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Wochenblatt Wilsdruff, Tharandt, Nossen, Sievenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 37. Ireitag den 13. Mai 1870. Tag esgesch ichte. Das königl. Ministerium desJnnnern hat die Verordnung, das gleichförmige Buttermaaß betreffend, so abgeändert, das alle Ver käufer von Butter entweder unmittelbar nach dem Gewicht, oder nach dem sogenannten Kannenmaße zu erfolgen habe, und zwar soll die Kanne 2 Pfund, oder ein Kilogramm, das Stückchen aber ein halbes Pfund oder ein Viertelkilogramm, gleich 25 Neulothen wiegen. Ge formte Stücke dürfen nur nach der Kanne und deren Unterabtheilun- gen verkauft werden. Contravenienten sind mit einer Polizeistrafe von 10 Ngr. bis zu 20 Thlr. zu bestrafen. Als zum Verkauf aus gestellt ist die Butter anzusehen, wenn sie in einem Verkaufslokal oder auf dem Markte öffentlich auSgelegt, oder in ein Haus gebracht wird. Der Verwaltungsrath der Dresdner Feuerversicherungs-Gesell schaft thcilt den Actionärcn zur Beruhigung mit, daß der durch den Magdeburger Speicherbrand vom 23. v. M. die Gesellschaft treffende Schadenautheil, den das Gerücht auf 30,000 Thlr. angab, die Summe von 10 bis 11,000 Thlr. nicht übersteigen werde. Die Zeichnungen für das Wettinerstrahenbau-Projeet in Dres den sollen ein befriedigendes Resultat ergeben haben, daß dessen Ausführung als gesichert zu betrachten ist. Die Kette zur Schleppschifffahrt ist nunmehr im ganzen sächsi schen Bereich der Elbe gelegt. In den jüngst vergangenen Tagen hatte ein in Zschornewitz bei Döbeln dienender Knecht einen Diebstahl ausgeführt; unter den gestohlenen Effecten befand sich auch ein Spazierstock, dessen Verberg ung dem Diebe wohl Mühe machen mochte, denn er zerbrach den selben, nahm die Stücke mit hinaus aufs Feld und ackerte dieselben ein. Hierbei war er jedoch, wie er erst später bemerkte, von einem in demselben Gute dienenden jungen Burschen beobachtet worden. Obgleich der Letztere dem Knechte auf Befragen versicherte, daß er gar nichts gesehen habe, scheint doch dem Diebe das böse Gewissen keine Ruhe gelaffen zu haben, denn in der darauf folgenden Nacht überfiel er den Burschen im Schlafe, legte demselben einen Strick um den Hals und versuchte ihn an einen Balken aufzuhängen, in der Eile mochte aber dem Bösewichte das Ende des Strickes aus der Hand entschlüpft sein, so daß der Junge in die Scheune hinabfiel. Dorthin eilte der Knecht seinem Opfer nach, ergriff es aufs Neue und versuchte den Burschen an einem in dec Wand befindlichen Has pen aufzuhängen. Glücklicher Weise war es dem Letzteren gelungen, die Hand zwischen Hals und Strick zu bringen und sich dadurch vor dem Ersticken zu bewahren. Es wurde ihm auch möglich, um Hilfe und hierdurch seinen Dienstherrn herbeizurufen. Leider unterließ der Letztere, geh noch in der Nacht des Verbrechers zu versichern; dem selben wurde cs dadurch möglich, sich der irdischen Gerechtigkeit zu entziehen, denn am andern Morgen fand man ihn an demselben Haspen erhängt, an dem er die Nacht zuvor sein unschuldiges Opfer aufzuknüpfen versucht hatte. Glauchau, 7. Mai. Ein beklagenswerther Fall erreignete sich heute Morgen ^6 Uhr im Gehöfte eines hiesigen Tischlermeisters. Der 17 Jahre alte Lehrling eines hiesigen Tuchscheerers räumte da selbst den von seinem Meister angekauften Dünger aus und stand hierbei auf dem quer über die Grube liegenden das Secret tragen den Balken, als letzterer brach und ersteres auf den jungen Menschen herabstürzte; außer einem Armbruch wurde ihm auch die Brust ein gedrückt, so daß sein Tod augenblicklich erfolgte. Die beiden Unteroffiziere in Zwickau, die aus Bosheit ihre Mannschaft nöthigten, um einen glühenden Ofen herumzuknien, sind vom Kriegsgericht zur Einstellung in die Strafcompagnie verurtheilt worden. Hoffentlich entgeht auch der Quälgeist von Sergeant in Oelsnitz nicht seiner Strafe, der einen sonst braven Soldaten zum Selbstmorde getrieben hat. Die Eltern geben ihre Söhne zum Dienst für das Vaterland, aber auch die Ungeschicktesten nicht dazu her, daß sie von rohen Menschen auf die moralische Folter gespannt werden. Von dem Comitv zur Begründung einer evangelischen Kirche zu Ostritz in der Oberlausitz ergeht an die evangelischen Glaubensbrüder in und außerhalb Sachsens ein Aufruf, durch Liebesgaben mitzuhel