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Wilsdruffer Tageblatt Itationäle Tageszeitung für Landwirtschast und Has »Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags <1 Uhr. Bezugspreis monatlich 2,— RM. Drei Haus, bei Postdeftellung 1,80 NW. zuzüglich Bestellgeld. Einzelnummern 10 Rpsg. Alle Poftanstalten und Post- Voten, unsere Austräger u. , ... ... Geschäftsstelle, nehmen zu jederzeit Bestellungen ent- W0MeNvlat1 sUt Wllsdruff U. UMfleaeNd gegen. Im Falle höherer «Gewalt, od. sonstiger — - Betriebsstörungen besteht Pein.Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Rückporto beiliegi. alle anderen Stande des Wilsdruffer Bezirks Anzeigenpreise laut ai-Megendem Taris Nr. 4. — Nachweisunga-Vebühr :rM Nvsg. . Dorgeschriebene Erscheinungslage und Plagvorschrisicn werden nach Möglichkeit berücksichtig«. — Anzeigen - Annahme durch Fernrus übermil. 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Weil heute sich sein Wort zu erfüllen beginnt: „Ist es wahr, daß es zum Wesen des Deutschen gehört, stillos zu sein? Oder ist es ein Zeichen seiner Unfertig keit? Es ist wohl so: das, was deutsch ist, hat sich noch nicht völlig klar herausgestellt. Das deutsche Wesen ist noch gar nicht da, es muß erst werden; es muß irgend einmal herausgeboren, werden, damit es vor allem sichtbar und ehrlich vor sich selber fei. Aber jede Geburt !tst schmerzlich und gewaltsam." I Aus dieser heißen Liebe zum deutschen Wesen hat ^Nietzsche harte Worte gegen das Deutsche geschleudert. !Gegen die Sattheit des Zweiten Reiches, das sich in bürgerlicher Selbstgenügsamkeit beschied, ,kämpfte er, weil es in der Erreichung einer machtpoliti- schen Position das Ziel der deutschen Entwicklung er reicht zu haben glaubte. Freudig hatte er die Entschei dung von 1871 begrüßt um dann um so tiefer enttäuscht zu sein über das „gierige Treiben der Jetztzeit", das die deutsche Seele zu ersticken drohte. Das Erstarren des deutschen inneren Werdens zu einem genießenden, materialistischen Sein, rief feinen Zorn und Haß hervor. Er sah, wie das deutsche Wesen in einem Zivi- nsationstaumel, gegründet auf eine politisch-militärische Machtstellung und einen wirtschaftlichen Aufstieg, seine Kultur verlor, seine Sendung vergaß. Im Geiste sah Nietzsche die Verbindung griechisch-germanischen Wesens als Aufgipfelung deutscher Kultnrwerdung, glaubte er an die „Wiedererwachung des Hellenentums im Kampf gegen die Zivilisation und in der Herstellung des wahren deutschen Geistes". Als er seinen Traum zerstört sah, hat «r verbittert harte Worte gegen das Deutsche geprägt, nicht aber, um den Feinden deutschen Wesens Waffen in die Hand zu geben — was geschehen ist, besonders in der Kriegspropaganda der Entente —, sondern um die Deutschen wachzurufen, zu einer Reinigung und Läuterung auszurufen, die die Grundlagen einer neuen deutschen Welt legt. So hat Ernst Bertram in seinem Nietzsche-Werk das Ringen des einsamen Philosophen von Sils Maria um die Formwerdung des deutschen Menschen umschrieben: „Der Deutsche muß innere Weltweite be halten, jenes einzigartige Verantwortungsgefühl, eine Welt zu fein, ein echter Kosmos mit all seinen werdenden Möglichkeiten; die Last einer Welt, die Zukunft einer Welt zu tragen — nicht dieser Welt, sondern einer ande ren, einer neuen Welt deutscher Verwirklichung." Diese Welt zu bauen schicken wir uns an, nachdem der Nationalsozialismus hinabgestiegen ist zu den Wurzeln des