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MkdmfferTageblatt Mittwoch, den 13. Mai 1931 Wilsdruff-Dresden Postscheck: Dresden 2640 Telear.-Adr.: „Amtsblatt Das Wilsdruffer Tageblatt ist das zur Veröffentlichung der amtlichen Bekanntmachungen der Amtshauptmannschaft Meißen, des Amts- gerichts und des Stadtrats zu Wilsdruff, des Forstrentamts Tharandt und des Finanzamts Nossen behördlicherseits bestimmte Blatt. Nr. 110 — 90. Jahrgang. für LürgertuM/ Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die »ec,palten- Raum,eile MRpsg., die 1 gespalten- ^cUr der nmtiichen Bekanntmachungen «»«ich,. Pfennig, die s gespaltene R-klam-zeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. N-chw-Uuns-sebuhr M Sierchspsenmge. B«. LÄ-N Fernsprecher: Ami Wilsdruff Nr. 6 E^^chÄ^ dürch^crnrus iidcrniiN-Il-nAnz-igen üdern-hmen inir keine Garantie. ^ederAad-tlansprnü, erlischt, wenn d-rBetr-gd«ch Klage eingezogeu werden muß oderderAuftraggeber in Konkurs gerat. Anzeigen nehmen alle ^ermrttlungsftellen entge-eu. Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, LlrWas- SS« Wim 8ie ür; ttilnüM Wlsll Wann kommt die Aonag-Revision? In emer ziemlich versteckten Ecke des vor nun bald mehr als zwei Jahren entstandenen Berichts der Young Piankommission findet sich das verlegene Zugeständnis, daß die Vorschläge der Sachverständigen nicht einzig und Mein von wirtschaftlichen Gesichtspunkten aus erfolgt seien, sondern daß dabei — wir wissen heute, in welch großen» Umsang dies geschah — auch politische Erwägun- gen mitgesprochen haben. Die „Politik" beeinflußte erhev- lich auch den Entschluß der Reichsregierung und der Reichstagsmehrheit, den Neuen Plan anzunehmen. Aber schon in Paris war von den deutschen Vertretern mit aller Deutlichkeit aus die Grenzen des von uns Tragbaren hin gewiesen worden, — und seitdem sind diese Grenzen durch die furchtbare, besonders Deutschlands Wirtschaft aufs schärfste treffende Weltkrise ganz andere, sehr viel engere geworden. Gleichzeitig damit stieg aber die tatsächliche Be lastung um ein Bedeutendes, weil der Goldwert unserer Zahlungen sich um mehr als 20 Prozent steigerte. Dieses Mißverhältnis liegt so offen auf der Hand, daß der Reichskanzler kürzlich mit Recht davon sprechen konnte, ein deutscher Schritt zur Senkung der Reparaiionslasten werde an sich „von jedem als notwendig angesehen". Und der preußische Finanzminister, der sich auch von einem Defizit bedroht sieht, äußerte sich mit großer Bitterkeit über den an sich zu begrüßenden, weil leider notwendigen Vorschlag der Brauns-Kom- Mlssion, im Ausland eine große Anleihe aufzunehmen: „Welchen Sinn hat es, zunächst 1700 Millionen an Repa rationen dem Ausland zuzuführen und dann das der Wirtschaft auf diese Weise entzogene Kapital durch Aus ländsanleihen wieder hereinzuholen! Der Young- PlanhatdiewirtschaftlicheKrafiDeutsch. lands überschätzt; das Reparationsproblem wird zur entscheidenden Frage und — es ist keine Zeit mehr zu verlieren!" Der Minister hätte noch hinzufügen können, - haß wir für das wieder hereingeholte Kapital auch noch Ansen zu zahlen haben mehr als irgenein „südame- . Manischer Raubstaat", dem zögernd eine Anleihe ge- ivähri wird > Natürlich Hai der preußische Finanzmimster verlangt die Völker müßten" sich aus jene „entscheidende Frage einstellen Wie langsam das geht, zeigen die Vorgänge aus und - „eben der Washingtoner Tagung der Internationalen Handelskammer. Eigent- lich „durfte vom Thema nicht gesprochen werden", vom Problem einer Revision deS Young-Planes oder, genauer gesagt, von einer Streichung oder Revision der inter nationalen Kriegsschuldenverpslichtungen. Und im Ver ein mit den französischen Delegierten haben die Amerika ner immer wieder versucht, jedes Berühren des „heißen Eisens" zu verhindern. Aber ganz gelang dies doch nicht, obwohl der