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MKdmfferAgettatt Nationale Tageszeitung für die Landwirtschaft, Das .Wilsdruffer Tageblatt" erscheint an allen Werktagen nachmittags 8 Uhr. Bezugspreis: Bei Abholung in der Geschäftsstelle und den Ausgabestellen 2 RM. im Monat, bei Zustellung durch die Boten 2,30 AM-, bei Postbestellung 2 AM. zuzüglich Abtrag- ..... . .. .. . gebühr. Einzelnummern ISRpfg. Alle Pos. anstalten Wochenblatt für Wilsdruff u. Umaeaend Postbot-nunduns-reAus. trägerundSeschästsftclle» nehmen zu jeder Zeit Be ¬ stellungen entgegen. Im Falle höherer Gewalt, Krieg oder sonstiger Betriebsstörungen besteht kein Anspruch auf Lieferung der Zeitung oder Kürzung des Bezugspreises. — Rücksendung eingesandter Schriftstücke erfolgt nur, wenn Porto beiliegt. für Bürgertum, Beamte, Angestellte u. Arbeiter. Anzeigenpreis: die 8 gespaltene Naumzeile 20Nxfg., die 4 gespaltene Zeile der amtlichen Bekanntmachungen 40 Reichs- Pfennig, die 3 gespaltene Reklamezeile im textlichen Teile 1 Reichsmark. 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Wohl die unerquicklichste Szene auf der an Entglei sungen politischer Art nicht gerade armen Maisitzung des Europakomitees war jene, als der jugoslawische Ver treter in kaum noch verhüllter Form Deutschland als den am Weltkriege Schuldigen bezeichnete. Wirkungslos ver hallte im Schweigen der anderen die scharfe Erwiderung des deutschen Autzenministers —, im Schweigen der ande ren, das fast oder ganz eine Zustimmung zu jenem An wurf bedeutete. Und man sollte sich als Deutscher nicht täuschen: Trotz aller Veröffentlichungen aus den Archiven der verschiedensten Länder, trotz der schier unübersehbar langen Reihe der Aktenpublikationen hält man im „ehe mals feindlichen" Ausland eisern fest am Dogma von der deutschen Schuld am Kriege, und soeben erst hat der frühere Kommandeur der amerikanischen Streitkräfte in Frankreich, General Pershing, in seinen Erinnerungen das Märchen von dem „kriegslüsternen deutschen Milita rismus" wieder aufgewärmt. Zwölf Jahre nach Kriegs beendigung! Und wenn sich doch im Auslande Stimmen finden, die Deutschland Gerechtigkeit widerfahren lassen, wenn sogar in Frankreich Anklagen gegen die Vorkriegs polilik eines jeden deutsch-englischen Ausgleich verhin dernden Poincars erhoben werden,so sind das nur Pre digerin der Wü fte. Es macht sich besser, wenn man das Diktat von Versailles und die ganze nachfolgende Mißhandlung Deutschlands so „moralisch" mit der deut schen Schuld am Kriege unterbauen und rechtfertigen kann! Um dann auch, wie in Genf, bei „passender" Ge legenheit darauf hinzuweisen. Aber wenn wir Deutschen uns eine Illusion darüber nicht machen sollten, daß auch ein Zerreißen jenes „mora lischen" Mäntelchens uns nur umgehend von den Fesseln des Versailler Diktats und der späteren mehr oder weniger abgepreßten „Verträge" befreien würde, so dürfen wir doch aus Gründen der nationalen Ehre den KampfgegendieLügederdeutschenKriegs- schuld nicht aufgeben. Der „Arbeitsausschuß deutscher Verbände", der diesen Kampf zu seiner besonderen Aufgabe gemacht Hal, stellte seine jetzige, in Dresden veranstaltete, Reichstagung ganz unter den Ge danken: Mr Deutschland ist die Revision von Versailles heute einfach Existenzfrage; aus ihm entspringt die alleinige untragbar gewordene Belastung Deutschlands mit den Kosten des Weltkrieges. Und wenn Frankreich immer wieder aus die „Heiligkeit der Verträge" hinweist, so tragen diese nur den lügenhaften Heiligenschein der deut schen „Schuld am Kriege", der sofort aufpoliert wird, wenn Deutschland Gleichberechtigung und Revision verlangt, wie sie uns auch im Völkerbundstatut zugesagt sind. Während