deutschen Wesens, nachdem Adolf Hitler den Schutt weggeräumt hat, der auf ihm lastete. Eine neue deutsche Welt steift vor unserer Sehn sucht, an ihrer Verwirklichung zu arbeiten ist unsere Auf gabe. Die Frage, inwieweit das Denken Friedrich Nietsches mit der Weltanschanung des Nationalsozialis mus übereinstimmt, ist gestellt, wenn auch noch nicht ge- Kärt. Deutlich jedoch ist, worin die Bedeutung des Zarathustra-Dichters für die Probleme und Fragestellun gen unserer Zeit liegt. Nietzsche sah in der modernen Demokratie die „geschichtliche Form vom Verfall des Staates". Einem optimistischen, seichten Fortschritts glauben erklärte er den Krieg. Einem satten Bürger tum, wie es die Gründerjahrc heranfgezüchtet hatte, mit seinen wirklichkeitsfremden Ideologien galt seine Absage. Seine religiöse Haltung war nordisch. Das Christentum sah er als Dekoration eines bürgerlich-liberalistischen Weltgefühls, das die Lehre Jesu Christi verfälscht und verwässert habe. Nietzsches Heroismus, der auf einer inneren Freiheit beruht, und das Leben kämpferisch persönlich gestaltet, ist uns heute Weckruf und Wegweisung. Offen bleibt aber eine Reihe von Fragen, die zeigen, oaß Nietzsche nicht in ein System zu zwängen ist, sondern aaß Spannungen zwischen seinem nnd unserem Denken bestehen, die sich vielleicht nicht überbrücken lassen. Den Begriff „Volk" mit seinen Kräften und Werten hat Nietzsche wohi nicht in seiner ganzen Tiefe gefaßt. Das Vorrecht der politischen und sozialen Ordnungen vor der Einzelpersönlichkeit hat sein aristokratischer Individualis mus und seine strenge Rangordnung nicht zugegeben. Seine Rasseanschauungen sind andere als unsere. Er faßt den Begriff „Rasse" wohl doch unter Ausschaltung seiner biologischen Elemente auf. Daß aber Nietzsche zu den großen Weckrufern des deutschen Menschen und seiner Welt gehört, wird deutlich, wenn man seinen Kern gedanken aufmmmt, daß einzig daseinsberechtigt sei der herois ch e M e nsch, der sich behauptet im Ringen mit dem unerbittlichen Schicksal. E. H. Die Gemeinschaft fordert: Unorganisierte darf cs in den deutsche Betrieben nicht mehr geben! Bekennt Euch alle zur Deutschen Arbeitsfront! England wartet ab! Die Beschlüsse -es englischen Kabinetts. Eng Land am GcheOswese. Die schicksalsschweren Beratungen des britischen Kabinetts. — Die Londoner Presse spricht vom „Krieg im Mittelmeer". Die öffentliche Meinung Englands wird beherrscht von den entscheidenden Beratungen des britischen Kabi netts über den Abessinienkonflikt. Die Londoner Presse bezeichnet die Beratungen als „Entscheidung von histo rischer und vielleicht verhängnisvoller Bedeutung." Man spielt in London mit Erinnerungen an die entscheidungsreichen Tage im Sommer 1914. Der Be schluß des Auswärtigen Ausschusses des Kabinetts, Sanktionen gegenüber Italien anzuwenden, käme einem Krieg im Mittelmeer gleich. Die Londoner Presse sucht dieser Tatsache bereits Rechnung zu tragen, indem sie sich bemüht, die Öffentlichkeit über die tieferen Zu sammenhänge aufzuklären. Besonders hervorzuheben ist die Feststellung des diplomatischen Korrespondenten des „Daily Telegraph", nach der die britischen Minister die jetzt durch Italien geschaffene Lage als „klaren Versuch zur Störung des Weltfriedens" bezeichnet hätten. Das ganze Vertragssystem, auf dem die derzeitigen internationalen Beziehungen beruhen, sei durch Italiens Vorgehen gefährdet worden. Weiter fei der Kabincttsausschuß sich darüber