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MMfferÄM« Nr. 45 — 90. Jahrgang Montag, den 23. Februar 1931 Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Telegr.-Adr.: .Amtsblatt" Wrse Wik an der Wlse Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Noffen behördlicherseits bestimmte Blatt. Die Hauptforderungen des Landbundes bleiben unberücksichtigt. In einem Referat über die agrarpolitifche Lage auf der Gesamtvorstandssitzung des Landbundes Provinz Sachsen unterzog der Präsident des Landbundes, Graf von Kalckreuth, das geplante neue Osthilfe gesetz einer eingehenden Kritik. Zusammenfassend kam er ;u folgendem Schluß: Das Osthilfegesetz in seiner Gesamt heit mutz als unzureichend und unzulänglich bezeichnet werden, besonders deshalb, weil die generelle öastenscnkung nicht in den Vordergrund der Hilfs maßnahmen gestellt ist. Auch die vorgesehene Ar: der land wirtschaftlichen Entschuldung läßt nicht die Hoffnung aufkommen, daß die Umschuldung schnell Platz greift. Der Einfluß Preußens kann nicht als gebrochen ange sehen werden. Die Mitwirkung der Landwirtschaft ist nicht im genügenden Maße sichergestellt. Auch eine Verlängerung des V o l l str e ck u n g s s ch u tz e s ist nicht erfolgt. Mit Rücksicht darauf, daß die Voraussetzung für eine erfolgreiche Osthilfe, nämlich die Wiederherstellung der Landwirtschaft, bisher nicht erfüllt ist und die eben er wähnten Hauptforderungen des Neichslaudbundcs unbe rücksichtigt geblieben sind, wird auch dieses Gesetz dem deutschen Osten keine Rettung bringen. Eine Ansprache in französischer Sprache hielt das Mitglied der französischen Kammer Eharles Spinasse. Frankreich müsse langfristige Kredite für die deutsche Wirtschaft zur Verfügung stellen,um der deutschen Arbeits losigkeit zu begegnen. — Der frühere österreichische Bundeskanzler Nenner überbrachte die Grüße des öster reichischen Schutzbundes. — Zu Zwischenfällen ist es nicht gekommen. Das Reichsbanner veranstaltete in München eine Kundgebung im Bürgerbräukeller. Der Hauptredner war Major a. D. Mayr, der sich scharf gegen die National sozialisten wandte Reichstagsabgeordneter Auer er klärte, auch in Zukunft werde der Leitgedanke des Reichs banners sein, keine Gewalt der Willkür, alle Gewalt dem Reiche und alles Recht dem Polke. * Oer 22. Februar in Gochsen. Ruhiger Verlauf. Am Vormittag fanden in Dresden Kundgebungen und Umzüge der verschiedenen politischen Organisationen statt. Soweit sich bisher feststellen ließ, ist es zu größeren Zwischenfällen nirgends gekommen. Zwar versuchten kom munistische Trupps, an verschiedenen Stellen nationalso zialistische Umzüge und Aufmärsche zu stören. Diese Stö rungsversuche scheiterten an dem sofortigen Einschreiten der Polizei. Ebenso herrschte in Leipzig vollkommene Ruhe. Kleinere Störungsversuche wurden von der Polizei im Keime erstickt. Die Kundgebungen verliefen in Ordnung und Ruhe. Auch aus der Oberlausitz, so aus den Städten Bautzen, Löbau und Zittau, wird ein ruhiger Verlaus der politischen Kundgebungen gemeldet. Regnerisches und glitschiges Wetter hat sich eben noch immer als das beste Dämpfungsmittel für politische Heiß sporne erwiesen. Endlose KaSmeWeratungen kber die Agraworlage. Worte und noch immer keine Taten. Die agrarpolitischen Beratungen des Reichs kabinetts unter Vorsitz des Reichskanzlers Dr. Brü - ning, an denen auch der inzwischen nach Berlin zurück gekehrte Reichsbankpräsident Dr. Luther teilnehmen konnte, wurden fortgesetzt. Im Vordergrund der Er örterungen standen vor allem die genossenschaft lichen Probleme, die vorher mit dem Reichsverband de: Deutschen Landwirtschaftlichen Genossenschaften in de: Reichskanzlei Ausführlich durchgesprochen waren. Für Anfang der nächsten Woche ist eine eingehend« Aussprache der zuständigen Stellen mit dem Ziel der Zinsverbilligung in Aussicht genommen. Di« agrarpolitischen Beratungen des Neichskabinetts Werder