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Wilsdruffer Tageblatt Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschast Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Raumzeile 2V Rpfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40Reichr- psennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgebühr 20 Reichspfennige. Bor geschriebene Erscheinungs- tage und Platzvorschristeu werden nach Msgiichk-It Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 derüchichtiol. An,ki,nr. «vnahme bis oorm.1vUhr. Füc die Richtigkeit der durch Fernruf übermitteltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Ra battanspru ch <clischt^ wenn derBctrag durch Klage eingezogen werden muß oderderAuftraggcberin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, »Wilsdruffer Ta,edla1t» erschein! an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in ^«tschSst-stelle und den «us-ab-st-llen 2 RM. im Monat, bei Zustellung durch di« Boten 2,30 RM., bei Poftbestellung 2 «M. zuzüglich Abtrag. — gebühr. Einzelnummern Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgehend P°stb-t-nundonn«Aus. trügerund Geichajlsstellcn u nehmen zu jeder Aeil B-. stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung d« Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beilicgt. Rr. 215, — 86 Jahrgang T-legr..Adr.: „Amtsblatt" Wil»druff - Bresden Postscheck: Dresden 2646 Mittwoch, den 14. September 1827 Harüg, HM, Herr Mister! Durch die kürzlich erfolgte Tariferhöhung hatte sich die Reichspost recht unbeliebt gemacht, so unbe liebt, daß Gerüchte wissen wollten, ihr werde ihre weit gehende Selbständigkeit — Reichstag und Reichsregierune haben ja jetzt in ihr Geschäftsgebaren fast nichts hinein zureden — wieder genommen werden. Besonders wurde der Neichspost entgegengehalten, daß sie jetzt tatsächlich viel weniger leiste als früher, weil vielfach der Dienst ge genüber der Vorkriegszeit stark eingeschränkt sei, nament lich aber in den kleinen Städten und bei der Landbestel lung auf die Bedürfnisse des Publikums viel zu wenig Rücksicht genommen werde. Dabei spielte nicht zuletzt auch die Regeluug des Tclcphon- yerkehrs eine sehr erhebliche Rolle. In den Großstädten klagte man besonders über die Verspätung, mit der des Morgens die Post abgeliefert würde — kurz, es gab der Ausstellungen die Hülle und Fülle. Deswegen wirkte die Tariferhöhung fast verbitternd. Der Reichspostminister will aber nun zeigen, daß er nicht nur mehr fordern kann, sondern auch mehr leisten will. Eine Einrichtung, die „dem Verkehr dient", muß aber auch mit der raschen Entwicklung des Verkehrs sort- schreiten, sonst gerät sie — trotz ihres Monopolcharakters — bald ins Hintertreffen und verspürt das sehr rasch an ihren Einnahmen. Freilich soll und muß dabei gespart, unnötige Ausgaben sollen unbedingt vermieden werden — aber es ist doch ein gar zu großer Unterschied, wenn z. B. in Berlin vor dem Kriege am Tage eine achtmalige Postzustellung erfolgte, jetzt aber nur eine drei- bis vier malige! Verständig ist es, daß man jetzt Unterschiede machen, also in den Geschäftsgegenden häufiger die Poß zustellen will als in den sonstigen Bezirken. Auf dem Lande und in kleinenStädten aber will die Neichspost auch Verbesserungen einsühren. Dori gibt es vielfach nur eine einmalige Zustellung und nur soll geprüft werden — hoffentlich dauert diese Prüfunc nicht allzulange —, wo eine mindestens zweimalige Orts- zustellung notwendig erscheint, überhaupt