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Zweites Blatt. Amtsblatt für die Agl. AmLshaupLmannschafL Meißen, für das Rgl. Amtsgericht und den Stadtrath zu Wilsdruff, sowie für das 'Agl. Forstrentamt zu Tharandt. Lokalblatt für Wilsdruff, Alttanneberg, Birkenhain, Blankenstein, Braunsdorf, Burkhardtswalde, Groitzsch, GrumvaH, Grund bei Mohorn, Helbigsdorf, Herzsgswalde Mit Landberg, Höhndorf, Kaufbach, Kesselsdorf, Kleinschönberg, Klipphausen, Lampersdorf, Limbach, Lotzen, Motzorn, Miltitz-Roitzschen, Munzig, Neukirchen, Neutanneberg, Niederwartha, Oberhermsdorf, Pohrsdorf, Röhrsdorf bei Wilsdruff, Roitzsch, Rothschönberg mit Perne, Sachsdorf, Schnrledewawe, Sora, Steinbach bei Kesselsdorf, Steinbach bei Mohorn, Seeligstadt, Spechtshausen, Taubenheim, Unkersdorf, Weistropp, Wildberg. Erscheint wöchentlich dreimal und zwar Dienstags, Donnerstags und Sonnabends. — Bezugspreis vierteljährlich 1Mk. 30 Pf., durch die Post bezogen 1M.54 Pf. Inserate werden Montags, Mittwochs und Freitags bis spätestens Mittags 12 Uhr angenommen. — Jnsertionspreis 15 Pfg. pro viergespaltme LorpuSzeile. Druck und Verlap von Martin Berger in WWdrug. — VeraMwortliÄ für die RedaMo» Martin Berger KMbst. I «1. Jahr« Dienstag, dem 23 Dezember Ibd2 Nv. lS« der besagte Crawford und verletzte sich. Die guten Damen pflegten den Fremden bis zur Wiederherstellung. Dafür bezeigte er sich dankbar. Denn als Therese Daurignac den Sohn des hochmögenden alten Herrn Humbert, der sogar den Posten des Justiz-Ministers bekleidete, geheirothet und ihr Brüser Romain Daurignac Fräulein Humbers heimgeführt hatte, trat Frau Ltzerese mtt der Mittheilung auf, Crawford habe sie zur Universalerbin seiner 100 Millionen gewacht. Aber das Gela war nicht leicht flüssig zu machen. Zwar lag es, wie Madame Humbert gern erzählte, wohl verwahrt in ihrem feuer- und diebessicheren Geldschrank, aber es waren andere Erben Crawfords vor handen, die sich ihrer Ansprüche nicht ohne Werteres be geben wollten. Und nun wurden Prozesse aut Prozesse geführt, die alle günstig für die Humberts verliefen, ob wohl die gegnerischen Forderungen nie gänzlich abgewicsen wurden. Und da die Millionen ja goldsicher im Geld schrank ruhten, war es nicht wunderlich, daß sich genug brave Leute fanden, die der Besitzerin und zukünftigen Eigenthümcrin der großen Schätze gar gern aushalfen. .Und das geschah im allergrößten Maßstabe: Millionen auf Millionen strömten der Frau Humbert zu. Die Dame war so gewandt, so bezaubernd, liebenswürdig, so zuvor-! kommend und nett, daß ihr selbst gewiegte Kaufleute, die sonst äußerst vorsichtig zu Werke gingen, bereitwillig zu Dienste» waren. Da kam Anfang Mai der große Krack. Die bisherigen Gläubiger hatte man wohl, wenn sie einmal dringend wurden, durch Zahlung aus neuaufgenowmeuen Geldern getröstet. Aber mit einem Mons. Cathanie, der eine einzige lumpige Million geborgt hatte, konnten die „hunderfachen Millionäre" nickt fertig werden. Und sie begaben sich aus ihrem Pariser Hotel aufs Land mit dem Bemerken, sie würden in wenigen Tagen zur Eröffnung der Kasse mit dem famosen Crawfordscheu Testament und den 100 Millionen wieder zurück sein. Aber sie kehrten nicht wieder: alle ihre Erzählungen und Prozesse waren purer Schwindel gewesen, und als man endlich den viel- gerühmten Geldschrauk erbrach, war er leer. Jetzt nach so langen Anstrengungen ist es, als man an einem Erfolg schon gezweifelt hatte, gelungen, die ganze Compagnie jenseits der Pyrenäen dingfest zu machen. Der Weihnachtskarpfen. Humoreske von A. Wald. (Nachdruck verboten.) (Schluß.) Hilde stand wie erstarrt. So was, das konnte auch nm ihr pasfiren! Das kam nun von ihrem Herum- spioniren! Und was sagte nun die Mutter, wenn sie, Hilde, ohne Karpfen und ohne Geld nach Hause kam?! Und dabei diese Ironie des Schicksals, denn ganz nahe, zum Greifen nahe, schwänzelte der Deserteur schaden froh in feinem Element herum. „Doch wartet" dachte sie. Ein forschender Blick