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Einzelnummern ISRpfg.AllePostanstalten Wochenblatt für Wlisdrusk u. Umseaend Postboten und unfereAus- trägerund Geschäftsstellen - -—— :— - nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Zm Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nk.134. — 86.Jahrgang Telegr.-Adr.: .Amtsblatt- Wilsdruff - Dresden Postscheck Dresden 2640 Sonnabend, den 11. Juni 1S27 GswjeidZmmsrung? Trügerische Friedensträume. — Der russische Gegenangriff. Flammenzcichen im Sowjetparadics. — Das Kriegsgespenst. Es krachen wieder allerhand Revolverschüsse durch die aushorchende Welt. Man kann nicht sagen, daß sie damit etwas unsanft aus trügerischen Friedensträumen gerissen worden wäre; trotz unausgesetzter Völkerbundtagungen und internatio naler Konserenzen aller Art haben wir uns Wohl noch nie mals im ruhigen Besitz des Friedenszustandes so unsicher gefühlt wie seit Abschluß der vielseitigen, ganze dicke Bände füllenden Friedensverträge, mit denen die Sieger von 1918 der Hydra des Krieges für immer glaubten ihren scheusäligen Kopf zertreten zu haben. Ach nein, die Ermordung des österreichischen Thronfolger paares hat Wohl 1914 die Menschheit mit der vollen Wucht einer furchtbaren Überraschung getroffen, aber daß die seither geschaffene Neuordnung von Europa die Geister und die Seelen der Völker keinen Augenblick zur Ruhe kommen lassen würde, das ist den Staatsmännern, die die Verantwortung für sie zu tragen haben, hundert- und tausendfach vorausgesagt worden. Nun ist wieder einmal ein diplomatischer Vertreter der russischen Sowjetrepublik durch Mörderhand ge fallen. Die polnische Negierung, in deren Machtbereich die Untat geschehen ist, wird es um ihretwillen selbstverständ lich zu keinem blutigen Konflikt mit dem großen Bruder im Osten kommen lassen; und die Russen, so sehr das Ver brechen sie auch im ersten Augenblick wild hat ausfahren lassen, werden sich doch wohlweislich hüten, aus ihm allzu weitgehende Folgerungen zu ziehen, da ihnen an Polen nicht gar zuviel, an England dagegen alles gelegen ist. Sic haben denn auch die Front ihres Gegenangriffs sofort mit grimmiger Entschlossenheit gegen London eingestellt, wo, wie sie wissen, ihr eigentlicher, ihr gefährlichster Feind zu suchen ist. Der Abbruch der Handels- und diploma tischen Beziehungen zwischen beiden Ländern hat jetzt un zweifelhaft eine gefahrdrohende Verschärfung erlitten und es kann schon sein, daß der eine oder der an dere Teil sich bald auch gegen seinen Willen zu Handlun gen gegen den anderen genötigt sehen wird, die nichts mehr und nichts weniger als offenen Kriegszu stand bedeuten könnten. So temperamentlos der britische Außenminister seines Amtes zu walten Pflegt, so leiden schaftlich lieben es oft die Moskauer Gewalthaber sich vor der Welt zu gebärden, schon weil sie die Augen des ge samten Proletariats auf sich gerichtet fühlen und vor diesen nicht gut eine diplomatische Niederlage nach der anderen auf sich nehmen können, ohne ihre ganze Macht stellung auf das ernsteste gefährdet zu sehen. Sie haben ohnedies Grund genug, mit einiger Besorgnis schon in die nächste Zukunft zu blicken. Denn ein Unglück kommt, das haben nun auch die rus sischen Machthaber Rykow und Stalin erfahren, selten allein. Der GesandLenmord in Warschau — nun ja, auch ein deutscher Gesandter (es war der G r a f Mirbach) ist vor nicht gar zu langer Zeit einmal in Moskau er mordet worden, und die damalige Sowjetregierung hat der heutigen polnischen Regierung für die Erledigung solcher leider schon gar nicht mehr unerhörten Rechts- srevel ein nichts weniger als nachahmenswertes Bei spiel gegeben. Aber da sind an der weißrussischen Grenze ein paar hohe Polizeibeamte von einem angeblichen pol nischen Spion oder von seinen Helfershelfern auf offener Landstraße niedergeschossen worden und, was noch viel, viel schlimmer ist, in der ehemaligen Hauptstadt des Lan des sind sogar Bomben in eine kommunistische Arbeiter versammlung geschlendert worden, als hätte es im Zaren reich überhaupt keine Revolution, keinen Sieg des Pro letariats gegeben. Es ist ein allzu billiges Verfahren, diese Flamme n- zeichen am Horizont des Sowjetpara- dieses auf englische Brandstiftung zurnckzuführen. Wir erinnern uns noch sehr gut der Zeiten, da die proleta rischen Parteien jedes Attentat auf einen Minister oder sonstigen hohen Würdenträger der bürgerlichen Gesellschaft als einen untrüglichen Beweis für die Verderblich keit des Systems ausgaben, das notwendigerweise aus seinem Schoße derartige Gewalttaten entstehen ließe. Es ist nicht einzusehen, warum nicht auch gegen den prole tarischen Nussenstaat die gleiche Nutzanwendung gelten sollte. Es muß nicht nur etwas, es muß vieles faul sein IM Gebälk dieses Leningebäudes, we" « dieser Weise mit Feuer und Schwert gegen den Bolschewismus angekämpft wird. Besonders nach denklich muß überdies die Tatsache stimmen, daß die Bom benwerfer von Leningrad gerade mit ihrer Tat die nichts weniger als glorreiche Tradition aus zaristischer Zeit kurzerhand wieder ausgenommen haben. Danach zu ur teilen, muß also die jetzige Sowjetherrschaft ihren innen- rusfifchen Gegnern schon ebenso unerträglich erscheinen, wie seinerzeit die Zarentyrannei von den heutigen Sowjet gläubigen empfunden worden ist. Das eröffnet trübe Aussichten in die nächste Entwicklung der russischen Der- hältnisse. Wenn die Sowjetregierung etwa genötigt sein sollte, sich abermals durch ein Meer von Blut in ihrer Machtstellung zu behaupten, so können die außenpolitischen und mit ihnen die wirtschaftlichen Schwierigkeiten, die sie Moskau unter Sedreekensderrledatt Zwanzig Hinrichtungen in Moskau vollzogen. Der scharfen Erklärung der Sowjetregierung gegen England ist eine weitere Maßregel der russischen Ge walthaber gefolgt, ge znet, das größte Aufsehen hervor zurufen. Das besondere Oberste Gericht der russischen Staats polizei macht Mitteilung über die Verurteilung und so fortige Erschießung von zwanzig Verhafteten, die seil längerer Zeit in den Gefängnissen saßen. Es handelt sich zumeist um ehemalige Offiziere der zaristischen Zeit, von der Denikin- und Wrangel-Armes und Anhängern der Großfürsten Cyrill oder Nikolai Nikolajewitsch. Die Verurteilung erfolgte wegen monarchistischer Aufstands bewegung oder wegen Spionage. Lis Todesurteile gegen die zum Tei! seit langem, zum Teil in der letzten Zeit verhafteten Gegenrevolutionär? werden damit begründet, daß die monarchistischen Gruppen zu offenem Kampf gegen die Sowjetmacht, zu Terrorakten und Aufstands versuchen übergegangcn seien. Die Sowjetregierung macht also ihre Ankündigung in den Auslassungen über England wahr, nunmehr in der rücksichtslosesten Weise die Bekämpfung der sowjet feindlichen Kräfte zu beginnen. Die erste sichtbare Folge der Ermordung des Gesandten Wojkow in Warschau ist die Aufrichtung der Schreckensherrschaft in Moskau, die Rückkehr zu den Gepflogenheiten des Jahres 1918; Unter den Erschossenen finden sich folgende Namen: Für st Paul Dolgorukow; Für st Metsch- tscherski; Iewrinow, früherer zaristischer Konsul; Skalski; Sussalin, Oberst der Wrangel-Armee; Pawlowitsch, früherer Chef der Kiewer Kampf wehr „Zweiköpfiger Adler"; Mitkulin, früherer Kammerherr und Mitglied des Reichsrats. Dann eine Reihe früherer Offiziere. Fürst Dolgorukow war ein bekanntes