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MsdrufferTageblatt Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstreniamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 2VRpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfenuige. V«» geschriebene Erscheinung-- - , tage und Platzvorschriste» werden nach Möglichkeit kN sv kS M Lk : Amt Wilsdruff Nk. 6 berücksichtigt. Anzei^n- annahmeblsvorm.lOUbr. — — Für die Richtigkeit de» durch Fernruf übermittelten Anzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattanfpruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werdenmußoderderAuftraggeberinKonkurs gerat. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, »Ml,druff«r T-o-bl-tt» erschein! allen Wtrdi.gell nachmittags 5 Uhr. Bezugs peel«: Bei Abholung in »«Desch«,erstelle und den Au-gadrstellen 2 RM. im Monat, bei Austelluu, durch di« Boten 2,30 RM., bei Poftbestellung zuzüglich Abtrag» . »e . gebühr. Einzelnummern Epfg.AllePoftanstolten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Postboten und-nscreAus. ttSgerund Deschasloftellen — ! U 2-» nehmen zu jeder Zeit B-. stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Mc SzmsliM beim MWWnten Oie Aussprache Dr. Stresemann—Tschitscherin über die Unterredung zwischen dem Neichsaußen- Minister Dr. Stresemann und dem Volkskommissar des Äußeren Tschitscherin wird an amtlichen Stellen strengstes Stillschweigen bewahrt. Über den hauptsächlichen Inhalt der Aussprache verlautet, daß Dr. Stresemann Tschitsche- rin die schon bekannte Haltung Deutschlands anläßlich des Abbruchs der diplomatischen Beziehungen zwischen Ruß land und England erneut darlegtc und au? die absolut! und unbedingte Neutralität Deutschlands hinwies. Wie es heißt, soll ein amtliches Kommunique über die Baden-Badener Begegnung ausgegeben werden sobald sich die Reichsregierung mit dem Ergebnis der Be sprechungen beschäftigt haben wird. Dr. Stresemann ist bereits wieder in Berlin eingetroffen und wird sich i« einigen Tagen zu der Völkerbundratstagung nach Gens begeben. Der scharfe Ton dieser Note hat in Warschauer Ncgieruugskrcisen im höchsten Grade peinlich gewirkt. Es Wird darauf hingewiesen, daß die polnischen Behörden dem Sowjetgesandten Wojkow gleich nach dessen Amts antritt in Warschau persönlichen Schutz durch die polnischen Sicherheilsbehörden angetragcn hätten. Diesen Antrag habe der Gesandte jedoch in kategorischer Form abgclehnt. Die Leiche des ermordeten Sowjetgesandten wird am Donnerstag nach Moskau übergeführt werden. Die Leitung der Sowjctgesandtschaft in Warschau übernimmt vorläufig ein Legationsrat. Wie noch bekannt wird, hat der Attentäter dem Gesandten bereits feit drei Tagen ausgelauert. Den Mord habe er begangen, weil er Gegner der Bolschewisten sei und in ihnen die Zerstörer seines Vaterlandes erblicke. Sehr große Beachtung findet der Mord von Warschau auch in der englischen Presse; dies um so mehr, als in der russischen Protestnote der Abbruch der englisch-russischen Beziehungen mit als ein Symptom für die gegen Sowjet rußland in den anderen Ländern angeblich betriebene Hetze bezeichnet wird. Die englische Presse verwahrt sich natürlich gegen diese russische Auslassung und die „Mor- ningpost" betont, oaß die B o l s ch e w i st e n jetzt nur ernten, was sie gesät hätten. Das Blatt befürchtet, daß die Mordtat wahrscheinlich eine heikle Lage zwischen Rußland und Polen schaffen wird. Ehrungen durch die Stadt Berlin. Der Magistrat Berlin beschäftigte sich mit der Frag« einer Ehrung der Ozeanflieger durch die Stadt. Ein fest, licher Empfang im Rathause findet auf jeden Fall statt. Außerdem kommt die Ernennung Chamberlins zum