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Mittwoch, den 15. April 1931 Wilsdrusf-Dresden Nr. 87 — 90. Jahrgang Telegr.-Adr.: „Amtsblatt Postscheck: Dresden 2640 Zeh" n die lttc Srnst- Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. zum drei sollen sechs- uise wver- ' oor- r da- ts in ürten e Er- !d sei otcsen habe starb. ! hin- . Am d ö r - > noch ll der . No- ckcits- für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die Zerspaltene Siaumzeilc 20Apfg., die-1 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40Reichs pfennig, die 3gespaltene Reklamezeile im tcztlichen Teile 1 Reichsmark. Nachweisungsgebuhr 20 Reichspsennige. Dor- geschriebeneErscheinungs- tage und Platzvorschrifte» werden nach Möglichkeit Ak kN sv 1*e M LV 7 Amt WilSdrUff Nl*. 6 berücksichtigt. Anzeigen annahme bis norm.10 Uhr. — ————— Für die Richtigkeit der durch FernrnfübermitteltenAnzeigen übernehmen wir keine Garantie. Jeder Nabattanspruch erlischt, wenn der Betrag durch Klage eingezogen werden muß oderderAuftraggeberin Konkurs gerät. Anzeigen nehmen aUc Dermittluvgsstellenentgegen. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft,' Das »Wilsdruffer Tageblatt- erscheint an allen Werktagen nachmittags 5 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 AM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 RM., bei Postbestellung "AM. zuzüglich Abtrag- gebühr. Einzelnummern löRpfg.AllePostanstalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umgehend Postboten und unsereAus. ^agerund Geschäftsstellen nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. 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Viel weniger aber spricht man davon oder achtet darauf, wenn die Leiterdergroß en Staatsbanken reisen, sich treffen oder — sich meiden; und doch sind diese Reisen und Begegnungen für das Schicksal der Völker oft viel wichtiger und folgen reicher als das Sprechen und Handeln der politischen Staatslenker, auf die jene Bankgewaltigen übrigens meist nicht übermäßig gut zu sprechen sind, — weil die Politik nur zu oft zerstört hat oder immer wieder hemmt, was Kapital und Wirtschaft aufzubauen bemüht sind. Das alles trifft auch auf den Besuch zu, den der Leiter der Bank von England, Mr. Montagu Norman, soeben in Amerika gemacht hat. Er war dabei zuerst sehr zugeknöpft und infolgedessen sprossen die „Wunschmeldungen" um so schneller und üppiger hoch, namentlich da einige sehr prominente Mitarbeiter des „Gouverneurs" Norman besonders viel mit der Rege lung der deutschen Reparationszahlun- g c n zu tun gehabt hatten, einer von ihnen sogar früher im Generalrat der Neichsbank gesessen hatte. Von dieser Tatsache aus bis zu der Vermutung, Norman habe zum Thema seiner Unterhaltung mit den Amerikanern auch die Krise dieser deutschen Zahlungsver pflichtungen genommen, war daher nur ein Schritt, aber leider ein — irrtümlicher. Von diesem Thema „darf nicht gesprochen werden", denn es zielt letzten Endes aus einen teilweisen Verzicht der Amerikaner auf die Summen ab, die Amerika ins Kriegs„geschäft" gesteckt hat. Und da man sich in den Vereinigten Staaten selbst zurzeit in ziemlicher Verlegenheit befindet, mindestens wirtschaftlich, so darf man jetzt diesem Weltglaubiger nicht mit dem Wunsch nach Schuldennachlas; kommen. Was Norman will und vorschlug, war etwas anderes; aber auch etwas, an dem Deutschland ganz gewaltig inter essiert ist. Nämlich: es ist vom Standpunkt des „Welt"- kapitalismus aus gesehen ein einfach unmöglicher Zu stand, daß auf der einen Seite einzelne Staaten in ihren Geld- und Kapitalmassen