nach rechts und links die Straße entlang, dann rasch die Kleider hoch gerafft, und Hilde tauchte gleichfalls in das verschneite Kellerloch. Vielleicht ließ sich von da aus, mit der Hand durch das Fenster langend, der Flüchtling wieder einfangen. Dock siehe da, die Tücke des Objekts, denn niit Blitzes schnelle war der Karpfen nach der anderen Seite der Wanne hinüber, die Hilde nicht erreichen konnte. Einen Augenblick überlegte sie. Sollte sie's noch mal versuchen, noch weiter durch das Fenster kriechen? Denn auf nor malem Wege, das heißt also durch die Hausthür, konnte sie hier doch nicht gehen! Sie wollte sich nicht lächerlich mit ihrem ausgekniffencn Karpfen machen! Und der an maßende Doktor hätte gar denken können, daß sie womög lich wegen des „Ausbaues" käme und sich nachträglich als „vernünftig" melden wolle! Familie Hnmbert verhaftet. Nach monatelangen Bemühungen hat die Polizei die Familie Humbert, deren unerhörte Unternehmungen die ganze Welt in Staunen setzten, festnehmen können. Sonn abend Vormittag wurden sämmtliche Mitglieder dieser Familie in Madrid verhaftet. Die Verhaftung wird überall mit größter Genugthuung ausgenommen. Zu der Verhaftung liegen folgende Meldungen vor: Madrid, 20. Dezember, Mittags. Heute Morgen wurde hier die ganz Familie Humbert festgenommen. Paris, 20. Dez., Nachm. Die Humberts wurden um 1 Uhr Morgens in Madrid verhaftet. Frau Humbert schrie auf, als sie die Situation erkannte, und umklammerte ihre Tochter Eva halb ohnmächtig. Sie rief: ,Nur Tod kann uns beide trennen." Paris, 20. Dez., Nachm. Die weiblichen Mitglieder der Familie Humbert hallen die letzten Tage in einem Kloster in Barcelona verbracht. Sie fühlten sich dort unsicher und traten mit Fredene und Drurignac, die in Madrid wohnten, wegen Verabredung einer Zusammen kunft in Corrcspondcnz. Dieser Briefwechsel wurde auf- gefangen und führte zur Verhaftung der Humberts. — Die Auslieferung der Humberts kann nur wegen Betruges durch Verwendung gefälschter Documente verlangt werden. Der Betrug als solcher ist verjährt. Die Geschichte der ganzen „Affaire Humbert", die nun seit sieben vollen Monaten Paris und Frankreich, ja die ganze Welt beschäftigt, sei hier unserer Leserschaft nochmals in kurzen Zügen vor Augen geführt: Madame Therese Humbert, geb. Daurignac, baute alle ihre Manipulationen auf der 100 Millionen-Erbschaft Mr. Henry Robert Crawfords auf, zu der sie angeblich folgendermaßen gekommen war: Vor dem Hause ihrer Mutter, der Madame Daurignac in Toulouse, stürzte einst Monte. öS Roman von ff. v. Schrribrrshofen- Entrüstet sah Erich sie an. „Kannst Du jetzt wirklich an die paar Mark denken, die Dich die Karte gekostet hat?" .Warum nicht?" sagte sie sehr kühl. „Das Geld ist leider eine sehr wichtige Sache für mich; ich kann auch mit ein paar Mark nicht leichtsinnig umspringen. Dock gebe ick Dir insofern Reckt, daß man dergleichen niemals anssprecken dürste. Das Zeugniß wirst Du mir aber wohl geben, daß ich nicht leicht klage und mich nach meiner Decke strecke, die oft kurz genug ist." Antonie hatte sich heftig in die Ecke des Wagens geworfen und iah schweigend vor sich hin. Melanie beobachtete sie von der Seite. Das also war der Erfolg ihres Nachsinnens nach jenem Theaterabende! Ja, armes Kind, so durstest Du einem Manne wie dem Hofmarschall nicht begegnen, der wollte an ders behandelt sein! Melanie gab Antonie von jetzt an auf und trat ganz auf Les Hofmarschalls Seite. Als der Wagen vorsuhr, war das Haus still und dunkel, obgleich es noch nicht sehr spät war. Die Möglichkeit, der Hofmarschall brauche nichts von der ganzen Sache zu er fahren, schien nicht ausgeschlossen. Doch kaum hielt der Wagen und hatte Melanie leise die Glocke gezogen, so öffnete sich die Hausthür, um den Hausherrn selbst Melanies erstauntem Blick zu zeigen. Sie verabschiedete sich sehr eilig, sie hatte ihm nichts zu sagen; als sie aber den harten, strengen Ausdruck seines Gesichtes und den kalten, durchbohrenden