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Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Wochenblükt fÜk Wllsdmsf UNd ilMgLgeNd Postscheckkonto Leipzig 28614 Dieses Natt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der AmtShauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt Verleger »md Drucker: Arthur Zschau Ke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für den Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Nr. 224 Sonnabend den 24. September L821. 80. Jahrgang. Kleine Zeitung mr eurge Lescr. * Der Führer der Deutschen Volkspartei, Dr. Stresemann, erklärte in Pforzheim, er beantworte die Frage des Zusammen gehens mit der Sozialdemokratie mit einem glatten Ja. * Nach Pariser Nachrichten soll die Entscheidung über Oüer- schlesicn in Gens noch vor dem 1. Oktober erfolgen. * Aus London wird gemeldet, daß die Botschaflerkonferenz ein Ultimatum an Ungarn vorbereitet, in welchem Ungarn eine Frist von 10 bis 14 Tagen zur Räumung des Burgenlandes gesetzt wird. * Polen hat an Rußland ein Ultimatum gerichtet, in der es Teilzahlungen auf die Kriegsentschädigung verlangt. * Griechenland hat sich an England gewendet mit der Bitte, den Frieden mit der Türkei zu vermitteln. * In Washington haben die endgültigen Verhandlungen im Senat Wer den Frieden mit Deutschland begonnen. * Der amerikanische General Wood berichtete an die Regie rung, daß die Philippinen nicht reis für die Unabhängigkeit seien. Kriegssekretär Weeks hat erklärt, daß die Vereinigten Staaten die Philippinen behalten werden. Göritz und die PMeiey. Für die Beurteilung der Frage, in welcher Weise sich die Beschlüsse des sozialdemokratischen Parteitages in die Wirklichkeit umsetzen lassen werden, ist die Aufnahme die ser Beschlüsse bei den einzelnen Parteien von entscheiden der Bedeutung. Man kann bei einer Überprüfung der bis jetzt vorlie genden Äußerungen feststellen, daß der heftigste Wider stand vom äußersten linken Flügel kommt, von den Kom munisten, denn die „Rote Fahne" erklärt ihren Lesern, daß die Sozialdemokratie sich nun der Bourgeoisie unter worfen habe und daß man deshalb mit ihr noch entschiede ner als bisher abrechnen müsse. Auch innerhalb der Un - abhängigen ist man, wenn auch die nicht lange zurück liegenden Annäherungsversuche der Sozialdemokraten ihre Wirkung in einer Milderung des Tones spüren lassen, sehr wenig geneigt, eine Anerkennung für den sozialdemokrati schen Parteivorstand auszusprechsn. Die „Freiheit" selbst stellt fest, daß die Sozialdemokraten die Stellung der Ar beiter geschwächt hätten und daß sich bald zeigen werde, wie richtig die Unabhängigen Grundsätze „proletarischer Politik" gegenüber den mehrheitssozialistischen Grund sätzen feien. Und schärfer noch äußert sich der unabhängige Führer Crispien in dem gleichen Blatt, der es als un faßbar bezeichnet, daß „die Nechtssozialisten ihre Koali tionspolitik unter Erweiterung auf eine neue reaktonäre Partei" fortsetzen. Und die Mehrheitssozialisten selbst haben, so leicht sie in Görlitz mit der Opposition fertig wurden, jetzt anscheinend doch einige Befürchtungen, ob sie mit ihrem linken Flügel sich werden verständigen kön nen, denn es trifft zu, wenn die „Sozialistische Korrespon denz" sagt, daß man die sozialistischen Wählermassen nicht auf die Görlitzer Beschlüsse, sondern eher auf ein Ab schwenken der Partei nach links zur „Einigung" des Pro letariats vorbereitet habe. Aber letzten Endes kommt es nicht auf die Haltung des äußersten linken Flügels der Parteiensront an, son dern auf die Stellung, die die bürgerlichen Parteien ein nehmen. Die augenblicklich der Sozialdemokratie verbün deten- beiden Regierungsparteien, Zentrum und De mokraten, begrüßen vorbehaltlos den Beschluß, beson ders warm das Zentrum. In der „Germania" liest man: „Die Sozialdemokratie hat die Zeichen der Zeit verstan den, sie hat der politischen