fen zur Erbauung einer protestantischen Kirche daselbst und zur Be gründung evangelischen Gemeindelebens. Mehrere Zweigvereine der Gustav-Ädolph-Stiftung haben die Qstritzer Protestanten schon im vo rigen Jahre mit Unterstützungen bedacht, hoffentlich geschieht dies auch fernerhin. Schleiz, 6. Mai. Gestern Abend nach 11 Uhr sind in Gräfcn- warth 8 Bauerngüter und 2 Kleinhäuser auf der rechten Seite des Dorfes (von Schleiz aus) durch die Flammen verzehrt und 2 Häu ser durch Einreisien beschädigt worden. Der verantwortliche Nedacteur des „Berl. Börsen-Courr.", Da vidsohn, nebst dem Herausgeber dieses Blattes, Franz Schmidt, standen vorige Woche vor dem Stadtgerichte, um sich wegen eines Leitartikels über die Unfehlbarkeit zu verantworten, in welchem Ein richtungen der katholischen Religion geschmäht sein sollten. Der Ge richtshof erkannte auf Freisprechung. Es fehlte auch gerade noch, daß in einer Zeit, wo die Jesuiten ibr empörendes Spiel treiben, und gegen alle Errungenschaften der Civilisation frech ankämpfcn, die Presse auch nicht einmal den Mund aufthun sollte, um die Jntrigiien dieser Menschen, von denen man nicht weiß, ob sie mehr wahnsinnig oder mehr infam boshaft sind, zurückzuweisen. Wenn die eine Seite beständig beleidigt und verflucht, so wird doch der andern Seite das Recht der Abwehr nicht ganz geschmälert werden dürfen. Einschrän- ken muß man sich ohnehin schon selbst gern- . Lebte Luther heute, er lüde sich alle Tage mit seiner immer dir . aufs Ziel losgehenden unerschrockenen Polemik ein Dutzend Preßprozcffe auf den Hals. Das goldene Zeitalter ist im Canton Schaffhausen ange brochen. Dort hat die Staatsregierung mit einem solchen Ueberschuß abgeschlossen, daß für die nächste Etatsperiode gar keine Steuern erhoben zu werden brauchen. Die „Neue Freie Presse" bringt einen längeren Aufsatz über die Folgen, wenn das Concil die päpstliche Unfehlbarkeit decretirt, zn dessen Kennzeichnung wir den Schluß mittheilen: „Aeußcrlich wird die katholische Kirche nicht sofort darum zusammenbrechen, weil der Papst für unfehlbar erklärt wird, aber in ihrem Innern wird der Zersetzungsprozcß beginnen. Es ist, sobald das neue Dogma einge führt wird, für eimn Menschen von fünf gesunden Sinnen nicht ein mal mehr möglich, sich einen Katholiken zu ncnucn, so lange diese Benennung die Zumuthung einschließt, an die persönliche Gottühn- lichkeit eines hinfälligen Greises zu glauben. Das einzige Mittel, die vollständige Abwendung aller vernünftigen Leute von der katholischen Lehre zu verhindern, ist die Trennung der katholischen Kirche in Deutschland von Rom. Jene, denen an der Zukunft des Katholicis- muS etwas liegt, mögen cs beherzigen, daß seine Rettung vielleicht auf einem Schisma beruht." Paris, 10. Mai. Das Gesammtrcsullat des Plebiscits, ausge nommen drei rückständige Wahlbezirke, gestaltet sich folgendermaßen: 7,160,000 mit „Ja" und 1,523,000 mit „Nein." Die Armee hat bis jetzt 227,000 mit „Ja" und 39,000 mit „Nein", die Marine 23,000 mit „Ja" und 5000 mit „Nein." Gestern fanden in der Faubourg du Temple einige Ruhestörungen statt. Barrikaden aus Fuhrwerken wurden errichtet, aber widerstandslos durch die Gardechasseurs ent fernt. Vor der Kaserne Chateau d'Eau fanden zahlreiche Volksver sammlungen statt; Truppenabtheilungen machten die üblichen Auffor derungen zum Auseinandergehcn, dann erfolgte der Angriff, die Hau fen zerstreuten sich; ein Meuterer ward schwer verwundet. Die „Ga- zetta Tribuneaux" meldet: eine Schildwache hat ihren Posten ver lassen, ein Soldat ist zu den Meuterern übergegangcn. Letzterer ward ergriffen und verhaftet. Die Banden sangen die Marseillaise, rufend: Es lebe die Republik, Rochefort hoch! klebriges Paris und die Departements sind ruhig. Kaiser Napoleon hat am 8. Mai seine Franzosen darüber abstimmen lassen, ob sie mit seinem System, mit ihm und seinem Hause zufrieden sind. In der Abstimmung liegt ein großer Ernst. In Frankreich kämpfen weit andere Gewalten gegen einander und gegen die Regierung als bei uns. Die öffentliche Meinung, wie sie sich in einer unruhigen, geistreichen, übermächtigen Hauptstadt macht, un> wie sie durch die Presse von abhängigen, ehrgeizigen und par teisüchtigen Personen verbreitet wird, ist dort die unruhige Herr scherin des Tages. Dem leitenden Minister von Frankreich sind die