Staatspräsident Hoover selbst und sein Staatssekretär des Schatzamtes Mellon mit unzweideu tigen Worten jede Schuldenstreichung ablehnten, wenig stens so lange, als die europäischen Militärstaaten nicht in der Abrüstungsfrage Vernunft annchmen würden. In der Endentschließung des Handelskammertages befaßte sich eine vorsichtige Formulierung nun doch mit dem .Thema", stellt die Unantastbarkeit der internationalen Verpflichtungen" fest, fügte aber hinzu, daß sie n l cht im Widerspruch stehe zu einer „unparteiischen" Prüfung der Wirrungen dieser Verpflichtungen auf den Welthandel, fertigen"""^*^ wirtschaftliche Verhältnisse dies recht- ^"ucht diese Entschließung nicht zu über- ' . aA - wäre für Deutschland geradezu untragbar inuü "eu» die Internationale Handelskammer und dMer Tagung versammelten Delegierten dem „Thema" vorbeigegangen wären; zu brauchen wir auch nicht die mannigfachen ^"^^R^m^enkanischer Bankiers, die Deutschland zu Mn.,uVBwn oder zur Verkündigung des im Amunt^n^gesehenen Aufbringungsmoraloriums zu .7 N dient nur dazu, das schon mehr der des Young-Planes vor den tollen aber-^Es ^verschwinden oder vernebeln zu bewand darren i ^"e Zeit mehr zu verlieren" In °ul^ "°« «-U "b" °t» MMm.-n ^vsi Oedi es Imlach unseren Wünschen und Hoffen! Amerika verweist ja immer darauf, vast es ihm jetzt in der WirtschaftSdepressto^ gehe und „die Leute bei uns finden, sie zahlten schon genug Steuern" wie in Washington dm amenkani cher Delegierter äußerte. Pom Reichskanzler fedensallS hat man ,n seiner Rede am Sonn tag nichts auch nur Andeutendes gehör, darüber ob und wann er den von jedem als notwendig angesehenen Schritt" tun will Er will ihn im Hinblick aus Genf zu nächst nicht tun. Dann kommt erst noch pjx Zusammen kunft mit Macdonald und — ein Bündel von neuen Sparmaßnahmen", die zur Festigung der innerdeutschen Position dienen sollen. Zum zweitenmal also und hoffeni lich nicht mit ausbleibendem Erfolg, dann aber „haben wir wirklich keine Zeit mehr zu verlieren"! Dunkle Wolken „Unpopuläre Sparmaß nahmen". Was wird die nächste Notverordnung Wingen? „Unpopuläre Sparmaßnahmen" hat der Reichskanzler erneut in einer Rede angekündigt und diese Äußerung hat in der Öffentlichkeit einige Nervosität her. vorgerufen. Man hat sich in mehr oder weniger wahr scheinlichen Vermutungen ergangen, was mit diesen dunk len, drohenden Worten gemeint sei. Werden damit neue Steuern, neue Anleihen oder weitere Kürzun gen von Löhnen und Gehältern angemeldet? Das große Defizit, das sich bereits am Anfang des neuen Etatsjahrs herausgestellt hat, und die letzte Rede des Finanzministers lassen Sparmaßnahmen, die über den Rahmen der bisher in Aussicht genommenen hinausgehen, nicht unwahrscheinlich erscheinen, doch weiß man wirklich nicht mehr recht, wie die Steuerschraube weiter angespannt werden kann, ohne sie zu überdrehen, oder die Einkommen beschnitten werden können, ohne einen Sturm der Em pörung hervorzurufen. Daß dem Reichskabinett Spar pläne vorliegen, die sich besonders auf das Gebiet der Sozialversicherung erstrecken, ist bekannt und daß neue Einschränkungen von Gehältern und Löhnen herumspuken, davon wird gemunkelt, aber ob darüber eine Einigkeit im Kabinett erzielt werden wird, wie sie zum Erlaß einer Notverordnung nötig ist, läßt sich bei den herrschenden Gegenströmungen nicht Voraussagen. Jeden falls würden eventuelle einschneidende Maßnahmen auf diesem Gebiet den Reichstag auf den Plan rufen und mne SommertaLUNg bewirken. vracy der drohenden Ankündigung des Reichskanzlers zeigen auch zwei Reden des Reichsfinanz ministers, daß die Zukunft nicht besonders Gutes bringen dürfte. Dr. Dietrich sprach über die mißliche Lage der Reichsfinanzen und führte dabei u. a. aus: Wenn der vorjährige Sommer noch glimpflich überwun- den worden sei und das Reich seit November keinen Pfennig Kredit