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Wochenblatt für Wilsdruff Erscheint wöchentlich zweimal u.zwarDienstags und Freitags. Abonnementspreis vierteljährlich 1 Mk., durch die Post " bezogen 1 Mk. 25 Pf. — Einzelne Nummern 10 Pf. Thmnbt, Mu, Meckhn Md die Umgegenden. Imlsblull Inserate werden Montags und Donnerstags bis Mittags 12 Uhr angenommen. Jnsertionsvreis 10 Pf. pro dreigespaltene Corpuszeile. für die Agl. Amtshauxtmannschast Meißen, für das Agl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Milsdruff, sowie für das Agl. Lorsirentamt zu Tharandt. No. 7. Freitag, den 23. Januar 1891. Bekanntmachung, die städtische« Anlagen betreffend. Das für das Jahr 1891 aufgestellte Anlagen-Cataster der Stadt Wilsdruff liegt vom 26. dieses Monats ab in der hiesigen Stadtkämmerei zur Einsicht für die betheiligten Anlagepflichtigen aus und sind etwaige Reklamationen gegen die darin ausgeworfenen Beträge binnen 14 Tagen, vom Tage der Auslage angerechnet, bei dem unterzeichneten Stadtge- meinderathe anzubringen. Gleichzeitig wird darauf aufmerksam gemacht, daß Reklamationen gegen die Höhe der im gedachten Cataster angesetzten Anlagebeträge nicht die Wirkung eines Aufschubes der Bezahlung derselben haben können Wilsdruff, am 21. Januar 1891. Der Stadtgemeinderath. Acker, Brgmstr. Aus der Zeit und für die Zeit. 4 Man hat gesagt, unser Kaiser sei dem Antrag des Cen- trums, den Jesuiten den Aufenthalt und die Thätigkeit im deutschen Reiche wieder zu gestatten, nicht abgeneigt, weil ihm von römisch-katholischer Seite vorgeredet wird, es werde mit Hilfe der Jesuiten gelingen, den Sozialismus zu überwinden. Aber wenn wirklich die Jesuiten gegen die Sozialisten zu Hilfe gerufen würden, so hieße das, einen Teufel durch den andern austreiben. Zudem fragt es sich sehr, ob nicht die Sozialisten eine geringere Gefahr für uns sind als die Jesuiten. Denn die Sozialisten sind im allgemeinen ehrliche, offene Gegner, die Jesuiten dagegen versteckte, heuch lerische Feinde. Die Sozialisten sagen, was sie wollen, die Jesuiten dagegen verbergen ihre Ziele. Im Grunde üb rigens wollen die Jesuiten und Sozialisten das selbe. Die Jesuiten wollen die evangelische Kirche vernich ten, die Sozialisten die Kirche überhaupt — eine jesuitisch geartete christliche Kirche ist schlimmer, wie keine. Die Jesuiten wollen das deutsch-evangelische Kaiserthum beseitigen und ein römisches von des Papstes Gnaden an dessen Stelle setzen, — die Sozialisten wollen alle Throne stürzen und Repub liken gründen — ein jesuitisch geleiteter Staat ist schlimmer, wie eine Republik. Wie die Sozialisten nicht zurückschrecken vor Gewaltthaten, so auch nicht nicht die Jesuiten, wie die Geschichte es sattsam bezeugt. Wenn es also wirklich den Jesuiten gelänge, den Sozialismus zu unterdrücken und ihre Grundsätze zur Geltung zu bringen, so wäre an Stelle der einen Gefahr nur eine andere, vielleicht weit größere getreten. Aber wird es denn je dem Jesuitismus und überhaupt dem Katholicismus gelingen, den Sozialismus zu überwinden und in einem Staat Zustände hcrbeizuführen, die das Volk besriedigen? Es ist bekannt, daß die Römischen uns Evange lischen immer wieder vorwerfen, die Reformation sei dieQuelle der Revolution. Aber das ist ein durch aus