Volltext Seite (XML)
MdmfferTageblali für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter Nr. 7z — 90. Jahrgang Wilsdruff-Dresden Donnerstag, den 26. März 1931 Telegr.-Ädr.: »Amtsblatt Posticheck: Dresden 2640 Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, erschein, an allen Werdlacen nachmittags s Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in 2 r Ausgabestellen 2 RM.im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,3v AM., bei Poftbestellung iMpfg.WIcPoslanstalten Wochenblatt fÜk Wilsdruff U. Umgegend Postbo'tcnun^unftreAu" er°gerundtSe,ch°ft-st-IIen — 2-^ nehmen zu jeder Z-i,B°. JmFaUc hbherer Lewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteh, t-c,n Anspruch au, Lieferung Heilung oder Kürzung des Bezugspreises. Stucksendung eingefandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Aaumzeile 20Apfg., die 4 gespaltene Aeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweijungsgebühr 20 Reichspfennige. Vor geschriebene Erschcinungs- _, - tage und Platzvorschrifterr werden nach Möglichkeit VNsv VL M SV : Amt Wilsdruff Nv. 6 berücksichtigt. Anzeigen annahme bis vorm.10 Uhr. ' - — Für die Richtigkeit der durch Fernruf übermitteltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Aab attanspruch erlif cht, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werdenmußoderderAuftraggeberinKonkursgerüt. Anzeigennehmen alleVermittlungsstellenentgegen. Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- genchts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und Les Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Ermächtigungen. Im Eiltempo strebt der Reichstag dem Ende seiner diesmaligen Tagung zn, und ein fast „geschichtswidriges Vergehen" ist es, daß er die Beratung und die Beschluß fassung über den Reichshaushalt sogar noch vor dem 31. März fertigstellt. War es doch schon fast zur Regel geworden, daß sich diese Beratungen weit über den 1. April hinauszogen, obwohl an diesem Tage der Haushalt für das neue Etatsjahr in Kraft treten soll. So wird nun wohl auch noch der Reichsrat Zejt haben, in den beiden letzten Märztagen dem Haushalt bzw. den hierüber gefaßten Beschlüssen des Reichstages seine Zustimmung zu geben; auf irgendwelche „Beanstandungen" wird die Reichsregierung dort hinsichtlich der inzwischen eingesetzten Abänderungen kaum stoßen. Wenn man den Reichshaushalt selbst als die Er- wilung einer „Ermächtigung" an die Regierung an- sehen kann, die Einnahmen so zu erheben, die Ausgaben w zu leisten, wie es in diesem „Haushaltsgesetz" vor geschrieben oder — nicht vorgeschrieben ist, so werden oder sind vom Reichstag der Rcichsrcgierung daneben "och andere „Ermächtigungen" erteilt, deren Aus- und Durchführung weit mehr den Inhalt der eigentlichen Re- gierungs- und VerwalmngsarbcU ausmachen werden. Es sind gesetzliche Grundlagen, auf denen nun erst einmal etwas aufgebaut werden soll, — aber w i e gebaut wird, Wie der Bau im einzelnen aussehen wird, welche Bausteine und wieviel davon die Regierung bei der Errichtung des Baues verwenden will, ist nicht nur Stein für Stein vom Reickstaa vorgcschrieben, Mark für Mark festgelegt worden Und es ist vom praktischen Standpunkt aus auch m,p billigen, wenn hier der Reichsregicrung nicht enge oder engherzige Vorschriften gemacht werden. Das gilt zuerst von der Ermächtigung, die Osthilse aus - Zudehnen auf Gebiete, für die sie bisher noch nicht vorgesehen ist. Es kommt dabei ja vor allem darauf an, in reichem Umfange man die »cur allmählich hereinkom menden Mittel und Kredite der Osthilfe „vorfinanzieren" kann, d. h, wie groß der hierbei notwendige „Über brückungskredit" sein wird. Und noch so manches andere von einer Henie im einzelnen noch gar nicht zu Ersehenden Zukunft abhängcn, — einiges auch von dem in dem die Vorarbeiten für das Einsetzen der Ost- " vor sich gehen. .. Ähnliches gilt von der „S p a r e r m ä ch t i g u n g", Gefahr.