Ehreubtüger oder die Benennung einer Straße nach ihm Mittwoch abend gab der amerikanische Botschafter Schurman den Fliegern ein Essen. Außenminister Dr. Stresemann lud Chamberlin und Levine für Don- nerstag zum Frühstück. Für Freitag mittag ist ein Emp. fang durch die Stadt Berlin vorgesehen und für Freitag abend eine feierliche Veranstaltung des Reich sver^. k e h r s m i n i st e r s. Am Sonnabend werden die beiden Atlantikflieger Gäste der Deutschen Lufthansa sein. Es heißt, daß die Flieger nach ihrer Abreise von Berlin noch einmal nach dort znrückkehren werden, und zwar dann, wenn ihre auf der Europareise befindlichen Frauen ein- getroffen sind. Von einem politischen Mitarbeiter wird uns zu der Begegnung zwischen Dr. Stresemann und Tschi tscherin in dem bekannten Weltbadeort im Schwarz- Wald geschrieben: Die russische Regierung hat es sich schon des längeren zu einer uns nicht gerade angenehmen Gewohnheit ge macht, jedesmal, wenn Deutschland in Genf oder sonstwo mit den Vertretern der Westmächte zusammentrifft, vorher eine kleinere oder größere, vor allem aber recht auffallende politische Demonstration zu veranstalten, etwa — wie jetzt wieder in Baden-Baden — einen Minister besuch bei unserem Außenminister herbeizuführen, so daß dieser sozusagen mit einem leisen Juchtengeruch behaftet nach Genf zieht. Für die deutschen Vertreter ist das nicht gerade sehr erfreulich, wenn dann die anderen ob dieses Geruches ein wenig die Nase krausziehen. Denn wirklich Neues mag der russische Volks kommissar des Auswärtigen, Tschitscherin, dem deutschen Außenminister weder mitgeteilt noch von ihm gehört haben — abgesehen allerdings von der Nachricht, daß in Warschau der russische Gesandte ermordet worden ist. Denn der deutsche Standpunkt ist so oft und so deutlich uargelegt worden, daß das Liebeswerben weder des Westens noch des Ostens uns irre machen kann. Natür- üch wird über den Inhalt des Zwiegesprächs in Baden- Baden Stillschweigen gewahrt; aber da man politisch we sentlich Neues kaum vorzubringen hatte, wird man sich wohl etwas über die finanziell-wirtschaftlichen Folgen des englisch-russischen Bruches unterhalten haben. Auch hierin wird Za kaum alles so heiß gegessen, wis es gekocht wird und nur sehr ungern würde die englische Geschäftswelt ein völliges Zerreißen der wirtschaftlichen Fäoen nach Rußland hinüber und von dort herüber sehen, zumal offensichtlich in Amerika die englischen Hinweise auf die „drohende bolschewistische Gefahr" es nicht habe verhin dern können, daß die Vereinigten Staaten ruhig im Ge schäft mit Rußland bleiben und außerdem sicherlich ver suchen werden, hierin weiteres Terrain zu gewinnen. Aber etwas anderes mag Dr. Stresemann seinem Besucher dringend ans Herz gelegt haben, die Mahnung nämlich, sich nicht auf dem Wege der Dritten Internationale in die innerdeutsche Politik zu mischen, wie das gerade in den allerletzten Tagen wieder einmal ge, schah. Eigentlich sollten die Russen sich doch mit diesen »weltrevolutionären" Experimenten nicht bloß in London, sondern auch in Paris die Finger so verbrannt haben, daß sie sich etwas vorsichtiger und zurückhaltender benehmen sollten. Unsere an und für sich schon schwierige Stellung wird dadurch auch nicht gerade erleichtert und hoffentlich besitzt Tschitscherin Einsicht und Einfluß genug, um dieser Schwierigkeit Rechnung tragen zu lassen. Er wird ja zunächst einmal genug mit dem russisch- p o l n i s ch e n K o n f l i k t zu tun haben. Denn die Note, die dem polnischen Gesandten in Moskau seitens der Sowjetregierung überreicht worden ist, erhebt den Vor wurf gröblicher Pflichtvernachlässigung und behält sich noch alles weitere