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Wochenblatt für Wilsdruff, Tharandt, Stoffen, Siebentel)« und die Umgegenden. Amtsblatt für das Königliche Gerichtsamt Wilsdruff und den Ltadtrath daselbst. 19. Dienstag den 8. März 1879. Tag esgeschichte. Mit dem 1. April d. I. sollen für den Umfang des norddeut- sckcn Postgebietes sogenannte „Postbestellzettel" eingeführt werden. Dieselben haben den Zweck, für die Geschäftsleute den Verkehr zu erleichtern, indem auf ihnen einfache Waarenbestellungen oder ähn liche Notizen kurz nvtirt und zum Portosatz von V, Groschen beför dert werden. Die C. Z. schreibt: Die Leser erinnern sich der vielfachen Be schwerden, welche unsere Zeitung aus Siebenlehn über das Walten des dortigen Pastors Lenk gebracht hat. Dieselben sind nicht unge rechtfertigt befunden worden, denn man hat denselben zur Verant wortung gezogen und ihm darauf wegen seiner Predigtweise und sonst das Geeignete zu erkennen gegeben. Gleichzeitig aber — und man mag daraus entnehmen, welche Stellung bei uns den Kirchen vorständen angewiesen wird — ist dem Verfasser jener Artikel, Herrn Äloä. praet. Kreys (derselbe hat sich unaufgefordert dazu erkannt) zu erkennen gegeben worden, daß er die ihm als Kirchenvorsteher obliegenden Pflichten verletzt habe. Denn erstens Hütte schon Z 18 dcr K.-V.-O. ihn vom Rügen in öffentlichen Blättern abhalten sollen, und zweitens bestimme ß 20 ausdrücklich: daß der Kirchcnvorsteher, welcher wahrnehmen zu müssen glaubt, daß die Amtsführung eines Geistlichen dem Wohl der Gemeinde nicht förderlich sei, solches im Kirchenvorstand zur Sprache bringen und diesem die weitere Ent schließung, resp. Anzeige, überlassen solle. Da nun aber Kreys, an statt diesen Weg cinzuschlagen, unter Umgehung des KirchcnvorstandeS, den Weg derOeffentlichkeit betreten und sich nicht gescheut habe, auf diese Weise die Predigten und bcz. auch die sonstige Amtsführung des Pfarrers Lenk blos zu stellen, so habe die Kreisdirection solches zu billigen nicht vermocht und sie werde, wenn Kreys von einem solchen mit der Vorschrift der K.-V.-O. nicht zu vereinbarenden Ver fahren künftig nicht ablassen sollte, gegen ihn, nach vorgängigem Gehör des ge'sammten Kirchenvorstandes, zu ernsterem Einschreiten sich genöthigt sehen. Ins Bezirksgericht Leipzig wurden am 2. März ein paar Arbeiter cingeliefert, die auf dem Rcmmlerschen Gute in Lausen bei Markranstädt beim Abträgen einer alten Scheune unter einem Steine versteckt gegen 200 alte Silbcrmünzen, Specicsthaler, Gulden rc., gefunden und den Schatz heimlich nach Leipzig geschafft hatten, da selbst aber beim Umsetzen desselben angehalten und von der Polizei verhaftet worden waren. Vergiftet hat sich am 1. März in Leipzig mit Salzsäure ein 17jähriges Dienstmädchen in der Windmühlenstraße; die Arme hatte eine kleine Geldsumme unterschlagen und sollte deshalb von der Herr schaft entlassen worden. Eine Zusammenstellung der Selbstmorde und der mit tvdtlichcm Ausgang verbundenen Unglücksfälle im Leipziger Regierungsbe zirke im Jahre 1809 ergiebt Folgendes: Gcsammtzahl der Selbst morde: 188 (160 männliche, 28 weibliche Personen), davon waren 104 (84 männliche, 20 weibliche Personen), Folge von Nahrungs sorgen, Krankheit, Melancholie rc.; 43 (39 männliche, 4 weibliche Personen), Folge von Trunksucht, Liederlichkeit, Furcht vor Strafe rc.; 41 (37 männliche, 4 weibliche Personen) Folge von unbekannt gebliebenen Ursachen. Aus Camenz wird berichtet: Infolge eines Streites hat am 3. Marz der Dienstknecht Schreiber den Arbeiter Kreische ausBrauna erschlagen. Grimma, 3. März. Allgemeine Theilnahme findet hier das traurige Schicksal, welches den auf hiesigem Bahnhöfe angcstclltcn Einnehmer und Telegraphisten M. zu dem verzweifelten Entschlusse getrieben hat, sich das Leben zu nehmen. M. hatte lediglich, um ei nen Anderen aus einer schweren Verlegenheit zu helfen, eine Geld summe aus der von ihm verwalteten Kasse genommen, das Defizit wurde, ehe es gedeckt werden konnte, entdeckt und heute früh fand man den Unglücklichen erhängt auf. Ein recht bedauerlicher Unfall hat sich jüngster Zeit im Orte Callenberg bei Waldenburg insofern ereignet, als ein im 2. Jahre stehendes Kind in einem unbewachten Augenblicke, während die Mutter desselben nur ganz kurze Zeit die Stube verlaffen, in die Nähe des Ofens gerathen, dabei einen mit siedendem Wasser gefüllten