— und diese ist nicht so leicht zu nehmen .etatsrechtlichem" Boden begegnen will, daß eine Gerung der Reichseinnahmen unter die Voran- fchl"ge«der eine unvorhergesehene Vermehrung vonAus- gaben -w Reichshaushalt in Unordnung bringt. Daun w" muß in anderen Teilen auch eine Verkürzung fallen cintreten, muß besonders dann noch mehr ü"par, sieden, wenn die erwarteten Einnahmen nicht hereinkommen. Ungern haben einzelne Parteien uerade ^escr theoretisch sehr weitgehenden Ermächtigung NMimnu zudem ja die Reichsregicrung darüber hinaus 'Mwer noch über das Notverordnungsrecht verfügt, wenn der Reichspräsident seine Zustimmung gibt. Erhöhte Be denken erzeugte es außerdem, daß der Reichstag bis in den Herbst hinein vertagt wird, er also bis dahin „miß liebige" Regierungsmaßnahmen nicht beseitigen kann. Am schlimmsten natürlich ist aber die ziemlich absolute Ungewißheit darüber, „was die Reichsregterung zu tun gedenkt", nm die auf einem recht wackligen Boden stehenden Reichssinanzen vor einem Zusam- menbruch zu bewahren bzw den Boden selbst zu „stabili- ''^"MinÜtcräust^ mehr oder weniger pri- "^Wünsche wäll rem /"Wen stier Beklemmungen oder «"AS -u> dn N-Si-r-n» Auch bei der dritten „Ermächtigung", der wohl !olgcnschwci sten, ga ' Beklemmungen und ent sprechende politisch-parla^ „Reaktionen", Das m-in. WM d°° Reichsregierung, der d Jahr gewährt werden soll, zu vvcabuanwen preisverbilligcnder Art verpflichten, wenn -- von Zollcrhöhungen? - der Lebenshaliungsinder uvcr emen bestimmten Punkt hinausklettcri. Da ist nun, um Zwar blgß von der Regierung, eingewendet worden, - me Höhx derAgrar- zöllc hzw der Lebensmittel gar Nicht allein durch die Breishölu per für die Ernährung notwendigen Waren werde, die »Richtungspunkte also falsch ge- fdlcn. Hier wird wie noch IN vmigen anderen vom ^Astag beschlossenen Gesetzen der Reichsra, das letzte, cntscheidende Wort sprechen, entscheidend insofern, als der dann vertagte Reichstag nicht mehr in der Lage ist, seinen -Litten doch noch durchzusetzcn. ..^a wird das, was der Reichstag zurucklaßt, Reihe von Ermächtigungen für die Reichsregterung sein; nun praktisch ansgefüllt werden, ist wmguch Sache und — Aufgabe der Regierung. * Fördert die Ortspreffe » WM SW j« Berlin nnd Men Die Zollunion soll vor den Völkerbund England zur Frage der Zollunion. Der Völkerbund soll erst alles klären. Londoner Meldungen besagen, daß an maßgebender englischer Stelle die deutsch-österreichische Zollunion zu ernsten Erwägungen Anlaß gibt. Das Londoner Außen ministerium will vor dem Völkerbundrat die Frage geklärt sehen, ob in den Bestimmungen über die österreichische Völkerbundanleihe von lv22 kein Hindernis zum Abschluß einer solchen Zollunion lägen. Im Englischen Unterhaus teilte Unterstaatssekretär Dalton mit, daß er über die beabsichtigte Zollvereini gung zwischen Deutschland und Österreich unterrichtet wurde, bisher sei noch kein Abkommen geschlossen. Wenn nn solches Abkommen auf Grund der Vorschläge zwischen Deutschland und Qstereich zustande kommt, hängt die Rück wirkung auf den englischen Handel von den dort vor gesehenen Zöllen ab. England habe nicht die Absicht, mit Deutschland und Österreich über eine zu schaffende Zollunion aus der gleichen Grundlage gegenwärtig Verhandlungen zu beginnen. * WM meist die enM-srmiMlhe« WWe Ms