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lochcMM Tagesgeschichte. Wilsdruff, am 23. Mai 1872. Die am ersten Pfingstsciertag auch unsere Stadt und Fluren glücklicher Weise weniger schwer berührten Gewitter, haben an vielen andern Orten an Garten- und Feldfrüchten, sowie an den Obstbäumen theilweise bedeutenden Schaden angerichtct, so z. B. in den Orten Wermsdorf, Reckwitz, Gollwitz, Döbcn, Leptitz, Mannc- wiy, Wiedcroda, Ober- und Niedergrauschwitz, Remsa, Wadcrwitz und Mahlis. Im Dorfe Bischheim schlug der Blitz in ein Haus, zündete und das Fencr vernichtete dasselbe'biS ans die Umfassungs mauern. Im Dorfe Görnitz bei Leisnig schlug der Blitz in einen vor dem Communhanse stehenden großen Baum und tödtete von den darunter sitzenden Kindern ein fünfjähriges Mädchen und verletzte einen Knaben. Auch in der Nähe von Brand hat der die Gewitter begleitete Sturm Bäume gebrochen und entwurzelt. Das „Dr. I." berichtet: Unsere Residenzstadt Dresden bot, wie immer zu dem Pfingstfeste, auch in den Tagen seit Sonnabend «in Bild des regsten Lebens und Treibens; ja nach der uns bis jetzt ermöglichten Uebersicht dürfte die diesjährige Frequenz kaum von einer der srühren Jahre erreicht werden. In langen Zügen führten uns die sämmtlichen Bahnen Vergnügungsreisende zu, welche die Schönheiten unserer Stadt, ihre reichen Sammlungen rc. zu schauen kamen und zum großen Theil dann mittelst Dampswageu oder Dampfschiff sich nach den Bergen und Thalern der sächsischen Schweiz, dem Plaucnschen Grund und anderen durch ihre Naturschönheiten ausgezeichneten Punkten zerstreuten. Die Dampfschifffahrt insbeson dere hatte die größten Anstrengungen zu machen, um den massen haften Verkehr zu bewältige». Sv stark war am Abend der Zu- draug nach unserer Sladt, daß die Hotels und Gasthäuser bei Wei tem nicht alle Fremden aufnehmen konnten und manche derselben in Gefahr waren, die Nacht lütter freiem Himmel hinzubringcn oder auch die nächsten Städte anfzusuchen. Plauenscher Grund. Die im ganzen Bezirk veranstalteten Sammlungen, um in entsprechender Weise die goldene Jubelhochzcit des sächs. Königspaares auszeichncn zu können, nehmen besonders in Burgk einen recht erfreulichen Verlauf, indem sich dort bis jetzt bereits über 400 Knappschaftsmitglieder in die auSgelegten Sammel listen cingezeichnet haben, ein thalsächlicher Beweis davon, daß innige Verehrung und dankbare Liebe zu unserem Königshause auch im hie sigen Bergmannsstande in reichem Maaße zu finden sind. — Bei Gelegenheit seines 81. Geburtstages hat Baron Herr von Burgk dem hiesigen Frauenvercin die Summe von 100 Thlrn. geschenkt. — Dem Lehrer Herrn Zschoch er in Kleinburgk ist vom deutschen Kaiser und König von Preußen in diesen Tagen das von Friedrich Wilhelm 111. gestiftete k. Preuß. Ehrenzeichen mit dem rothen Kreuze im weißen Felde verliehen worden. Aus der sächsischen Schweiz. In den Nachmittagsstunden des 17. Mai fanden im Elbhochlande heftige Gewitter statt, und man zählte in nicht weitem Umkreise wenigstens sechs starke electrische Entladungen nach der Erde. Gegen 3 Uhr schlug ein Blitz in das Wohngebäude des Bauergutsbesitzers Kart Füssel im Dorfe Klcin- gicshübcl, der selbst abwesend war, tödtete in der Wohnstube dessen Söhnchen Emil und ein ISMrigcs Dienstmädchen, Wilhelmine Hake, lähmte auch momentan die Hausfrau. Mehrere andere anwesende Personen waren verschont geblieben. Mit deren Hilfe wurden die Getroffenen aus dem brennenden Hanse getragen. Rettungsversuche an den zwei Erschlagenen, vom sofort herbeigerufenen Arzte angestellt, blieben leider ohne Erfolg. Das Haus und ein kleineres Auszugs- haus brannten nieder. Den Anstrengungen der Löschenden gelang mittelst guter Spritzen die Erhaltung der sehr bedrohten Nachbarge bäude, auch der anfänglich strömende Regen half die Dächer schützen. Im Dorfe Görisch ist gleichzeitig ein Haus mit Nebengebäuden nie- dcrgebrannt. Am 14. d. M. ist in der Scheune des Ortsrichters und Guis- besitzcrs Schuhmann in Piskowitz Feuer ausgebrochen und das ganze Gehöfte niedcrgebranut. Möbel, Geräthschaften und Vieh wurden gerettet. Der dort stationirte Gensdarm faßte bezüglich der N tstchung des Brandes Verdacht gegen ein im Dienste Schuhmanns befindliches Mädchen, das ihm denn auch gestand, das Feuer ange legt zu haben, worauf die