doch nichts anderes als die Sorge um den Anteil an jenem „Kriegsprofit" der Grund des Widerspruchs gegen unser Revisionsbegehren ist. Gewaltige, unablässige, nur lang sam wirkende Arbeit kann hier wenigstens das Urteil der Geschichte beeinflussen, auf deren heutige Einstellung das Wort Rankes in seinem schweren Deutsch leider nur allzu sehr paßt: „Soweit ist die Historie daran, daß sie die Politik verbesserte, — daß sie gewöhnlich von ihr verdeckt wird!" Aber selbst mit dem „Kriegsprofit" ist das bisweilen eine eigene Sache. Bei England steht es recht faul damit und während man Deutschland bis aufs Messer bekämpfte, weil es seine Flotte auf eine Stärke von zwei Fünfteln der englischen bringen wollte, hat man jenseits des Kanals die Vorherrschaft zur See verloren. Das „Beherrsche die Wogen, England" ist ausgeträumt und das Londoner Marine-Abkommen macht ebenso viel Sorgen wie die Vorbereitung zur Abrüstungskonferenz. Ganz abgesehen noch von den wirtschaftlichen Nöten. Und das alles, dieses Minus an „Kriegsprofit" haben immer wieder tue englische Regierung veranlaßt, sich ins Schlepp tau der französischen Politik zu begeben, den Franzosen die Hegemonie auf dem Kontinent zu überlassen und da- gegenüber Deutschland. Wenn es Paris allzu toll trieb, sprach man in London höchstens einen ulrlden Tadel aus, der weiter nichts kostete. Und steckte ruhig jede scharfe Antw ein, die dann prompt aus Frankreich „Kosten durfte eine etwaige Be ¬ günstigung Deutschlands überhaupt nichts und der eng lische Schatzkanzler Macdonalds, Snowden, gab keinen Penny von dem Verkaufserlös des beschlagnahmten noch längst nach dem Kriege verschacherten deutschen Privat eigentums heraus. Aber Deutsch-Ostafrika will man noch restlos schlucken! In Chequers wird man enqlischer- seits alles daran setzen, zu verhindern, daß Deutschland nun etwa in der Abrüstungsfrage bzw. auf der kommenden Konferenz „Sperenzien macht - Vielleicht läßt sich das — aushandeln. Etwa gegen Deutschlands drängenden Wunsch nach einer Revision seiner Zahlungsverpflichtun gen. Daß hier die Dinge sich bis aufs äußerste zugespitzt haben, könnte man in den englischen Regierungskreisen eigentlich wissen, aber — weiß man es wirklich? Den Herren Macdonald und Henderson hierüber klaren Wein einzuschänken, ist der erste Zweck des deutschen Ministerbesuches in Chequers. Und der zweite ist der, auch Klarheit darüber zu schaffen, daß eine nur auf schiebende Zwischenlösung" in irgendeiner Form keine Lösung, kaum noch eine Verschleierung und nicht emmal mehr eine Galgenfrist sein würde. Prüfung deutflher Was wird Ehequers bringen? Der Beweis ver deutschen Notlage. Anläßlich des bevorstehenden Besuches des Reichs kanzlers und Retchsaußenmtn'sters in Chequers hebt wieder ein großes Rätselraten und Prophezeien an über den Inhalt der kommenden Unter haltung der deutschen und englischen Staatsmänner und deren Wahrscheinliches Resultat. Wichtige Fragen stehen la genug zur Debatte, und der Verlauf und Ausgang der Genfer Ratstagung haben zu den bei der Einladung vor liegenden Themen noch neuen Umerhaltungsstoff in Menge hinzugefügt. Die Nachprüfung der deutschen Zahlungsfähigkeit zu erreichen soll nach englischen Mutmaßungen eins der Hauptziele der deutschen Delegation sein. Nicht unin teressant ist, was dazu das offizielle Organ der Partei Macdonalds schreibt. Der diplomatische Korrespondent dieses Blattes legt eingehend die voraussichtliche englische Antwort dar, die die deutschen Minister in Chequers auf ihre Fra gen über die Reparationen erhalten würden. Macdonald und Henderson würden ihren Gästen die Versicherung ab geben, daß in England volles Verständnis für die Schwie rigkeiten