W8L. Der britische Botschafter hat den Reichskanzler wegen der deutsch-österreichischen Vereinbarung über die Zoll union ausgesucht und ihm mitgcteilt, Herr Henderson halte cs für erwünscht, daß die Angelegenheit im Hinblick auf das Genfer Protokoll vom 4. Oktober 1922 gemeinsam besprochen würde, und daß Deutschland und Österreich bis zur nächsten Sitzung des Bölkcrbundsrates nicht zu endgültigen Feststellungen schritten. Der Reichskanzler hat den Botschafter daraus hin- gewiesen, daß die deutsch-österreichische Vereinbarung sich ganz im Nahmen des Genfer Protokolls halte und somit für den Völkerbund kein Anlaß gegeben sei, sich mit der Angelegenheit zu befassen. Wenn eine Prü fung der Rechtsfrage angestrebt werde, so brauchten die deutsche und die österreichische Regierung diese nicht zu scheuen. Eine Prüfung durch den Völkerbundsrat unter politischen Gesichtspunkten halte die ReichLregierung nicht für zulässig, da das Ab kommen einen wirtschaftlichen Charakter habe. Die deutsch österreichischen Verhandlungen müßten natürlich ihren Fortgang nehmen, könnten aber, wie von vornherein fest gestanden habe, mit Rücksicht auf die zahlreichen zu regeln den technischen Einzelheiten nicht vor zwei oder drei Mo naten zum Abschluß gelangen. Ser Wische Schritt in Wien. Der englische- Gesandte sprach am Mittwoch vormittag beim Vizekanzler Schober vor, vm ihn über die Ansicht Hendersons be züglich der deutsch-österreichischen Zollunion zu unterrichten. Vizekanzler Dr. Schober erklärte dem englischen Gesandten die rechtliche und sachliche Lage und ersuchte ihn, dem Staatsse ¬ kretär Henderson folgendes mitzuteilsn: Die österreichische Bun desregierung ist der Ansicht, daß sich die Vereinbarung der deut schen und österreichischen Regierung ganz im Rahmen des Gen fer Protokolls vom Jahre 1922 hält. Sie hat daher nichts da gegen, daß die rechtliche Geiste des Ueoereinkommens von den Re gierungen, die das Genfer Protokoll seinerzeit unterzeichnet haben, überprüft werde. Eine Ueberprüfung des Uebereinkommens un ter politischen Gesichtspunkten kommt angesichts seines wirtschaft lichen Charakters nach Meinung der cstereichischen Regierung nicht in Betracht. Die österreichische Regierung beabsichtigt, nicht ein Fast accompli zu schaffen. * WM WlHliert die Wfideuten der WwiirtiW Ausschüsse. Paris, 25. März. Der französische Außenminister hatte am Mittwoch vormittag eine Unterredung mit den Präsidenten der auswärtigen Ausschüsse des Senats und der Kammer und entwickelte ihnen die Lage, die durch das beabsichtigte deutsch- österreichische Zollabkommen geschaffen worden sei. Briand setzte die Präsidenten davon in Kenntnis, daß er die deutsche und die österreichische Regierung aus die Achtung vor den bereits bestehenden Abkommen hingewiesen habe. Er habe ferner erklären lassen, daß das Protokoll Nr. 1 vom 4. Oktober 1922, das sich aus die finanzielle Wiederaufrich tung Oesterreichs beschränkt, vom Völkerbund ausgestellt worden sei. Es sei daher unmöglich, daß der Völkerbund nicht das letzte Wort in dieser Angelegenheit zu sprechen habe. MWM sicht die weitere Ent wickelung in Ruhe an. Berlin, 25. März. Die Berichte, daß die deutsch-öster reichische Zollunion vor die kommende Maitagung des Völker- bundsrales gebracht werden soll, werden an Berliner zuständiger Stelle mit Ruhe ausgenommen. Es wird darauf hingewiesen, daß Deutschland einer Nachprüfung der Frage, ob die deutsch-öster reichischen Vereinbarungen gegen die Friedensbestimmungen von Trianon oder des Genfer Protokolls von 1922 verstießen, mit ruhigem Gewissen entgegensetzen könne, da das Zollabkommen