Blick seiner Augen sah, that ihr Antonie wirklich leid. Aber was der Mensch säet, muß er auch ernten: Melanie hatte kein Recht, zwischen Mann und Frau zu treten. Doch an einen Sieg Antonies über ihren Mann glaubte sie nicht mehr. Mit einem mehr neugierigen als mit leidigen Blick aus das ungleiche Paar ging sie die Treppe hin auf in ihr Zimmer. Antonie schien ganz ruhig, weder erschreckt, noch ängst lich. „Du erlaubst wohl, dcß ich mich erst umkleide, ich weiß, die Toilette bat nickt Deinen Beifall." Ihre Stimme klang etwas heiser, aber den Hofmarstball wollte es bedünken, als klänge sie spöttisch. Er runrelte die Stirn, und sein Herz verhärtete sich, als er stumm nickte und in das nächste Zimmer trat, wo er unbeweglich neben dem Ofen stehen blieb, bis sie wieder kam. Sie hatte ein dunkles Hauskleid angelegt, sich aber nickt die Zeit ge nommen, ihre Zöpfe wieder ausznstecken. Sie hingen halb aufgelöst über ihren Nacken herab und gaben ihr ein so jugendliches, fast kindliches Ans ehen, daß ihr Mann unwill kürlich einen Blick in den Spiegel warf, in dem er sein graues Haar und sein faltenreiches Antlitz sah. Antonie setzte sich an den Tisch, legte die Hände zu sammen und sah erwartungsvoll zu ihm auf. Er war wie immer in ganz schwarzem Anzuge, mit einer kleinen Bandrosette im Knopfloch, die er bei anderen Gelegen heiten durch eine Kette mit Miniaturorden ersetzte. Seine schwarze Kravatte saß tadellos, kein Stäubchen war auf seinem Anzuge zu sehen. Er erschien niemals anders, Antonie meinte oft, man könnte leichter mit ihm verkehren, trüge er nur ein mal einen Haus- oder Schlafrock, oder wären seine spärlichen grauen Haare nur etwas weniger sorgfältig geordnet. „Ich habe die Dienstboten zu Bett geschickt," sagte er nach einer Weile, „sie brauchten nicht zu wissen, wann ihre Herrin endlich zurückkehren würde. Ick konnte Dein Fortgehen nicht hindern, da mir die Möglichkeit einer solchen Auflehnung gegen meinen Willen zu fern lag." Da aber Antone nickt antwortete, sondern ihn mit anscheinender Gleichgiltigkeit an sah, fuhr er gereizt fort: „Du scheinst noch immer nicht An sehen zu wollen, daß Du Pflichten gegen mich hast." Sie atbmete einmal tief auf, räusperte sich dann und sagte fest und laut: „Sie sind dock wohl gegenseitig." In seinem Blicke lag unwilliges Erstaunen. „Welche hast Du denn je erfüllt, und welche hätte ich je gegen Dich verletzt?" Sie sprang auf, und den Kopf zurückwersend, daß ihr langes blondes Haar wie ein Goldstrom über das dunkle Kleid floß, ries sie mit einem Aufschluchzen: „Die allererst« — mich vor einer Verbindung zu bewahren, die mein Un glück sein mußte." „Du hast freiwillig, ohne Zögern Dein Jawort gegeben, Du hast Dir keine Bedenkzeit ausgebeten, Du warst ganz einverstanden," sagte er sehr kühl, indem er anfing, im Zimmer auf und ab zu gehen, wobei er hin und wieder einen Stuhl gerade rückte oder zurückschob. Langsam rollten die Thränen über Antonies Wangen, als sie mit zitternder Stimme versetzte: „Das that ich, aber doch nur wie ein unwissendes Kind. Nicht ich, Du und mein Vater, Ihr wußtet, was Ihr verlangtet, und was ick damit that. Ich glaubte, wir würden als gute Freunde zusammen weiter leben, an das Aufgeben jedes einzelnen Gedankens, jeder Empfindung, die Du nicht theilst, daran konnte ich nicht denken." „Du übertreibst wie gewöhnlich," sagte er gelassen und sah sie flüchtig an, als er seinen Gang durch das Zimmer fortsetzle. Ihr Antlitz röthete sich, ihre Augen blitzten auf, die kalte Ruhe an ihn: reizte und erbitterte sie aufs Aeußerste. „Ich übertreibe nicht. Kannst Du leugnen, daß Du ver langst, es solle Alles in Deine Schablone passen? Nichts oll gelten, als was Du bestimmst, nichts ist Recht, wenn es Dir nickt paßt. Ich soll die Welt sehen, wie sie Dir erscheint, heute, jetzh nicht wie sie Dir erschien, als Du jung und froh warst." Sie stockte — war er jemals jung und froh ge wesen, hatte er jemals die Welt luftig und heiter angesehen?