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Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Liebenley» und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. ^5 3^. Ireitag den 6. Mai 1870. Bekanntmachung an den ärztlichen Kreisverein des Regierungsbezirks Dresden. Die Neuwahl eines außerordentlichen Mitgliedes des Landes-Medicinal-Collegiums betr. Da nach Z 20 und 21 des zur allerhöchsten Verordnung vom 12. April 1865 gehörigen Regulativs das dermalige ärztliche und zugleich als Vorsitzender des Kreisvereins fungirende außerordentliche Mitglied des Landes-Medicinal-Collegiums, Herr Prof. vr. Richter, am 1. Juni dieses Jahres aus gedachtem Collegium scheidet, so werden die Mitglieder des ärztlichen Kreisvereins im Regierungsbezirke Dresden aufgefordert, behufs der eine Wiedererwählung nicht ausschließenden Neuwahl eines ärztlichen außerordentlichen Mitgliedes des Landes-Medicinal-Collegiums bis zum 20. Mai d. I. Nachmittags 3 Uhr die Stimmzettel in mit Privatpctschaft oder sonst gut verschlossenen und auf der Außenseite mit der Bezeichnung „Wahlzettcl des vr. oder Usä. praot. dl. zu dl." beschriebenen Couvert, frankirt, unter Adresse des unterzeichneten Wahlcommissars in dem Eingangsburcau der Königlichen Kreis-Directum abgcben zu lasten. Nach der Wahl eingehende Stimmzettel bleiben unberücksichtigt. Zur Gültigkeit der Wahl ist die Bctheiligung der Hälfte der Kreisvcreinsmitgliedcr erforderlich. Dresden, am 29. April 1870. Der Medicinal-Beisitzer der Königl. Kreis-Direktion Dresden. Medieinalrath Lki Tag csgeschichte. Wilsdruff, am 6. Mai 1870. Wir freuen uns, wieder einmal einen Fall auführeu zu können, welcher beweist, daß nicht alles Gute und Preiswertste allein in der Großstadt zu suchen und zu finden ist, sondern daß dasselbe auch die bescheidene Provinzialstadt aufzuweiseu hat. So finden wir z. B. in unserm Wilsdruff im Magazin des Herrn 6. lläbniostou sehr preiswerthe und anerkannt gute Cianos, welche nicht nur hier und in den Nachbarstädten Nossen, Tharand und Umgegend Absatz finden, sondern auch die Herren Residenzler, welche doch in Dres den Fabriken und Magazine genug besitzen, suchen Wilsdruff auf, um sich hier im Jähnich'schen Magazin ein schönes Piano ans der berühmten Fabrik von Hölting L Spangenberg in Zeitz zu kaufen.— Ist dies an und für sich auch nicht gerade etwas Außergewöhnliches, so verzeichnen wir diesen Fall hier doch gern, um dadurch, wenn möglich, zum Renommoe der Firma C. A. Jähnichen etwas beizu- tragcn. Wie die Dr. N. hören, wird auch von der sächsischen Artillerie eine Jubelfeier ihres in diesem Jahre 250jährigen Bestehens beabsichtigt, über deren Zeitpunkt und Ausdehnung man indeß bis jetzt noch nicht schlüssig ist. In Dresden hat sich unter der Firma Wettiner Straßenbauge sellschaft eine Gesellschaft gebildet, welche beabsichtigt, bestimmte Straßenbauten in Dresden auszuführen. Zu dem Zwecke soll vor erst ein Capital von 750,000 Thlr. durch Emission von 3500 An theilscheinen ü 200 Thlr. beschafft werden, zu deren Uebernahme das Gründungscomitec cinladet. In der Nacht vom 30. April bis 1. Mai sind die Begüterten Rentzsch, Fritsche und Münch in Zadel bei Meißen total abgebrannt. Leider ist auch das Leben des bei Rentzsch in Dienst stehenden Schirr meisters Marx zu beklagen. Ebenso hat der einige 70 Jahre alte Handarbeiter Pinkert aus Golk, welcher seiner in Zadel dienenden Tochter Hilfe leisten wollte, durch einen Schlaganfall sein Leben eingebüßt. Glauchau, 1. Mai. Gestern Abend sah der Weber St. in Rothenbach das Kleid seiner Frau, mit der er sich kurz zuvor gezankt hatte, aus der halb geöffneten Thür eines Kleiderschrankes herauS- hängen. Beim Nähertreten wurde er mit Schrecken gewahr, daß seine Frau mittelst eines an dem im Schranke befindlichen Rechens befestigten Strickes sich erhängt hatte. In Folge