Entwicklung der letzten Zeit Rechnung getragen" und auch das Berliner Tageblatt äußert sich anerkennend. In der Deutschen Volks partei werden allerdings mancherlei Schwierigkeiten zu überwinden sein, wenn es zu einer Verständigung kommen soll. Denn der rechte Flügel dieser Partei äußert sich nicht allzu freundlich. Die Tägliche Rundschau besonders lehnt das Zusammengehen mit der Sozialdemokratie ziemlich schroff ab und sieht die Görlitzer Beschlüsse nicht als eine der politischen Entwicklung entsprechende Folge an, son dern bewertet sie als eine sozialistische Mache, durch die sich die Sozialdemokratie von einem Teil der Verantwor tung, die sie für die Annahme des Ententeultimatums und für die ganze Entwicklung der deutschen Verhältnisse trägt, befreien wolle. Zweifellos werden die rechtsstehenden Po litiker dieser Partei sich von gewissen Einflüssen aus den Kreisen der Deutschnationalen Partei nicht frei machen können, die nicht unbedingt gegen ein Zusammen gehen von Volkspartei und Sozialdemokratie eiütritt. Frei lich erklärt auch die Deutsche Tageszeitung in Übereinstim mung mit eine Rede, die Hergt vor kurzem in Braun schweig hielt, daß auch die Deutschnationale Partei nicht eine arbeiterfeindliche Regierung anstrebe, und sie meint, daß die antinationalen Tendenzen der Sozialdemokratie irgend ein Zusammenarbeiten mit ihr unmöglich machten. Aber eben deshalb glaubt das Blatt, daß die Görlitzer Be dingungen „ein kaudinisches Joch für jede Partei bedeu ten, die sich als ein Träger des nationalen Gedankens fühlt". Auch die Kreuzzeitung fürchtet, daß die Tenden zen der Deutschen Volkspartei selbst in einer Regierung von Scheidemann bis Stresemann unterdrückt werden wür den und daß die Volkspartei „die Rolle eines im Ver borgenen blühenden Veilchens" in einer solchen Regierung würde spielen müssen und ganz unwillkürlich von Tag zu Tag weit nach links gesprengt werden würde. Man wird wohl annehmen dürfen, daß die Opposition der deutsch nationalen Fraktion im Reichstage immerhin schwächer werden wird, wenn durch den Eintritt der Deutschen Volkspartei in die Regierung gewisse Garantien für oie künftige Regierungspolitik gegeben sind. Man kann, alles zusammenfassend, sagen, daß weder auf der äußersten Rechten noch auf der äußersten Linken Zufriedenheit über die sich eröffnenden Zukunftsaussichten besteht, daß aber jede der beiden Mgelgruppcn, wenn diese Aussichten sich verwirklichen, durch die Mitwirkung der benachbarten Parteien an der Regierungsarbeit ihre eigenen Interessen, wenn auch in bescheidenem Umfang, gesichert glauben wird, und daß deshalb die Erzielung der innerpolffischen Beruhigung, die die Erweiterung der Re- gierung hervorbringen soll, nicht als eine absolute Un möglichkeit erscheint. * Stresemann für die Verständigung. Im Pforzheimer Ortsverein der Deutschen Volkspar- tek hielt Dr. Stresemann, der Führer der Volkspartri, eine Rede, in der er die Politik des Reichskanzlers Dr. Wirth in der bayerischen Angelegenheit mißbilligte und weiter erklärte: Unsere Partei steht aus dem Boden der Weimarer Verfassung. Wenn an mich die Frage gerichtet Wird, ob ich zu einem Zusammenarbeiten mit der Sozial demokratischen Partei bereit bin, dann beantworte ich sic mit einem glatten Ja. Staat und Wirtschaft können die Mitarbeit der produktiven Kräfte, der Politiker, Beamten usw., die in den Parteien organisiert sind, nicht entbehren. Anstatt zu sagen: Hie Rechtsblock, hie Linksblock! sollte man den Gedanken propagieren: Volksgemeinschaft aller. Wir müssen eine Arbeitsgemeinschaft schließen mit der Sozialdemokratie. Aus diesem Gesichtspunkte mache ich ferner kein Hehl daraus, daß ich mich freue über den Be schluß der Sozialdemokraten auf dem Görlitzer Parteitag. Er eröffnet den Weg einer Verständigung in Preußen und im Reich. Wir erklären uns bereit, uns in den schweben den Finanzsragen, in der Junen- und