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MMufferTageblait Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das »Wilsdruffer Tageblatt" erscheint täglich nachm. 5 Uhr sür den Tag. Bezugspreis: B-> Abholung in der GejqästssteUe und den Ausgabestellen 2 Md. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,so Md., bei Postdestellung 2 Mb. zuzüglich Abtrag- .. . gebühr. Linzelnummern lSPig. Alle Postanstalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend PostbotcnundunIereAns- träger und iSeschäsisstellen ' " nehmen zu ,«der Ze» Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewali, Krieg oder sonstig-< Betriebsstörungen besteht kein Anspruch aus Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke ersolgt nur, wenn Porto bciliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die8gefpaUeneRaumzeile20 Doldpsennig, die 4 gespaltene Zeile der annlichenBekanntmachungcn 40(öold- pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 100 Goldpfennig. Rcchweisungsgedühr 20 Goldpsenrig. Bor geschriebene Erscheinungs- » tage und Platzvorschriften werden nach Möglichkeit jVerN spreche?: Amt TLllSdruff Nv. 6 berücksichtig,. Anzeigen, unnahme bis vorm. 10Uhr ——! Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabaltanipruch erlischt, wenn der Benag durch Klage eingezogen werden muß oderder Auftraggeber in Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt enthält die amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amtsgerichts nnd Stadtrats zu Wilsdruff, Forstrentamts Tharandt, Finanzamts Nossen. Nr 6. 86.Jahrgang Telegr-Adr .Amtsblatt- Wilsdruff-Dresden Postscheck Dresden 2640 Sonnabend,den 8 Januar 1827 Schöne Aussichten! Von neuen Besen pflegt man zu sagen: sie kehren gut. Aber das neue Jahr, das wir vor einer Woche aus der Taufe hoben, scheint um einen freundlichen Anfangseindruck nicht besorgt zu sein. Vielleicht liegt es an den ebenso rausch- und geräuschvollen Einzugsfeierlich keiten, mit denen es diesmal wieder begrüßt worden ist, daß der in solchen Fällen übliche Katzenjammer einen so großen Umfang angenommen hat. Tatsache ist jeden falls, daß schon am Neujahrstag in der Reichshauptstadt von einer wahren S e l b st m o r d e p i d e m i e zu be richten war, und daß diese sonderbare Erscheinung, die man sonst allenfalls bei ganz außergewöhnlichen Hitze graden der Hochsommertage zu beklagen hat, sich seitdem auch anderwärts in vielen Gegenden des Reiches, ja ebenso draußen in der Fremde, in den Vereinigten Staaten zum Beispiel, mit unheimlicher Heftigkeit fort gesetzt hat. * In Berlin z. B. wurden schon in den ersten drei Januartagen rund zwei Dutzend Fälle von Selbstmorden gezählt, von denen wieder einmal die liebe Jugend den Hauptteil gestellt hat. Es ist eigentlich unverantwortlich, daß keine beamtete Reichs- oder Gemeindestelle sich mit der Sammlung und genauen Durchforschung dieser mehr als bloß betrübenden, dieser außerordentlich bedrohlichen Vorkommnisse beschäftigt. Ist es in dem einen Fall ein junger Mensch, dem lang andauernde Arbeitslosigkeit die Lust am Leben genommen hat, so hören wir unmittelbar darauf von einem Sohn aus gut bürgerlicher Familie, dem es weder an Beschäftigung noch an Privatvermögen gefehlt hat und der doch aus irgendwelchen ungeklärten Gründen znm Handtuch griff, um sich daran aufzuhängen. Ein dritter Fall: Zwei Freunde sitzen bis weit über Mitternacht hinaus fröhlich beim Glase Bier zusammen und trennen sich daun in der selbstverständlichen An nahme, daß der nächste Tag sie nach getaner Arbeit wieder in gewohnter Weise zu Gedankenaustausch und Abend- unterhattung zusammenführen werde. Statt dessen ruft, kaum, daß der Morgen graut, eine Amtsdepeschs den Freund aus dem Bett, damit er Auskunft gebe über die letzten Stunden des Zechgenossen, der