fast ersticken, der Zinsfuß für Leihkapital also sehr niedrig ist, während vielleicht schon un Nachbarstaat ein derartiger Kapitalmangel herrscht, Zinsfuß also so hoch ist, daß er jede Rentabilität der Wtrtschg^ dieses Landes unmöglich macht und nur zu einem allmählichen, aber unaufhörlichen Ausbluten, zu einer Überfremdung der Wirtschaft führt, zu Substanz iellsten, die den Wirtschaftskörper immer stärker schwächen. Dlehe Deutschland, dessen Industrie für Kapitalinvestie- umgen dreimal soviel Zins zahlen muß wie die fran- iwche Wirtschaft. Dieses Anormale, diese schweren ^itukturfehler will Norman vor allem mit amerikanischer Hilfe beseitigen, durch Schaffung eines Inter nationalen Kreditinstituts, das die Aufgabe erhalten soll, Anleihegelder in jene kapitallceren oder -armen Räume zu leiten. Dabei soll es sich nur um die sichere und gesicherte, ferner die langfristige Anlage von Geldern handeln, die man nicht zuletzt aus dem breiten Publikum der kleineren und mittleren Kapitalbesitzer her ausholen will, vornehmlich mit Hilfe des großen und dichten, international ausgesponnenen Netzes des englischen Bankwesens An und für sich ist solch ein Institut ja schon da, wenigstens ftls Spitzen-, als Zentralreservoir. Das ist me ^Bank für Internationalen Zahlungsausgleich", also die R ep a r a t l o n s b a n k in Bafel. Bloß — von ^ört oder sicht man j« dieser Beziehung rein gar nichts, nichts von Ausführung gerade dieser ihr übertragenen treditpoluischen Aufgaben, obwohl sie ja nun schon bald ein ^ahr besteht. Es braucht ja gar nicht gesagt zu werden, von welcher Wichtigkeit es für Deutsch- lands Wirtschaft wäre, wenn wir den spärlichen uns zur Verfügung stehenden bzw. vom Auslände gewährten Kredit nicht mehr derart teuer bezahlen müßten, daß diese Kredttuahme ganz unrentabel ist, wie immer größere Zinszahlungen für die außerdem immer noch steigende Verschuldung an das Ausland ent richten müssen. Um es mit einem anderen Schlagwort zu ^zeichnen: Norman will eine „R a t i o n a l i s i e r u n g" Weltkredits herb eis uhren, um vor allem w aste,, Fugen krachende „wcltkapitalistische" Wirt- chaftschstem vor dem Einsturz wichtiger Teile zu be- bewahrcn. . Nur fragt sich dabei, ob — Frankreich, heute das kapitalreichste Land der Welt, nutmachen will; denn cs sträubte und sträubt sich immer, seinen Kapitalexport unter eine internationale nach rein wirtichaftlichen Gesichts punkten arbeitende Kontrolle zu stellen. Man möchte dort wm Geld immer nur vom „französischen", also häufig politischen Standpunkt aus hergeben. Und mit der Über windung steht und faul der Plan Normans; vielleicht haben er leine Freunde es schon lange bereut, daß sie Men den deutschen Widerspruch vor einem Jahr den Direktor der ank von Frankreich zum gleichen Amt bei nämlwbdcr"^ Kredit,"regulierungs"institut, UMsW -er ReMM in Spsnien König Alfons verzichtet auf den Thron Die politischen Leidenschaften in Spanien waren durch die Wahlen aufs äußerste aufgepeitscht worden. Das Wahlergebnis hatte bei den Republikanern einen Rausch der Begeisterung erzeugt, der sich in stürmischen Kund gebungen in den Straßen der Städte Luft schafft. Es kam dabei zu mehreren schweren Zusammen stößen zwischen Monarchisten und Republikanern, bei denen auch mehrere Personen getötet wurden. In der spanischen Hauptstadt besonders durchzogen große Men schenmengen, die Marseillaise singend, die Straßen und der Jubel der republikanischen Menge war unbeschreiblich. Wie immer bei solchen Massenbewegungen war die ge schwätzige Fama emsig am Werk und die wider sprechendsten Gerüchte