vor. Das Verhältnis zwischen den beiden Reichen ist schon an und für sich ein ziemlich ge spanntes und ist seit dem englisch-russischen Bruch noch kühler geworden. So hat sich durch die Mordtat des russischen Emigranten die allgemeinpolitische Atmosphäre womöglich noch verschlechtert, wenn man auch freilich die wohl etwas „markierten" englischen Befürchtungen nicht zu teilen braucht, daß nun die Sowjetrepublik gleich ihre Rote Armee gegen Polen in Bewegung setzt! Daß freilich die Tat seitens Moskau politisch ganz gehörig ausgenutzt werden wird, ist ja nach den Er fahrungen, die man nach dem gleichartigen Geschehnis in der Schweiz gehabt hat, wo ja auch ein Delegierter der Sowjetregrerung erschossen worden ist, durchaus anzu nehmen. Und wir stehen mitten drin in diesem Wirbel der Geschehnisse, aus die einzuwirken uns jede Macht fehlt. «Lyamverun uns Levme am Fenster erschienen. Hoch rufe tosten minutenlang über den Platz. Chamberlin winkte gerührt und kletterte schließlich, um von allen ge sehen zu werden, zusammen mit Levine auf das Fenster brett. Oie nächsten Pläne. Bei der Pressebesprechung vor dem Hindenburg. Empfang erklärte Ehamberlin auf die Frage nach weiteren Absichten, daß diese noch keineswegs festständen. Chamberlin meinte weiter, es sei ausgeschloffen, daß sie mit der „Columbia" wieder nach Amerika zurücksliegcn würden. Möglich sei es dagegen, daß sie einen Rundflug nach Wien, Nom und Paris unternehmen würden. Begeistert äußerten sich beide Flieger immer wieder über ihre Aufnahme in Deutschland und besonders über di« herzliche Hilfsbereitschaft, die sie bei ihrer Notlan dung in Kottbns von der dortigen Bevölkerung er fahren haben. Jedenfalls wollen die Flieger bis Sonn- abend in Berlin bleiben. Der amerikanische Gesandte in Prag, Lewis Ein stein, hat sich nach Berlin mit der Bitte gewandt, daß der Ozeanflieger Chamberlin Prag besuchen möge. Der tschechoslowakische Aeroklub hat an den Flieger ein Bc- grüßungstelegramm abgesandt, in dem ebenfalls der Hoff nung auf einen Besuch Ausdruck gegeben wird. MMDMerndeOrkseMsstlindes Eigener Fernsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". London. Aus Konstantinopel sind Berichte eingegangen, wonach die Drusen eine neue Offensive gegen die französischen Truppen in dem Distrikt von Govta eingeleitet haben. Die französischen Truppen sollen zahlreiche Verluste an Toten un- Verwundeten erlitten haben. Drei Dörfer wurden von den Drusen niedergebrannt und 60 Einwohner massakriert. Russische Protestnote an Polen. Englische Befürchtungen. Die russische Negierung hat nach der Ermordung des russischen Gesandten in Warschau Wojkow dem polnischen Gesandten in Moskau eine Note übergeben, in der be tont wird, daß nach Ansicht Rußlands von feiten der pol nischen Negierung „nicht alle notwendigen Maßnahmen gegen die verbrecherische Tätigkeit russischer konterrevo lutionärer terroristischer Organisationen ergriffen wur den". Die russische Regierung habe die polnische Regie rung wiederholt vor der Möglichkeit von Verbrechen gewarnt und glaube, daß die polnische Regierung die Verantwortung für das Geschehene nicht abzu- lehnen vermag. Sie behalte sich das Recht vor, nach Ein treffen erschöpfender Nachrichten über das in Warschau verübte Verbrechen zu dieser Frage zurüüzukehren. Lu öer Kornkammer des Reiches. M i n i st e r r e i s e durch Ostpreußen. Der preußische Minister des Innern, Grzcsinski, setzt jetzt seine Bcsichtiguugsrcise durch die östlichen Grcnzprovinzeu fort. Den ersten Aufenthalt nahm der Minister mit seinen Be gleitern in Elbing, wo er eine Besichtigung der Schutzpolizei und industrieller Anlagen vornahm. Nach einem Besuch des Bischofs Augustinus in Frauenburg begab sich der Minister weiter nach Königsberg. Bei einen« Empfang der Vertreter sämtlicher Behörden, Verbände und Berufsorganisationen hielt der Minister eine Rede, in der er betonte, daß Ostpreußens Verhältnisse eine besondere Berücksichtigung seitens der Regierung verlangten, zumal durch den unsinnigen Korridor eine erhebliche Störung der Wirtschaftsverbindungcn für Ostpreußen ver ursacht werde. Die hochentwickelte Landwirtschaft Ostpreußens und ihre ProduktionSüberschüsfe hätten diesem Lande stets eine besondere Bedeutung als der Kornkammer., des Bor Tschitscherins MW in Berlin. Eigener Fernsprechdienst !-es „Wilsdruffer Tageblattes". Der russische Aufzenkommissar Tschitscherin wird heute in Berlin erwartet. Heute ist in der russischen Botschaft ein Esten vorgesehen, an dem aller Voraussicht nach auch Dr. Stresemann teilnchmen wird. Außerdem wird Dr. Stresemann nach Besichti gung der Musikausstellung in Frankfurt a. M. am Sonnabend nach Genf reisen. Eine Besprechung zwischen Dr. Stresemann, Chamberlain und Briand soll am Sonntag in Genf stattfinden. Die deutsche Delegation wird am Sonnabend in Genf erwartet. Heute nachmittag wird das Roichskabinet zu einer Sitzung zu- fammentreten, in der die Frage über die Wirkung des Völker bundes angeschnitten wird. MenSurg SeMwünschl Lhambellin und Levine. Ehrungen für die amerikanischen Piloten. Mit dem Tag nach der Ankunft auf dem Tempelhofei Felde in Berlin und dem jubelnden Empfang, den sie dov gefunden, begann für die amerikanischen Überwinder des Ozeans die Reihe offizieller Ehrungen. Mittwoch morgen zunächst ein Presseempsang in der amerikanischen Bot schäft. Dabei stellte es sich heraus, daß die Flieger über den Verlaus des Fluges nichts sagen dursten, denn Vertreter eines amerikanischen Blattes hatten schon mü ihnen einen Vertrag geschlossen, der Chamberlin und Levine zur S ch w e i g s a m k e i t in dieser Beziehung ver> pflichtete. Nach dem Empfang Fahrt zum Reichsprä sidenten. Hindenburg empfing die beiden Amerikafliegei Chamberlin und Levine, die von dem amerikanischen Bot schaftcr eingeführt wurden, und ließ sich von ihnen näher« Einzelheiten über ihren Flug von Newyork nach Deutsch land erzählen. Er beglückwünschte die beiden Herren herz lichst zu ihrer überragenden Leistung und gab der Hoff nung Ausdruck, daß die kühne Tat ein gutes Vorzeichen für die weitere Annäherung der beiden großen Völker sein werde. Als Andenken überreichte er ihnen sein Bild mit Unterschrift im silbernen Rahmen. Chamberlin dankte dem Präsidenten für die Ehren, mit denen man sie, seit sie sich auf deutschem Boden be finden, überschüttet hat. Darauf Abschied, nachdem auft der amerikanische Botschafter den« Präsidenten im Name» des amerikanischen Volkes gedankt hatte. Auf dem Wilhelmplatz vor der amerikanischen Bot schaft hatten sich schon früh viele Menschen angesammelt die geduldig im strömenden Regen ausharrten, bis in der zwölften Stunde das Automobil Die Flieger zum Reichs präsidenten gebracht. Sie wurden lebhaft begrüßt. Als de« Empfang bei Hindenburg nach etwa 20 Minuten beendet war und die Amerikaner wieder erschienen, durchbrach das inzwischen zahlreicher gewordene Publikum die Absper rungsketten und stürmte fast das Auto. Nur mit größtei Mühe konnte die Polizei den Wagen durch die Menschen menge durchbringen, der von der Menge bis zum Bot schaftsgebäude begleitet wurde. Im Chor rief darauf das Publikum vor der Botschaft: „Chamberlin hoch!", „Hur ra!" Auf diese Weise erreichte man schließlich, das Rr.132. — 86. Jahrgang Teiegr Adr .Amtsblatt" Wilsdruff-Dresden Postscheck Dresden 2640 Donnerstag, den 9 Juni 1927