Brandstifterin verhaftet wurde. lieber den Feldstanb im Königreich Sachsen bringt die „Schl, landw. Ztg." einen ausführlichen Bericht, in welchem es u. Ä. heißt: Die Wmterölsaaten standen nicht nur in dem Nieder lande, sondern auch in dem Mittelgebirge bereits Ende April in schönster Blüthe und versprechen eine zufriedenstellende Ernte. Auch der Weizen erfreute sich eines hoffnungsreichen Standes; leider kann dies von dem Roggen nicht gesagt werden. Was die Kleearten an langt, so behaupten dieselben überall da, wo ihnen der Zahn und die Führten der Mäuse nicht wesentlich geschadet haben, einen aus gezeichneten Stand und versprechen einen großen Futterreichthum; bereits ist der Nothklee sp hoch herangewachsen, daß man in aller kürzester Zeit mit seinem Schnitt behufs der Grünfütterung beginnen kann. Ausgezeichnet ist ferner der Stand der Wiesen und scheint eine sehr reiche Heuernte fast vollständig gesichert; zudem wird dieselbe sehr zeitig fallen, denn schon jetzt ist daS Gras auf vielen Wiesen schon so hoch herangewachsen, daß es zur Noth gemäht werden könnte. Sehr schnell und ausgezeichnet gut verlief die Sommersaal- bcstellung, welche gegenwärtig bis auf Rüben und Kraut fast voll ständig beschickt ist. Die frühen Saaten behaupten einen sehr hoff nungsreichen Stand. Während das vorige Jahr den Obstbäumen so verderbenbringend war, scheint das heurige Jahr wieder gut machen zu wollen, was sein Vorgänger verbrochen. Die Jesuitendebatte in dem Reichstage hat feiten der deutschen Presse Oesterreichs eine ganz besondere Beachtung gefunden. Man ist dort erfreut über das Vorgehen der deutschen Negierung gegen die Ultramontanen, weil man hiervon gute Nachwirkungen für Oesterreich cnparlet. So schreibt u. A. die „N. Fr. Pr." Folgendes Zug um Zug, Schlag auf Schlag, Tag für Tag: das ist die Sig natur des Vertheidigungskrieges, deu das neue deutsche Reich gegen die wachsende llebcrhebung, EinmiscbungS- und Unterjochungslust des Ultramontanismus führt. Es ist in der liberalen deutschen Presse fast Sitte geworden, die von Bismarck gegen die klerikalen geübte Tactik mit derjenigen Moltkes gegen Frankreich zu vergleichen. Be sonnen jede Chance erwägend, niemals die eigene Kraft überschätzend und niemals die Stärke und die Klugheit des Gegners zu gering an schlagend, ist Deutschland bis zur Loire und zum atlandischen Ocean vorgedrungcn, wird es den Ultramontanismus bis an die wälsche Grenze zurückdrängeu. Wie im Sommer 1870 oft die weitausgehol- tcn Schlüge, bis sie zerschmetternd niederfielen, die ängstlichsten Be sorgnisse vor dem Zurückweichcn oder Mißlingen weckten, so läßt auch Bismarcks vorsichtige Tactik gegen Nom manchmal der Befürch tung Raum, als sei cs mit dem'Feldzuge nicht recht ernst gemeint, als würden mehr strategische Exercilien, denn wirkliche Schlachten vorgeführt. Aber im rechten Augenblicke wird der volle Ernst der Erfolg des Kampfes offenbar. So schien die Ernennung des Cardi nals Hohenlohe zum Botschafter in Nom ein bedenkliches Schwanken und Nachgeben anzndeuten, und nun erweist sie sich — wie sich aus der Debatte des Reichstages am 15. Mai ergiebt — als ein Wohl überlegtes Stratagem, ein scbeinbareS Zurückweichcn, das die Curie zu unvorsichtigem Vordringen und Bloßstellcn verlockte. So entschie den wie am 15. Mai ist von deutscher Seile lange nicht documentirt worden, daß der Clerus sich den Landesgesetzen zu unterwerfen, sich dcr Sonveränetäl des Staates zn beugen hat. Weuun alle Schulmeister im großen deutschen Reich zu den Waffen greifen würden, so würden sie gerade 2 Armeecorps bilden; denn cs gilbt 60,000 Volksschullehrer in Deutschland. Außer den Volksschulen giebt es in Deutschland 330 Gymnasien, 214 Progym nasien, 14 Realgymnasien und 483 Gewerb- und höhere Bürger schulen. Universitäten zählt das deutsche Reich 20 mit I622Doccu- ten und 15,600 Studenten. Polytechnische Schulen giebt cS 10. Nach Bazaine hat auch Uhrich, der Verthcidiger von Straß burg, gebeten, vor ein Kriegsgericht gestellt zu werden. Die franzö sischen Generale wetteifern, Märtyrer zu werden; Hütten sie gesiegt, so wären sie Heilige geworden und in den römischen Kalender ge^ kommen. für Wilsdruff, Tharandt, Rossen, Tiedenlehn und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Stadtrath daselbst. 4tt. " Freitag den 24. Mai 1872