die Erhaltung der Unabhängigkeit der beiden Länder ausdrücklich vorsehe. Es wird sodann daraus verwiesen, daß es Fraykreich schwer fallen dürste, den Beweis für die Behauptung zu erbrin gen, daß die Zollunion gegen das Abkommen von 1922 verstoße. Bisher hätten die Franzosen lediglich Behauptungen dieser Art ausgestellt. Den Beweis seien sie aber schuldig geblieben. Man könne daher gespannt darauf sein, wie der Schritt vor dem Völ kerbundsrat begründet werden solle. Weiter sei es selbstverständ lich, daß Deuschland und Oesterreich die Verhandlungen über die Zollunion fortsetzen würden. Die Ausforderung, die Ver handlungen bis zur Tagung des Bölkerbundsrates im Mai einzu stellen, entbehre jeder Rechtsgrundlage. 8m übrigen ist wohl in der Tatsache, daß Briand und Hen derson sich darauf geeinigt haben, die Angelegenheit vor den Völ kerbundsrat zu bringen, ein kläglicher Rückzug Briands zu Zehen, der ursprünglich ganz andere Absichten verfolgt hatte. Es ist ihm offenbar nicht gelungen, die Engländer zu einem gemeinsamen Protestschritt gegen die beabsichtigte Zollunion zu veranlaßen. AWIedsstiMW m RcWtW SchWremm um den Reichshaushalf Zwei Milliarden Mark für die Osthilfe. Massen von Papier haben den Sitzungssaal des Reichs tages überschwemmt. Auf den Pulten der Abgeordneten — bei den weniger Bevorzugten unter ihnen, an den Kästen vor ihren Sitzen — häufen sich die Massen der Drucksachen. Es iß dritte Lesung des Reichshaushalts, und darum haben sich Fluten von Anträgen und von Gesetzentwürfen, die heute er ledigt werden sollen, über jeden Abgeordneten ergossen, Ost hilsegesetz und noch so manches andere kommt dazu, das der Erledigung harrt, und alles wiederum iß umrahmt und ver brämt durch eine Fülle von Anträgen und Entschließungen. Und es begab sich, daß fast in letzter Stunde noch die be rühmte Geschäftsordnungsreform sich auswirkeu konnte. Bisher Hai man von der eigentlichen Reform nur das eine gespürt, daß nach ihrer Anahme die Rechtsopposition den Reichstag verließ. Ein kleines Konfliktchen, das einmal wegen eines finanziellen Antrages über sie ausbrach und die „Refor misten" mobil machte, verschwand bald sang- und klanglos in die Kommission. Jetzt aber hatte die kommunistische Fraktion gegen das Kabinett Brüning einen Mißtrauensantrag Angebracht, der gröbste formale B e s ch t m v f u n a e n entbielt. Er wurde von dem Präsidium zurückgewiesen, und nun — in öffentlicher Sitzung durch einen kommunistischen Redner von der Tribüne des Reichstages herab verlesen, seine entsprechende Veröffentlichung genießt also den verfassungsmäßigen Schutz gegen jegliche Strafverfolgung! Was ja nun eigentlich nicht Zweck der ganzen Übung ist. Massey von Erklärungen! Die Parteien verlesen ganze Bücher über die politische Ent wicklung im allgemeinen und die Haltung ihrer Fraktionen da zu im besonder«. Man lobt die Regierung ein bißchen, tadelt sie ein bißchen, lobt sich, tadelt die anderen Parteien. Denn das ist des Reichstages so der Brauch, wenn Haushalt um Haushalt durch die dritte Lesung rollt. Und darum ist man innerlich ganz zufrieden, daß mau endlich so weit ist. Die Kommunisten treiben noch kräftig Opposition, aber auch darin ist keine rechte Forsche mehr. Die Hauptarbeit heißt heute aber: Aufstehen, hln- setzen! Womit gesagt sein soll, daß diese Hauptarbeit heute in der Hauptfache darin besteht, die Beinmuskulatur zu stra pazieren. Gitzungsöes'ichi. (81. Sitzung.) OL. Berlin, 25. März. Im Reichstage wurde die zweite Beratung des O st - hilfcgcsctzes fortgesetzt in Verbindung mit der zweiten Beratung des landwirtschaftlichen Siedlunasgesctzcs und