Volltext Seite (XML)
Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Rvffcn, Licbcnlehn und die Umgczciidcn. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Dtadtrath daselbst. ^7 81. Dienstag den 15. Oktober 1872. Bekanntmachung. In Folge der wiederholten Feststellung von Trichinen in den auS Amerika importirten Speckseiten und in Berücksichtigung der zu nehmenden Einfuhr dieses Artikels aus Amerika findet das unterzeichnete Ministerium sich veranlagt, die Aufmerksamkeit des Publikums auf die mit dem Ankauf und Genuß der aus Amerika bezogenen Speckseiten verbundene Gefahr hinzulenkcn, sowie die Verkäufer solcher Waare auf die Bestimmung in § 367 Nr. 7 des Reichsstrafgcsctzbuchcs mit dem Bemerken zu verweisen, daß hiernach da-Z Fcilhalten oder der Ver kauf trichineuhalligen Fleisches mit Geldstrafe bis zu SO Thlr. oder mit Haft bestraft wird, neben der Geldstrafe oder der Haft aber auch noch auf die Einziehung der verdorbenen Eßwaarcn erkannt werden kann. Dresden, den 9. October 1872. - . Ministerium des Innern. von Nostitz-Wallwitz. " Der Verstand der Thiere, fälschlich Instinkt genannt. j Mit der Ansicht, das; die Gottheit ihre ganze große Welt einzig und allein zum Besten der Menschheit, dieses kleinen Bruchtheils der auf der Erde lebenden Geschöpfe, als eines weiteren kleinen Bruchtheils der ganzen Schöpfung eingerichtet habe, hängt auch die Anmaßung und Ueberhebung über unsere Stellung zu anderen lebenden Wesen eng zusammen. Bei der großen Menge ist die stehende Ansicht verbreitet, als ob z. B. die Sonne weiter keine andere Bestimmung habe, als unsere Erde zu cr- leuchten und zu erwärmen, Mond und Sterne keinen andern Zweck, als unsre dunk le» Nächte zu erhellen. Die Weisheit des Schöpfers schuf nach unserer überhebenden Meinung die unaussprechlich große» Weltkörper, um uns am Nachthimmcl als kleines Lichtpünktche» zu glänzen, und Niemand denkt daran, daß wenn Dies die Absicht der Gottheit gewesen wäre, Millionen Mal kleinere, aber uns bedeutend näher gerückte Weltkörper ganz dieselbe Wirkung erzeugt haben würden. Wir wähnen uns in selbst gefälliger Weise als die Meistergcbilde der ganzen Welt, denen die Gottheit ihre ausschließliche Sorgfalt zu Theil lassen werde und denken durchaus nicht daran, daß auf den Myriaden von anderen und viel größeren Weltkörpcrn als unsere bescheidene Erde höchstwahrscheinlicher Weise Wesen wohnen, die uns an Vollkommenheit weit übertreffen und denen doch gleichfalls die liebende Fürsorge des Schöpfers zu Theil werden wird. Ganz dieselbe Ueberhebung beobachten wir auch den lebenden Wesen gegenüber, die mit uns die Erde bewohnen. Daß der Schöpfer alle den Tausenden und Aber- tauscndcn von Thieren da« Leben nur deshalb gegeben habe, um dem Menschen zu nützen und von demselben zu seinen Zwecken gebraucht zu werden, gilt als eine aus gemachte Thatsache, und wenn die eine oder andere Thiergattung uns schadet oder uns vielleicht nur lästig wird, so Pflegen wir uns erstaunt zu fragen, welche Zwecke der sonst so weise Schöpfer Wohl mir dieser Thiergattung verbunden haben könne. Indent Wir unS als die Herren der Erde betrachten, taxiren wir den Werth der unter uns stehenden Geschöpfe nur nach der Nützlichkeit, den sie dem Mcnschengc- schlechte gewähren und bilden uns steif und fest ein, daß der Herr des Himmels und der Erde seine ganze Schöpfung von ganz demselben Gesichtspunkte aus betrachten müsse. Und doch hat der gütige Gott das kleine Käferchcn, dem er in unseren Ge- trcidehalmen sein Nahrungsgebiet angewiesen, die Mücke, die uns lästig sällt, das Naubthicr, das sogar unser Leben bedroht, mit Existenzmittcln versehen. Schon da rin, daß auch für ihr Fortkommen gesorgt ist, liegt der Nachweis, daß die allliebcnde Sorgfalt über alle Wesen ausgcbreitct ist, und wenn wir daran denken, daß alle Ge schöpfe sich ihres Daseins freue» sollen, so müßte das nur von Pflanzenkost lebende Neh dem Schöpfer ^angenehmer sein als der Jäger, der dasselbe mit dem tödtlichen Rohre verfolgt. Von der überschätzten Bedeutung unserer menschlichen Stellung ausgehend, sind wir auch zu leicht geneigt, den unter uns stehenden Geschöpfen in Bezug auf ihr Seelenleben einen wahrscheinlich viel zu niedrigen Rang einzuräumen. Unläugbar ist, daß der Mensch mit seinem geistigen Denkvermögen weit über den Thieren steht: wenn wir aber, wie Dies nur zu häufig geschieht, den übrigen lebenden Geschöpfen alles geistige Leben absprechen und die darauf zielenden Regungen auf Rechnung des sogenannten Instinkts setzen wollen, so sind wir in osfenbarem'.Jrrthume. Der Be griff des Instinkts ist uns schon von der Schule eingeimpft und von Geschlecht zu Geschlechte sortgccrbt, ohne daß wir wenig mehr als eine dunkle Ahnung von Dem besitzen, was darunter verstanden werden soll. In