Montag fortgesetzt. Hindenburgs Auf an die Seuischnatjonaler Aufforderung zur parlamentarischen Mitarbeit. Der deutschnationale Neichstagsabgcordnete Weg« (Liidwigsdorf, Post Deutsch-Filchne) hatte an den Reichs- Präsidenten ein Schreiben gerichtet, in welchem er u. a. ar den Reichspräsidenten die dringende Bitte richtet, dafür »>orge zu tragen, daß ungesäumt etwas Durchgreifendes kur die Landwirtschaft, insbesondere des Ostens, ge- Ichehcn möge. Reichspräsident von Hindenbura bat hieraus dem Zug -er Zeit. Gewiß, die ganze Sache ist burlesk! Mit einer „richtig gehenden" Kanone bewaffnet, stellt sich ein Mann aus den Balkon seiner Wohnung im hochfeinen Ber liner Westen und schießt in die Gegend. Ziegel splittern, Fenster klirren, bis das Überfallkommando dem nicht ganz ungefährlichen Spuk ein Ende macht, den Mann und seine Kanone von dannen führt. Hinterher erfährt man von seinem Treiben so allerhand, was durchaus nicht burlesk ist, vor allem, daß es ganz allgemein in der Umgebung bekannt war, wie wenig er die Kinder der Nachbarn den guten alten Spruch befolgen ließ: „Spiele nicht mit Schießgewehr!" Man liest davon, daß er als „Firmenschild" unten am Hause und am Ein gang zu seiner Wohnung den Hinweis „Schiffsgeschütze" angebracht hatte. Und daß er sein Tun damit erklärte, daß Krupp einen Schießplatz für seine Versuche habe, er aber nicht — und er infolgedessen die Straße für die Aus probung seiner Kanone hätte benutzen müssen. Vor allem natürlich wollte er die öffentlich eAufmerksam- keit auf sich und seine Erfindung lenken, weil er vom Reichswehrministerium damit abgewiesen worden sei. Man ist ja hinterher immer sehr schnell mit der „Geistes gestörtheit" zur Hand, und die Tatsache, daß der Kanonen- uebhaber im Kriege einmal in einem zusammengeschosse- uen Unterstand verschüttet war, gibt dann die rasch herbei geholte Begründung ab. Das ändert aber doch nichts an der Tatsache, daß dieses „armen Irren" Treiben nicht bloß seinen nächsten Verwandten, sondern der ganzen Nach barschaft bekannt war, — und niemand kam auf die nicht gerade kerntteaende Idee, daß aus dem Spiel mit dem ^Schießgewehr", mit Pulver und gezogenem Kanonenlaus anw mal E r n st werden konnte, der nur durch emen Kukall noch glimpflich ablief. Das Kanonenrohr war aber wirklich kein Spielzeug, sondern sehr brauchbar, und der Irre" hat es sich in Suhl Herstellen lassen, wo man ja in Viesen Dingen einige Erfahrung hat. Sogar die Züge des Rohres wurden ihm gefertigt, ohne daß man sich'vabei nur einmal fragte, was hier eigentlich „gespielt" wird. Daß sich in Deutschland irgendeine Privatperson ein schußfertjges Kanonenrohr Herstellen lassen kann, ohne daß äußeren Umständen gefragt wird, ist rmmerhm doch eine Erfahrung, die zu denken geben r« ^^ann bei allen „Gelegenheiten" sofort ftlstoleaus derTasche zieht, wurde leider Gottes heute zu einer Erscheinung, über die man sich trotz aller Verordnungen im allgemeinen gar nicht mehr wundert. Das gehört ja jetzt einfach zu parteipolitischen Auseinandersetzungen und es war fast eine Beseitigung eines lebhaft empfundenen „Mangels", daß nun auch im Wandelgang des Reichstages ein paar Schüsse knallten. Man wäre also versucht, für den Reichstags präsidenten eine entsprechende Nachahmung des bekannten „Wjld-West"-Scherzes zu empfehlen, bei dem der Gastwirt darum bittet, auf den Klavierspieler nicht zu schießen; er tue sein Bestes. , Und doch muß man aus andern, durchaus nicht humo ristisch zu nehmenden Gründen einen Augenblick bei dem Vorfall im Reichstag verweilen." Der Mann mit der Schreckschuß Pistole ist ja kein politisch aufgeregter ^ungltng gewesen, sondern ein Greis, der das biblische Alter bereits überschritten hat. Auch er wollte durch sein Tun die Aufmerksamkeit auf sich und seine Forderungen lenken, weil er für die W ü n s ch e d e r K l e i n r e n t n e r bei den zuständigen Reichstagsabgeordneten kein