des deutschen Volkes vorhanden sei. Sie würden aber ganz klar darauf hinweifen, daß die Revision des Uoungplans nicht eine Angelegenheit Englands und Deutschlands allein sei. Macdonald und Henderson würden deshalb die deutschen Minister daraus Hinweisen, daß sie sich an die anderen Mächte einschließlich Amerika wenden müßten, wenn sie eine Revision des Uoungplans wünschten. Die ganze Angelegenheit werde baldigst nach- gcprüft werden, wenn die Lage in Deutschland wirklich so ernst sei, wie die Deutschen behaupteten. Es sei anzu nehmen, daß die Deutschen diesen Rat befolgten. Eine Folge der Besprechungen in Chequers und Lon don würde also sein, daß baldmöglichst die Frage der deut schen Zahlungsfähigkeit wieder einmal von Sachverstän digen und zwar entweder durch einen Sachverständigen ausschutz oder durch die BIZ. nachaevrüft werde. WlllW-Wt? Der Beweis, daß Deutschland am Ende seiner Kraft angelangt ist, dürfte für die deut schen Minister nicht schwer zu erbringen sein. Sie brauchen in ihren Akten nur die Eingaben, Warnungen und Drohungen in Chequers vorzulegen, die das Bekannl- werden des vermutlichen Inhalts der Notverordnung aus gelöst Hai. Von Rechts und Links, von Industrie und Landwirtschaft, von Arbeitgebern und Arbeitnehmern wird gegen die bevorstehende Maßnahme Sturm gelaufen, und wenn auch die gute Absicht der Regierung im allge meinen anerkannt wird, so erklingt doch überall der Not schrei: „Wir können nicht weiter, was jetzt da «»gekündigt wird, geht über unsere Kraft!" So hat jetzt der Reichsverband der Deutschen Industrie mitgeteilt, daß der bisher bekannt gewordene Inhalt der bevor stehenden Notverordnung in allen Kreisen der Industrie schwere Besorgnisse hervorgerusen hat. Man steht in der Absicht, im Wege einer Krisensteuer eine neue direkte Be lastung des Einkommens zu schaffen, einen überaus ver hängnisvollen Entschluß, der sich dahin auswtrken muß, daß zum Nachteil aller schaffenden Stände weitere Mittel der Kapitalbildung entzogen werden. Damit wird die Mut losigkeit nur vergrößert und jeder Ansatz zu einer allmäh lichen Besserung der Wirtschaftslage erneut gefährdet. Ferner hat das Präsidium des Rcichslandbundcs an den R e ich s k a n z l e r und den Retchsernährungs- Minister ein Schreiben gerichtet. In dem Schreiben an den Reichskanzler heißt es, die Landwirtschaft sei schwer be unruhigt über die Pressemitteilungen, wonach der Kanzler den Sozialdemokraten unter Umständen eine Senkung der Brotgetreidezölle in Aussicht gestellt habe. Es dürfe nicht wieder vorkommen, daß die Preise der kommenden Ernte so geschädigt werden, daß diese wieder mit Verlust für den Landwirt verschleudert werden müsse. Nicht Abbau der Getreidezölle, sondern Aufbau des Schutzes der Veredelungswirtschaft sei das Gebot der Stunde. Die unbedeutende Roggenpreis steigerung der letzten Wochen könne für die Verteuerung des Brotes nicht verantwortlich gemacht werden Der Reichsland bund fordere erneut die Aufhebung des Nachtbackverbotes. Am Schluß des Schreibens wird der Kanzlei dringend ersucht, alle Bestrebungen, die die Erzeugerpreise des Landwirts erneut ge fährden, abzulchnen. Die lehte Keile. Ein Regierungsausrus zur Notverordnung. Das Reichskabinett setzte die Beratungen der Notverordnung fort, die sich jetzt im wesentlichen nur noch auf die redaktionelle Fertigstellung erstreckt. Den beim Reichskanzler versammelten Ministerpräsidenten und Finanzministern der deutschen Län der wurden die Grundzüge der Verordnung mitgeteilt. Die Konferenz beschäftigte sich vor allem auch mit der Rück wirkung der Verordnung auf die Sanierung der Finanzen der Länder und der Gemeinden, die einem Teil der Finanzverwaltungen der