ungerechter Vorwurf. — Nicht die protestantischen Länder: Deutschland, Holland, England, Schweden, Norwegen waren und sind die Herde und Schauplätze der Revolution, sondern die katholischen Länder: Italien, Frankreich, Spanien, Portugal. Und das ist erklärlich. Der Protestantismus stellt die weltliche Obrigkeit auf gleiche Stufe neben das welt liche Regiment — beide sind unmittelbar von Gott geordnet; die römische Kirche macht den Papst zum obersten Beherrscher der Welt — von ihm empfängt die weltliche Obrigkeit ihre Macht und ihr Ansehen, wie der Mond sein Licht von der Sonne. Es ist hieraus klar, daß der Protestantismus die Gewalt und Ehre des Staates weit mehr zur Geltung bringt und vor ihm größere Ehrfurcht erweckt, als die römische Kirche. Darum sind die Evangelischen weit weniger gegneigt sich gegen dis Obrigkeit aufzulehnen als die Katholiken. Was aber die sozialen Zustände in katholischen Ländernanlangt, davon giebt der glücklich beseitigte Kirchenstaat das traurigste Beispiel, wo unter den Augen des Papstes das schrecklichste Elend sich ausbreiten konnte. Es ist ein Irrtum und eine Selbsttäuschung, wenn man von der römisch-katholischen Kirche für unser Volk Heil und Segen erwartet. Mögen sich gegenwärtig manche Würden träger dieser Kirche noch so freundlich gegen unsern Kaiser und seine Regierung zeigen, das ist doch Schein; sie würden aufhören zu sein, was sie sind, nämlich Diener ihrer Kirche, wenn sie nicht ultramontan wären d. h. wenn sie nicht jenseits der Schweizerberge, in Rom, die Stätte hätten, von der aus sie geleitet werden, für die sie arbeiten. Drum, wenn die römische Kirche in unsern Tagen etwas für das Volk thut, so ist es ihr zuletzt nicht um das Wohl des Volkes, nicht um das Ansehen des Vaterlandes, ja auch nicht um die Ehre Gotes zu thun, sondern um die Ehre des Papstes und die Ausbreitung seiner Herrschaft. Also nicht der Katholicismus, geschweige denn der Jesuitismus wird im stände sein, die Sozialisten wieder zu zufriedenen, monarchisch gesinnten, reichstreuen Bürgern unseres Vaterlandes zu machen, sondern, wenn es überhaupt noch möglich ist, so kann das nur die evangelische Kirche thun mit ihren gesunden Anschauungen von der weltlichen Obrig keit und irdischen Arbeit, mit dem Schwerte des Geistes, wel ches ist das Wort Gottes. Am 18. Januar waren es zwanzig Jahre, daß das deutsche Kaisertum wieder aufgerichtet und damit die Einheit Deutschlands hergestellt wurde. Wenn die römisch-katholische Kirch- in Deutschland zur Herrschaft käme, so wäre damit der Untergang unseres jungen Reiches besiegelt. Deshalb wolle uns Gott behüten vor Rom und seinen Gelüsten! R. U. Tagesgeschichte. Kaiser Wilhelm traf unerwartet am Dienstag Morgen 7 Uhr in Hannover ein, und nicht, wie offiziell angekün digt war, um 4 Uhr Nachmittags. Er stieg gleich am Bahn hofe mit seinem Adjutanten zu Pferde — die Pferde waren aus Berlin mitgebracht worden —, ritt direkt zum Residenz schlosse und ließ dann die Garnison alarmiren. Der Kaiser hielt auf dem Waterlooplatz, wo sich die Truppen zu sammeln hatten und war sichtlich guter Stimmung. Den höheren Of fizieren, die sich allmählich auf dem Platze einfanden, reichte der Kaiser die Hand. Nachdem die Truppen Aufstellung ge nommen hatten, ertheilte