Gehör zu finden glaubte. Kleinrentner — bei diesem Wort wird jeder und jeder Humor bitter. Und die nüchterne ^e Opfer des Krieges und des Zu- !ub?ruhitten Denn^ nicht ganz, unser Gewissen aenonnnen Sie müNo,"^ wurde mehr als nur das Geld nur durch eine karge Baratt?"" Alter trauen bis rum Herzigkeit kaum gemilderte W°m, -- dann -um Reichstag ist ja auch nur ein wÄ — ^md dxr Vorfall lm einzige dieser Art -, so möchten Ä"däs nickst in Mrallele damit stellen, wenn ein parteipo mZ* m Schießeisen greift. Ein Mensch, L hl!nm nu! Lebenskummcr steht und über dem die Verzwettlung dann einmal zusammenschlagt ist t - schnldbar, aber ihm, nur ihm, -sind » li ch mil dernde Umstände" zuzubllllgen. Stärker als ei und als wir alle ist das al, das Himer uns, über uns steht. Und gegen dieses Unerbittliche mit der Pistole an- sugehen, liegt vielleicht nn „Zuge der Zeit-, jst doch unmer der Punkt, bei dem die „Geistesgestörtheit-- einsetzt Denn es ist zwecklos. Fast symbolisch ist es daher, daß «n Reichstag nur eine Schreckschußpistole knallte. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8gespaltene Raumzeile 20Rxfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen ^Reich-». Pfennig, die 3 gespaltene Reklamezelle im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgebühr 20 Reichspsennige. Bor- geschriebene Erscheinung»- „ tage und Platzvmffchriflen werden nach Möglichkeit Fernsprecher: Amt Wilsdruff Nr. 6 berücksichtigt. annahmebisvorm.10Uhr. — — - Für die Richtigkeit »er durch Fernruf übermitteltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Rabattanspruch erlischt, wen» derBetragdurch Klage eingezogev werden muß oderder-ütstraggeberin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen alle Vermittlungsstellen entgegen. Lir MustrieprogramMu Landwirtschaft. Die Industrie „nicht überall vorbildlich". Wie die Landwirtschaftliche Wochenschau ersährl, hat die Haltung des Netchsverbandes der Deutschen Industrie und des Industrie- und Handelstages zu den Agrarvorlagen tn führen den landwirtschaftlichen Kreisen den Plan reisen lassen, nun ihrerseits ein Industrieprogramm aufzustellen. Es könne nicht bestritten werden, daß die Industrie durchaus nicht überall vor bildlich sei. Gerade die von der Industrie selbst immer wieder betonten Schwierigkeiten der Industriewirtschaft insbesondere die großen Stillegungen der letzten Zeil bewiesen, daß unsere deutsche Industrie noch in vieler Richtung verbesserungs bedürftig sei. Das beziehe sich u. a auch aus die Absayorgam- sation und auf die Werbung, bei der gerade die letzte Grüne Woche in Berlin schlagend bewiesen habe, wte rückständig die Industrie nicht nur gegenüber der ausländischen Konkurrenz, sondern auch gegenüber der Landwirtschaft sei. Die volkswirtschaftlich verfehlte und schädliche Absatzpolitik der Industrie zeige sich auch in der von landwirtschaftlicher Seite seit Jahren kritisierten Praxis, industrielle Produktions mittel für den intensiven landwirtschaftlichen Betrieb der aus ländischen Landwirtschaft zu erheblich billigeren Preisen als der deutschen Landwirtschaft zur Verfügung zu stellen, so daß die Konkurrenzfähigkeit der deutschen Landwirtschaft beeinträchtigt und zugleich durch die vielfach unter den Selbstkosten liegende« Auslandspreise das Verlustsaldo der Industrie vergrößert werde. Abg. Wege folgende Antwort erteilt: „Sehr geehrter Herr Abgeordneter! Von Ihrem Schreiben vom 18. Februar habe ich mit vollem Verständnis für die im Landvolk der Grenzmark herrschende sorgenvolle und ernste Stimmung Kenntnis genommen. Ich verfolge die Lage der deutschen Landwirtschaft mit besonderem Interesse und begleite alle brauchbaren Vorschläge zur Besserung der Not namentlich im Osten mit tätiger Mit arbeit. Durch die in den letzten Tagen vom Reichskabinett verabschiedeten Gesetzentwürfe soll dem Osten durch weitere vor der Verabschiedung stehende Maßnahmen der deut