die Land bestellung! Die Zeit des Postboten, der wie zu des seliger Generalpostmeister Stephans Zeiten einmal des Tages von Dorf zu Dorf seinen Bestellgang — der jedesmal eim erkleckliche Anzahl von Kilometern ausmachte — zu er ledigen hatte, ist doch wirklich vorbei; schneller schreiten das Leben, der Güteraustausch und damit auch der posta lische Verkehr vorwärts und die „Mechanisierung" dieses Verkehrs ermöglicht auch raschere Durchführung. An du Stelle des „Hinkenden Boten", wie der über Hunderi Jahre alte Titel des bekannten,Lahrer Kalenders lautet tritt jetzt der Briefträger aus Kraftfahrzeug besonders auf dem Motorrad —, und das bedeutet nich bloß eine Ersparnis an Zeit, Geld und Menschenkrast sondern vor allem eine wirklich sehr notwendige Mode r- nisierung und Beschleunigung des posta lischen Verkehrs. Die Vorbedingungen dazu, näm lich weitgehende Verbesserungen des Straßennetzes, sinr ja vorhanden; die Benutzung der Kraftfahrzeuge ermög licht natürlich auch ohne weiteres die Erweiterung des Bestellbezirkes für den Landbriefträger, der hoffentlick recht bald hoch auf knatterndem Motorroß dahergebraup kommen wird. An die Stelle des Posthorn.« tritt die Hupe. Mehr noch verspricht der Postminister. Unzählig« Male ist gerade in den kleinen Städten es außerordent lich störend empfunden worden, daß zur Mittagszeii mehrere Stunden hindurch der Postbetrieb vollständig ruhte, dieses Verkehrsmittel stillstand. Jetzt soll das anders, soweit wie möglich ein durchgehende« Schalterdienst eingerichtet werden — und das mn Recht. Denn auch auf dem Lande draußen, außerhalb de« Großstädte, steht der Verkehr nicht still. Hoffentlich gib die neue Bestimmung auch für die Vermittlung der Tele- phonanrnfc, was eine besonders dringende Notwendig keit darstellt. Man denke nur an e waige telephonischc Übermittlung von Telegrammen; bei den oft vorhandenen weiten Entfernungen spielen hier die Minuten häufig genug eine entscheidende Nolle. Längst hat die Neichspost von der Beliebtheit und der allgemeinen Zufriedenheit, die sie sich unter des seligen Generalpostmeister Stephans Zeiten erworben hatte, viel eingebüßt; leicht aber kann sie sich durch das Bemühen, den Wünschen des Publikums einigermaßen gerecht zu werden, das verlorene Terrain wiedererobern. Jedes Staatsmonopol, dem der Stachel der Konkurrenz fehlt, trägt die Gefahr einer gewissen Verknöche rung, eines Zurückbleibens hinter dem Notwendigen in sich; es schadet dann viel mehr als es nützt und finan zielle Schwierigkeiten sind die baldige Folge, die mau dann freilich allzu leicht durch Tariferhöhungen wettzu machen hofft. Verkehr, moderner Verkehr aber ist wir belndes, strudelndes Leben und höchste Lebendigkeit, schnellste Anpassung an diesen raschen Fortschritt muß darum auch erste Eigenschaft einer Einrichtung sein, die dem Verkehr dient, soll sie ihm nicht zum Hemmschuh werden. Hindenburg bei der Flotte Marinemanöver 4S2D. Parade vor dem Reichspräsidenten. Wie alljährlich finden in diesen Tagen die Herbst manöver unserer durch die Kriegsereignisse so wesent lich beschränkten Verteidigungskräfte zur See statt. Die Übungen stellen den Beschluß des Ausbildungsjahres dar. Von Anfang an war geplant, die Flottenübungen mit den Manövern der Truppen der II. Division auf Rügen zu verbinden, zumal zum ersten Male der Reichspräsi dent sein Erscheinen zugesagt hatte. Wegen der Abkom mandierung von Truppen zur Erntebergung in Pommern sah man aber von diesen umfangreichen Plänen ab. Doch blieb man bei der Vorbereitung für eine Kloiienparade vor dem Reichspräsidenten. Sie wird dem Reichspräsidenten, wie gesagt, zum erstenmal Gelegenheit geben, ein solches Schauspiel zu sehen. Bei früheren Besuchen in den Häfen von Wilhelms haven und Kiel waren nur einzelne Kampfsahrzeuge anwesend. Hebungen in der pommerschen Bucht. Die Schiffe der Nordseestation liefen bereits voi einigen Tagen aus Wilhelmshaven aus, gingen durch den Kaiser-Wilhelm-Kanal nach Kiel, von wo aus sie sich zu sammen mit den Ostseeschiffen in die Pommerschi Bucht begaben. Dort wurden Verbandsübungen abge halten. Der Verband besteht aus der Linienschiff- division, deren erster Admiral der Flottenchef, Vizc- admira! Mommsen, und deren zweiter Admiral der Konteradmiral Prentzet ist: Linienschiffe „Schleswig- Holstein", „Schlesien", „Elsaß", „Hessen", und aus den Ausklär ungs st reitkräften. Diese werden von dem Kapitän zur See und Kommodore v. Löwenfeld be fehligt und umfassen die drei Kreuzer „Nymphe", „Ber lin", „Amazone" und die Torpedoboote. Von den letzteren nehmen zwar die Boote der l., ll. und III. Torpedoboots- halbslottillen an der Flottenparade und den nachfolgenden Manövern teil, nicht aber die der IV. Torpedobootshalb flottille, die die in diesem Jahre nacheinander fertig gewordenen Torpedobootsneubauten aufnimmt, von denen bis jetzt vier in Dienst gestellt worden sind. Dafür wird jedoch eine Minenhalbflottille und vielleicht noch eine Tenderhalbflottille an der Parade teilnehmen. Mittwoch trifft v. Hindenburg in Swinemünd« »in, wo er sich an Bord des Flottenflaggschiffes „Schleswig-Holstein" einschisft. Für den Reichs präsidenten ist eine lange hölzerne Treppe errichtet wor- ven, die von der Schanze über den Hinteren Geschützturm ;um Aufbaudeck führt, wo sich die für ihn Hergerichtelen Räume befinden. Der Reichspräsident auf Rügen. Festlicher Empfang. Auf dem Bahnhof in Stralsund tras Reichspräsi- oent von Hindenburg mit dem fahrplanmäßigen Zug ein Er wurde vom Regierungspräsidenten Hausmann und dem Oberbürgermeister begrüßt. Auf dem Bahnhofsvor platz, auf dem zahlreiche Vereine und Schulen Aufstellung genommen hatten, begrüßte der Reichspräsident die Alt veteranen und zog vor allem den einzigen noch überleben den Gardekürassier von der Kaiserproklamatiou in Versailles in ein Gespräch. Sodann fuhr er durch die Hauptstraßen zum Marktplatz, wo sich die städtischen Körperschaften versammelt hatten und wo der Bürger meister den Reichspräsidenten willkommen hieß. Der Reichspräsident dankte für die Ehrungen und mahnte zur Einigkeit. Er ließ seine Worte ausklingen in ein Hoch auf das deutsche Vaterland. Die Stralsunder Wassersportvereine und Fischer sowie einige Flugzeuge geleiteten die Fähre, die den Reichspräsidenten nach Rügen brachte. Beim Betreten der Insel Rügen begrüßte Landrat Mielenz in Altefähr den Reichspräsidenten, dem in allen Ortschaften, die er auf seiner Fahrt nach Putbus be rührte, von der Bevölkerung lebhafte Kundgebungen dar gebracht wurden. Drei Flieger begleiten den Reichs präsidenten bis zum Ziel. Vor Putbus überbrachten drei junge Mönchguterinnen in ihren Nationaltrachten eine Huldigung der Nügenschen Frauen und Mädchen, über 100 Mitglieder Rügenscher Neitervereine erwarteten das Auto des Reichspräsidenten und geleiteten es durch den Ort. Im Ort selbst bildeten die Schulen, Sport vereine und Militärvereine Spalier. Vor dem Eingang zum Schloß erwartete die Fürstin von Putbus den Gast. Abends wurde im Schloß ein Festbankett abgehalten. Deutschland fordert die Abrüstung. Tagung der Ausschüsse in Genf. Nach Vertagung der Vollversammlung des Völker bundes haben die Ausschüsse ihre Arbeit sofort aufgc- nomMn. Sie steht unter dem Druck des Bedürfnisses, bis zur nächsten Vollversammlung am Donnerstag mindestens die Generaldebatte über dir ihnen zugewiesenen Gegen stände zu beendigen. Das Hauptinteresse nimmt der Ab rüstungsausschuß in Anspruch, in dem das deutsche Dele gationsmitalied Graf Bernstorfs betonte, dak die Nnsnnbe John D. Rockefeller junior, der zum Ausbau der Völlcrbundbibliothek zwei Millionen Dollar stiftele. der geplanten Abrüstungskonferenz nicht die Begrenzung, sondern die Herabsetzung der Rüstungen sei. Nach dem Deutschland, so sagte Gras Bernstorff, vollkommen ab- gerüstct ist, handelt es sich darum, daß die allgemeine Ab- rüstungsverpflichtung auch von allen anderen Staaten durchgeführt wird. Was den Zeitpunkt der nächsten Ta gung des vorbereitenden Abrüstungsausschusses betrifft, so bestand Gras Bernstorff darauf, daß diese Tagung noch im Laufe dieses Jahres abgehaltcn werde. Ohne das Borliegen eines gemeinsamen Textes des vorbereitenden Abrüstungsansschusses können weder die Verhandlungen der Regierungen noch die öffentliche Meinung wirksam ans die Abrüstungskonferenz binarbeiten. Im ersten Ausschuß, der die Rechtsfragen behandelt, drehte es sich um die Frage, ob die Annahme eines Völkerbundabkommens unter Vorbehalt der Ratifi kation bei Nichtherbeiführung der Ratifikation rechtsver bindlichen Charakter annehmen kann, und ferner um die Frage der fortschreitenden Kodifizierung des internatio nalen Rechts. Im zweiten Ausschuß, in dem zunächst die Angelegenheit der internationalen geistigen Zusammen arbeit und des Pariser Instituts zur Erörterung stan den, nahmen eine Reihe von Rednern das Wort, dar unter auch als deutscher Vertreter der Abgeordnete Dr. Brcitscheid. Er sprach von den Beziehungen der einzelnen Mächte zu dem Pariser Institut, für welchen Zweck in Berlin in Kürze ein deutsches Verbindungs bureau eröffnet werde, von der Förderung des Stu denten- und Professorenaustauschs durch Deutschland und kam dann auf das Urheberrecht zu sprechen. Bei der For derung nach Vereinheitlichung der Schutzfrist für die Werke Verstorbener trat er für die dreißigjährige Schutz frist ein. -t- Unterredung Stresemanns mit Woldemaras. Zwischen dem Neichsaußenminister Dr. Stresemann and dem litauischen Ministerpräsidenten Woldemaras hat in Genf eine Anssprache stattgefnnden. Die Unterredung, die längere Zeit dauerte, bezog sich aus die Memeler Vorgänge und die mit dem Memelgebiet zusammen hängenden Streitfragen. Noch keine Ruhe in Litauen. Kriegszustand im ganzen Lande? Die Verfolgung der Aufrührer von Tauroggcn ttM ihrer Gesinnungsgenossen wird fortgesetzt. Sie dehnt sich allmählich über das ganze Land aus. Es sollen bereits einige hundert Personen in Hast sein. Einer der Führer des Putsches, das frühere Mitglied der sozialdemokra tischen Fraktion des ehemaligen litauischen Sejm, Mi- kulski, ist auf dem Gut Monkischki bei dem Ort Kalkens- nai erschossen worden. Er hatte sich in einer Scheune des Gutes verbarrikadiert und verteidigte sich mit der Schuß Waffe. Auch in Olita, südlich von Kowno an der Memel ge legen, ist ein Putschversuch unternommen worden, uuL zwar von den sozialdemokratischen Abgeordneten im coe- maliaen Seim Vlerkaitis und Pavlauska---