Außenpolitik auf eine breite Basis zu begeben, um dem Reiche zu dienen. Ich sage, wir kommen nicht zu gesunden Verhältnissen, wenn jeder nur an seine Partei denkt, sondern nur dann, wenn die Vernunft siegt, nur wenn wir uns zu gemein schaftlicher Arbeit zusammenschließen. Und die Reichs tagsfraktion, die in diesen Tagen in Heidelberg beisammen war, hat mir ru dicker Zusammenarbeit ihre Unterstützung zugesagt. Griechenland biiiei nm Frieden. England soll vermitteln. In London glaubt man, daß die griechische Regierung dem englischen Gesandten zu Athen die Bedingungen mit geteilt hat, unter denen sie bereit wäre, mit der Türkei Frieden zu schließen. Flucht und Verfolgung. Die von der griechischen Armee in der Sakariaschlacht und während des Rückzuges erlittenen Verluste sollen 20 000 Mann übersteigen, die zahlreichen an Sumpffieber Erkrankten nicht eingerechnet. Die Griechen, die gezwun gen sind, ihre Rückzugslinie zu ändern, ziehen sich nun mehr gegen Norden zurück, in gleicher Richtung mit der Eisenbahnlinie, die nach Eski Schehir führt. Eine kemalistische Mitteilung vom 20. d. M. besagt: Westlich des Sakaria wird die Verfolgung des Feinaes fortgesetzt. Wir fahren fort, Maschinengewehre, Auto mobile und anderes zurückgelassenes Material einzusam« mein. Über den Sakaria sind Brücken geschlagen morden. Brückenbau- und anderes Material wurde erbeutet, das die Griechen nicht in Sicherheit hatten bringen können. Der allgemeine Angriff von türkischer Seite wird fortgesetzt. Die türkischen Truppen rücken auf der Halbinsel Jsmid m Richtung aus Eskischehir weiter vor. Die fliegenden Ko lonnen der Türk-» belästigen von allen Seiten die Griechen. politische Rundschau. Deutsches Neich. Zur Ratifikation des Friedens mit Amerika. Aus Washington wird gemeldet: Der Kongreß ist zu sammengetreten. Harding hat eine Botschaft über die Frie densverträge mit Deutschland und Österreich gesandt. Se nator Lodge, der Führer der Republikaner, hat eine Be sprechung mit Harding gehabt. Wie verlautet, wurde ver einbart, daß die Verträge der Kommission für auswärtige Angelegenheiten überwiesen werden, deren Vorsitzender Lodge ist. Entscheidung über Oberschlesicn vor dem 1. Oktober? Aus Genf will der „Newhork Herald" zuverlässig er fahren, der gegenwärtige Stand der Arbeiten des Viercr- komitees für die oberschlesische Frage ließe die Annahme gerechtfertigt erscheinen, daß eine Entscheidung vor Schluß der gegenwärtigen Session des Völkerbundes erfolgen könne, und daß der Völkerbundsrat noch vor dem 1. Ok tober der Vollversammlung Mitteilungen über die Ergeb nisse seiner Verhandlungen machen werde. Verfahren gegen einen sächsischen Minister. Durch die Dresdener Staatsanwaltschaft ist jetzt gegen den sächsischen Kultusminister Fleißner auf Grund des 8 110 des Strafgesetzbuches ein Verfahren anhängig ge macht worden. Fleißner wird bekanntlich beschuldigt, in erner Versammlung, die am 26. August in Dresden statt- fand, seine Zuhörer öffentlich zur Anwendung von Ge walt aufgefordert zu haben, um den bürgerlichen Staat zu zertrümmern. Die Regierungsbildung in Thüringen. , ,,Der Bezirksvorstand der Unabhängigen Sozialdemo- Thüringens hat sich jetzt bereit erklärt, mit den Mehrheitssozialisten auch dann eine rein sozialistische Re- gierung zu bilden, wenn die Kommunisten nicht mitmacheu sollten. Die Unabhängigen stellen für ihre Teilnahme eine Bedingungen aus. Der zurückgetretene thürin- siflche Minister Freiherr v. Brandenstein, der wahrschein- rc-E. Bildung des neuen Kabinetts übernehmen wird, ist offiziell zur sozialdemokratischen Partei übergetreteu Ungarn. X Vorgehen der Entente wegen des Burgenlandes Die Botschafterkonferenz bereitet ein Ultimatum an Ungarn vor, in welchem eine Frist von 10 bis 14 Tagen zur Räu mung des Burgenlandes gesetzt wird. Andernfalls sollen die schärfsten Maßregeln ergriffen werden. In- britischen Kreisen wird eine wirtschaftliche Blockade als nicht ge nügend wirksam betrachtet, aber über eine Entsendung von Truppen ist ein Entschluß bisher noch nicht gesaßt worden. Polen. X Konflikt mit Rußland. Der Vertreter der Svwjc!