klar geworden, daß auch Englands Stellung in Nordafrika gesichert werden müsse, wobei die Tat sache eine besondere Rolle spiele, daß „Italiens Ziele sich nicht auf Eroberung Abessiniens beschränken" würden. Damit ist zum erstenmal klar ausgesprochen worden, daß Großbritannien sich durch Italiens Vorgehen zu einem Machtkampf um das Mittelmeer heraus gefordert fühlt. Der überwiegende Teil der Londoner Presse er wartet, daß Frankreich im Völkerbund England Sekundantendicnste leistet, gleichzeitig aber versuchen wird, noch eine glücklichere Lösung zu finden. Es wird angenommen, daß der britische Völkerbundsminister, Eden, sich zu Be sprechungen der weiteren Einzelheiten am nächsten Wochenende nach Paris begeben wird. Von Italien hin gegen nimmt man an, daß die Konzentrierung der italienischen Manövertruppen an der Alpengrenze und die verstärkte diplomatische Geschäftigkeit zur Schließung des Donaupaktes dazu bestimmt sein sollen, Frankreich zu überzeugen, daß man auch ohne den Völkerbund eine „wirksame Barriere gegen Deutschland" errichten könne. Die militärischen und die FloLtenstreitkräfte Eng lands in Nordafrika und im Mittelmeer sind auf ihren vollen Stand gebracht und mit aller nötigen Ausrüstung versehen worden. Wie es in politischen Kreisen weiter heißt, sind außer dem neue Flugzeuge durch Flugzeugmutterschiffe nach Malta gebracht worden. Die britische Mittelmeerflotte ist in aller Stille verstärkt, in Haifa eine neue Flotten basts errichtet worden und längs der Südostküste am Mittelmeer von Syrien^ bis Ägypten sind neue Funk stationen gebaut worden. McDonald über die englische Kabinettsfitzung. Die Sondersitzung des britischen Kabi netts, die am Donncrstagvormittag begann und gegen Mittag unterbrochen wurde, wurde am Nach mittag um 14.30 Uhr wieder ausgenommen nnd um 16.30 Uhr beendet. Vor dem Zusammentritt des Völkerbunds rats wird keine neue Zusammenkunft des Kabinetts er folgen. Ministerpräsident Baldwin reiste abends wieder nach Aix-les-Bains ab, und auch die anderen Minister begeben sich wieder in die Ferien. Im Anschluß an die Sitzung erklärte der stellvertretende Ministerpräsi dent MacDonald: „Wir haben ruhig und kalt unsere Partei ergriffen und haben eine klare Idee von dem, was gemacht werden sollte." Die Veschlüsse des englischen Kabinetts. Entgegen der ursprünglichen Ankündigung ist eine amtliche Mitteilung über die Sitzung des bri tischen Kabinetts nicht ausgegeben worden. In unter richteten Kreisen verlautet jedoch, daß das Kabinett zu folgenden Ergebnissen gekommen ist: 1. Das Kabinett billigt in jeder Hinsicht die nach dem Abschluß der Pariser Dreimächteberatungcn abgegebene Er klärung, daß die britische Regierung mit der französischen Regierung in ständiger Füh lung und in engster Zusammenarbeit bleiben wird und daß die beiden Regierungen bis zur Sitzung des Völker bundsrotes am 4. September fortsahrcn werden, a u fdiplo malischem Wege mit der italienischen Regierung Vie Möglichkeit einer friedlichen Regelung zu erforschen. 2. Das Kabinett hat ferner beschlossen, in der im Juli getroffenen Entscheidung, vorläufig die Erteilung von Bewilligungen für die Ausfuhr von Waffen nach Italien und Abessinien zu sperren, keine Änderung ein- tretcn zu lassen. Das bedeutet jedoch, wie verlautet, nicht not wendigerweise die Aufrechterhaltung des Ausfuhrverbots bis zum September, Außenminister Sir Samuel Hoare ist mit der ständigen Überprüfung dieser Frage betraut worden. 