schen Landwirtschaft insgesamt eine durchgreifende und alsbaldige Hilfe gebracht werden. An meiner Mitwir kung hierbei hat es bisher nicht gefehlt und wird es auch künftig nicht fehlen. Leider muß ich aber zurzeit Ihre und Ihrer Fraktionskollegen praktische Mitarbeit bei der Gesetzgebung des Reiches vermissen. Ich muß daher Ihren Appell an mich damit erwidern, daß ich an Sie und Ihre Parteifreunde den dringenden Ruf richte, bei den bevorstehenden, für die deutsche Landwirtschaft lebens wichtigen gesetzgeberischen Arbeiten nicht abseits zu stehen, sondern tatkräftig mitzuhelfen. Mit freundlichen Grüßen gez. von Hindenburg!" , Ein politischer Sonntag. Reichsbannerkundgebungen im Reiche. Auf einer Reichsbannerkundgebung in Frankfurt am Alain sprach als erster Redner Reichstagspräsiden! Löbe. Seit dem 14. September sei die Widerstandskraft der republikanischen Parteien gewachsen. Wenn die Na tionalsozialisten den Reichstag heule verließen, dann sei es ein Eingeständnis ihrer politischen Schwäche und der Unmöglichkeit, Wahlversprechungen zu verwirklichen. Weder der deutsche noch der italienische Faschismus könnc der Wirtschaftskrise wirksam begegnen. Die republika nischen Parteien seien bereit zum Kampf aus geistigem Gebiet, aber auch dem Gegner auf reales Kampsseld zu kolaen. Das neue Osthilfegssetz. Erläuterungen des Ministers Treviranus. Reichsminister Treviranus sprach im Berliner Rundfunk über die Osthilss die in den nächsten Wochen im Reichsrat und Reichstag zur Verabschiedung kommen soll. In seinem Ab schnitt iL sehe dieses Gesetz vor, daß tn einem beschränkten Grenzgürtel allgemeine Hilfsmaßnahmen, wie bisher in Ost preußen, Oberschlesien und der Grenzmark, auf weitere Kreise von Schlesien und Pommern ausgedehnt werden könne.«. Außerdem sei die Regierung gehalten, in den Jahren 1932 bis 1936 jeweils Mittel in Höhe von mindestens 20 Millionen Mark bereitzustellen, um besondere Notlagen zu mildern. Im Abschnitt L des Osthilfegesetzes sei vorgesehen, tn dem so genannten Osthilfegebiet eine großzügige Entschuldung ge fährdeter landwirtschaftlicher Betriebe durchzuführen. Bezüglich der Wünsche anderer Landesteile, in die Osthilfe einbezogen zu werden, erklärte Treviranus, daß wegen der Beschränktheit der Mittel die Entschuldung von der Grenze an durchgeführt wer den müsse. Das Kernstück deS Osthilfegesetzes sei die landwirtschaftliche Entschuldung, die die Oststelle bei der Reichskanzlei und die Landesstellen zu betreuen hätten. Die Reichshilfe müsse sich auf die Zinszahlungen , die Abdeckungen von überhängenden Verlusten und den Landverkaus bei unren tablen Betrieben beschränken Man müsse berücksichtigen, daß man zwar Notverordnungen machen könne, soweit es die Ver fassung gestatte, daß man aber nicht in- und ausländische Geld geber zwingen könne, Geld zur Verfügung zu stellen. Die Regierung müsse sich dagegen verwahren, daß man chr nicht nur Unfähigkeit, sondern bösen Willen vorwerfe. Mit dem Herzen allein könne die Krise nicht gemeistert werden. Wenn vielfach zur Ablehnung der Osthilfe in der neuen geplante« Form aufgesordert werde, weil sie den Schuldnern nicht die alleinige Verfügung über das Schicksal ihrer Gläubiger gebe, so sei zu bedenken, daß das Reich für das Wohlergehen der Schuldner sowohl wie der Gläubiger verantwortlich sei. Der Reichspräsident bürge dafür, daß die gesetzliche Durchführung der Maßnahmen gesichert wird, soweit es in Anbetracht der Verhältnisse und der zur Verfügung siebenden Mittel des Reiches nur iraendwie denkbar sei. Nationale Tageszeitung für die Fandwirtschast/ U«ptg.AlUPofta»st-Uen Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgegend Poftböirnunpunt-^AÜ^I ttäger und Geschäftsstellen -- - - - nehmen zu jeder Zeit Be- stellungeneutgegnu ImFallehöherer Gewalt, ^ueg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rucksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt.