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Fernsprecher Wilsdruff Nr. 6 Wochenbett für WWdsUff UNd !/MgegtNd Postscheckkonto Leipzig 28614 Dieses Blatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amtsgerichts Wilsdruff, des Gtadkrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt Verleger «nd Drucker: Arthur Zschunke in Wilsdruff. Verantwortlicher Schriftleiter: Hermann Lässig, für de» Inseratenteil: Arthur Zschunke, beide in Wilsdruff. Nr. 226. Dienstag den 27. September 1921. 80. Jahrgang. Erschaut »gNch mH «»«nähme der Sonn, und Festtage nachmittag« 5 Uhr für den folgenden Tag. 2l-zug«prei« bei SEstadhokmg monatlich 4^0 MI., durch unsere Austräger zugetragen i» der Stadt monatlich 5 MI., auf dem Lande Ml, durch dt« Post bezogen viertetjähriich 15.15 MI. mit ZusteilungSgebühr. Aste postanstaitcn und Postboten sowie »ch« Austräger und Geschäftsstelle nehmen jederzeit Bestellungen entgegen. 3m Falle höherer Gewalt, Kiteg oder Dnsttger Letr!eb«st5rungen hat der Bezieher leinen Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung de« Bezugspreise«. Kleine Zeitung für eilig« Leser. Im VMerbundsrat soll angeblich ein Vorschlag vorliegen, daß «ine neue Abstimmung in Qberschlesien stattfinden solle. Die Stimmung unter der oberschlcsischen Bevölkerung, gegen eine Teilung Oberschlesiens, werde immer stärker. * über die wirtschaftlichen Sanktionen am Rhein soll eine Einigung erzielt worden sein. Die Zollgrenze soll in kurzem fallen. * Reichskanzler Dr. Wirth äußerte starke Zweifel darüber, ob Deutschland weitere Geldzahlungen leisten könne. * Der in Berlin weilende bayerische Ministerpräsident Gras Lerchenfeld machte Besuche bei dem Reichspräsidenten und dem Reichskanzler. Man erhofft baldige Beilegung der bisherigen Zwistigkeiten. * Der sozialdemokratische Parteitag nahm vor seiner Be endigung den neuen Programmentwurs mit allen gegen füus Stimmen an. * Ungarn hat eine Frist von zehn Tagen erhalten, um das Burgenland zu räumen. Die Note ist daher ein tatsächliches Ultimatum. UmbildungReichsregierung Der Wunsch, unsere Politik auf eine breitere Basts zu stellen und in die Koalition der Regierungsparteien im Reiche wie in Preußen neben der sozialdemokratischen auch die Deutsche Volkspartei htneinzuziehen, hat ein sonderbares Echo gefunden. Die Parteien, die nicht zu einander kommen konnten, die Mehrheitssozialisten und Volksparteiler, sind nunmehr bereit, miteinander zu ar beiten, aber weite volksparteiliche Kreise wünschen die Ausschiffung des gegenwärtigen Leiters des Reichskabi netts. Hierzu schreibt uns ein führender, mit der bürgerlichen Linken sympathisierender Politiker: Die Sozialdemokraten haben in Görlitz den Beschluß ihres letztjährigen Parteitages in Kassel umgestoßen und sich prinzipiell zu einem Zusammengehen mit der Deut schen Volkspariei in der Regierung bereit erklärt, dem sie sich so lange widersetzt haben. Damit ist die Bahn für die seit langer Zeit besonders vom Zentrum und von den Demokraten angestrebte breite Koalition von Mehrheits sozialdemokratie bis zur Deutschen Volkspartei freige macht. Von dem theoretischen Entschluß des Zusammen gehens bis zum praktischen Zusammensiyen am Regie rungstisch ist allerdings noch ein weiter Weg. Die Sozial demokratie und die Volkspariei melden schon in mehr oder minder parteioffiziösen Presseäußerungen soviel Bedin gungen und Forderungen an, daß die Herbeiführung der Einigung kein leichtes Geschäft sein wird. Schwieriger wird die Frage weiter dadurch, daß die Regierungsumbil dung nicht nur für das Reich, sondern auch für Preußen zu vollziehen ist. In den Reihen der Sozialdemokraten besteht eine aus der letzten politischen Entwicklung her rührende Abneigung gegen den jetzigen preußischen Mi nisterpräsidenten Stegerwald. In der Deutschen Volkspartei andererseits stößt die Person des jetzigen Reichskanzlers Wirth auf gewissen Widerstand. So kommen zu den sachlichen Gegensätzen, die auszugleichen sind, noch persönliche Gegensätze. Aber trotz gegenseitiger Behauptungen darf man als sicher annehmen, daß nicht nur Zentrum und Demokraten, sondern auch Mehrheits sozialdemokraten bei Einbeziehung der Deutschen Volks partei in das Neichskabinett auf dem Verbleib des Dr. Wirth als Reichskanzler bestehen werden. Es ist be achtenswert, wie energisch die offiziöse Zentrumsparla mentskorrespondenz der Nachricht entgegengetreten ist, daß das Zentrum eine Zurückziehung Wirths als Reichskanz ler beabsichtige. Nicht minder deutlich ist auch von sozial demokratischer und demokratischer Seite betont worden, daß man auf dem Verbleib Wirths in der Reichskanzlei großen Wert lege. Man kann von sozialdemokratischer Seite die Auffassung hören, daß gerade die Reichskanzler schaft Wirths geeignet sei, die Koalitionsbildung zusam men mit der Deutschen Volkspartei einigermaßen schmack haft zu machen. Andererseits ist es ja bekannt, daß Wirth schon in den ersten Tagen seiner Kanzlerschaft sich um die Hineinziehung der Deutschen Volkspartei in die Reichs regierung lebhaft bemüht hatte, damals sehr zum Miß vergnügen der sozialistischen Mitglieder der bisherigen Koalition. Es ist um das Handeln und Verhandeln um Regie rungsposten zwischen Parteien bei Regierungsbildungen immer eine mißliche Sache. Zweifellos sollte nach dem Grundsatz verfahren werden, daß politische Entscheidungen nur aus sachlichen und nicht aus persönlichen Gesichtspunkten heraus zu treffen sind. Die Entscheidung über eine Kanzlerschaft Wirths geht aber weit über eine reine Personenfrage hinaus. Der Name Wirth ist für das Ausland ein Programm. Auch innenpolitisch ist Wirth eine politisch scharf abgegrenzte Figur, mit einer Anhängerschaft, die nicht durch das ge wöhnliche Parteischema abgegrenzt wird. Was gegen Wirth spricht, ist eine ausgesprochene Stellungnahme ge gen die Rechtsparteien, wie sie sich in den letzten Monaten und Wochen herausgebildet hafte. Man muß ihm aber zubilligen, daß er in diese Haltung von der politischen Entwicklung und den politischen Ereignissen hineinge drängt wurde, zumal seit dem Griesbacher Attentat. Die bayerische Frage aber, in deren taktischen Behandlung Wirth nicht stets den richtigen Weg gesunden haben mag, wird dann, wenn die Regierungsumbildung im Reiche endgültig zur Sprache kommen wird, Wohl schon eine befriedigende Erledigung gefunden haben. In einem Kabinett, das die vier Mittelparteien um faßt, kann der Reichskanzler notwendigerweise kein Mann ser Flügelparteien, sondern er muß ein Mann der Mitte, also der Demokraten oder des Zentrums sein. Keine die ser Parteien hat aber heute einen Kanzlerkandidaten auf zu weifen, der nach außen und innen soviel Einfluß aus- übt wie Wirth. Insbesondere kommt es Wirth zugute, daß er, da er fünf Vierteljahre das Finanzministerium verwaltet hat, in diesem heikelsten Punkte der Geschäfts führung des Reiches gut orientiert ist. Da er die Schwie rigkeiten der Finanzlage am besten einsieht, ist er vielleicht zur finanzpolitischen Einigung mit den Vertretern der Deutschen Volkspartei gerade der gegebene Mann. Endlich darf nicht vergessen werden, daß man an die Bildung die- ser vergrößerten Koalition gehen will, weil man erkannt hat, daß nur durch enge Zusammenarbeit aller produk tiven Kräfte der deutschen Wirtschaft und Politik das Schlimmste verhütet werden kann. Für Deutschland, das dauernd unter dem Druck seiner übermächtigen Vertrags gegner steht, gibt es keine andere Möglichkeit, als den ein mal beschrittenen Weg der Erfüllung des Ultimatums weiter zu gehen. Um hierfür die Möglichkeit zu schaffen, wird die große Koalition gebildet. Es wäre unlogisch, wenn man in diesem Augenblick den Mann, der das Lon. doner Ultimatum angenommen und den Weg der Erfül lung mit Energie und Erfolg beschritten hat, fallen lassen würde. Das Ausland, für das der Name Wirchs mit der deutschen ErfüllungspoliKk gleich ist, würde ein solches Vorgehen nicht verstehen. Der außenpolitische Kredit, den Wirth sich erworben hat, muß auch dem kommenden Ka- bineft zugute kommen. Das eine steht fest, wenn die Bildung der neuen Koa lition an und für sich schon eine schwierige Aufgabe sein wird, so würde sie dann fast unmöglich werden, wenn sie von irgendeiner Seite abhängig gemacht würde vom Rück- tritt Wirths. An dieser Personenfrage darf aber auf kei nen Fall das Zustandekommen der Arbeitsgemeinschaft von Mehrheitssozialdemokraten, Demokraten, Zentrum und Deutscher Volkspartei scheitern. * Der Meinungskampf um den Kanzler. Der preußische Ministerpräsident Stegerwald, der wie Dr. Wirth dem Zentrum angehört, und dem man gewisse Abweichungen von den Ansichten 'des Kanzlers über die poli tischen Notwendigkeiten vachgesagt hatte, bekennt sich in der Germania zur Politik der breiten Mitte, die, wenn sie möglich wäre, auch von den Unabhängigen bis zur Deutschen Volkspartei reichen könne, mir die Koalition von den Unab hängigen bis zum Zentrum halte er nicht für tragfähig, über sein Verhältnis zu dem Reichskanzler Dr. Wirth sagt Steger wald: Es darf zu alledem, was in -den letzten Wochen geschehen ist, nicht auch noch der falsche Anschein erweckt werben, daß eine kleine Gruppe rechtsgerichteter Kreise in Deutschland die Kraft besäße, den Reichskanzler zu stürzen. So steht die Partie nicht. Ich kämpfe, nachdem der mehrheitssozialdemotratische Patteitag die hauptsächlichsten Hindernisse für eine breite Mitte mit einem statten Arbeiterflügcl beseitigt hat, für Wirth. Das offizielle Organ der Deutschen Volkspartei, die Nationalliberale Korrespondenz, sagt in einer Auseinander setzung, die sich gegen Ausführungen der Germania richtet, die Deutsche Volkspartei denke gar nicht daran, etwa die Ini tiative zu einem Eintritt in die Regierung zu ergreifen, son dern werde Prattisch zu dieser Frage erst Stellung nehmen, wenn dies von feiten der gegenwärtigen Regierungsparteien geschieht. „Wir können,' heißt es weiter, „auf das bestimm teste versichern, daß der Gedanke einer größeren Koalition als Voraussetzung für eine gedeihliche Fortentwicklung unserer politischen Verhältnisse in der Deutschen Volkspattei so fest steht, daß es keinen maßgebenden Politiker der Partei gibt, der nicht bei einer etwaigen Regierungsbildung sofort auf die Mitwirkung seiner Person verzichten würde, wenn dies erforderlich wäre." Zum Schluß vermutet die Nail. Korr., die Darlegungen der Germania verfolgten den Zweck, den Ge danken einer breiteren Koalition im Reiche zu zerschlagen und der vollkornmen nach links gerichteten Politik Dr. Wirths da durch wieder zum Siege zu verhelfen. Ende der wirtschaftlichen GanMsnen. Aufhebung in kurzer Zeit. Endlich scheinen die Verhandlungen über die Aus hebung der zu Unrecht über den 15. September hinaus aufrechterhaltenen Wirtschaftssanftionen am Rhein zu einem in Deutschland befriedigenden Resultat zu führen. Die Verhandlungen zwischen der englischen und der fran zösischen Regierung über die neu zu errichtende Kontroll kommission zur Überwachung der Ausgabe der Ein- und Ausfuhrlizenzen seitens der deutschen Regierung an der Rheinzollgrenze sind beendet. Die Franzosen haben ihren Standpunkt, daß der Kommission ein Einspruchsrecht gegen die Erteilung solcher Lizenzen zugestanden werde, fallen laffen. Andererseits haben die Engländer den: zugestimmt, daß die alliierten Kommissare mit den Entscheidungen der derttschen Zollbehörden bezüglich der Ausgabe von Zollizenzen bekannt gemacht werden sollen. Damit ist die Möglichkeit gegeben, in gewissen Fällen Strafmatznahmen verhängen zu können. Nach dem Abschluß dieser Besprechungen erklärte der englische Botschafter der deutschen Negierung, daß die englische Regierung dem von Briand dem deut schen Botschafter in Paris gegenüber vertretenenStandpunkt bei-flichte, und datz der Beschluß des Obersten Rates nun mehr zur Durchführung gebracht werden könne. Sobald euw direkte Zustimmung der deutschen Re gierung zu den Beschlüssen der Alliierten vorliegt, soll eine kleine Konferenz von alliierten und deutschen Sachverständigen zusammentreten, die die Einzelheiten der Frage regeln soll. Darauf werde'die Zollgrenze am Rhein sofort aufgehoben werden. Weitere Goldzahlungen unmöglich. Dr. Wirths Bedenken, Der Reichskanzler unterhielt sich mit mehreren aus ländischen Journalisten über die finanzielle und allge meine politische Lage Deutschlands. Besonderes Interesse erwecken feine Äußerungen zu dem Berliner Vertreter des „Corriere d'Jtalia". Der Kanzler sagte, man könne nicht leugnen, daß die Feindseligkeiten der Rechtsparteien gegenüber dem gegen wärtigen Kabinett eine ernste Gfahr für die Republik be deuten. Die Schwierigkeiten, die das Reich zu überwinden hat, sind ungeheuer, es werde daher unmöglich sein, die nächsten Zahlungen mit derselben Leichtigkeit vorzuneh men, wie dies gelegentlich der ersten Milliarde der Fall war. Man muß sich daran erinnern, welchen tiefen Kurs sturz die Mark infolge der Zahlung dieser ersten Milliarde durchzumachen hatte. Wenn Deutschland weiter in Gold zahlen muß, so ist sein Bankerott unvermeidlich. Dem Vertreter des „Petit Puristen" erklärte Dr. Wirch, der Reichstag werde eine Reihe von Gesetzentwür fen zu bearbeiten haben, die den Besitzenden fchwere Steuerlasten auferlegen. Es ist ein Irrtum, anzunehmen, daß die Regierung die Pläne sür die direkten Steuern auf geben wolle, um die besitzenden Klassen zu schonen. Wir werden gezwungen sein, die indirekten Steuern zu er höhen, damit Deutschland seinen Verpflichtungen nachkom men kann. Von den Verhandlungen mit Industrie, Ban ken und Landwirtschaft erwartet der Kanzler den Eingang bedeutender Summen. Er fuhr fort: Ich kann nicht ver sprechen, daß Deutschland alles zahlen wird, was man von ihm verlangt. Aber ich kann versichern, daß es sich loyal bemühen wird, es zu tuu. Das Opfer, das wir von den besitzenden Klassen verlangen werden, wird natürlich von politischen Folgen begleitet sein. Jedesmal, wenn mir die Entente eine Genugtuung verweigert oder die Ausführung eines Versprechens hinausschiebt, benutzt man diesen An laß, sich an meiner Autorität zu vergreifen und den Be stand meiner Negierung zu bedrohen. Diese Lage ist nicht nur für mich peinlich, sondern auch sür die Zukunft der internationalen Beziehungen verhängnisvoll. Ich hoffe, daß die Ententeregierungen in der Zukunft das Mittel finden werden, uns größeres Vertrauen zu erzeigen. Ob wohl ich eine Rückkehr der Monarchie in Deutschland für unmöglich halte, wäre es doch klug, wenn sich die Entente beeilen wollte. poMsche Mmdschau. Deutsches Reich. Entscheidung über Oberschlesien verzögert. Abermals wissen Pariser Blätter über eine Verzöge rung in der Abwicklung der Oberschlesischen Frage zu be richten. Aus Genf wird berichtet, daß bis vor kurzem die Lösung in nächster Zeit zu erwarten gewesen sei. Diese Hoffnung sei durch ein neues Ereignis zunichte gemacht worden. Die französischen Blätter deuten an, eine eng lische Entschließung habe die Verzögerung herbeigeführt. Wahrscheinlich ist unter dieser Umschreibung ein erneuter französischer Winkelzug zu verstehen, da gleichzeitig aus Gens gemeldet wird, man neige in englischen und italieni schen Kreisen der Auffassung zu, «ine neue Abstimmung in Erwägung zu ziehen, da in der oberschlesischen Bevölke rung sich immer stärker das Bestreben für ein ungeteiltes Verbleiben des Gebietes bei Deutschland zeige. Nach einer Meldung aus Genf hat der Ausschuß des Völkerbundes eine Sachverständigenkommission nach Oberschlesien zu entsenden beschlossen. Tumult im Badischen Landtag. Die Deutschnationalen Badens hatten im Badischen Landtag Interpellationen eiugebracht wegen des Verbots einer Zeitung, des Verbots von Regimentsfeiern usw. Der Minister Remmele erklärte, daß die Feiern verboten worden seien, weil in Heidelberg bei einer solchen Gele genheit monarchistische Kundgebungen stattfanden; die Ausschreitungen in Heidelberg seien als Folge der Hetze der Rechten gegen die Regierung aufzufassen. Später sprach Staatssekretär Trunck über die Ausnahmeverord- nungen. Er geriet dabei in einige Erregung, schlug mit der Faust auf den Tifch und gebrauchte das Wort „Rechts- bolschewistcn", worauf die Deutschnationalen heftige Zwischenrufe machten wie „Unverschämtheit" u. dergl., und die Sozialisten „Volksverräter", „Schieber" riefen. Die Sache wurde schließlich beigelegt. Im Badischen Land tag ist ferner mit den Stimmen des Zentrums, der Demo kraten und der Sozialdemokraten ein Antrag angenorn-