mehr gebraucht habe, so sei die Lage jetzt dadurch erschwert, daß die Arbeitslosigkeit nicht in dem erwarteten und erhofften Ausmaß zurückge gangen sei. Ein endgültiges Urteil sei natürlich zurzeit noch nicht möglich, aber man müsse sich darauf einstellen, daß das Schlimmste eintrete. Drei Milliar den Mark habe die Arbeitslosigkeit einschließlich ds: Wohlsahrtserwerbslosigkeit im vergangenen Jahre ge kostet. Wenn man dazu rechne, daß wir an inneren und äußeren Kriegslasten vier Milliarden Mark zu sammen auszubringen haben, so werde man etnseben. das; die Aufbringung von sieben Milliarden Reichsmark für diese Zwecke auf die Dauer nicht möglich sei. Helfen könne nur eine Ankurbelung derWirt- Ichaft. Diese sei aber ungeheuer erschwert durch den Kapitalmangel, der durch die Zahlung der Repara tionen fortgesetzt vergrößert werde. Wenn in der aus ländischen Presse neuerdings wieder die Meinung ver treten sei, Deutschland könne bestimmt zahlen, wenn es nur sparsam genug sein wolle, so sei darauf zu er widern, daß die Voraussetzung für die Zahlungsfähig, keil, die Ankurbelung der Wirtschaft, fehle. Wenn sich Herausstellen sollte, daß diese Ankurbelung unter dem Druck der Tributlasten nicht gehe, dann allerdings werde auch die Zahlung der Tributlasten an daS Ausland auf die Dauer nicht möglich sein. Daß Deutschland seinen privaten Verpflichtungen ebenso auf Heller und Pfennig nachkommen werde wie der Verzinsung von An leihen, sei selbstverständlich. Zum Schluß betonte der Minister, das Schicksal Deutschlands hänge davon ab, ob die überwiegende Mehrheit des deutschen Volkes den Staat bejahe und entschlossen sei, ihn und damit die Grundlagen unserer Wirtschaft und Politik in Zukunft zu verteidigen. In einer zweiten Rede entwickelte der Reichsfinanz minister die gleichen Grundgedanken. Auf eine Anfrage über die Kürzung der Beamtengehälter wies der Finanzministcr darauf hin, daß er persönlich diesen Weg nicht für gangbar halte, um die damit eingesparte Summe nicht groß genug sei, um die Differenz auszugleichen. Hinzu komme, daß dann auch wieder die Länder und Gemeinden nachkommen müßten. Der Minister betonte, er spreche jedoch nicht für das Reichskabinctt, das seine Entscheidung noch nicht getroffen habe und erst in den nächsten Wochen darüber Beschluß fassen werde. Jedenfalls liegen also bisher irgendwelche greifbaren Pläne der Regierung noch nicht vor. Nach den letzten Sitzungen des Kabinetts, die sich mit außenpoliti schen Fragen befassen mußten, werden die Beratun gen über die Sanierung des Reichshaushalts und der Sozialversicherungen erst nach Genf ausgenommen werden. Bis dahin sollen die zuständigen Ressorts ihre Vorbereitungen treffen. Es verlautet, daß der Reichs- kanzler die Äbsicht hat, zur Verabschiedung der auf diesem Gebiet geplanten Reformmaßnahmen die Zeit zwischen Pfingsten und der Abreise nach Chequers, die auf den 4. Juni angesetzt worden ist, zu benutzen. In unterrichteten Kreisen rechnet man mit der Veröffent lichung einer entsprechenden Notverordnung nunmehr für die ersten Tage des Juni, nachdem ursprünglich dafür Mitte Juni in Aussicht genommen war. Lehte Vorbereitungen für Genf. Das Reichskabinett veröl noch immer. Das Reichskabinett hat seine außenpolitischen Beratungen, die am Vortage abgebrochen wurden, wieder ausgenommen. Es handelt sich hierbei ausschließlich um die Fortsetzung der Aussprache über die bevorstehenden Genfer Verhandlungen des europäischen Stu- dienkomilees und des Völkerbundraies, über die Dr. Curtius eingehend berichtet hat. Die Beratungen fan den unter Vorsitz des Reichskanzlers und in Anwesenheit des Reichsbankpräsidenten statt. Sie werden am Mittwoch zu Ende geführt. Der Weg zum Frieden. Das Abkommen über die kriegsvorbeugenden Maßnahmen. Im Sonderausschuß des Völkerbundes für das internationale Abkommen über die