- rcgierung in Helsingfors teilt mit, die polnische Regierung habe am 19. 9. an die Sowjetregierung ein Ultimatum ge richtet. Polen droht, die Beziehungen abbrcchen zu 'vol len, wenn Rußland nicht bis zum 10. Oktober die volnisckc Forderung einer ersten vertragsmäßigen Teilzahlung und der Rückgabe polnischen Eigentums erfülle. Die Sowjet regierung könne das Ultimatum nicht billigen, zumal die polnische Regierung die russische Forderung, bis zu dem selben Zeitpunkt der Tätigkeit Sawinkoffs sowie der den Getreidetransport störenden Banden Einhalt zu tun ab geschlagen habe. Nordamerika. 2 X Das Programm für die Abrüstungskonferenz. Der Programmentwurf der Regierung für die Abrüstungskon ferenz wurde den Teilnehmern der Konferenz übermittelt. Den Mächten wurde mitgeteilt, daß das Programm im wesentlichen nur Anregungen enthält, und daß es Ab- änderungs- und Zusatzanträgen unterworfen ist. Das Programm enthält folgende Punkte: 1. Beschränkung Ler Rüstungen zur See und Ausführungsbestimmungen. 2. Kontrollbestimmungen für die neuen Regeln der Kricgs- führung. 3. Beschränkung der Rüstungen zu Lande. 4. s Fragen betreffend China. 5. Fragen betreffend Sibirien und gleichartige, China betreffende Fragen. 6. Die Man date über die Inseln. Nus Zn- und Ausland. Danzig. Der amerikanische Meridreadnought „Utah" ist in Begleitung des Torpedobootes „Sands" hier eingetroffen. Genf. Der Papst hat eine Botschaft an den Präsidenten der Völker-buudsversammlung gerichtet, in der er die Staaten um schnelle Hilse für das unglückliche russische Volk bittet. Brüssel. Der Senat hat mit 58 gegen 44 Stimmen einen Gesetzentwurf angenommen, der den Frauen das Wahlrecht bei den Provinzialwahlen verleiht. Stockholm. Die Sozialdemokraten haben bei den ReichZ- tagswahlen 5 Sitze gewonnen, wahrscheinlich kommen noch mehr dazu. Eine sozialistische Regierung ist wahrscheinlich. Washington. Lloyd George und Lord Curzon haben offi ziell mitteilen lassen, daß sie -nicht zur Abrüstungskonferenz kommen können. Gozialdemokfattscher Parteitag. (Fünfter Tag.) Görlitz, 22. September. Der belgische Delegierte de-Broncktzres hielt nach dem Referat Radbruchs über die Justiz eine Ansprache in franzö- si-cher Sprache, in der er die Übereinstimmung der belgischen Genossen mit -den deutschen betonte und ausfirhrte, auch die belgischen Arbeiter -hätten das größte Interesse cm der Siche rung der deutschen Wirtschaft. Die deutsche Mark sinkt nicht allein in der Welt. Der Frank sinkt und steigt mit der Mark. Die* Probleme in Deutschland sind Probleme der ganzen Welt. Die bayerische Frage. Bürgermeister Treu-Nürnberg befaßte sich eingebend mit den Zuständen in Bayern. Er sagte u. a.: Durch die Po litik der Kahr-Regierung ist Bayern neben Ungarn als reak tionäres Land in Europa verrufen. Es ist eine akute Gefahr für die deutsche Republik. Diese Gefahr zu -beseitigen, ist in erster Linie Aufgabe der bayerischen Sozialdemokratie, ent weder mit oder gegen die neue Regierung. So darf cs in Bayern nicht wsitcrge-hen. Ist dir neue Regierung bereit, diese Zustände zu beseitigen, mit eisernem Besen in Bayern auszu kehren, so wird sie idabei die Sozialdemokratie an ihrer Seite finden. Ist sie dazu nicht bereit, will sie das System Kahr beibehalten, dann gebe ich Ihnen heute das feierliche Ver sprechen, daß in Bayern ein Kampf beginnen wird, wie wir ihn bisher noch nicht erlebt haben. Es stehen uns verschiedene Mittel zur Verfügung, auch solche, die im politischen Kampfe noch nie zur Anwendung gekommen find. — In gleicher Rich- fimg gingen dic Ausführungen des Vorsitzenden Wels, der ausfMrte: Eine Lehre find die Zustände in Bayern für uns