Mitglied der Kadettenpartei, Fürst Metsch- tscherski ein Minister des letzten Zaren. Ist die Möglichkeit gegeben, daß die russische Regie rung auf dem jetzt eingeschlagenen Wege weitergeht, so eröffnen sich die trübsten Aussichten auf die zukünftige internationale Politik Europas, zumal sich die Spitze der jetzigen Entwicklung offensichtlich gegen London richtet, das gleichfalls die offene Befehdung Rußlands zum Prinzip erhoben hat. * England und die ruffifchen Vorwürfe. Der amtliche englische Funkdienst meldet: Die phan tastischen Behauptungen einer britischen Mitwisserschaft bei den Terroristenverschwöruugen, die in dem veröffent lichten Sowjetkommunique enthalten sind, haben hier Heiterkeit erweckt und das Dokument wird in den Zeitun gen mit entsprechenden Überschriften in vollem Wortlaut gegeben. Der unsinnige Charakter der Mitteilung geht ans der Stelle genügend hervor, in der erklärt wird, das; die Hand Großbritanniens bei dem Warschauer Mord deutlich erkannt werden kann. Während die Zeitungen das Kommunique für zu lächerlich halten, um die Auf merksamkeit ihrer Leitartikler in Anspruch Zu nehmen, drücken sie ihren natürlichen Widerwillen gegen den politischen Mord deutlich ans. * Die polnische Antwort. Der polnische Gesandte in Moskau hat der russischen Regierung die polnische Antwort auf die jüngste Note des umdrangen, über kurz oder lang vollends über ihr zu sammenschlagen. „Das Gespenst des^Krieges geht durch Eu ropa," meinte dieser Tage eines der maßgebenden Mos kauer Blätter. Mit noch mehr Recht hätte es sagen können: „Das Gespenst einer jähen innenpolitischen K a - tastrophe geht durch den Kreml!" Dr. Sy. DiskrmLschöhung um Prozent. Beschluß des Reichsbankausschusscs. Seit Anfang Januar d. I. war der Reichsbankdiskont wieder aus den Vorkriegsstand von 5 Prozent gesenkt worden und man glaubte allerseits, daß diese Maßnahme des Reichs- bankprästdimns der beste Beweis für die volle Wiedergesundung der dentfchcn Wirtschaft wäre. Aber in den letzten Monaten zeigte es sich, daß die Verbilligung des Zinssatzes zu einer starken Inanspruchnahme der ReichSbank von Börsensirmen mißbraucht wurde. Die Erhöhung des Diskontsatzes aus 6 Prozent wird das BSrsenspiel jetzt erschweren. «tcichzeitig hat es aber die wenig angenehme Folge, daß auch Privat- leute, die einen Kredit beanspruchen, höhere Zinsen dafür zu bezahlen haben. Banken und Spartafscn werden automatisch ihre Sollzinscn um 1 Prozent erhöhen; sraglich ist es dagegen, ob auch die Habenzinscn in jedem Falle um 1 Prozent herauf- gesetzt werden. Jedenfalls wird die Heraufsetzung des Rcichs- ru;y;wen Außcnkommlssariats überreicht. Die Rote weist in höflicher Weise die russischen Vorwürfe zurück, nach denen Polen an dem Morde des russischen Gesandten mit verantwortlich gemacht wird. Ein Zusammenhang zwischen den Vorfällen in Chinn und dem Mord in Warschau, den die russische Note koustruiert, könne bei ge nauester Prüfung des Sackmsrhalls nicht erblickt werden, ebenso sei auch die ruüft^ Anklage, die Polen unge nügende Sicherheitsn ^ZN^men für den Gesandten vor wirft, nicht zutreffend Pistolen dem Gesandten einen be sonderen Schutz gestellt hat, der von dem Gesandten jedoch Numa-g ewiesen worden sei. Zahl reiche DienstfahrterQ^,-'"Gesandten innerhalb Polens seien stets ohne Benachrft ckgnng der Sicherheitsbehörden er folgt und auch von der Durchreise des Londoner russischen Geschäftsträgers Roscngolz seien die Behörden nicht un terrichtet worden. Jedenfalls sei es auch falsch, wenn in der russischen Note der Empfindung Ausdruck gegebeu werde, Polen lasse der russischen Emigration einen be sonderen Schutz augedeihen. Polen wahre lediglich