3. Schließlich hat sich das Kabinett auf den Standpunkt gestellt, daß kein Grund für eine Änderung der bereits bei mehreren Gelegenheiten mitgetcilten Politik der britisch en Regierung gegenüber dem Völker bund und den Genfer Satzungen besteht. In englischen Kreisen werden für die nächsten Tage keine neuen Entwicklungen erwartet, und einstweilen ist auch kein Zeitpunkt für eine weitere Kabinettssitzung angcsctzt worden. Pans: Mussolini soll nicht verärgert werden. Als Eindruck von der englischen Kabinettssitzung, glauben die französischen Blätter feststellen zu können, daß sich England vor jeder endgültigen Entscheid düng mit Frankreich ins Benehmen setzen will. In Pariser politischen Kreisen legt man großen Wert darauf, daß Mussolini nicht verärgert werde, da man befürchtet, daß das zu einer Überstürzung der Ereignisse führen könnte. Solange noch Aussicht darauf besteht, daß Italien an der Sitzung des Völkerbundsrates vom 4. Sep tember teilnimmt, fei die Hoffnung auf eine friedliche Lösung vorhanden. Wenn das Fern bleiben Italiens in Genf jedoch herausgefordert werden sollte, wäre nach französischer Ansicht eine bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Italien und Abessinien nicht mehr aufzuhalten. Englische Mittelmeerflotte übernimmt Proviant und Munition. Das englische Nachrichtenbüro „Reuter" meldet aus Malta, daß die Einheiten der britischen Mittel meerflotte zur Zeit Proviant und Muni tion übernehmen. Es wird hinzugefügt, daß diese Maß nahme nichts Außergewöhnliches darstelle, da die Flotte programmäßig Ende des Monats zu Manöver» in See stechen werde. Der genaue Zeitpunkt der Ausfahrt ist noch nicht festgesetzt worden. Italienisches Flugzeugmutterschiff nach Ostafrika ausgereist. Am Donnerstag haben das Flugzeugmutter schiff „Miraglia" mit fünf Bombenflugzeugen, fünf Aufklärungsflugzeugen und 80 Fliegern sowie der Dampfer „Ravenna" mit 375 Maultieren an Bord die Ausreise nach Ostafrika angetreten. Zur Verabschie dung des Flugzeugtransportes, der besonderes Aufsehen erregte, hatten sich hohe Persönlichkeiten der italienischen Luftfahrt in Neapel eingefunden. Ei« Zwischen?«», der keiner war. Die italienische Gesandtschaft in Äddks Abeba teilt mit, daß die Verletzung des italienischen Konsuls Falconi, deraufeinerJagd von seinem Diener mit einem Brustschuß aufgefunden wurde, auf einen Un - glücksfall zurückzuführen ist. An Falconis Gewehr hatte sich während der Jagd eine Abzugs Hemmung herausqcstellt. Bei der Prüfung des Gewehrs ging ein Schuß los und dem Konsul in die Brust, wobei die Kugel in die Lunge drang. Der Zustand Falconis ist ernst, jedoch — nicht hoffnungslos. Ruhige Auffassung m Rom. In zuständigen Kreisen Roms werden entschieden die im Ausland umlaufenden Gerüchte zurückgewiesen, wonach die diplomatischen Beziehungen zwischen Abessi nien und Italien infolge des Zwischenfalls abgebrochen worden sein sollen. Man betont in Rom ausdrücklich, daß ein politischer Zwischenfall nicht vorliege, sondern daß Falconi aller Wahrscheinlichkeit nach einen Jagd unfall erlitten hat, bei dem seine Flinte losOng und eine Kugel in seine Schulter eindrang. Allgemeine Mobilmachung i« Messsmen. Rach einer Meldung des Londoner Blattes „Daily Mail" aus Addis Abeba hat der abessinische Kaiser nun mehr die allgemeine Mobilmachung befohlen, nachdem der Zusammenbruch der Pariser Dreierbesprechungen den Ausbruchdes Krieges in nächste Nähe ge - r ü ck.t bat.