der unter Anleitung eines Arztes sofort vorgenommcnen Belebungsversuche gelang es zwar, die Erhängte zum Leben zurückzurufen, dieselbe ist jedoch unter hef tigen Krämpfen heute Morgen verstorben. Am 3O.April wurde in Zwickau eine Sonntagsschule eröffnet, in welcher der Schule entwachsene unbemittelte junge Mädchen un entgeltlichen Unterricht in den nöthigsten weiblichen Arbeiten erhal ten sollen. In Zittau und Olbersdorf sind seit einigen Tagen die na türlichen Blattern zum Ausbruch gekommen. Berlin, 2. Mai. Die „Trib." schreibt: Das Zollparlament soll am künftigen Sonnabend, also am 7. Mai, nach kaum 16tägi ger Dauer geschlossen werden. Gelingt es, die Tarifreform zu einem Abschluß zu bringen, so wird man von der alljährlichen Einberufung des Zollparlaments, wie sie in der ersten, jetzt ablaufendcn Legisla turperiode erfolgt war, Abstand nehmen. Am 9. Mai will der Reichstag seine Arbeiten, und zwar mit dem Budget und dem Gesetz über den Unterstützungswohnsitz beginnen, dann folgt das Autoren recht und als Schluß das Strafgesetzbuch. Man erwartet, die ge summten Arbeiten bis zum 28. Mai, spätestens aber bis zum 2. oder 3. Juni beenden zu können. — Vom Grafen Bismarck lauten die Nachrichten nicht ungünstig, der Genesende soll jedoch noch sehr der Kräftigung bedürfen und muß jetzt von allen Arbeiten fern bleiben. Für die weiteren Beschlüsse über das Strafgesetzbuch ist sein Wieder eintritt in die Geschäfte von erheblichster Bedeutung. Es wird in der That eine Concession an den Reichstag dahin vorbereitet, daß man die Todesstrafe auf Mord beschränken und im Wesentlichen die übrigen Beschlüsse des Reichstages annehmen will. Man glaubt, daß Bismarck geneigt sein wird, darauf einzugehen, aber — man hält es für sehr schwierig, ohne sein Hinzuthun, mit dem Reichstage überhaupt zu Unterhandlungen zu gelangen. Denn der Boden an entscheidender Stelle ist von der Camarilla, d. h. den Spitzen des Herrenhauses auf directem oder indirektem Wege unterwühlt. Von dieser Seite ist der Vorstellung Raum gewonnen, das Strafgesetzbuch sei nach den Beschlüssen de§ Reichstages ein „demokratisches, den Staat cntchristlichcndcS Machwerk" und die Abschaffung der Todes strafe ein neuer Raub an den Rechten der Krone. So arbeiten die notorischen Gegner des Nordbundes und seiner Organe für ihre Zwecke. Präsident Simson hätte beinahe hinter die Zäune und Hecken schicken müssen, um das Zollparlament nicht vollzählig, aber doch beschlußfähig zu machen. Einer kommt direkt aus der Festung, wo er einen kleinen Jnjurienhandcl abzusitzen hat. Das ist Or. Bissing, ein ultramontancr Heißsporn aus Hcidclbcrg, der auch vr. Bissig heißen könnte. Er ließ dem Zollpariament sagen, er könne nicht kommen, denn er sitze just eine Strafe in Rastatt ab; er hätte die Sache zwar anders arrangiren können, er wolle aber lieber auf die Festung als ins Zollparlament kommen. Sofort erhob sich der ba dische Bevollmächtigte v. Türkheim und erklärte, die badische Negier ung habe Herrn I)r. Bissing von der Festung beurlaubt, er könne also nach Berlin kommen. Den Mitgliedern des Reichstages werden dic Censureu über Fleiß und Betragen ausgestellt. Man' hat Jedem (ans den stenogra phischen Berichten) genau nachgerechnet, wie vielmals er geschwänzt hat. Es bekommen leider nur Wenige eine gute Censur, die beste nur 15 Herren, die niemals geschwänzt haben. Etwa 50 Herren, haben sich? in den Reichstag wählen lassen, ohne sich einmal zu zeigen. Napoleon läßt also am' 8. Alai über die Verfassung und über sich und seine Dynastie (denn er hat sein Söhnlein mit in das Plebiscit hineingeschmuggclt) abstinnuen. lieber das turbulente Pa ris hinüber wendet er sich an die Provinzen, an das Volk der Bau ern und Kleinbürger; er tritt mit einer Ansprache unmittelbar vor das Volk und diese Ansprache ist nicht einmal von einem Minister