früherer Zeit dachte man sich unter instinktiven Handlungen diejenigen Maaßregeln, welche ein lebendes Geschöpf zu seiner Erhaltung unbewußt ergreift: die Befriedigung des Hungers durch Auf suchen und Ergreifung der Nahrung, die Abwehrung eines feindlichen Angriffs ent weder durch Vertheidigung oder durch Flucht, das Ausstichen eines bergenden Ob daches vor den Unbilden der Witterung u. s. w. Derartige instinktive Handlungen kommen auch bei den Menschen vor. Wenn in* Jemand nach den Augen schlügt, : so überlegen wir uns nicht erst lange, daß cs gerathcn sei, das Auge zu schließen, sondern unbewußt senken sich sofort die Augenlicder über den bedrohten Augapfel. Viele sehr wichtige Funktionen unseres Organismus, ;. B. das Athmen, der Blut umlauf, die Verdauung sind sogar unserem eigenen Willen entzogen, und es ist in der That vortrefflich, da wir unseres Lebens wenig sroh sein würden, wenn wir sorgsam darauf achten mühten, in jeder Minute 2 bis 3 mal zu athmen, in jeder Secunde das Blut durch unsere Adern zu treiben und die zur Verdauung noth- wendige Magcnbewegung selbst einzuleiten und zu überwachen. Derartige für die Erhaltung des Organismus nothwendige Verrichtungen entzog die Natur dem Willen des lebenden Wesens und sie waren es eigentlich, die man früher unter instinktiven Hastdlungcn verstand. Weil man aber den Thieren jedes Denkverinvgcn absprach, so half man sich später leicht damit, alle verständigen Handlungen der Thiere als instinktive, von der Natur schon vorgesehene und deshalb in den thierischen Organis mus hineingclegte zu bezeichnen. Ganz sicher ist, daß wir einer großen Anzahl von Handlungen der Thiere be gegnen, die wir uns allerdings nicht erklären können, .weil sie verständig ausgesührt sind, ohne daß doch die Thiere die Folgen ihrer Handlungen übersehen konnten. Wie wir Menschen durch Erziehung, verbunden mit Unterricht, und durch die selbst gemachte Erfahrung lernen, so lverdcn sich auch die Thiere ganz ohne Zweifel einen kleineren oder größeren Schatz von Erinnerungen ansammeln, die sie im gegebenen Augenblicke vcrwerthen. Daß viele Thiere ihre Jungen erziehen und anlernen, ist ja längst bekannt. Ein junger Vogel, der das fliest verläßt, thut Dies nicht ohne Unterstützung, man könnte sagen, Zurechtweisung der Alten, die ihm die erforder lichen Lectioncn im Fliegen crtheilen. Wie eine Katze ihre Jungen unterrichtet, die Gelehrigen durch ihr trauliches Miauen belobt, die Ungeschickten na hdrücklich absteaft, daran könnte sich in gewisser Beziehung sogar gelegentlich die eine oder andere menschliche Mutter ein Beispiel nehmen. Ebenso wenig können wir darüber zweifeln, daß sich die Thiere unter einander durch Stimme und sonstige Zeichen recht Wohl verständigen können, wie es ja vielfache Beispiele dafür giebt, daß bei gesellig leben den Thieren, von denen das Eine durch Schaden klug geworden ist, bei derselbe» Gefahr von allen Anderen die größte Vorsicht beobachtet wird. Neben der Verstän digung ist sicher auch für die Thiere die Erfahrung der beste Lehrmeister. Gleichwohl begegnen wir einer Reihe von Thatsachen, für die eine ausreichende Erklärung sehr schwer ist. Die Thiere scheinen zu wissen, ohne gelernt zu haben. Trotz der Warnungsrüfe der alten Henne begeben sich die von derselben ausgebrü- tetcn Enten in das Wasser, sobald sie dasselbe erblicken. Der im Käfig geborene Vogel wählt, wenn er frei geworden ist, zu seinem Neste denselben Stoff, nicht selten denselben Strauch oder Baum, er giebt seiner sclbstgeschassenen Wohnung dieselbe Form, wie alle anderen freigeborenen Vögel seiner Gattung. Wird der junge Ham ster, der noch keinen Winter durchgcmacht hat, von seinen Acltern darüber belehrt, daß auf die Zeit der Nahrungsfülle eine Monate dauernde Zeit absoluten Mangels komme, sobald das unterirdische Haus nicht reich mit Nahrung versorgt sei? Woher wissen viele Thiere die Härte und Dauer eines bevorstehenden Winters durch vor beugende Maaßregeln per verschiedensten Art (durch frühzeitiges Fortzichen der Zug vögel, tieferen Erdbau der Winterschläfcr, dichtere Netze der Spinnen und Jnsekteneier u. s. w.) zu bestimmen? Wir wissen es nicht, und manche dieser Thatsachen sind uns ebenso wunderbar und erstaunlich, wie die außerordentliche Schärfe der Sinne, mit deren Hilfe z. B. die Zugvögel aus dem Innern Afrika's im Frühling das heimathlichc deutsche Dorf wieder finden; gewisse Fische (Lachse und Aale) vom Meere aus bis in dieselben Gewässer zurückkehren, aus denen sie selbst entsprungen sind; mit denen die ihrer Spurkraft Wegen nicht sonderlich berühmten Katzen das heimathlichc Haus wieder aufzusuchen verstehen, selbst wenn sie Meilen weit in einem Sacke fortgebracht worden sind. Derartige Beispiele ließen sich noch in großer An zahl anführen. (Schluß folgt.)