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WiM Men, Sikbknlkhn und die Umgegenden. ImtsölM für die Agl. Amtshauptmannschaft Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das Agl. Forstrentamt zu Tharandt. Hrschesint wöchentlich dreimal und Mar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1 Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1 Mk. LS Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 10 Psg. pro dreigespaltene Corpuszeile. Druck und Verlag von Martin Berger in Wilsdruff. — Verantwortlich für dre Redaktion H A. Berger dalelbst. No. 50 Dienstag, den 28. April 180« Wilsdruff, den 27. April 1896. Donnerstag, den 30. ds. Mts., Nachmittags 6 Uhr öffentliche Stndtgenreinderathsfitznng Der Bürgermeister. Dicker. Das Verunreinigen der Straßen, Trottoirs und öffentlichen Plätze ganz besonders aber der Plätze vor den Schanklokalen wird mit Geldstrafe bis zu 5 Mark oder 1 Tag Hast bestraft. Wilsdruff, am 27. April 1896. Der Sta-tgemein-erath. Ficker. Tagesgeschichte. Die Sozialdemokratie befleißigt sich seit einiger Zeit 'AeS auffällig geräuschlosen Verhaltens. Sie rechnet dabei offenbar auf die Gedankenlosigkeit und Gutmüthigkeit ihrer Gegner. Es ist auch kein Zweifel darüber, daß so mancher brave Philister sich täuschen läßt. Die sozialdemokratische Presse protestict auch gar nicht mehr, wie früher, gegen die Behaup- i»ng, daß ihre Partei sich von den revolutionären Zielen ab wende und nur noch eine radikale Reformpartei auf dem Boden der bestehenden Gesellschaftsordnung zu sein beanspruche. Man hat allmählich erkannt, wie vortheilhaft eS für die Propaganda fft, das Bürgerthum in diesem Glauben zu lassen. Aehnlich verfährt die Sozialdemokratie auch jetzt in Bezug auf den Welt- feiertag, den 1. Mai. Gewiß, die Parteileitung hat die „Ge- vofscn" darauf aufmerksam gemacht, daß die gegenwärtige „auf steigende Konjunktur" der Erzwii^.>, der Arbcilsruhe am l- Mai günstig sei. Aber einer eilig deren Erörterung dieses Themas geht die sozialdemokratische Press ^gfältig aus dem Wege; höchstens in der Beilage bezw. im raten Theil werden ewige versteckte Winke für die Getreuen gegeben. Man kann ohne Zweifel sagen, daß, solange die Sozialdemokratie die Mai- smr cingesührt hat, noch niemals von den Vorbereitungen für dieselbe so wenig Aushebens gemacht worden ist, wie diesmal. Offenbar ist dabei die Absicht, das Bürgerthum die revolutionäre Bedeutung dieser Demonstration vergessen zu machen. Es ist ja möglich, daß sie mit dieser friedlichen Maske hie und da einen Erfolg erzielt, namentlich in Berlin, wo eine Anzahl Firmen wegen der Eröffnung der Gewerbeausstellung die Ge- ichäfte schließen will. Es wäre das sehr zu bedauern, denn die Sozialdemokraten würden nicht ermangeln, sich hinterher eines ungeheuren Triumphes zu rühmen. Die Tragweite dieser Thatsache ist so einleuchtend, daß man meinen sollte, ein Arbcit- geber, der sich seiner Verantwortlichkeit bewußt ist, müßte selbst dann, wenn er aus irgend einem Grunde seinen Arbeitern einen Feiertag zu bewilligen geneigt wäre, die Arbeitsruhe am 1. Mai unter allen Umständen vermeiden. Es soll Arbeitgeber geben, ^e der Ansicht sind, sie würden durch die Arbeiterversicherungs- uud Arbeiterschutzgesetze zu so großen Opfern um des sozialen Redens willen gezwungen, daß es ihnen auf den Verlust eines ^"sigm Arbeitstages, für welchen noch obendrein von den Leiter,, kein Lohn beansprucht würde, auch nicht anzukommcn brauchte. Das Grundfalsche einer solchen Auffassung bedarf v'Ht erst der Auseinandersetzung. Nicht um einen mehr oder ivenigcr großen Verlust handelt es sich b-i der Frage des 1. Mai, sondern um die prinzipielle Frage des Verhältnisses zwischen Arbeitgebern und Arbeitern, rund hcrausgesagt: um die Frage, ^rr in der Fabrik der Herr sein soll, der Unternehmer oder die ^bester. Jene Gesetzgebung bezieht sich auf Forderungen, d'e der Staat als berechtigt anerkannt hat; die Forderung des Mai wird er nie als eine solche anerkennen. Er ist aber außer Stande, die Arbeitgeber in ihren Rechten zu schützen, denn diese freiwillig dieselben preisgeben. Vor sechs Jahren, als die Sozialdemokratie den „Weltfeiertag" zum ersten Male 'n Szene setzte, sind diese Rechte entschlossen und wirksam ge- dohrt worden. Es ist bezeichnend für die inzwischen einzetretene «kgriffsverwirrung, daß heute an einer gleich einmüthigen Ab- dchr gezweifelt wird. In sehr bemerkenswerther Weise nimmt das „Militär- ^rochcnblott" zur Duellfrage das Wort und tritt, wie "übt anders zu erwarten, energisch für das Duell ein. Es VW dort u. Ä.: Das Duell ist jetzt eins der Erziehungsmittel j r das deutsche Offizierkorps, um in ihm den Grundsatz lebendig zu erhalten, daß die Ehre höher als das Leben steht. Mögen anderen Heere thun, was sic für richtig halten. Das deutsche lon^'" erfreut sich eines guten Rufes im Jn< und Aus- de und hat diesen Ruf im Kriege und im Frieden bewährt. Wir sind gewohnt, bewährte Methoden festzuhalten und sie nicht wohlgemeinten, aber falschen Theorien zu opfern. Die Verord nungen über Ehrengerichte prägen sich immer tiefer als leitende Grundsätze dem Offizierstande ein: „Denn einen Offizier, welcher im Stande ist, die Ehre eines Kameraden in frevelhafter Weise zu verletzen, werde Ich ebensowenig in Meinem Heere, (Meiner Marine) dulden, wie einen Offizier, welcher seine Ehre nicht zu wahren weiß." Der Artikel schließt: Wir sind der Ansicht, daß der Duellzwang von erheblicher erzieherischer Be deutung für die Angehörigen derjenigen Kreise ist, in denen er besteht, und wir glauben auch, daß die Allgemeinheit davon größeren Nutzen hat als z. B. von den langathmigen Aus einandersetzungen demokratischer und sonstiger Blätter über den Unfug de« Zweikampfes. In einer Zeit, wo das Ehrabschneiden mit unverantwortlichen Worten eine so große Rolle spielt, ist es von hohem Werthe, daß die Angehörigen der Kreise, in denen der Grundsatz gilt, mit dem Leben für die Ehre einzu treten, erzogen werden, Wort und That im Zaum zu halten. Wie Manchen, der das große Wort führte, hat man hier ver stummen und zurückweichen sehen, sobald das Eintreten für seine Rede mit der Waffe in der Hand im Hintergründe er schien. Wer nach aufrichtiger Eeibstprüfung, frei von Haß und Zorn, sich zum Zweikampf entschließen muß, thue es in der Ueberzeugung, daß er damit nicht gegen Gottes Wort, gegen die Verordnungen für die Ehrengerichte und die maß gebenden Sitten verstößt. Wie in der Schlacht, so möge er in den ihm durch die Umstände aufgedrungcnen Zweikampf mit dem festen Glauben gehen: „Leben wir, so leben wir dem Herrn, sterben wir, so sterben wir dem Herrn!" Für die grundsätzliche Bestimmung des Ladenschlusses um 8 Uhr Abends findet sich jetzt bemerkenswertherweise in der „N. Pr. Ztg." ein Vertheidiger. Sie giebt einer Zuschrift aus kaufmännischen Kreisen Raum, in der es heißt: „Es ist eine alte Erfahrung, daß bei neuen Gesetzvorlagen die Zahl der Opponenten oft in der Ueberzahl zu sein scheinen, was sich ganz natürlich dadurch erklärt, daß die „Protestler" sich rühren und Lärm schlagen, während die Zustimmenden schweigen. So kann cs auch nicht auffallen, wenn die Widersacher der geplanten Bestimmungen übcr den Ladenschluß an Wochentagen gewaltig in der Mehrheit zu sein scheinen. Die Zufriedenen sagen sich, daß ihnen die Maßregel ganz angenehm sei, aber sie thun nichts, um dieser Meinung Ausdruck zu geben, weil sie sich sagen, es genüge, daß die Regierung dahinter stehe. Es ist wohl zuzugcben, daß es einzelne Geschäftszweige giebt, für welche der Ladenschluß von 8 Uhr Abends bis 8 Uhr Morgens eine zunächst empfindliche Maßregel wäre. Im all gemeinen und in den meisten Fällen wäre es aber sehr wünschens- werth, wenn die geplante Maßregel durchginge. Ganz horrend ist zum Beispiel die Ausnutzung der Angestellten besonders bei den sogenannten „Materialisten", wo die Arbeitszeit in der Regel, wenigstens in sehr vielen Fällen, von 6 Uhr Morgens bis 11 Uhr Abends dauert. Das ist doch einfach menschen unwürdig. Wird die Verkaufszeit eingeschränkt, so werden die Hausfrauen und Köchinnen sich ebenso gut damit abzufinden wissen, wie mit dem Ladenschlüsse an Sonntagen. Daß einzelne Kategorien von Geschäftsleuten dagegen sind, mag sein. Ferner sind jene Großhändler dagegen, die selbst nicht mitarbeiten, sondern ihre Geschäfte nur revidiren oder inspiziren, wie ein Feldherr seine Armee. Bei den kleinen Kaufleuten, die selbst den ganzen Tag im Geschäfte stehen, liegt die Sache anders. Ferner kommt doch wohl auch die ungeheuere Zahl der Ange stellten in Betracht; sic sind schließlich sozusagen auch Menschen. Wie mancher jung: Kaufmann