kriegsvorbeugenden Maß nahmen ist in einigen Punkten eine grundsätzliche Eini gung zustande gekommen. Der Ausschuß nahm den ersten Hauptartikel an, in dem sich die Staaten verpflichten, im Falle eines internationalen Streitfalles die Beschlüsse des Völker bundrates nicht militärischen Charakters zur Bei legung des Streites im voraus anzunehmen und durchzu- sühren. Ferner wurde beschlossen, daß der Völkerbundrat verpflichtet sein soll, bei einem militärischen Einfall in fremdes Gebiet eine sofortige Zurückziehung der Truppen zu verlangen, während sich die Regierungen verpflichten, die Zurückziehung der Truppen vorzunehmen. Eine größere Aussprache rief ein offensichtlich auf Deutsch land hinzielender Antrag der polnischen Negierung hervor, nach den, der Völkerbundrat diejenige Regierung, die bei drohender Kriegsgefahr einen Bruch internationaler Verpflich tungen begeht, zu einer sofortigen Zurückziehung dieser Maß nahmen a'usfordern soll, wobei die betreffende Negierung sich im voraus in dem Abkommen verpflichtet, die den Bruch der internationalen Verträge darstellenden Maß nahmen rückgängig zu machen. Von englischer und holländi scher Seite wurden an den polnischen Regierungsvertreter Fragen gerichtet, er lehnte jedoch die Beantwortung ab. Erörtert wurde ferner ein deutscher Antrag, nach dem sich die Regierungen verpflichten sollen, bei drohender Kriegsgefahr ihren Truppen jede selbständige feindselige Handlung zu ver bieten. Durch diesen Antrag soll ein s elbständ i ges Vor gehen einzelner Truppenkörpcr vermieden werden. Schober nach Sens Mereist. Berlin, 12. Mai. Vizekanzler Dr. Schober ist am Diens tag abend nach Genf abgereist. Ursprünglich war ein kurzer Aufenthalt in Zürich ip Aussicht genommen, wo Schober einen Vortrag über die geplante Zollunion mit Deutschland halten soll te. Er ist jedoch aus verschiedenen Gründen hiervon abgekommen und fährt direkt nach Eens. Vor seiner Abreise äußerte sich Dr. Schober gegenüber einem Pressevertreter wie folgt: „In einer schicksalsschweren Stunde trete ich heute die Reise mach Genf an. Ich weiß mich mit der Heimattreuen Bevölkerung Oesterreichs einig in der Erkenntnis, daß es höchste Zeit war, das Gewissen Europas auzurütteln. Das ist mit dem von der deutschen und österreichischen Regierung vereinbarten Plan einer Zollunion geschehen. Wenn es noch eine- Beweises bedurft hätte, daß nicht politische, sondern wirt schaftliche Erwägungen unsere Schritte geleitet haben und daß es nicht eine Überrumpelung mit politischen Plänen war, als Oester reich und Deutschland den Mächten ihre Absicht mitteilten, Ver handlungen übe, eine Zollunion zu beginnen, so ist es die von der österreichischen Regierung soeben mit schwerer Mühe abge- war-dte Katastrophe ihres größten Bankinstituts, die wohl — und das ist unleugbar — die absolute Notwendigkeit einer wirk lichen Hilfe für Oesterreich dartut. Die mir zugewiesene Aufgabe, Europa davon zu überzeugen, ist gewiß nicht leicht. Trotzdem zweifele ich nicht, daß dieser Blitz aus heiterem Himmel, der unsere ganze wirtschaftliche Lage beleuchtet, dazu beitragen wird, daß der gemeinsame Notschrei Deutschlands und Oesterreichs verstanden werden wird. Wer «richt will, daß inmitten von Euro pa ein Trümmerfeld entsteht, der muß mit den Versäumnissen der Vergangenheit Schluß machen und Oesterreich das geben, was es zum Leben notwendig braucht. pariser Vorbesprechungen. Der Auftakt zu Genf. Rach alter Gepflogenheit führen alle Wege nach Genf iber Paris. Der englische Außenminister Henderson wird sic; utzi mit Briand insbesondere über die Schwierigkeiten bei ^en Flottenverhandlungen unterhalten. In gutunlcrrichtcten nanzösischen Kreisen bösst man, daß sich England nnd Italien zuletzt doch noch bereit finden, mindestens die Kiellegung einer beschränkten Zahl sranzösischer Kriegsschiffe im Fabre 1935