durchschwirrten die Stadt. Bald, sollte der König abgedankt haben, bald die Diktatur proklamiert sein. Jede Nachricht stachelte die Menschen menge zu neuen Kundgebungen für die Republik und gegen die Monarchie an. Die ganze Nacht über waren die Straßen von Madrid bis zum frühen Morgen angefüllt mit singenden und tanzenden Menschen. Stellenweise fanden Verbrüderungen mit der Polizei statt. Der königliche Palast war in weitem Bogen durch Bürger garde abgesperrt. König Alfons schien noch bis zuletzt entschlossen, nicht nachzugeben und den Thron auf alle Fälle zu verteidigen. Er hatte bereits einen neuen Diktator in der Person des Generals Anida in Aussicht genommen. Die Verhältnisse scheinen denn aber stärker gewesen zu sein und haben ihn zum Thronverzicht gezwungen. Spanien hatte bereits in den 60er Jahren des vorigen Jahrhunderts schon einmal die republikanische Staats form. Die damalige Königin Isabella wurde von ihrem Thron vertrieben, und die daraus folgenden sechs Jahre hatte das Land unter schweren politischen Wirren zu leiden. Während neun Monate Republikzeit lösten sich vier Präsidenten hintereinander ab, ohne daß es einem ge lungen wäre, dem Lande wieder Ruhe und Frieden zu geben. MM Mma wird Präsident. König Alfons XIII. hat nach Madrider Meldungen für sich und seine Familie dem Thron entsagt. Das gegen wärtige Kabinett hatte sich Dienstag nachmittag im königlichen Palais, wo die Unterzeichnung der Aüdan- kungsurkunde durch den König erfolgen sollte, versam melt. Der abgehende Ministerpräsident Admiral Asnar war dazu ausersehen, dem künftiger! Präsidenten der Re publik, Alcalla Zamorra, die staatlichen Gewalten zu übergeben. Nach dieser Übergabe sollte die Republik offi ziell in Madrid ausgerufen werden, nachdem das schon in einzelnen großen Provinzstädten vorher der Fall ge wesen ist. Alcalla Zamorra Wird Präsident der Spanischen Republik. Das neue spanische Mbm tl zmammengetreten. Die Bedingungen des Thronverzichts. Der republikanische Führer Gregorio Maranon er klärte, der König habe unter folgenden Bedingungen auf den Thron verzichtet: Dem König wird erlaubt, Spanien zu verlassen, zur Regelung seiner privaten Angelegenheit soll ihm Zeit gegeben und bei seiner Abreise sollen ihm militärische Ehrenbezeugungen erwiesen werden. Das neue Kabinett ist unter dem Vor sitz Zamoras bereits zusammengetreten. Der König habe zuerst darauf bestanden, zugunsten eines seiner Söhne ab- zudanken. Zamora habe ihm jedoch geantwortet, die Re publikaner könnten sich nur mit einer völligen Abdan kung des Königshauses zufrieden geben. Ter König habe sich dann ins Unvermeidliche geschickt. Sämtliche gefangenen Offiziere und Zivilisten, die in den letzten revolutionären Putsch verwickelt waren, wur den von der neuen Negierung auf freien Fuß gesetzt. Die Republikaner übernehmen iw Mavrid die Gewalt Madrid, 14. April. Die Madrider Arbeiter haben ihre Arbeitsstätten verlassen Md marschieren in langen Demsnstra- tionszügen durch die Straßen der Stadl, in denen man neben der republikanischen häufig die rote Fahne sieht. Gerüchte über die bevorstehende Austeilung des Großgrundbesitzes werden eifrig kommentiert. Aus Börsenkreisen hört man, daß Kapitolverschie bungen ins Ausland in großem Stile im Gange sind. Fremdes Geld ist kaum zu haben. Die Autotaxen fahren mit roten Fahnen. Den städtischen Polizisten werden die Kronen von den Helmen gerissen. Aus dem Gebäude des Innenministeriums weht die rot- gelb-violette Fahne der Republik, ebenso auf dem Rathaus, wo die Republikaner die Leitung der Geschäfte übernommen haben. Musikkapellen durchziehen die Stadt und spielen die Marseillaise. Der neue Innenminister Miguel Mama hat den Sozialisten Sa- bvrit zum Bürgermeister von Madrid ernannt. Bei dieser Zere monie wurde zwei Minuten Stillschweigen zu Ehren des anläß lich der Unruhen von Iaca Hingerichteten Hauptmanns Galan bewahrt, dessen Bild anstelle des Gemäldes des Königs im Sitzungssaal ««gebracht wurde. Zum Zivilgouverneur von Mad rid wurde der Republikaner Eduardo Ortegay Gosset berufen. DurcheiAander iw Barcelona. Die telephonische Verbindung zwischen Barcelona und Madrid ist, wie aus Barcelona gemeldet wird, unterbrochen. Auf den meisten Gebäuden Barcelonas weht die republikanische Flagge. Das Postamt ist geschlossen worden, da die Menge mit Steinen gegen das Gebäude warf, als der Beseitigung des königlichen Wappens Widerstand entgegengebracht würde. Bilder des Königs wurden ans den Fenstern geworfen und verbrannt. Es herrscht ein allgemeines Durcheinander, weil die Polizei nicht weiß, welcher Regierung sie zu gehorchen hat. Katalonien macht sich selbständig Das erste republikanische Ministerium dürste folgender maßen aussehen: Ministerpräsident: Alcala Zamora, Äußeres: Rechtsanwalt Lerroux (Rad. Republ.), Justiz: Professor de los Rios (Soz.), Inneres: Rechtsanwalt Maura (Dem. Republ.), Arbeit: Caballero (Soz.), Finanz: Prieto (Soz.), öffentliche Arbeiten: Rechtsanwalt Albornoz tSoz.), Unterricht: Lehrer Domingo (Republ. Soz.), Verkehr: Rechtsanwalt Barrios, Krieg: Rechtsan walt Azana (Republ.), Wirtschaft: Bofill (Katalane). In Barcelona und zahlreichen Provinzstädten ist die Re publik vom Volk bereits ausgerufen worden. In Barcelona hat man nicht die spanische, sondern die katalanische, separa tistische Republik ausgerufen, deren Leitung Oberst Macia übernommen hat. In Madrid sammelten sich im Innern der Stadt unge heure Menschenmassen. Die Polizei verhält sich völlig passiv. Zu Übergriffen der Menge ist es bisher noch nicht gekommen. Auf monarchistischer Seite ist man durch den plötzlichen Entschluß des Königs, abzudanken, außerordentlich überrascht, da man hoffte, die Krone werde noch einen letzten Versuch zur Rettung des herrschenden Regimes unternehmen. Mit monarchischen Gegenaktionen ist nicht mehr zu rechnen. Die Monarchie hat sonach nach löOjährigem Bestehen durch die Gleichgültigkeit der zu ihrer Verteidigung berufenen Kreise auf gehört zu existieren. König Alfons wird sich voraussichtlich mit seiner Familie nach England begeben. Keine katalanische Republik! Paris, 15. April. Zamora hak eine Kundgebung er lassen, in der es heißt, er habe mit Oberst Macia in Barcelona eine telefonische Unterredung gehabt. Macia habe ihm bestätigt, daß die Republik in Barcelona ausgerufen worden sei. Es müsse aber energisch dementiert werden, daß es sich um eine separa tistische katalanische Republik handele. Macia habe ihm ver sichert, daß die im Gang befindliche Bewegung Katalonien be friedigen werde. Die provisorische Regierung wird eine amtliche Verlautba rung erlassen, die außer einem Aufruf an das Volk in großen Li men dis vorläufige Verfasfung enthalten wird, nach der das Land bis zur Ausarbeitung einer endgültigen Verfassung durch die Cortez regiert werden soll. In den Provinzstädten hat sich die Uebernahme der Macht durch die Republikaner völlig unblu tig vollzogen. Der spanische König verläßt das Land. Das englische Asyl. Der König hat mit seiner Familie in vier Autos Madrid in Richtung zur portugiesischen Grenze verlassen. Vermutlich wird er in Lissabon oder Oporto von einem englischen Kriegsschiff ausgenommen werden.