seinem Leben kurze Zeit, nachdem die beiden sich in bester Stimmung getrennt hatten, durch einen Nevolverschuß ein Ende ge macht hatte. Sicher, daß wir es hier durchaus nicht etwa mit einer spezifisch deutschen Sondererscheinung zu tun haben. Ähn liche Hiobsnachrichten wurden in der ersten Januarwoche auch aus Newyork verbreitet, wo unter anderem der sechzehnjährige Sohn eines Professors der Philosophie an der Universität von Rochester sich ins Jenseits flüch tete, weil, wie er schriftlich hinterließ, die Lektüre der Bücher seines Vaters ihn zu der Überzeugung gebracht habe, daß das Leben im Grunde gar keinen Sinn habe. Wenn schon jugendliche Gemüter an dieser „Erkenntnis" scheitern, was soll dann erst das Alter mit sich an fangen, das sich jetzt häufiger als je zuvor um den Lohn einer langen Lebensarbeit betrogen sieht und häufig wirklich nicht weiß, wie es seine Blöße decken, seinen jammervollen Hunger stillen soll? Gewiß ist das eine der leider nur viel zu vielen Fragen, die heutzutage leichter gestellt als beantwortet werden. Wurden schon so viele Reden und Artikel, soviel Lärm und Streit auf das Schmutz- und Schundgesetz verwandt, und das viel fach um bloß eingebildeter Sorgen willen, die vielleicht niemals Wirklichkeit werden dürften, so sollten alle die Kreise, die über diese Gesetzesvorlage nicht zur Ruhe kom men konnten, doch hier, angesichts der entsetzlichen Not in den Reihen unserer jugendlichen Volksgenossen, die Hande wirklich nicht in den Schoß legen. Eine Volksbe wegung, die hier Hilfe und Rettung bringen wollte, würde gewiß alle Gutgesinnten rasch mit sich fortreißen. * sonst läßt sich das neue Jahr nicht gerade nebuch an. Drüben, jenseits des Großen Wassers, brodelt es ganz bedenklich in dem Hexenkesseldermittel- amerikanischen Staaten. Um schnöder Olinter- essen willen wird Mexiko einem schweren Konflikt mit den Vereinigten Staaten ausgesetzt und amerikanische Trup pen sind im Begriff, die Hauptstadt von Nikaragua zu be setzen, um dem Machthaber Hilfe zu bringen, der in Gefahr ist, vor emer siegreiche« Revolution kapitulieren zu muffen. Das sind immerhin peinliche Aufgaben für die großen Herren von Washington, die unter dem Feld geschrei de^> Geivstbcuinünungsrechtes der Nationen seiner zeit gegen uns die Waffen erhoben haben. Und im Fernen Osten eryevt sich wiederum der V o l k s z o r n d e r Chinesen gegen die englische Weltmacht, die gleichfalls zu kriegerischen Mitteln ihre Zuflucht nehmen zu wollen scheint, um dort m dem Wettbewerb der Rationen nicht gar zu weit ins Hintertreffen zu geraten. * Vor unseren Toren aber erlaubt sich der aus wärtige Minister der Polnischen Republik eine Sprache gegen die selbstverständlichen Maßnahmen der deutsche!, Politik, die schon beinahe als unverschämt be zeichnet werden muß. Polen weigert sich, in dem Streit um das große oberschlesische Stickstosfwerk von Chorzow den Schiedsspruch des Haager Gerichtshofes anzuerkennen, sind es versagt mit der gleichen Dreistigkeit der Entschei- Die Arbeitslosenversicherung. Slati EMMostnsörforge Ekwer-slosellverfichenulg. Ein neues sozialpolitisches Werk. Der Entwurf eines Gesetzes über die Arbeitslosen versicherung ist dem Reichsrat und dem Reichstag zuge gangen. Die Denkschrift ist ein starker Band. In der Be gründung des Gesetzes wird die Entwicklung der Arbeits losenhilfe im Deutschen Reich vor, während und nach dem Kriege geschildert und die Hauptgrundsätze, nach denen die Arbeitslosenversicherung gestaltet wird, werden klar gestellt. Bei dem Gesetz handelt es sich um die Ablösung der bisherigen Erwerbslosenunterstützung durch Ver sicherung. Als Versichern ngsträger sind die Laudes arbeitslosenkassen vorgesehen, die sich in der Hauptsache mit den Bezirken der Landesämter für Arbeitsvermitt lung decken. Für den Fall der Arbeitslosigkeit sind die Personen versichert, die auf Grund der Reichsvsrsiche- rungsordnung oder des Reichsknappschastsgesetzes für den Fall der Krankheit pflichtversichert sind, sowie die jenigen, die dem Bngestelltenversicherungsgesetz unter liegen oder der Schiffsbesatzung eines deutschen Seefahr zeuges angehörcn. Ausnahmen für die Versicherung sind bei der Land- und Forstwirtschaft sowie auch in der Binnen- und Küstenschifferei vorgesehen. Ankur« ch aus die A r b e i t s l o s en u nt er stütz u n g hat der, der zwar arbeitsfähig und arbeitswillig, aber unfreiwinlg arbeitslos geworden ist. Bei der Versicherung sollen Lohnklassen nach dem Arbeitsentgelt eingerichtet werden, nach denen sich die Hauptuntcrstützungen und die Familicnzuschläge richten. Der Arbeitslose ist während des Bezuges der Hauptunterstützung auch für den Fall einer Krankheit versichert. Die Mittel der Versicherung sollen durch Beiträge der Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufge bracht werden. Einen Vorteil aus dem Gesetz werden die Gemeinden haben, die zur bisherigen Erwerbslosenfür sorge V° des Unterstützungsaufwandes beitragen mußten, von dem sie nach dem neuen Gesetzentwurf befreit werden ' sollen. Das Gesetz sieht ferner die Gewährung von Dar lehen durch Reich und Länder für dis Förderung solcher Maßnahmen vor, die geeignet sind, die Arbeitslosigkeit zu verringern. Die Einnahmen aus der Versicherung sollen über die Krankenkassen gehen, während die Ausgaben die Arbeitsnachweise zu regulieren haben. PMM zieht sich „endgültig und M- konlmn" zuriich. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". Warschau, 7. Januar. Ueberraschenderweise wird heute von maßgebender Seite versichert, daß Marschall Pilsudsli be schlossen hat, sich „endgültig und vollkommen" zurückzuziehen. Pil- sudski ist der Ansicht, daß er das Seine getan hebe. Er habe die politischen Leidenschaften im Lande besänftigt, die Gegenfätze aus geglichen, das Budget durchgeführt, die militärischen Ausgaben gekürzt, das Verhältnis zwischen Regierung und Sejm geregelt und nun könne er gehen. Die Ministerpräsidentschast wolle er einem, seiner nächsten Mitarbeiter übergeben. Es fragt sich, ob dies Battels sehr werde, da dessen Kandidatur aus den Widerstand der Sozialisten stoße. Das Kriegsministerium wolle er unter allen Umständen dem General Sosnkowski «»vertrauen. Für sich werde er eventuell nur das Eeneralinspektorat der Armee behalten. Er wolle jedoch seinen Rückzug unabhängig vom Sejm vollziehen und infolgedessen sei die Verwirklichung dieses Planes noch vor dem 20. Januar, dem Erössnungstage des Sejms, zu erwarten. England rüstet. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". London, 7. Januar. Das englische Lustfahrtsministenum hat auf Grund des neuen Lustprogramms 30 Riesen-Nacht-Bom- ben-Flugzeuge bestellt. Die Flugzeuge sollen mit 2000-?8-Napier- Motoren ausgestattet und mit grünbläulicher Farbe angestrichen werden, so daß sie selbst im Lichte der Scheinwerfer fast unsicht bar bleiben. Pole« mkloigl die HmsW Mr die Sstsee. Eigener Fernsprechdienst des ..Wilsdruffer Tageblattes". Danzig, 7. Januar. Bei der gestrigen Einweihung der neuen polnischen Handelsschisse in Gdingen bemerkte der pol nische Handelsminister Kwiatkuwski in seiner Rede, es könne kein Zweifel darüber bestehen, daß Pommerellcn jemals in irgend einer Form aufhören sollte, polnisches Land zu sein. Man müsse Pommerellen durch reale Bande mit Polen verknüpfen, vor allem durch intensive Arbeit ans dem pommerellrschen Seeküsten gebiet, durch Schaffung einer starken polnischen Handelsflotte und Eisenbahnen, die die Küste und Pommerellen mit dem Mutter- lande (!) verbinden würden. — Der Posener Oberbürgermeister Ratajski erklärte, man sei sich dessen genau bewußt, daß lediglich eine ständige und volle Ausnützung der Seeküste und der eigenen Hafeneinrichtungen sowie die tatsächliche Herrschaft der polnischen Flagge auf der Ostsee Polen den Besitz dieses unschätzbaren Meeresstreifens gewährleisten könne. Die Ausführungen des Wojewoden von Pvm.marellen, des früheren Innenministers und Freund PiifudskP, Mlvdzianvwski, gipfelten darin, daß die Bevölkerung Pommerellens es niemals zulasten werde, daß die Rechte Polens auf dieses Laird jemals in Frage gestellt würden. Me AerWlMW Mr EiM-MIMy. Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes" Brüssel, 7. Januar. Die Meldung des Daily-Tele graph, wonach gegenwärtig Verhandlungen über Lupen-Malmedy zwischen Deutschland und Belgien stattsinden, wird vom belgischen Auswärtigen Amt dementiert. MMS, oung oes vom vertrauen ves Völkerbundes getragenen Präsidenten C a l o n d e r in der Schulfrage den Gehor- «Zett aber erhöht der allmächtige Marschall unausgesetzt die Ausgaben für die Schlag- sertlgkelt der polnischen Armee, unter stündigem Hinweis aus angebliche Kriegsdrohungen von deutscher Seite! Wenn der Völkerbund diesem wahnsinnigen Treiben nicht bald emen Riegel vorfchiebt, dann wird er schon für l927 sich auf mancherlei unliebsame Überraschungen gefaßt nachen muffen. Ar. Sy. Ein Schlag gegen Englands Ansehen. Die Lage in Hanka«. Die Lage in Schanghai wird nach einer Londoner Agenturmeldung immer schlimmer. So gut wie die ganze Bevölkerung ohne Unterschied der Klassen befindet sich im Aufruhr gegen die Engländer, gegen die die übertriebensten Forderungen erhoben werden. Auch die „Daily Mail" weiß zu berichten, daß die Spannung in Hankau noch immer nicht nachgelassen hat. Das offiziöse Reuterburcau meldet allerdings, daß in Hanka« jetzt N»he herrscht, nachdem die englische Kon zession von chinesischer Polizei in Gemeinschaft mit ge landeten englischen Marinetruppen bewacht wird. Der Abzug der englischen Freiwilligen aus dem Konzessions gebiet und der Abtransport der Frauen und Kinder er folgte in den Abendstunden in aller Stille. Viele englische Einwohner wollen durch die j o h l e n d e B o l k s m e n g e belästigt worden sein. Nach dem Abzug wurde die englische Fahne vom Amtsgebäude her untergerissen und durch die Kantonslag ge ersetzt. In England verhehlt man sich keineswegs, daß das englische Ansehen in China eine schwere Einbuße erlitten hat. In der Presse Londons wird von einem „äußerst demütigenden Schlag für das britische Prestige im Fernen Osten" gesprochen. Als besonders peinlich wird die Entwaffnung der britischen Freiwilligen auf Ver langen der Kantonese« empfunden, so daß die gesamte Konzession damit derGnadederletztere« preis gegeben ist. In englischen Regierungskrciscn ist man der Ansicht, daß es sich bei den letzte« Zwischenfällen «m eine wohlüberlegte Taktik der Kautonregierung handelt, die die radikalen Elemente vorfchiebt, um so ihre Forde rungen nach Aufhebung der Konzessionen zu verwirklichen. Die Instruktionen für Paris. Eine neue E «t w a f f« u n g s n o t e. Das Reichskabinett hat in fortgesetzter Beratung über die Instruktionen verhandelt, die den deutschen Unterhändlern, General von Pawclsz ur d G"beimrat Forster, für die Pariser Verhandlungen über die noch ausstehenden Punkte der Entwaffnungsfrage mitgegrben werden sollen. Die Veratnngen sind zum Abschluß ge diehen, die Instruktionen sind festqelrgt und die beiden Unterhändler begeben sich nunmehr auf den Weg nach Paris. Nach den Genfer Vereinbarungen muß die Ver ständigung über die Nestpunkte Zwischen DeuMUand und den Westmächten bis zum 31. Januar erfolgt sein. Bei einen« negativen Ergebnis erhält der Völkerbnndrat das Wort. Die noch vorhandenen Differenzen betreffen die Festung Königsberg und die Halbfabrikate für Kriegs material.