Kapitel. Eine Trauung. Vier Wochen waren nach jener Börsenszene verflossen. In Palmershall, wo Alice noch immer weilte, hatte sich ein stilles, beseligendes Liebesleben entfaltet, ein »Frühling, wie er hier noch niemals geblüht hatte. Tante Ellen und Mr. Palmer wurden ebenfalls wieder jung in dem Sonnenschein dieses Glückes, und die strahlenden Augen der schönen Miß schienen Hellen Glanz auf den Weg hinabzuwerfen, welchen die muthigen Rosse zu durcheilen hatten, die an jedem Nachmittag in der Woche und Sonntags früh den Vater und den Geliebten nach PalmerShall brachten. „Ich fühle Deinen Blick schon auf dem ganzen Wege, Geliebte!" flüsterte Francis der holden Braut dann in'S Ohr, „er dringt mir magnetisch in'« Herz und erfüllt mich mit süßem Schauer geheimnißvoller Seligkeit." Wenn der schöne, stolze Mann aber am Sonntag Morgen strahlend vor Glück und Lebenslust auf dem herrlichen Gold fuchs dahergesprengt kam, dann klopfte der Braut das Herz vor stolzer Freude, und entzückt flog sic ihm entgegen, denn sie wußte es ja jetzt, wie der geliebte Mann zu diesem königlichen Roß gekommen war. Aber auch Mr. Palmer und Tante Ellen standen harrend auf dem Balkon, um Mr. FranciS auf dem Goldfuchs zu sehen Vaterländisches. — Zittau, 8 April. Wie «Wetzt bekannEwird, hat der Raubmörder Kögler am ersten Osterfeicrtage in dem Reichen berger BczirkSgerichtsgefängniß einen Ausbruchsversuch unter nommen, der ihm nahezu gelungen wäre. Es wird darüber berichtet: Auf noch unaufgeklärte Weise hatte sich Kögler in den Besitz einer Säge zu setzen gewußt, mit der es ihm gelang, die ihn fesselnden Ketten zu durchschneiden. Von diesen befreit, beseitigte er hie Seitcnbretter des in der Zelle befindlichen Abortes, entfernte den Kübel, und kroch dann in den Schacht, durch welchen der Kübel von außen her in die Zelle geschoben zu werden pflegt. Ein hölzernes Thürchen schließt den Schacht rsn dem Hauptgange ab. Da Kögler dieses Thürchen nicht findrücken, auch nicht ausheben konnte, bearbeitete er es mit der Säge, und er hatte bereits ein ziemliches Loch hergestellt, als zufällig ein G-fängnißaufseher vorüberging und den Vorgang bemerkte. Er verständigte den Kerkermeister und beiden Beamten gelang cs, den Mörder von Neuem zu fesseln. Er hat er heblich stärkere Fesseln erhalten als bisher und ist außerdem derart an die Wand geschmiedet worden, daß er sich nur die wenigen Schritte bis zum Abort bewegen kann. — Vor einiger Zeit wurde aus Bautzen eine Aufsehen singende Verhaftung in den Flitterwochen berichtet. Die Heldin jener Affaire, die HotelicrSfrau Lina Anna Reibetanz aus Leisnig, wurde am 30. v. M. vom Landgericht Dresden zu 7 Jahren Zuchthaus verurtheilt. Das schon vorbestrafte Weib hatte am 25. November v. I. als Warthschafterin eines reichen jüdischen Garxons 32700 Maik m Werthpapieren aus dem G-ldschrank gestohlen und schon vorher in Gemeinschaft mit dem Postschaffner Böhme, der sich in der Gcfangenanstalt »hing, und dessen Frau 7000 Mark entwendet. Der große Diebstahl fand drei Tage vor der Verheirathung der R. an einen Hotelier aus Bautzen statt, dem sie die entwendeten Wertpapiere als „Mitgift" übergab. Die verw. Böhme wurde zu 3 Jahren 3 Monaten Gefängniß verurtbeilt. Tue Müller hatte sich als ein „gute Parthie" mit 40000 Mark Vermögen ausgegeben und auf eine Heirathsannonce hin trat I" mit dem Hotelbesitzer Reibetanz in Bautzen in Verbindung, welcher eine reiche Frau suchte. Auch diesem versicherte sie, baß sie 40000 Mk. mit in die Ehe bringe und unter diesen Umständen kam die Henath auch schnell zu Stande. Schon tür den 28. November wurde die Hochzeit angesetzt und nun hatte die Müller sich allerdings zu beeilen, die ihr noch fehlenden 3?000 Mark zu beschaffen, denn ehe das Gesd nicht lag, lallte der Ehebund nicht geschlossen werden. Am 25. November beabsichtigte die Müller ihren Dienst bei Ascher zu verlassen, als daher der alte Mann an diesem Tage seinen gewohnten Ausgang unternahm, holte sie abermals die Kassenschlüssel hervor, W hinein ins volle Menschenleben und langte sich Preußische Insuls, Reichsanleihen und andere angenehme Papierchen im ^savimtwerthc von 32 700 Mk. heraus. , Am Morgen des Gründonnerstag erfolgte im Gottes- lausc zuNetzschkau der Uebertritt des Bürgermeisters Grfferjs katholischen zur evangelisch-lutherischen Kirche. Die "ligiösen Formalitäten nahm Schloßprediger Hacker vor, während Zeugen zwei weltliche Glieder der Kirchengemeinde funk- llonirten. — Der Maschincnstickcr Rettig in Plauen i. V. am Montag an Blutvergiftung gestorben. Der kräftige Mann hatte sich vor wenigen Tagen mit der Stickscheere eine unbedeutende Verletzung an einem Finger zugezogen; hierdurch wurde die Blutvergiftung hervorgerufen. — In dem Flugblattc, welches von den Sozialdemokraten Wen die Wahlrechtsänderung in ganz Sachsen verbreitet worden sind Beleidigungendes gesammten sächsischen Ministeriums gefunden worden. Der Drucker des Flugblattes G. Heinisch 'N Leipzig, ist bereits gerichtlich vernommen worden. — In Bruchsal parb dieser Tage ein Knabe, der Wasser au« einem Glas getrunken hatte, in dem zuvor Maiglöckchen gestanden. Die Untersuchung zeigte, daß in der Pflanze zwei Giftstoffe enthalten sind, Konvallarin und Kouvallomarin, letzteres -'N starkes Herzgift. — Mutzschen, 7. April. In den Abendstunden deS 1. r;i'enag wurde der beim Cavillercibesitzer Bertram in Diensten Abdeckergehilfe Fischer von einem Pferde vor die Brust Sfichlagen und dadurch sofort getötdet. — Markranstädt, 7. April. In der hiesigen Bahnhofs- »fi auranon sind in der Frühe des 2. Osterfeiertages Diebe ge- w lam eingebrochen, haben aber glücklicherweise ouß r etwas Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. 55 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Pfg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger m Wilsdruff. — VeranLwortUch für dre Redaktion H A. Berger daseldst. Zum Sonntage Huasimodogeniti. Josua 23,11: Behütet aufs fleißigste eure Seelen, daß ihr den HErrn, euren Gott, lieb habet. Ein Wort aus dem Josuabuche. Kurz vor seinem Heimgange berief der greise Nachfolger Mosis die Stammes- häupter und die Aeltesten Israels zu einem Landtage, um ihnen gleichsam sein „Testament" zu überantworten, ihnen Mahnungen und Verheißungen für die Zukunft der Nation auf den Weg zu geben. Einer dieser testamentarischen Sprüche lautet: Behütet aufs fleißigste eure Seelen, daß ihr den HErrn, euren Gott, lieb habt! Heute, an dem Sonntage, der von den „neugeborenen Kindlein" feinen Namen hernimmt, wird dies Wort den Täuflingen, die zum Sakrament werden, zum Tauftext. Wo Elternherzen heute Tauffest feiern, erklingt die Mahn ung ans Gottes Wort: behütet die Kinderseelen, die auch anvertraut sind, daß sie nicht schon frühe vergiftet und ver dorben werden. Pflegt ihnen, ihr Mütter, von zartester Kindheit auf Liebe zu ihrem Gott und ihrem Heiland, dem großen Kinderfreund, ins Herz, lehrt sie aufschauen zu Ihm und die Hände falten in jungen Tagen. Wo Sonntags schulen und Kindergottesdienfte bestehen, macht frühzeitig Gebrauch davon für eure Kleinen. Nehmt Interesse am Konfirmanden-Unterricht und helft treuen Seelsorgern bei diesem Werke, dessen immer größer werdende Bedeutung für unser Volk noch viel zu wenig anerkannt wird. Habt aber auch nach der Einsegnung ein wachsames Auge auf eure Söhne und Töchter, damit die Freiheit nicht in Zügel losigkeit ausartet. Freilich — wer eine gottesfürchtige Jugend heranziehen will, der muß seine eigene Seele aufs fleißigste behüten und selber in der Liebe zu seinem HErrn stehen. Wort ohne Wandel erzieht keine Christen, sondern Heuchler oder Atheisten; Wort und Wandel müssen im Hause eins sein, dann wirken sie Wunder. Das nahende Pfingstfest mahnt alle christlichen Hausväter und Mütter, um dre Gabe des Geistes von oben zu bitten, der für unsere Häuser so nöthig ist, wie der Wind für den Segler auf offenem Meere. Wo Gottes Geist mit stillem, sanften Sausen in alte und junge Herzen fährt, da gedeiht christliches Leben in Liebe und Glauben. Mache darum die vorpfingstliche Zeit zu einer Gebetszeit für dich und dein Haus. Unter dem Flehen wird dir Erhörung geschenkt, der Osterfürst tritt ein wie einst in den Kreis der harrenden Jünger und verscheucht selbst den Thomaszweifel mit seinem holdseligen Gruße: Friede sei mit euch!