der Kaiser den Befehl, nach Bemerode abzurücken. Vor dem Rathhause ließ der Kaiser Halt machen und die Truppen an sich vorbeidefiliren. Dann setzte er sich selbst an die Spitze der Artillerie und folgte mit dieser zum Manöveriren. Der Berliner Korrespondent der „Saale-Ztg." weiß eine wichtige Aeußerung unseres Kaisers zu berichten, die gelegent lich des Diners beim Finanzminister Miquel gefallen sei. Dieser Quelle zufolge kams Gespräch auch auf die Abrüstungs frage und einige Politiker scherzten über die namentlich von französischen Blättern verbreiteten Gerüchte über bevorstehende Abrüstungserwägungen. Der Kaiser aber meinte sehr ernst haft, an diesen Gerüchten sei schon etwas Wahres, wenn auch natürlich von konkreten Vorschlägen im Augenblick noch nicht die Rede sein könne. Deutschland sei satt und denke nicht an neue Eroberungen. Ueberhaupt aber, so etwa fährt der Kaiser fort, glaube er nicht mehr an die Möglichkeit kriegerischer Ver wickelungen. Vielleicht sei die Erfindung des rauchlosen Pul vers bestimmt, der Kriegsära ein Ende zu bereiten. Nach den Erfahrungen, die man bei den großen schlesischen Manöver» gemacht habe, erscheine es undenkbar, die Truppen noch in's Feuer zu kriegen. Der gemeine Mann werde, wenn er be schossen wird, ohne irgendwo die Rauchspur eines Feindes zu sehen, von sichtbarem Schrecken ergriffen. Schon in Schlesien sei die Verwirrung nicht abzuwenden gewesen und diese hoch wichtigen Erfahrungen haben im Schoße der Militärverwaltung sehr ernste Erwägungen hervorgerufen. Das Gespräch, so schließt der Korrespondent, habe sich noch eine ganze Weile um diesen Punkt gedreht und im intimen Kreise würden die symptomatischen Aeußerungen des Monarchen, deren Authen tizität verbürgt sei, lebhaft besprochen. Die Handelsverträge des Reiches. — Eine gute Uebersicht der gegenwärtigen Sachlage bezüglich der bestehenden wichtigsten Handelsverträge Deutschlands finden wir in dem Bericht der Handelskammer zu Kiel über ihre Thätig keit und die Geschäftslage i« Jahre 1890. Es heißt da: In den nächsten Jahren steht der Ablauf sämmtlicher wichtigeren Handelsverträge, welche Deutschland mit anderen Staaten ab geschlossen hat, bevor. Verhandlungen über die Erneuerung des mit einjähriger Frist kündbaren deutsch-österreichischen Ver trages sind zwischen den beiden betheiligten Regierungen be reits eingeleitet. Mit dem 1. Januar 1892 endigen die Han delsverträge mit Italien, der Schweiz und Spanien, am 1. Februar 1893 der Vertrag mit Serbien und am 20. Februar 1895 derjenige mit Griechenland. Endlich können jederzeit mit einjähriger Frist gekündigt werden die Handelsverträge mit Großbritannien und Irland, mit den Niederlanden und mit Portugal. Mit Frankreich besteht laut Artikel 11 des Frankfurter Friedensvertrages ein Meistbegünstigungsabkommen. Dasselbe erstreckt sich jedoch nur auf diejenigen Begünstigungen, welche seitens eines des vertragschließenden Theile Belgien, den Niederlanden, Großbritannien, Oesterreich-Ungarn, Ruß land und der Schweiz zugestanden sind oder zugestanden werden sollten. Da jedoch die Handelsverträge, welche Frankreich mit Belgien, Großbritannien und der Schweiz abgeschlossen hat, mit dem 1. Februar 1892 ablaufen und die Verträge mit den Niederlanden, Oesterreich-Ungarn