das Asyl recht und werde keine gegen Rußland gerichtete Aktion innerhalb des Polnischen Staates zulassen. Falls die Familie des ermordeten Gesandten Entschädi gungsansprüche stellen würde, sei Polen bereit, eventuelle Forderungen zu prüfen und jede Genugtuung zn verschaffen. * Die Überführung der Leiche des ermordeten russischen Gesandten Wojkow von Warschau nach Moskau ist unter entsprechender Beteiligung der polnischen ^Behörden und der abgesandten Sowjetvertreter mittlerweile erfolgt. der albanische Gesandte verM IMad. Belgrad. Der albanische Gesandte in Belgrad, Zena Bei, erhielt von seiner Negierung den Auftrag, mit dem ganzen Gesr-ndtschaftspersonal Belgrad zu verlassen. Die Bemühun gen, den füdsiawisch-nlbnnijchcn Zwischenfall gütlich zu regeln, sind somit ohne Erfolg geblieben. Lur Lage in Lisins. Die Verhandlungen zwischen Nord, und Südchina Eigener Femsprechdienst des „Wilsdruffer Tageblattes". London. Nach Meldungen aus Schanghai wird dort nunmehr der Inhalt der Note veröffentlicht, die der Außen- mmister der Nanking-Regierung an den britischen Gesandten wegen der Uebersliegung chinesischen Gebietes durch britische Flieger gerichtet hat und in der die Einstellung dieser Flüge ge fordert wird. Wie weiter gemeldet wird, soll die Nanking- Negierung sich nunmehr entschlossen haben, mit Borodin und anderen Rusten zu brechen. Die studentischen Organisationen haben sür Sonntag Protestkundgebungen gegen dir Landung japanischer Truppen in Tsingtau ongesetzt. Zwecks einer Ver ständigung zwischen Nord- und Südchina wissen die Blätter zu berichten, daß General Pen, ter dieRolle eines Vermittlers spielt, Tschangtjolin unter andere«, die Auflösung der Nordarme? und deren Umbildung in eine revolutionäre Volksarmee vorgeschlagrn Hobe. Dafür soll Tschangtsolin die Stellung eines militärischen Befehlshabers der revolutionären Armee mit dem Sitz in Peking und die Bcfehlsgcwalt über Nordchina und die Mandschurei er holten. Tschangtsolin soll sich dieser Bedingung gegenüber sehr abgeneigt verhalten haben, da diese Maßnahme seine Degradie rung zu einer untergeordneten Stellung bedeuten würde. vankdiskoMs nur als eine vorübergehende Maßnahme an gesehen. Schacht hatte von der Diskonterhöhung schon mehr fach gesprochen, inan hat aber nicht recht geglaubt, daß er sie auch durchführen wird. Er läßt sich aber in seiner Politik nicht einschiichtcrn, auch wenn manche Interessentenkreise gegen ihn Sturm lausen. * dr. Schacht über die Diskonterhöhung. Berlin. In der Sitzung des Zentralausschusses der RcichEank machte der Reichsbankpräsident Dr. Schacht zur Begründung der Diskonterhöhung u. a. folgende Ausfüh» rnngen: Daß der Rcichsbanksatz vou 5 kein neues Zins- Niveau für den Anlagemarkt schaffen konnte und wollte, ging schon daraus hervor, daß der Lombardsatz der Reichsbank zu jener Zeit aus 7 belassen wurde. Kurzfristige Auslands- Verschuldung und weitgehend aus Kredit ausgebaute Esfekteq- engagements verminderten jedoch die erforderliche volks wirtschaftliche Liquidität. Durch die am 12. Mai erfolgten Maßnahmen der Banken ist die Spekulativ nsreini» gung eingeleilet und durch die Herabminderung der Heranziehung ausländischer Gelder für die Diskontpolitik der Reichsbank eine natürliche Grundlage wieder gewonnen worden. Die hochentwickelte deutsche Wirtschaft bleibt auch weiter auf die Zufuhr ausländischen Kapitals angewiesen. Ganz abwegig ist es, in diesem Zusammenhang von einer Gefährdung der Währung zu sprechen. Problem ist lediglich die Wirtschaftssrage. Aus die Tauer kann nur eine in ihrer Zahlungsbilanz ausgeglichene Wirtschaft die Deckung sür eine ben Kredit- und ZahlungEhedürfnissen des Landes an-