Topf er faßt und den Inhalt desselben sich auf den vordem Theil des Kör pers geschüttet hat, so daß das Kind davon so erhebliche Brand wunden erlitten, daß solches andern Tages darauf unter unsäglichen Schmerzen seinen Leiden erlegen ist. Von den sächsischen Neichstagsabgcordncten haben alle in Ber lin Anwesenden, von allen Parteien, also Ackermann, Mosig von Aehrenseld, Ur. Blum, v. Einsiedel, Eysold, Gebert, Heubner, Ur. Hirsch, Oehmichen, Ur. Schwarze, Ur. Stephani und v. Zehmen gegen die Beibehaltung der Todesstrafe gestimmt. Beurlaubt sind Günther, Leistner, Riedel, Wigard und v. Salza, während Schraps, Götz und die Arbeiterführer Liebknecht, Bebel, Försterling und Mende noch nicht eingetreten sind. Der Norddeutsche Reichstag hat sich mit leuchtender Majorität für Abschaffung der Todesstrafe ausgesprochen. Der Bundesrath dagegen ist in seiner Majorität noch für Beibehaltung. Ein Mittel weg, geeignet, beide Parteien zufrieden zu stellen, wäre unstreitig: die Todesstrafe vor der Hand provisorisch und zwar auf 5 Jahre, also versuchsweise abzuschaffen, um durch die Erfahrung belehrt zu werden, ob sich durch Hiuwegfall dieser die todeswürdigcn Ver brechen vermehren oder nickt. Ist Letzteres der Fall, dann, im In teresse unseres Zeitalters, fort mit der Todesstrafe. Bei der Ver handlung über diese Frage auf dem Reichstage stellte sich das na mentlich für uns Sachsen nicht uninteressante Curiosum heraus, daß der katholische Geistliche Ur. Küntzcr entschieden gegen die Todes strafe cintrat, während unsere protestantischen Geistlichen bekannt lich auf dem letzten Landtage sich für Beibehaltung der blutigen Strafart aussprachen. Der Geist, wie auch der Text der Evange lien wissen Nichts zu Gunsten der Todesstrafe und die erwähnten Herren nennen sich gleichwohl — evangelische Geistliche!!! Jedenfalls scheint die Abschaffung der Todesstrafe für politische Vergehen als dringend geboten. Wir brauchen nur 20 Jahre zu rückzugehen, wie manche damals nach einem blutigen Codex Hinge richtete Persönlichkeit würde sich heute Hoch nicht nur des Lebens er freuen, sondern selbst in hoher Achtung und vielleicht auch in hoher Stellung stehen. Wenn z. B. der damalige Ministerpräsident von Ungarn sich im Jahre 1849 nicht den Henkern Haynaus, der berüch tigten Hyäne von Breszia, durch die Flucht entzogm, wäre er so gut wie die dreizehn ungarischen Generäle und andere Patrioten ohne Weiteres gehängt worden. Ta man seiner Person nicht habhaft werden konnte, schlug man dafür sein Bild und seinen Namen an den Galgen. Heiliges Standgericht! Heute Galgen und nach zwei Jahrzehnten Ministerpräsident! In politischen Angelegenheiten ist das überhaupt ein curioses Ding, wie denn auch der Engländer gar nicht so unrecht hat, wenn er sagt: Hochverrath ist nur dann Hochverrath, wenn er nicht gelingt. Gelingt er, wird in der Regel aus dem bisherigen Hochverräther ein tugendhafter Bürger, großer Patriot und Vaterlandsrctter. Wie wir in jedem ausführlichen Ge schichtsbuche über das Frankreich der neuesten Zett lesen, ward Lud wig Napoleon wegen seines Umsturzes der Verfassung vom höchsten Gerichtshöfe Frankreichs vor Gott und aller Welt des Hochverraths für schuldig erklärt; was halfs, er avancirte trotzdem vom republi kanischen Präsidenten zum absoluten erblichen Kaiser. Ob man die sem Herrscher ebenfalls das Prädikat eines tugendhaften Bürgers, großem Patrioten lind VatcrlandSrctterS beizulegen sich veranlaßt finden wird, möchte indeß zu bezweifeln sein. (D. N.) Tausende von fleißigen und geschickten Händen in Wien, die seither gefeiert hatten, regen sich wieder, nachdem ihnen die Arbeit geber die schwarzen Finger etwas versichert haben. Die Setzer sind zu ihrer Arbeit zurückgekehrt. Eine charakteristische Meldung ist auf telegraphischem Wege aus Ungarn eingetroffen. Danach sind dort durch das Thauwetter alle Wege und selbst die Chausseen so grundlos geworden, daß die eben im Zuge befindliche Recrutirung auf unbestimmte Zeit vertagt wer den mußte. Im ungarischen Reichstage ist erst vor wenigen Tagen über das ungarische Straßennetz sebr eifrig debattirt worden, eine drastischere Illustration aber, als die obige telegraphische Mitthei- lung, konnte zu jenen Debatten wahrlich nicht geliefert werden. Spanien. Ein trübes Licht auf die Zustände in Spanien wirft eine Correspondcnz der „A. A. Z." aus Madrid vom 28. Februar.