kann nichts für seine Fortbildung thun, weil des Dienstes Länge und Strenge ihm keine Zeit läßt. Wenn die „freisinnigen" Zeitungen sich einhellig gegen jede Reduktion der Geschäftsstundcn erhoben, so beweisen sie damit wieder einmal, daß für sie nur das Interesse der Groß kaufleute maßgebend ist." Die Reichstagskommission für das Bürgerliche Gesetzbuch trat am Sonnabend in die Berathung über die Bestimmungen, betreffend die Ehe ein, wozu die bekannten Anträge des CentrumS und der Konservativen vorlagen. Staatssekretär Nieberding erklärte: Die verbündeten Regierungen stehen auf dem Stand punkt, daß da« Eheschließungsrecht, wie eS im Jahre 1875 reichsgesetzlich geregelt wurde, das Ergebniß langer politischer und religiöser Kämpfe ist und daß es unter allen Umständen aufrecht erhalten werden muß. DaS Civilehegesetz habe sich durchaus bewährt und es sei nicht wahr, daß dasselbe bei der Masse des Volkes sich keiner Sympathie erfreue. Die konser vative Partei habe seinerzeit auf Erlaß des Civilehegesctzcs ge drungen, jetzt erlebt man, daß dieselbe Partei sich gegen dieses Gesetz wendet. Würde einer der gestellten Anträge im Plenum angenommen werden, so würde damit das Zustandekommen des ganzen Gesetzbuches ernsthaft in Frage gestellt. Er glaubte erklären zu dürfen, daß die verbündeten Regierungen in dieser Auffassung völlig einig find. Die verbündeten Regierungen nehnvn den gestellten Anträgen gegenüber einen entschieden ab lehnenden Standpunkt ein, wenn sie auch die damit verknüpften guten Absichten, die religiöse Seite der Ehe zu schützen, aner kennt. Das Civilehegesetz Hintere aber die kirchlich gesinnten Kreise nicht, ihrer religiösen Ueberzeugung bei der Eheschließung zu genügen. Die Autorität der Kirche habe unter dem Gesetze nicht gelitten, was sich daraus ergebe, daß weitaus die meisten Ehen kirchlich eingesegnet werden. Für die verbündeten Re gierungen gebe es- eine Verständigung dieser Frage nur auf dem Boden des bestehenden Civilgesetzcs. Die Bundesraths- Vertreter Bayerns, Württembergs und Badens erklärten als dann nacheinander, daß ihre respektiven Regierungen am Per sonenstandsgesetze und am Prinzip der obligatorischen Civilehe festhalten. Die Wiener Vertrauensmänner der Sozialdemokratie beschlossen, am 1. Mai ihre Kinder nicht in die Schule zu schicken, sondern im geschloffenen Zuge die Ringstraße in den Prater zu führen. — Die Staatsbehörde erhob Anklage gegen die Führer, welche die Genoffen zu obigem Entschlusse veran laßten. Der Unterricht wird abgehalten. Der wiederum zum Bürgermeister von Wien erwählte Or. Lueger wurde, wie der „Schles. Ztg." gemeldet wird, am Sonnabend vom Kaiser in Audienz empfangen. Seit den Tagen, da der Boulangismus die republikanische Verfassung aus den Angeln zu heben bemüht war, ist Frank reich von keiner gleich gefährlichen Krise bedroht gewesen, wie jetzt, da das Kabinet Bourgeois vor dem vierten Mißtrauens- beschluffe des Senats von seinem Platze gewichen ist. Die im Gefolge des Panamaskandals und ähnlicher Vorkommnisse eingetretenen Krisen, in wie heftigen Formen sie auch austraten, drehten sich doch in der Hauptsache nur um Personen- oder Parteifragen, selbst die Präsidentcnkrise, die Casimir PLriers Rücktritt herbeiführte, ließ die Verfassung unberührt. Diesmal aber ist ein folgenschwerer Streit zwischen den beiden Häusern der Volksvertretung entbrannt, der fortan das politische Leben Frankreichs beherrschen wird, auch wenn es augenblicklich ge lingen sollte, ihn bcizulcgen. Die nichtradikale Mehrheit der Abgeordnetenkammer hat sich unter dem Eindrücke der Ab- schiedöerklärung den radikalen Kabinets zu einer Reihe von Be schlüssen bestimmen lassen, die für die Erwählten des allge meinen Stimmrechts ein größeres politisches Gewicht bean spruchen, als dem auf einem beschränkten Stimmrecht beruhenden Senate zukomme. Es ist das eine Auffassung, für die es in der geltenden Verfassung an einem bestimmten Anhaltspunkte sdenso fehlt, wie für die Auffassung des Senats, vaß da« Kabinet durch die Nichtbeachtung seiner wiederholten MißtrauenSbeschlüffc der Verfassung Gewalt angethan habe. Diese enthält eine Lücke, die jetzt zum ersten Male fühlbar geworden ist, denn sie sicht den Fall eines Widerstreites zwischen Senat und Abge ordnetenkammer nicht voraus und sagt nicht, wa« zu geschehen