Länder keineswegs aus reichend erscheint. Bei den Kabinettsberatungen handelt es sich nicht nur um die Verordnungen, sondern auch um den gleichzeitig mit ihr zu erlassenden Aufruf: Dem Reichspräsidenten wird der Reichs kanzler im Laufe des Mittwoch über die Notverordnung und über die gleichzeitig mit ihrer Veröffentlichung beab sichtigte Kundgebung der Reichsregierung Vortrag halten. Die formelle Unterzeichnung der Verordnung durch den Reichspräsidenten wird jedenfalls erst nach der Abreise des Kanzlers und des Autzenministers vollzogen werden. Die V e r ö f f e n t l i ch u n g wird erst für Ende der Woche — Freitag oder Sonnabend — er wartet. * Sächsische Teilnahme an -er Wnlfferkonferenz. Dem Vernehmen nach sind Ministerpräsident Schieü und Finanzminister Dr. Hedrich nach Berlin gereist, uw an der Ministerpräsidentenbesprechung der Länder übe: das neue Steuerbukett teilzunehmen. Der amtliche Bericht über die Besprechung des Kanzlers mit den Ministerpräsidenten der Länder. Berlin, 2. Ium. Amtlich wird niitgeteilt: Reichskanzler Dr. Brüning empfing am Dienstag im Beisein der zuständigen Reichsminister und des Reichsbankpräsidenten in der Reichskanz lei die Staats- und Ministerpräsidenten der deutschen Länder zu eingehender Aussprache über die von der Reichsregierung in Aussicht genommenen Sanierungsmatznahmen. Die Aussprache diente lediglich der Orientierung, Beschlüße wurden nicht gefatzt. Warnung vor neuer Belastung. Sie führt zum Zusammenbruch von Staat und Wirtschaft. Die Bremer Handelskammer nimmt in einem Telegramm an den Reichskanzler und die Spitzenverbände der Wirtschaft sowie andere maßgebenden Stellen zur neuen Notver ordnung Stellung. In dem Telegramm heißt es: „Der Schutz der Wirtschaft vor neuen Belastungen ist durch offi zielle Versprechungen der Reichsregierung wiederholt als dringende Staatsnotwcndigkeit anerkannt. Die allgemeine Entwicklung zeigt von Tag zu Tag mehr, daß schon die bisherigen Lasten die Leistungsfähigkeit der Wirtschaft übersteigen. Jede weiter? Belastung, die offen bar mit der Notverordnung geplant ist. muß unbedingt zum völligen Zusammenbruch von Wirtschaft und Staat führen. Grunderfordernis ist die Wiederbelebung der Wirtschaft. Hierzu sind Produktionsverbilligung und Er mäßigung der öffentlichen Lasten unerläßlich. Notwendig ist daher vor allem auch eine durchgreifende Senkung des gesam ten sozialen Aufwandes und bei allgemeiner Minderung der Ausgaben in der Erwerbslosenfürsorge die Herausnahme der Saisonarbeiter aus der Arbeitslosenversicherung. Wir warnen auf das dringendste vor jeder neuen Belastung der Wirtschaft." * Sie sächsische Industrie an die Reichsreqierung. Erne Eingabe gegen neue Steuern. Der Verband Sächsischer Industrieller hat, „beun ruhigt durch die Zeitungsmeldungen über die neue Not Verordnung", an die Reichsregierung eine Eingabe ge richtet, in der er bittet, nicht nur im Interesse der In dustrie, sondern vor allem im Interesse der Volksgesamt heit jede Erhöhung der Steuerbelastung der Industrie und insbesondere auch des Einzelunternehmers unbedingt zu vermeiden. Hugenberg zur Lage der Industrie. Berlin. Anläßlich -der bevorstehenden Sondertagung des „Langnamvereins", des Vereins zur Wahrung der wirtschaft lichen Interessen der rheinisch-westfälischen Wirtschaft, veröffent licht der deutschnationale 'Parteiführer Dr. Hugenberg Ausfüh rungen, die sich insbesondere mit der Lage der Industrie und den Ursachen ihres Daniederliegens beschäftigen. Die Regierung Brüning, schreibt Geheimrat Hugenberg, stellt den letzten Ver such dar, auf Kosten des deutschen Volkes die Erfüllungspolitik nach außen durchzusetzen und auf Kosten der deutschen Wirtschaft