und der Schweiz jederzeit gekündigt werden können, so ist es leicht möglich, daß auch unsere Handelsbeziehungen zu Frankreich in kurzer Zeit that- sächliche Aenderungen erfahren können. Gewinnbetheiligung der Arbeiter. — Eine in Bezug auf die Lohnfrage bemcrkenswerthe Einrichtung hat nach der „Magdb. Ztg." in diesen Tagen die Hamburger-Berliner Jalousiefabrik in Berlin in's Leben gerufen, deren Inhaber, Freese, im Februar v. I. vom Kaiser als Sachverständiger zu den Verhandlungen des Staatsrathes zugezogen wurde. Freese hat am 12. d. M. dem in der Fabrik bestehenden Ar beiterausschuß die Anzeige gemacht, daß die vor mehreren Jahren für die Beamten der Fabrik eingerichtete steigende Gewinnbe theiligung mit dem Beginn dieses Jahres auf sämmtliche Ar beiter der Fabrik ausgedehnt werde. Die Vertheilung erfolgt nach Maßgabe der gezahlten Löhne und Gehälter und die Tantieme wird nach Abschluß jeder Bilanz ausgezahlt. Der Gewinnbetheiligung der Arbeiter ist für das Jahr 1890 rück wirkende Kraft gegeben worden und die erste Rate wird i« Laufe dieses Monats ausgezahlt werden. Jnsgesammt dürften für 1890 an Beamte und Arbeiter etwa 4000 M. zur Aus zahlung gelangen. Die Gewinnbetheiligung soll jedes Jahr in bestimmter Weise steigen. In dem in der Fabrik befind lichen Anschlag giebt Freese der Hoffnung Ausdruck, daß sein Vorgehen in Deutschland Nachahmung finden und dadurch in der Industrie eine Entwickelung angebahnt werde, welche Arbeiter und Beamte in steigendem Maße direkt mit dem Ge winn der Unternehmen betheilige, in welchem sie thätig sind. Herr Freese will damit zu einer Lösung der Lohnfrage An regung geben, welche beiden Theilen, den Unternehmern, wie den Angestellten und Arbeitern, in gleicher Weise zum Vor theil gereichen muß. Die Folgen der Mc. Kinley-Bill machen sich, wie englischen Blättern unter dem 14. aus New-Jork ge meldet ist, immer «ehr fühlbar. Alle Preise sind gestiegen, die Löhne aber nicht. Bis jetzt haben seit Genehmigung der Bill zehn große Fabriken geschlossen werden müssen. Auch die Marmor- und Kachelindustrie hat gelitten. Früher wurde viel Thon von Derbyshire und Stourbridge in England be zogen. Da der Zoll dafür jetzt aber höher ist, so mußten die Fabrikanten ihre Preise erhöhen. Die amerikanischen so genannten Minton-Kacheln kosten jetzt doppelt soviel, weshalb die Nachfrage abgenommen hat. In einer einzigen solchen Fabrik sind 200 Arbeiter entlassen worden, während die bei gehaltenen sich einen 10prozentigen Lohnabzug gefallen lassen mußten. Die Ruckel-Gesellschaft, welche in Eisen und Zinn handelt, hat die Löhne ihrer Arbeiter um 5 Proz. herabgesetzt. Die große Ofenfabrik Sherman P. Jewett u. Co. in Buffalo hat ihren 1000 Arbeitern auch schon angekündigt, daß die Löhne niedriger werden müssen, weil der Zoll auf Blech jetzt zu hoch ist. Erschwerung der Einwanderung und der Er langung des Staatsbürgerrechts in den Verei nigten Staaten von Nordamerika. — Nach den von den Ausschüssen des Senats und des Repräsentantenhauses für Einwanderung und Naturalisation ausgearbeiteten Gesetz entwurf sollen fortan ausgeschlossen sein Idioten, Irrsinnige, völlige Mittellose und solche Personen, die wahrscheinlich der Gemeinde zur Last fallen werden; ferner solche, die anekeler-